Ein „heißer Hund" für Bellatrix

Bellatrix hat eine kleine Schwäche. Sirius hat ein Problem. Was, wenn sein Problem nun genau ihre Schwäche trifft? Und was, wenn ihre Schwäche zugleich sein Problem löst? Kann daraus eine Verbindung entstehen, die sogar die politische Feindschaft der beiden überwindet?

1. Die große Freiheit

Seine Hundepfoten berühren kaum den Untergrund, so mühelos springt er durch den Wald. Ob über weiche Tannennadeln, harten Lehmboden, umgestürzte Baumstämme, über Stock oder Stein – es kümmert ihn nicht. Die Muskeln seiner Beine ... sein weit nach hinten gestreckter Schwanz, der ihn im Gleichgewicht hält ... seine Lungen, die sich regelmäßig füllen und leeren ... sein Herz, das sein heißes Blut unermüdlich durch seine Adern jagt ... All das ist sein Körper, und sein Körper ist wundervoll! Arbeitet vollkommen selbständig und zuverlässig, er muss ihm keine Befehle erteilen. Die pure Kraft, wohldosiert, überquellend, unerschöpflich.

Genau so will er es. Das Leben. So ist er eins mit sich und der Welt. So ist Glück!

Der Regen hat die Luft kühl gemacht, hinterlässt einen angenehmen Hauch an seiner feuchten Schnauze. Alle älteren Spuren sind ausgelöscht; alles, was nun seine Nase erreicht, ist frisch und neu. Und aufregend!

Diese Buche ist gerade eben ein Kniesel hinaufgehuscht. Ihn zu fassen, ist zu spät, er selbst kann lediglich ein Stück weit am Stamm hochspringen und versuchen zuzuschnappen, aber Kniesel sind viel zu schnell.

Nicht allzu weit entfernt im kleinen Waldsee schwimmen zwei Grindelohs verursachen ein nur ganz leises Plätschern.

Und vorn am Bach ist ein Nest Wasserratten, die schmecken widerlich, selbst wenn sie so klein sind wie die fiependen Jungen dort. Die so laut sind, dass sie seine Ohren selbst im Vorüberhasten erreicht haben.

Überhaupt scheint es nun vorbei mit der nächtlichen Stille. Mehr und mehr Vögel regen sich über ihm im erwachenden Morgen, plötzlich ist alles erfüllt von ihrem Gezwitscher und Gezeter. Er ist schon lange nicht mehr allein.

Und als wäre das das Zeichen gewesen, ertönt der langgezogene, schrille Heullaut einer Sirene durch den Wald.

Seine Pfoten stoppen so abrupt, dass sein Körper einen etwas ungerichteten Hechtsprung nach vorne vollführt. Doch dann kommt er zum Stehen, seine Nase mitten hinein – in die fast ausgewaschene Duftmarke ... eines Artgenossen? Er ist nicht der einzige Hund hier? Hmmmmm, dieser ist auch männlich, und er riecht unheimlich interessant. Seine Nase wühlt leidenschaftlich in der köstlichen Masse aus Urin und Humus, er saugt den Geruch ein, hält ihn im Rachen, um die Zusammensetzung zu erfassen, nimmt eine weitere Prise.

Der Regen hat ihn verwässert, aber er enthält trotzdem noch alles, was er über diesen Konkurrenten wissen muss. Ein bisschen kleiner als er selbst, beleibt, kein ausgeprägter Jagdinstinkt, einer, der am liebsten herumliegt und frisst.

Er krümmt seinen Leib, bringt sein Hinterteil in Stellung, hebt das Bein. Öffnet seine Blase und spritzt zielgerichtet. Dem hat er es gezeigt!

Befriedigt macht er einen Satz, will weiter, mehr von diesem Hund, mehr Abenteuer, mehr Siege ...

... als es ihm dämmert. Die heulende Sirene war bereits da, und dieses Heulen bedeutet ...

