Liebe Mädels, nachdem ich meine Geschichten stets auf fanfiktion (de) veröffentlicht habe, versuche ich es hier auf dieser Plattform mal. Es wird jeden Sonntag und/oder Donnerstag gepostet, natürlich nur, solange Bedarf besteht. Schließlich will ich hier niemanden langweilen. ;-)
Zusammenfassung: Nach einem Unfall erwacht Bella aus dem Koma und kann sich an nichts mehr erinnern. Obwohl ihr Bruder und ihre Freunde sich scheinbar so gut es geht um sie kümmern, merkt Bella schnell, dass mehr hinter ihrer überfreundlichen Fassade steckt. Was verstecken sie wirklich? Und wieso zur Hölle kann sie sich an rein gar nichts mehr erinnern?
Besonderheiten: BPOVs, Erwachsenenthemen, daher ausschließlich ab 18!
Disclaimer: Die Namen gehören SM, die Figuren mir, die Lyrics den Meistern der Musik und Poesie.
KISS
Es fühlt sich an, als ob ich wieder atmen kann. So richtig. Ohne diese seltsame Käseglocke, unter der ich mich noch zuvor befunden hatte. Mit einem Mal sind meine Augen wieder offen und die hinter meinen Lidern flimmernden Bilder verschwunden. Ich bin aufgetaucht, nach einem langen Tauchgang im Ozean. Ich bin aufgewacht, nach einem Schlaf jenseits von Raum und Zeit. Buchstäblich.
„Kiss!", höre ich eine vertraute Stimme und blinzele und atme und schaue. Und da ist sie: ein bekanntes Gesicht, das ich nicht zuordnen kann. Vereinzelte Tränen strömen ihr über die Wangen, doch sie sieht glücklich aus, erleichtert. Wir kennen uns. Ich weiß es.
„Hey", sage ich, doch meine Kehle fühlt sich plötzlich an wie Sandpapier. Als hätte ich seit Jahren nicht mehr getrunken. Wo zum Teufel bin ich? Und wie ein Donnerschlag prasseln auf einmal alle Eindrücke auf mich ein: das viel zu grelle Licht, der unerträgliche Durst, meine brennenden Augen, meine unsäglichen Kopfschmerzen, diese Frau vor mir, und Moment... wie lange stand schon dieser Mann neben ihr?
Ich weiß, dass ich im Krankenhaus bin. Beunruhigenderweise habe ich irgendwie unterbewusst damit gerechnet. Oder einfach nur eins und eins zusammengezählt.
Ich habe keine Ahnung, wieso ich hier bin oder was passiert ist. Ich habe nicht den blassesten Schimmer.
Langsam sehe ich an mir herunter und entdecke die Schläuche, die in meinen Venen verschwinden. Ich drehe meine Handgelenke und sehe einen Kussmund. Links. Rechts. Kiss. Kiss. Wie albern, denke ich. Doch die fremden Handgelenke gehören mir. Und auch diese Hände und diese langen Finger, die mit einem scheußlichen pastellfarbenen Nagellack überzogen sind. Die Farbe ist bereits stark abgeblättert, als hätte man sie seit Wochen vernachlässigt. Ich versuche mich zu erheben, irritiert und überfordert zugleich und plötzlich ist da dieser stechende Schmerz in meiner rechten Schulter und ich stöhne und spüre eine warme Hand.
„Vorsicht, wo willst du hin?", fragt die junge Frau und hilft mir mich wieder hinzulegen.
„Was ist das?", keuche ich, doch sie hört mich nicht und ruft nach einer Krankenschwester. Oder einem Arzt. Und dann höre ich das Piepsen der Maschinen und blicke auf zum Monitor, der meinen Herzschlag dokumentiert. 88. 90. 92. 96. 101. 104. Fuck. Wieso tut das so weh?
„Ihre Wunde... sie blutet", erklärt die Frau, als eine Schwester herangeeilt kommt.
Wunde?
Was ist passiert? Wieso habe ich eine Wunde?
Halt...!
Ich versuche mich zu erinnern, in meinem Hirn nach Antworten zu kramen, nach Bildern, nach Gesichtern. Doch ich sehe nichts, außer ein weißes Blatt Papier. Tabula Rasa. Keine Erinnerungen. Nichts. Rien. Niente. Nada. Fucking Nothing. Ich erinnere mich an keinen einzigen Namen. Und was das Schlimmste ist: Ich erinnere mich nicht einmal an meinen eigenen.
„Was ist passiert?", murmele ich, doch es scheint mich niemand zu hören. Die weinende Frau weint lauter. Der Mann verzieht schmerzvoll sein Gesicht. Die Krankenschwester redet Worte, die ich nicht verstehe. Aus dem Nichts taucht ein Arzt auf. Ich werde nach hinten gedrückt. Alles schmerzt. Ich stöhne. Laut. Doch in ihren Ohren hört es sich wie ein wehleidiger Seufzer an.
