KAPITEL I

Aramis:

Aramis kam langsam wieder zu sich. Das Erste was er wahrnahm war, dass sein Kopf furchtbar schmerzte. Er hörte das Geräusch von Wassertropfen, die auf einen harten Steinboden platschten. Jedes „Pling", sandte eine weitere Schmerzwelle durch seinen Kopf. Leise stöhnte er auf und drehte seinen Kopf zur Seite, um der Geräuschquelle zu entkommen. Dann versuchte er seine schweren Lider zu öffnen, doch das Bild war verschwommen und er schloss seine Augen wieder. Als er einen zweiten Versuch wagte, kam eine graue Steinwand in sein Sichtfeld, an der etwas Wasser auf einen ebenso kalten und ungemütlicher Boden floss und sich in einer kleinen Pfütze entleerte. Erst nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wo er sich befand. Eine leichte Panik machte sich in Aramis breit und war der Auslöser dafür, dass er sich vorsichtig aufsetzte. Seine Sicht wurde am Rand etwas unscharf durch die plötzliche Bewegung und er schloss kurz wieder die Augen. Er hob einen Arm, um seine Hand an den Hinterkopf zu führen. Er fasste in etwas feuchtes, warmes und betrachtete seine nun blutverschmierte Hand. Leise fluchte er und bemerkte dann die hölzerne Tür auf der anderen Seite des Raumes. Wie war er hier hin gekommen? Er konnte sich wirklich nicht erinnern, was vermutlich mit seiner Kopfwunde zusammenhing. Der Musketier biss die Zähne zusammen und kam mit Hilfe der Wand langsam in eine stehende Position. Seine Kopfschmerzen verdoppelten sich und er musste gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfen. Schwankend tastete er sich an der Wand entlang, um zu der stabilen Tür zu gelangen. Er betrachtet diese unsicher und rüttelte an ihr. Sie blieb verschlossen.

„Das wäre ja auch zu einfach gewesen", seufzte Aramis zu sich selber und ließ sich an der Wand wieder zu Boden rutschen.

Währenddessen in der Garnison:

„Guten Morgen", grüßten D´Artagnan und Porthos einen verschlafen aussehenden Athos, der sich zu ihnen an ihren Stammplatz im Hof setzte.

„Du siehst ja heute noch schlechter gelaunt aus als sonst", bemerkte Porthos amüsiert.

„Danke", murrte Athos „ich hasse dieses ständige frühe Aufstehen!"

Porthos löffelte gerade die letzten Reste seines Frühstücks aus der Schüssel: „Hol dir was zu Essen, dann geht's dir besser"

„Kein Hunger um diese Zeit"

„Wenn du meinst, dann bleibt halt mehr für uns". Porthos zuckte mit den Schultern und nahm sich noch eine weitere Schüssel.

„Wo ist Aramis?", fragte D´Artagnan mit einem mal. Ihm war aufgefallen, dass er ruhiger war, als gewöhnlich.

„Keine Ahnung, ich hab ihn noch nicht gesehen", antwortete Porthos.

„Vielleicht hat er die Nacht wieder außerhalb verbracht", spekulierte Athos.

D´Artagnan war das jedoch nicht Erklärung genug: „Aber normalerweise ist er doch immer der Erste, der wach ist"

Porthos musste grinsen: „Vielleicht ist es gestern spät geworden, du kennst doch Aramis..."

Der jüngste Musketier war noch etwas skeptisch, doch stimmte dann zu.

„Der taucht schon noch auf, mach dir keine Sorgen. Er kann schon selber auf sich aufpassen", beruhigte Athos noch einmal.

Doch nachdem die Musketiere zum Morgenappell angetreten waren, gab es noch immer keine Spur von Aramis. Nun begann auch Porthos sich Sorgen zu machen und marschierte entschlossen zu Aramis Zimmer, um sich selber davon zu überzeugen, dass er nicht einfach nur verschlafen hatte. Als er vor der Tür ankam klopfte er, doch niemand öffnete. Also drückte er die Klinke und war überrascht, dass die Tür verschlossen war. Also war sein Freund über Nacht tatsächlich nicht hier gewesen. Porthos ging wieder auf den Hof, um durch das Fenster ins Zimmer zu schauen. Doch da Bett war, wie erwartet, leer. Unzufrieden, mit dem was er vorgefunden - oder auch nicht vorgefunden - hatte, kehrte er zu D´Artagnan und Athos zurück, die ihre Pferde am Zügel hielten.

