„Ach Ginny" Mit einem deprimierten Seufzer legte die braunhaarige Gryffindor den Wollpullover, der die Farbe eines verwaschenen Kürbisses hatte, auf ihr Bett und sah ihre Freundin an.

„Ich mag Ron sehr, aber eine dauerhafte, feste Beziehung kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen." Ein um Verständnis flehender Blick aus warmen, braunen Augen traf die Rothaarige, die ebenfalls gerade dabei war ihre Sachen aus einem großen, abgewetzten Lederkoffer in den, ihrer Meinung nach, viel zu kleinen Schrank zu verfrachten.

Die Sommerferien waren vorbei und draußen im Gemeinschaftsraum der Gryffindors summte und brummte es wie im Bienenstock. Nur hier, im Schlafraum der Mädchen, herrschte im Augenblick noch eine wohltuende Stille, die man in den nächsten Wochen vergeblich suchen würde. Die Sonne schickte ihre warmen Strahlen golden durch die hohen Fenster, und ließ ein paar aufgewirbelte Staubkörner silbrig funkeln.

Ginny hielt in ihren Bewegungen inne, strich ihre langen roten Haare, die sie unweigerlich als eine Weasley kennzeichneten, hinter die Ohren und erwiderte nachdenklich den Blick ihrer Freundin. Ron war ihr Bruder – niemand kannte ihn besser als sie. Und sie konnte Hermine durchaus verstehen.

Ron verhielt sich oftmals wie ein Elefant im Porzelanladen mit dem Verstand eines Zehnjährigen - eine Tatsache die ihrer Freundin schon des Öfteren einen verzweifelten Seufzer entlockt hatte. Hermine war ein Bücherwurm. Sie verschlang alles was ihr unter die Augen kam und man konnte wohl zu Recht behaupten, dass sie die riesige Bibliothek von Hogwarts mindestens zur Hälfte auswendig kannte.

Sie war die beste Hexe die Hogwarts seit langem gesehen hatte, und auch die Ferien waren bei ihr angefüllt gewesen mit Büchern, Lernen, Recherchieren und Notizen machen. Da Hermine die letzten zwei Wochen im Fuchsbau zu Gast gewesen war, hatte Ginny unweigerlich ein paar Meinungsverschiedenheiten zwischen ihrer besten Freundin und ihrem Bruder, der die meiste Zeit damit verbrachte im Garten Quidditch zu spielen, mitbekommen.

Sie liebte ihre braunhaarige Freundin fast genauso wie ihren Bruder und ahnte seit langem das die Beziehung der beiden dem Tod geweiht war. Natürlich hatte Sie sich gefreut als die Zwei ihr vor knapp einem Jahr mitteilten, dass aus ihrer Freundschaft mehr gewachsen war. Aber sie hatte mit ihrem scharfen Verstand damals schon gewusst, dass es schwer werden würde für die beiden. Sehr schwer.

Und wie es aussah sollte sie wohl recht behalten.

Gedankenverloren lag ihr Blick immer noch auf der zierlichen Gestalt ihrer Freundin, die gerade den leeren Koffer schloss, und sich damit abmühte, ihn unter ihrem Bett zu verstauen. Vorsichtig machte sie einen Schritt auf sie zu, und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter.

Hermine drehte sich zu ihr um, und wieder traf sie ein entschuldigender Blick aus großen Augen. Ginny lächelte leicht. „Du musst dich nicht entschuldigen Mine. Ich habe das geahnt und – so sehr ich Ron auch mag, und ihm alles Glück der Erde wünsche – ihr zwei passt einfach nicht zusammen. Es wäre allerdings fair es ihm ziemlich schnell zu sagen."

Immer noch hingen ihre Blicke ineinander und Hermines Augen bekamen etwas Ängstliches, ihr Blick flatterte nervös. „Wenn aber nun unsere Freundschaft dadurch zerbricht?" Die Rothaarige hielt ihren Blick fest und zuckte leicht mit den Schultern. „Dann ist es halt so Hermine. Allerdings glaube ich das nicht wirklich. Ron schätzt dich als Freundin viel zu sehr. Und wenn etwas Zeit verstrichen ist wird auch er begreifen, dass es für euch besser ist. Einfacher. Diese ständige Spannung hält ja keiner aus – am wenigsten auf Dauer ihr. Und außerdem – ich werde schon dafür sorgen das er schnell abgelenkt ist – Lavender hat, soviel ich weiß, schon lange ein Auge auf ihn."

