Prolog

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Die schwüle Hitze der trockenen Nachmittagsluft drang durch das kleine, halb geöffnete Fenster in das Innere der dreckigen Räumlichkeit. Schon lange hatte niemand mehr die inneren Wände zu Gesicht bekommen, schreckten Ekel und die Angst vor Infektionen doch nur zu gut die Menschen ab, so dass diese sich lieber andere Orte suchten um ihre Notdurft zu verrichten, auch wenn diese nicht extra dafür eingerichtet waren. Alles war wohl besser als ein versiftes Loch, für das sich sogar augenscheinlich die Ratten zu fein waren, denn neben dem etlichen Geschmiere an Wänden und Türen setzte sich sogar Schimmel an der ein oder anderen Stelle an, geschweige von dem Schmutz, der sich in jede Ecke rein gefressen hatte und sich wohl auch nicht mehr von dem eingenommenen Besitz trennen wollte. Übertroffen werden konnte dies wohl nur noch von dem Zustand der Toiletten. Annähernd sauberes Wasser hatten diese wohl schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, häuften sich innerhalb der Toilettenschüssel doch Fäkalien und anderes unappetitliches Zeug, das man teilweise gar nicht mehr identifizieren oder auch nur definieren konnte. Die einzigen, die ein wenig Freude über diese Nichtexistenz an Hygiene hatten waren die Schmeißfliegen, die summend ihre Kreise über den Toilettenschüsseln zogen.

Ein leises Aufseufzen durchzog den Raum. Es hätte auch ein lauteres sein dürfen, denn stören tat es hier wohl niemanden, und die eifrigen Fliegen würden sich wohl kaum durch diese ungewohnte Geräuschkulisse belästigt fühlen. Dennoch lag der Hauch von etwas Verbotenem in der mit erdrückender Hitze geschwängerten Luft, so dass das kleine Aufseufzen plötzlich sogar noch zu laut erschien und viel mehr einem Fehler der menschlichen Natur glich, den man allerdings nicht rückgängig machen konnte. Es blieb einfach die Hoffnung, dass er ungehört geblieben war, wovon man, in Anbetracht der Umgebung, durchaus ausgehen konnte. Eine Erklärung wäre dies zumindest für die Unbekümmertheit der beiden ineinander verschlungenen Körper.

Kleine Abzeichnungen, im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Gänsehaut bekannt, zeichneten sich auf der geschwitzten hellen Haut ab. Die kleinen Häarchen auf Armen und Beinen bäumten sich auf, trotz des Gewichtes der körperlichen Flüssigkeit und ließen es sich nicht nehmen sich geschmeidig unter den Bewegungen des Körpers zu wiegen, fast als wären sie nicht nur überflüssige Überbleibsel aus einer früheren Zeit, sondern Grashalme, die es sich vorgenommen hatten ihr Leben lang mit dem sanften Wind zu tanzen und auch unter diesem zu sterben. Eine Vorstellung, die für diese Nicht-Lebewesen wohl immer ein Traum bleiben würde, der seinerseits noch nicht einmal lange existieren durfte, machte eine leicht gebräunte Hand doch eben jenen zu Nichte. Sie brach sie um, riss sie nieder, voller Gleichgültigkeit für die schwarzen Häarchen, diente ihr Niedergang doch nur einem höheren Ziel, gleichzusetzen mit den Bauern beim Schach, die zuerst geopfert wurden um wichtigere Figuren zu schützen.

Langsam wanderte die leicht gebräunte Hand des Mädchens den Arm des Dunkelhaarigen entlang, hoch zu dessen Schulter, nur um dann wieder seinen Rücken hinab zu gleiten um in der hinteren Hosentasche seiner Jeans zu verschwinden. Kurze Aufseufzer erfüllten die noch wärmer gewordene Umgebung, immer dann wenn die weichen Lippen der beiden jungen Leute auseinander drifteten um sich zu einem erneuten Kuss wieder neu zu entdecken, wo die eigene Zunge wieder ihren Spielkameraden fand, den sie necken oder gar ein wenig ärgern konnte. Mit kindlichen Spielen wie beispielsweise 'Fangen'.

Ein neuerliches Aufseufzen des Dunkelhaarigen durchdrang die verdreckte Kloake um in einem nicht vorhandenem Ton zu enden, während sich in den leicht geweiteten Augen des Mädchens wiederspiegelte, wie sich das Blut seinen Weg wie eine Flussader von seinem Hals seinen Körper hinunter bahnte, bevor eine dunkle Gestalt in ihr Blickfeld geriet. Das Messer blitzte in dem einfallenden Licht nur noch einmal kurz auf.