Es war einer der wunderbarsten Augusttage, die in diesem Jahr bisher gewesen waren. Die Sonne schien vom makellosen blauen Himmel herab und ein leichter Wind wehte durch die Straßen Berlins. Kerstin hatte ihren Arbeitstag beendet und war auf dem Weg nach Hause. Gutgelaunt, da es heute keine größeren Zwischenfälle gegeben hatte, schloss sie die Tür auf. Michael musste gleich aus der Kanzlei kommen. Fröhlich pfeifend begann sie das Abendessen zu kochen. Das war ein Leben. Zuerst dieses wunderbare Wetter, das laut dem Wetterdienst auch die nächsten Tage anhalten sollte und dann hatte sie heute ihren letzten Arbeitstag gehabt. Übermorgen würde mit Michael den Flieger nach Schottland betreten und dort heiraten. Sie freute sich auf die kleine Kirche, in der die Zeremonie stattfinden sollte. Alles würde, wie sie es sich gewünscht hatte, im kleinen Rahmen ablaufen. Sie, Michael und ihre beiden Elternpaare. Kein Aufsehen, kein Prunk.

„Hallo Liebling" Michael kam herein, stellte seine Tasche ab und küsste Kerstin „Wie war dein Tag?"

„Schön. Und deiner?"

„Ich habe jede Menge Glückwünsche entgegen nehmen können obwohl ich meinte, damit sollten sie bis nach der Trauung warten. Für meine Kollegen gibt es keinen Zweifel mehr an unserer Hochzeit"

„Für dich etwa?"

„Nein, natürlich nicht"

„Na also" Kerstin rührte lächelnd im Topf. Keine zwei Tage mehr und sie wäre endlich Michaels Frau. Konnte es etwas Schöneres geben?

Am nächsten Tag stellte sie entsetzt fest, dass sie einige Hochzeitsunterlagen in Reutlitz gelassen hatte. Sie hatte dem Pfarrer per Fax von dort bestätigt, dass sie ihren Hochzeitstermin wahrnehmen würden. Eilig fuhr sie nach Reutlitz.

„Was machen Sie denn hier?", begrüßte Möhrchen sie.

„Ich habe etwas in meinem Büro vergessen" Kerstin stürmte lächelnd an ihr vorbei zur Krankenstation. Wo hatte sie die Papiere nur liegengelassen? Da war der Stapel mit den Unterlagen, die sie gestern erledigt hatten, da der mit denen, die warten konnten. Und wo war das Fax?

„Hi" Kerstin sah auf. Vor ihr stand Sascha, einen Stapel Handtücher auf dem Arm"

„Hi", brachte Kerstin verlegen heraus „Was machst du denn hier?"

„Jansen meinte, ich solle die Handtücher herbringen. Er nennt das, etwas für mein Studium tun, guten Willen zeigen. Solltest du nicht…nicht im Flugzeug sitzen?"

„Ja, morgen, ich müsste packen, aber ich habe ein Fax verlegt…" Kerstin riss ihren Blick von der Schreibtischoberfläche und sah direkt in Saschas Augen, die sie traurig ansahen.

„Sascha, ich…"

„Lass gut sein", unterbrach Sascha sie „Alles was du sagen willst würde nichts an der Situation ändern. Ich verstehe nicht wieso du Michael heiratest, aber du wirst es tun und ich werde es akzeptieren…müssen"

„Ich liebe Michael"

„Bist du dir da sicher?"

„Ja, sehr. Ich weiß, du dachtest wegen damals, der Kuss und meinen ersten Zweifel wegen der Hochzeit…aber ich werde ihn heiraten. Es ist das Richtige wenn wir heiraten."

„Aber ist er der Richtige?"

„Ich wüsste nicht, wer es sonst sein sollte", flüsterte Kerstin. Sascha sah betrübt zu Boden um ihre Tränen zu verbergen.

„Dann wünsche ich dir, euch, viel Glück" Sie legte die Handtücher auf die Liege.

„Sascha…", versuchte Kerstin erneut mit ihr zu reden, aber Sascha verschwand wortlos aus dem Zimmer. Kerstin sah ihr nach. Was sollte sie machen? Sie liebte Michael. Das war so gewesen bevor sie als Insassin nach Reutlitz kam, das war so als sie Insassin und das war auch nun, danach, so. In ihrem Leben gab es nur Michael.

Endlich fand Kerstin das Fax, steckte es ein und ging gedankenverloren zu ihrem Auto zurück. Sie musste sich beeilen wenn sie noch rechtzeitig fertig werden wollte.

Am nächsten Abend heirateten sie und Michael in Schottland!