Ihr Lächeln ging in ein Grinsen über und sie zwinkerte ihrer Freundin kurz verschmitzt zu. In Hermines Gesicht zuckten leicht die Mundwinkel und als sie nach einem prüfenden, fragenden Blick merkte dass ihre Freundin es wirklich ernst meinte, flog eine Welle der Erleichterung über ihre Gesichtszüge, die sich in einem vorsichtigen Lächeln verfestigte.

„Du wärst mir nicht böse…?", hakte sie trotzdem noch einmal vorsichtig nach.

Ginny schüttelte energisch ihren Kopf. „Nein du dummes Huhn! Böse wäre ich wenn ihr beide zwanghaft wegen mir zusammenbleiben und dabei unglücklich würdet! Und für dich finden wir auch schon noch das passende Deckelchen."

Das Lächeln im Gesicht der Brünetten gefror von einer Sekunde auf die andere. „Ach Ginny", seufzte sie, „wen denn um Himmels Willen? Du weißt, dass ich nicht sonderlich beliebt bin. Ich werde wohl eher als alte Jungfer enden." Sie versetze ihrer Schranktür einen derben Stoß, woraufhin diese mit einem lauten Knall zufiel.

Ginny wusste um die Nöte ihrer Freundin und trotzdem wollte ihr nicht in den Kopf, dass niemand an diesem liebenswerten Mädchen interessiert war, nur weil sie die Eigenschaft hatte intelligent zu sein und viel Zeit bei den Büchern verbrachte. Was wohl auch das Hauptproblem war. Hermine kam einfach nie raus um jemaden kennenzulernen!

„Du wirst sehen – bis zum Abschlussball bist du in festen Händen – und wenn es Peeves ist der an deiner Seite übers Parkett schwebt!" Sie knuffte Hermine neckisch in den Oberarm und lachte lauthals über die entsetzte Mine ihrer Freundin.

„Ginny!", rief Hermine aus, „Untersteh dich irgendwelche Versuche in diese Richtung zu unternehmen!" Die beiden alberten noch eine Weile herum und Hermine lachte laut mit, als sie verstanden hatte, dass es sich um einen Spaß handelte.

Guter Dinge verstauten sie die restlichen Sachen in ihren Nachtischschränken und Kommoden und nach und nach strömten die ersten Mädchen aus dem Gemeinschaftsraum zu ihnen herein.

„Hallo Ginny! Wie geht's Fred und George?", rief ein blondes Mädchen zu ihnen herüber. Ginny wandte sich daraufhin einer kleinen Tasche zu, die bis dahin unbeachtet auf ihrem Bett gelegen hatte.

Sie griff hinein und drehte sich mit einem breiten Grinsen wieder um, die Hände hinter dem Rücken versteckt. „Wer will als Erste was Neues testen?" „Was hast du denn da?" Ein paar Neugierige schoben sich nach vorn.

„TATA!" Ginny streckte eine ihrer Hände geöffnet nach vorn. Sofort drängten mehr Neugierige nach, um einen Blick auf ihre Hand zu erhaschen. Neuigkeiten aus dem Hause Weasley versprachen immer ein Heidenspaß zu werden.

In ihrer Hand lagen mehrere verschiedenfarbige Gelees, die aussahen wie kleine Murmeln. Ginny pickte sich eine fast weiße heraus und lies sie in ihrem Mund verschwinden. Zwei Sekunden später erstrahlten ihre Haare in Weißblond.

Begeisterter Jubel brach los, und die Mädchen stürzten sich auf die restlichen Gelees. Mit viel Gekicher änderten sich nach und nach überall die Haarfarben.

Ginny wurde von allen Seiten gedrängt noch mehr dieser fabelhaften Gelees zu besorgen.
„Ähm die Wirkung hält ungefähr 5 Stunden an. Danach sickert die Farbe langsam nach unten aus eurem Körper heraus. Das heißt ihr bekommt erst ein Gesicht in der Farbe eures Gelees, dann der Hals, Oberkörper, Arme und so weiter bis es die Füße verlassen hat…. Fred und George konnten sich diesen kleinen Nebeneffekt nicht verkneifen…"

Sie grinste die Umstehenden an die schlagartig still geworden waren und dann entsetzt durcheinander plapperten. Hermine beobachtete den ganzen Trubel von ihrem Bett aus. Sie verbrachte die Zeit bis zum Abendessen mit einem Buch, welches sie im Fuchsbau beim Aufräumen des Dachbodens aufgestöbert hatte. „Die kleine Kräuterfibel – Omas Rezepte gegen Husten, Heiserkeit und blaue Flecken". Hermine fand es ungeheuer spannend und hatte sich vorgenommen das eine oder andere Rezept auszuprobieren.