Es dauert noch einen weiteren Moment, ehe er in der Lage ist, die Selbstdisziplin aufzubringen und zumindest innezuhalten. Seine menschlichen Gedanken zu sammeln, die in den so viel einnehmenderen des Hundes unterzugehen drohen. Er muss sich losreißen, es hilft nichts -

- endlich gelang es Sirius, seine Aufmerksamkeit von der faszinierenden Welt um ihn herum abzuziehen und nach innen zu richten. Auf die Erinnerung. An Hogwarts morgendliches Wecksignal. An die Schulpflicht in der Welt der Menschen. An den Zauberspruch. Den er nun endlich vollführen musste – und der all dies beenden würde.

Zähneklappernd und völlig außer Puste hinkte Sirius durch den Verbotenen Wald, seine Arme eng um seinen erbärmlich fellosen, nackten Körper geschlungen. Aua! Dieser wildnisuntaugliche Körper, der immer wieder strauchelte, wenn seine verwundbaren Füße in einen Zweig oder ein Steinchen traten – als wollte er Sirius seine menschliche Unzulänglichkeit unter die rudimentäre Nase reiben. Autsch! Jetzt war ihm auch noch ein Ast ans Ohr geknallt!

Verdammt, er hasste das! Diesen wirklich eiskalten Morgen! Dass er so langsam war, er würde trotz dieser elenden Hetzerei zu spät zum Frühstück kommen! Und dass er noch immer den Zauber nicht richtig beherrschte und seine Klamotten ihm regelmäßig abhanden kamen, wenn er sich in Tatze verwandelte.

Zum Glück hatte er Ersatzkleidung in der Nähe von Hagrids Hütte deponiert – die er vor seinem nächsten nächtlichen Ausflug schon wieder würde auffüllen müssen. So langsam musste er an seine finanziellen Vorräte und in die Winkelgasse, um Ersatz zu besorgen.

Da, die schiefe Tanne – und dahinter der Findling in Sichtweite des Waldrandes! Sirius stürzte hin, zerrte das lose Reisig von seinem verborgenen Fach am Fuße des Steines und Hosen und Pulli heraus. Zuerst seinen zitternden Oberkörper bedeckend, wo er am meisten fror und -

- schnuppert über seine Schulter.

Der Duft, den seine witternde Nase erfaßt, fährt ihm sofort in seinen knurrenden Magen. Niffler! Mehrere, sonst wäre der Geruch nicht so stark, nicht so verlockend.

Tatze ist bereits am nächsten Baum vorbei, so langsam, so schwerfällig, er will schneller laufen, aber ... AUA! Sein Fuß steckt fest, da hat ein stacheliger Ast im Weg gelegen. Sein Knie mitten in einem Knarl, verdammt! Was -

- bei der durchschnüffelten Kacke von Merlins Windhund, WAS tat er hier auf allen Vieren?

Hastig rappelte er sich wieder hoch – unwillkürlich den Pulloverbund bodenwärts dehnend, um seinen nackt umwehten Unterleib zu bedecken. Hinten herum half das jedoch wenig. Sein unangenehm kribbelndes Steißbein einziehend, rannte er, so schnell er konnte, zurück zum Findling, wo er seine Hosen fallengelassen hatte.

Wie peinlich war das denn, bitte? Er hatte offenbar total die Kontrolle verloren. Und zwar deswegen, weil er Niffler gerochen hatte?

Er stöhnte gequält auf. War er vielleicht einfach zu müde? Immerhin hatte er es mal wieder total übertrieben. Anstatt einen netten kleinen Mitternachtsausflug in den Wald zu unternehmen, wie er vorgehabt hatte, war die ganze Nacht in Tatzes Gestalt geblieben.

Weil er sich als Hund einfach zu gut fühlte, ach was, es war überwältigend! Wahnsinn! Richtig. Und nun, als Mensch, war er schlicht und ergreifend ein bißchen verkatert. Das würde sich im Laufe des Tages geben.

Endlich menschlich angezogen und halbwegs warm, lief Sirius aus dem Wald, ließ Hagrids Hütte links liegen und schlich sich wie gewohnt zum Hauselfeneingang, um auf diese Weise unbemerkt ins Schloss und zum Unterricht zu gelangen.