„Er ist nicht da", teilte der große Musketier den Zwei, mit besorgter Miene mit.

„Und jetzt?", fragte D´Artagnan und sah sich ratlos nach dem ältesten Musketier um.

„Jetzt müssen wir erst einmal zur Parade und dann können wir nach ihm suchen", entschied Athos und schwang sich auf sein Pferd, das neben ihm stand.

„Wir können doch jetzt nicht einfach zu diese blöden Parade gehen, wenn unser Bruder vermisst wird", weigerte sich Porthos grimmig. Er konnte doch nicht unnötig herumstehen, während Aramis verschwunden war. Er wurde dieses Gefühl nicht los, dass irgendetwas passiert war.

„Porthos, es tut mir Leid, aber wir haben einen Befehl. Ich bin sicher, Aramis geht es gut. Wir werden ihn suchen, aber zuerst müssen wir unseren Pflichten nachkommen", versuchte Athos Porthos zu überzeugen.

Auch ihm fiel es schwer jetzt nicht einfach alles stehen und liegen zu lassen, um Aramis zu finden. Am liebsten würde er sofort nach ihm suchen, aber er wusste auch, dass sie für die Sicherheit des Königs verantwortlich waren und jetzt nicht einfach verschwinden konnten. Seine Worte schienen gewirkt zu haben, denn obwohl der größere Musketier eine äußerst finstere Miene machte, schwang er sich in den Sattel.

„Danach werden wir ihn suchen und nicht aufhören bis wir ihn gefunden haben.", stellte er seinen Standpunkt noch einmal fest und mit diesen Worten verschwanden die Musketiere durch den Torbogen.

Aramis:

Aramis war sich nicht sicher, wie lange er hier schon gesessen hatte. Die ganze Zeit hatte er versucht sich an irgendetwas zu erinnern, was ihm verraten könnte, wie er nur in diese Situation gekommen war. Leider war er erfolglos geblieben. Er hatte geprüft, ob er noch irgendwelche anderen Verletzungen, außer die Kopfwunde hatte, doch keine gefunden. Das verwirrte ihn nur noch mehr, denn er war sich sicher, dass er gekämpft hätte, wenn man versucht hatte ihn einzusperren.

Er schrak auf, als er draußen mehrere schwere Schritte wahrnahm, die sich ihm zügig näherten. Er rappelte sich wieder auf und griff instinktiv zu seiner linken Hüfte, an der normalerweise sein Rapier hing. Doch nun fand er den Platz leer. Auch sein Douplet trug er nicht, denn er war nur in Hose, Hemd und Stiefel gekleidet. Was auch fehlte war das goldene Kreuz, dass Anne ihm geschenkt hatte. Das machte ihn nur noch wütender! Diese Leute hatten ihn nicht nur grundlos eingesperrt, sondern auch noch bestohlen! Er fühlte sich ziemlich allein gelassen, ohne jede Möglichkeit des Schutzes und stellte sich so, dass er die Tür fixierten konnte, um mögliche Gefahren schneller erkennen zu können. Die Schritte wurden lauter, mischten sich mit mehreren Stimmen, die jedoch kurz vor der Tür stehen blieben.

„Was sollen wir jetzt mit ihm machen", hörte Aramis einen der Männer vor der Tür fragen.

„Wir können ihn nicht laufen lassen!", antwortete eine tiefere Stimme.

Eine dritte Stimme meldete sich in kaltem Tonfall zu Wort: „Wir sollten ihn einfach umbringen, dann kann er uns auch keine Probleme mehr bereiten!"

Aramis musste schlucken. Umbringen? Wo war er da nur hinein geraten? Was hatte er nur getan, dass man ihn unbedingt loswerden musste?

