Aragorn erwachte an diesem morgen erfrischt und erholt wie schon lange nicht mehr. Er erhob sich voller Tatendrang und verließ seine Gemächer. Wenn er sein Schwert packen würde, würden vielleicht noch mehr Kräfte in ihn zurückkehren.

Langsam machte sich nämlich auch beim ihm bemerkbar, dass er älter wurde. Er blieb oft länger im Bett und hatte nicht recht Lust etwas Neues anzufangen. Die Regierungs Geschäfte ermüdeten ihn und das Empfangen Hoher Gäste ödete ihn an. Er würde am besten langsam Eldarion diese Aufgaben geben, dann konnte dieser sich schon an das Regierungsgeschäft gewöhnen.

Er öffnete die Tür und erwartete sein Schwert zu erblicken, das in dem langgezogenen Raum einen Ehrenplatz besaß. Neben dem Schwert, waren hier einige der wichtigsten Gegenstände Gondors untergebracht, doch heute war es beunruhigent leer hier.

Das Schwert war nicht an seinem Platz und auch sonst in dem Raum war es nicht aufzufinden. Er versuchte sich gerade zu erinnern, ob er das Schwert nicht doch woanders hatte stehen lassen.

Alamiert rief er die Wache, doch sie hatten niemanden gesehen. Bevor etwas davon herauskam, sollte er sich doch lieber beraten, wie man am besten in dieser Situation reagierte. Ein Fehler und man würde das gegen ihn auslegen. Die Sicherheit seines Reiches stand auf dem Spiel.

Die kleine Wachstube war gefüllt. Die Nachtwächter schrieben ihren Bericht, der dann von Vardamir versiegelt und achiviert werden würde. Niemand hatte etwas ungewöhnliches gesehen. Eine der Hofdamen war auf der Rückkehr von ihrer Affäre gesichtet worden, Vardamirs kleine Schwester war mal wieder Schlafgewandelt und dann von ihrer Erzieherin wieder zurück ins Bett gebracht worden.

„Ach ja, ich sah doch noch etwas", meldete sich Bellin zu Wort. Er war der Älteste in der Wache. „Was hast du gesehen?", fragte Vardamir, doch kaum da er es ausgesprochen hatte wurde ihm schon klar was Bellin gesehen haben musste.

„Ich sah einen Jüngling. Einen Harradrin, so wie der aussah." Er grinste gespielt süßlich und zeigte dabei seine gelben Zähne. „Er kam aus eurem Gemach, Herr", fuhr er fort. „Ein Freund von Euch?" Das wissende Grinsen wurde immer breiter. „Ich versteh ja nicht, warum ihr Euch solche Burschen ins Gemach lasst. Gibt es etwas an gondorianischen Knaben auszusetzten? Was haltet Ihr denn von unserem Salforn?"

Salforn war der jüngste der Wache gerade mal zwölf Jahre alt. Er lief sofort rot an und sah beschähmt unter sich.

„Wenn Ihr nichts zur Sache betreffendes zu sagen habt, dann schweigt gefälligst! Etwas mehr Respekt würde Euch gut stehen, Herr Bellin!" Vardamir war aufgebracht. Erst wurde er mit der Nachricht über das verschwundene Schwert geweckt und jetzt wusste auch noch jeder über seine „Verfehlungen" bescheid.

Aragorn saß an dem Kopf eines langen Tisches, zu seiner Rechten seine Frau, die Königin und zu seiner Linken sein Sohn Eldarion, der Trohnfolger. Weiter saßen hier seine wichtigsten Berater, sowie seine anderen Kinder.

„Ihr wisst warum ihr hier seid? Adùril ist gestohlen worden."

Stille trat ein, bis schließlich Eldarion das Wort ergriff. „Vardamir, du bist doch der Leiter der Palastwache, wie konnte das Geschehen?"

„Kannst du ihn nicht einmal in Ruhe lassen! Vardamir kann doch nichts dafür!", sprang Iworven auf und blaffte ihren ein Jahr älteren Bruder an. „Lass ihn doch für sich selbst sprechen!", konterte Eldarion.

„Die Wache hat nichts ungewöhnliches bemerkt. Isilme ist schlafgewandelt und eine der Hofdamen kam von ihrem Liebhaber zurück.", berichtete Vardamir.

„Isilme, kannst du dich an etwas erinnern?", fragte die Königin ihre Tochter. Die godorianischen Berater hilten den Atem an, bei soviel Anmut und Schönheit, die die Königin ausstrahlte. Doch auch die jüngste Tochter Isilme war trotz ihres zarten Alters bereits eine Schönheit. Es war jedoch eine unschuldige und zugleich überirdische Schönheit. Als einzigstes Kind hatte sie goldenes anstelle von schwarzem Haar. Aragorn fand sie sah aus wie Galadriel in klein.

Eldarion und Ivorwen waren seine menschlichsten Kinder. Doch Vardamir und Isilme hatten Probleme in dieser Welt. Vardamir wirkte wie zerrissen, nicht wissend wo er hingehört und Isilme war vielleicht noch zu jung, als dass ihr klar war, dass sie anders war, als andere gondorianische Kinder ihres alters.

„Da war eine Gestalt, sie war wunderschön. Haare und Haut waren wie Sternenlicht", sagte sie mit ihrer schönen Stimme.

„Prinz Vardamir, wisst ihr von wem sie redet?", fragte einer der Berater. „Warum sollte ich das?", entgegnete Vardamir, schon wieder wissend, was folgen würde. „Nun eine schöne Gestalt ... Man sagte mir das Ihr hin und wieder schöne Gestalten in eurem Zimmer empfangt."