„Und nun meine Damen – die tollste Erfindung die Weasleys Zauberladen jemals hervorgebracht hat!" Dutzende Köpfe reckten sich um mehr sehen zu können.
Hermine hob ihren Kopf und sah das Ginny gerade die andere Hand hinter ihrem Rücken hervorholte.

Die Rothaarige machte eine dramatische Pause, zögerte die erwartungsvolle Stille, die sie umgab, noch etwas hinaus, und öffnete dann langsam ihre Hand. Zum Vorschein kam ein unscheinbarer Stift.

Auf vielen Gesichtern war Enttäuschung zu erkennen. Ginny schien das nicht zu stören – sie war sich ihrer Sache scheinbar sicher. „Hat jemand mal irgendetwas Geschriebenes für mich?" fragte sie.

Ein Mädchen aus ihrem Jahrgang gab ihr ein Blatt Papier, das sie in der Hand gehalten hatte.

Ginny nahm es, legte es auf einen der Tische, und holte aus ihrer eigenen Tasche ein weiteres, leeres Blatt hervor. Dann setzte sie sich vor das Beschriebene, schob es etwas beiseite, und legte ihr Leeres direkt vor sich.

Sie nahm den Stift und drehte kurz an einem kleinen Rädchen das kaum zu erkennen war. Dann fing sie augenscheinlich an zu schreiben. Sie sah ununterbrochen auf ihr Blatt Papier. Nicht einmal glitt ihr Blick zur Seite.

Als das Blatt halb voll war legte sie den Stift beiseite und reichte dem erstbesten Mädchen das hinter ihr stand ihr frisch beschriebenes Papier zusammen mit dem, welches sie von ihrer Klassenkameradin bekommen hatte.

Verständnislose Blicke hafteten auf den beiden Blättern. Sekunden später brach ein unglaublicher Tumult und Jubel los. Auch Hermine war jetzt neugierig geworden. Neugierig genug um ihr Buch beiseite zu legen, sich vom bequemen Bett zu erheben, und mit langsamen Schritten zu der Traube Schülerinnen zu gehen, die sich die beiden Blätter begeistert gegenseitig aus den Händen rissen.

„Lasst mal sehen", sagte sie und nahm beide Blätter an sich. Ein kurzer Blick darauf reichte, um die Euphorie der Mädchenschar zu begreifen: Der Stift hatte haargenau das abgeschrieben, was auf dem anderen Blatt stand. Ein Abschreibstift.

‚Na toll', dachte sich die junge Hexe, ‚sobald die Lehrer auf diesen Stift aufmerksam geworden sind, wird es Minuspunkte für sämtliche Häuser hageln. Anstatt das alle einfach mal lernen, geben sie ihr Geld für solchen Unsinn aus.'

Kopfschüttelnd gab sie die Zettel wieder weiter und kroch auf ihr Bett zurück.

Ginny lies den Stift noch eine Weile testen, verteilte ein paar Visitenkarten ihrer Brüder und räumte dann die Tasche mit den restlichen Gelees, und dem Stift darin, wieder weg.

Nachdem sich der allgemeine Trubel etwas gelegt hatte, zog Ginny ihre Freundin beiseite. „Du solltest mit Ron reden. Am besten noch heute Abend, damit keine großen Missverständnisse mehr entstehen." Ernst hielt sie den Blick der braunen Augen fest, die sich sofort ängstlich verdunkelten.

Hermine nickte zögerlich. „Du hast sicher Recht Ginny. Ich schau mal ob ich ihn vor dem Abendessen noch erwische." Sie atmete kurz tief durch und ging dann mit festen Schritten zur Tür, durch die sie verschwand.

Ginny sah ihr hinterher und nagte nachdenklich an ihrer Unterlippe. Es war das Beste für die beiden. Ab morgen würde sie anfangen die Augen offenzuhalten, nach einem Kandidaten für ihre Freundin. Es konnte doch beim besten Willen nicht so schwer sein… Auch wenn es vorhin nur ein Spaß gewesen war, aber Ginny kam dieser Gedanke mit einmal gar nicht mehr so abwegig vor, ihrer Freundin in Liebesdingen etwas unter die Arme zu greifen.