„Aber vielleicht könnte er noch einmal nützlich werden, denk doch mal nach!", wies die erste Stimme den Mann mit den Mordgedanken zurecht.

„Wie könnte ein Musketier schon jemals zu etwas zu gebrauchen sein?", schnaubte dieser jedoch nur abfällig.

„Außerdem wäre der Tot noch viel zu gut für ihn!", mischte sich wieder die tiefe Stimme ein.

„Er soll leiden, so wie wir es getan haben!", ergänzte sie.

Aramis Besorgnis wuchs, als er die offensichtliche Abneigung der Männer gegen Musketiere wahrnahm. Verdammt, er musste hier weg, sofort! Aber wie sollte er fliehen? Er hatte ja noch nicht mal eine Waffe. Außerdem wusste er auch nicht, ob es irgendwelche Wachen gab und er hatte auch nicht den geringsten Schimmer, wo er war. Wenige Momente später drehte sich ein Schlüssel im Schloss und der Eingang wurde geöffnet. Hinein traten die drei Männer, die zuvor vor der Tür gestanden hatten. Aramis stabilisierte seinen Stand und bereitete sich auf seinen Fluchtversuch vor. Wenn er fliehen wollte, dann jetzt! Ohne den Männern Zeit zu lassen, herein zu kommen, griff er an. Der erste Mann war so überrascht, dass er direkt zu Boden ging, als Aramis ihm mit der Faust gegen die Schläfe stieß. Die zwei Anderen reagierten jedoch schneller und als Aramis einen der beiden im Würgegriff hatte, zog der andere wie aus dem Nichts eine Muskete hervor und zielte auf den Musketier.

„Wenn du schießt, breche ich deinem Freund hier das Genick!", schrie Aramis seinem Gegner entgegen.

„Sieht so aus, als hätten wir eine knifflige Situation!", kommentierte der Mann jedoch völlig gelassen.

Aramis sah den Mann todernst an: „Eigentlich ist es ganz einfach. Ihr lasst mich gehen, und alle sind zufrieden!"

„Ich fürchte, dass kann ich nicht zulassen."

Hinter Aramis begann sich der erste Mann langsam wieder aufzurappeln und näherte sich dem Musketier von hinten. Doch Aramis war zu beschäftigt, um Notiz davon zu nehmen.

„Vielleicht lasst ihr mich dann vorher wissen, wofür ich sterben soll", konterte Aramis ironisch. Eine plötzliche Furcht überkam ihn. Was, wenn diese Menschen ihn wirklich umbringen würden? Wenn seine Brüder ihn tot finden würden. Er wusste noch nicht einmal, ob sie überhaupt schon nach ihm suchten, den er hatte ja keine Ahnung, wie lange er schon hier war. Aber er war sich sicher, dass wenn sie nicht rechtzeitig kämen, sie es sich nie verzeihen könnten.

„Ich denke diese Frage kannst du dir auch selber beantworten, Musketier!", wurde Aramis aus seinen Gedanken gerissen.

In dem Moment ertönte hinter Aramis ein lauter Knall und er konnte einen Schmerzensschrei nicht mehr unterdrücken. Seine Geisel wand sich aus seinem Griff und Aramis drehte sich um, um den noch immer qualmenden Lauf einer zweiten Muskete zu sehen, die auf ihn gerichtet war. Fluchend drückte er mit seiner Hand auf die Wunde in seinem linken Arm.

„Wir sollten ihn fesseln!", sagte der kleinere der drei Fremden.

Der Mann, der eben noch von Aramis bedroht wurde, schaute jetzt nur mit einem abstoßendem Blick zu ihm und schnaubte: „Gute Idee"

Aramis Kidnapper riefen nach einem Vierten, der kurze Zeit später mit einem Seil auftauchte. Aramis konnte sich nicht mehr wehren, denn durch seinen Arm flossen Wellen des Schmerzes und sein Kopf dröhnte. Er nahm kaum war, wie er zu Boden sank und man ihn fesselte.