„Wer sagt so etwas über meinen Sohn?", fragte die Königin ruhig, was alle wieder in Bewunderung für die Königin verfallen lies. Der angesprochene Berater hielt jedoch die Luft an und besah beschämt die Tischplatte.

„Vardamir, hast du jemanden heute nacht empfangen?", fragte Aragorn ernst.

Dieses Mal erntete der König die Bewunderung seiner Berater für seine Ausstrahlung.

Vardamir musste Einsehen das Leugnen nichts bringen würde. Man hatte ihn bereits gesehen. Die Skandalspur, die er hinter sich her zog, war bekannt. „Ja, Vater", antwortete er schlicht, in stummer Hoffnung, sein Vater möge ihn nicht zwingen vor den Anwesenden ins Detail zugehen.

„Wen hast du empfangen?", fuhr er fort, womit Vardamirs Hoffnung wie eine Seifenblase zu nichts zerplatzte.

„Er ist niemand. Das geht niemanden etwas an!"

„Der wichtigste Schatz Gondors wurde aus dem Palast gestohlen! Natürlich geht es uns etwas an, wer in der Tatnacht durch die Gänge streift!", fuhr Eldarion wieder seinen Bruder an.

„Jetzt lasst ihn doch in Ruhe! Ihr könntet Vardamir ruhig etwas mehr vertrauen! Wenn er überzeugt ist, das sein Besuch es nicht gewesen ist, dann sollten wir das respektieren! Und von wegen „wertvollster Schatz". Die wertvollste Schatz Gondors ist das Volk Gondors!" Sie war aufgestanden und funkelte ihren Bruder wütent an. Die Berater wichen unbewusst etwas von ihr weg. „Ach? Und das Schwert Andùril in den Händen des Feindes ist ja auch gar nicht berunruigend, oder wie?" Eldarion war ebenfalls aufgestanden.

„Setzt Euch!", befahl Aragorn. „Eldarion hat recht, Vardamir. Erzähl uns von deinem Besuch."

Doch Vardamir dachte nicht daran und verließ erbost den Raum.

Seine Gefühle übermannten ihn. Wut machte ihm das Denken schwer, Enttäuschung brannte in seinem Herzen und ein physisch spürbarer Schmerz ließ ihn zu Boden gehen.

Bedeutete er überhaupt jemanden etwas? Mochte ihn überhaupt jemand? Machte er jemals etwas richtig?

Ein Klopfen ließ ihn zusammenfahren, dann mahnte er sich zu beruhigen. Er wischte sich die Tränen vom Gesicht und öffnete dann die Tür.

„Mein Sohn, wie geht es dir?", fragte die Königin Gondors, die zufällig auch seine Mutter war. „Willst du mit mir sprechen?"

„Mutter, bitte vergebt mir, aber ich würde lieber schweigen!", brachte Vardamir heraus.

„Wie du willst. Aber du weißt, dass du mir alles sagen kannst!", dann lächelte sie, strich ihm eine Haarsträne aus dem Gesicht und verließ wieder sein Zimmer. In der Tür stand bereits sein nächster Besucher.

König und Königin wechselten stumme Blicke, dann betrat Aragorn das Gemach seines Sohnes.

Er setzte sich auf das Bett und sah seinen Sohn von unten her an. Obwohl sein Blick nichts anklagendes hatte und er schwieg, fühlte Vardamir sich im Verhör.

Doch dann gewann die Wut. „Los, verschwinde! Ich werde dir nicht sagen, was jeder sowieso schon weiß!", schrie er aufgebracht seinen Vater an, der zu seiner Überraschung sogar das Gemach verließ.

Kaum war sein Vater gegangen, war auch seine Wut verschwunden und nur der Schmerz blieb zurück.

Die Flut an Besucher war jedoch noch nicht zuende. Seine Schwester Ivorwen war die nächste, die ihm eine halbe Stunde lang irgendetwas erzählte oder klarzumachen versuchte, doch er hörte gar nicht hin.

Als er endlich alleine war, legte er sich auf das Bett und betrachtete seine Zimmerdecke, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Seine Eltern tauchten immer nur dann auf, wenn er etwas angestellt oder falsch gemacht hatte. Sicher, sie hatten keine Zeit, mussten sich um wichtigere Dinge kümmern. Er müsse das einsehen und sich verantwortungsvoll verhalten. Er solle sich doch ein Beispiel an seinem Bruder nehmen.

Sein perfekter Bruder hatte sich noch nie für ihn interressiert. Wenn sie durch Zufall doch einmal aufeinander trafen, fiel ihm aber immer noch was fieses ein.

Am meisten hatte er noch mit Ivorwen zu tun. Sie tauchte immer auf um zu schauen ob er auch seine Arbeit gut machte. Sie verteidigte ihn, wenn Eldarion wieder einmal fieß zu ihm war. Eigentlich verteidigte sie ihn, wann immer irgendjemand fieß zu ihm war. Und sie setzte sich bei ihren Eltern für ihn ein. Doch die meiste Zeit nervte ihn ihre Art ihn zu bemuttern und zu beschützen, obwohl er wusste, dass sie damit ihre eigene Einsamkeit vertrieb.

Seine kleine Schwester Isilme war sein ein und alles. Doch in den letzten Jahren hatte er sich schmutzig und falsch gefühlt und er wollte nicht, dass sie schlecht über ihn dachte.

Vielen Dank für das Lesen.

Die Formulierungen sind mir ehrlich gesagt schwerer gefallen, als ich gedacht hatte. Deshalb würde ich mich über ein kleines Feedback freuen, ob es so verständlich ist. Danke!