Und dann ist wieder alles dunkel. Und der Arzt sagt, dass alles wieder ok ist. Während ich denke, dass er sich nicht mehr täuschen könnte.
Stunden oder Tage später sind meine Augen wieder offen. Doch diesmal ist niemand im Zimmer außer einer Schwester, die an einer Maschine steht und scheinbar irgendwelche Werte misst. Ich frage nach Wasser, doch sie hört mich nicht. Sie tut beschäftigt und ich werde wütend. Mein Puls steigt. Und sie blickt endlich zu mir herunter.
„Wasser", versuche ich leise und deutlich zu sagen, doch es ist nur ein Flüstern.
„Wie war das?", fragt sie verständnislos, als hätte ich ihr eine unlösbare
Matheaufgabe gestellt. „Entspannen sie sich, Miss. Dieser hohe Puls ist in ihrem Zustand wirklich nicht…"
„Wasser", unterbreche ich sie, doch sie redet weiter. Und ich gebe es auf, schließe die Augen und verfluche den Ort, an dem ich mich befinde.
Bis wieder der mysteriöse Mann gemeinsam mit dem Arzt auftaucht. Er redet, während er mich untersucht. Leichtes Schädel-Hirn-Trauma, kurzes künstliches Koma. Schussverletzung in der linken Schulter. „Sie werden sehen, bald sind sie wieder fit. Sie sind jung und haben sehr gute Werte", sagt er. Doch ich verstehe nichts.
„Was ist mit meinem Gedächtnis?", frage ich flüsternd. Und er sieht mich überrascht an.
„Was meinen Sie, Miss Dwyer?", fragt er irritiert zurück und zum ersten Mal höre ich meinen Nachnamen. Dwyer. Kiss Dwyer? Was für ein lächerlicher Name. In meinem Gehirn tut sich leider nichts.
„Ich kann mich an nichts erinnern."
„Das ist nicht unüblich", versucht er mich lächelnd zu beruhigen. „Sie leiden höchstwahrscheinlich an einer Amnesie, die durch den traumatischen Schock hervorgerufen wurde." Er meint den Unfall. Ich meine mein Leben.
„Sie verstehen nicht, Doktor", sage ich gequält leise. „Ich kann mich nicht einmal an meinen eigenen Namen erinnern." Plötzlich herrscht Stille. Ich hätte eine Nadel fallen hören können, wäre da nicht die brummende Maschine zu meiner Rechten.
„Ist das möglich?", fragt plötzlich der fremde Mann, der neben dem Arzt steht. Die Frage verhallt im Raum. Aus völliger Ahnungslosigkeit heraus nicke ich bloß. Bin ich nicht der lebende Beweis, dass es möglich ist?
„Sie erinnern sich nicht einmal an ihren Namen, Miss Dwyer?", fragt der Arzt noch einmal zur Vergewisserung und ich schüttele sanft den Kopf.
„Und sie erinnern sich auch nicht an ihren Bruder hier?"
Erneut wiederhole ich die Kopfbewegung.
„Sie wissen nicht, wann sie geboren wurden. Wo sie leben? Was sie beruflich tun?"
„Nein", antworte ich und stehe plötzlich den Tränen nahe. Seltsamerweise weiß ich irgendwie, dass ich in meinem früheren Leben nur sehr selten geweint habe. Ich bin nicht der „nahe am Wasser Gebaute."
„Das ist interessant", murmelt der Arzt. „Aber erneut. Nicht ungewöhnlich. Womöglich war der Schock, den sie erlitten haben, weitaus kritischer als wir angenommen haben. Wir werden das einfach die nächsten Tage beobachten. Sie werden schon wieder, keine Sorge", sagt er und ich spüre, wie eine einzige Träne ihren Abgang nach unten startet.
„Kiss", flüstert der Mann gequält und nimmt meine Hand. Wahrscheinlich hat er, mein „Bruder", mich auch noch nie weinen sehen. „Mach dir keine Sorgen!"
Und danach weiß ich wieder nichts. Wie in Trance höre ich mir Geschichten an. Über Jasper, der mich ins Krankenhaus gebracht hat, über Alice, die kleine Dunkelhaarige von vorhin. Anscheinend sind wir beste Freunde. Wir leben sogar zusammen. Alles Informationen, die ich erst einmal verdauen muss. Zumindest habe ich ein Dach über dem Kopf. Und einen Bruder. Emmett. Er hat aschblonde Haare und strahlend blaue Augen. So wie ich. Also bleibt mir nichts anderes übrig als ihm zu glauben. Unsere Eltern sind gestorben, als ich 14 war. Er war 20. Nichts von all diesen Informationen löst irgendetwas in mir aus. Ich kann mich, wie gesagt, an nichts erinnern. Ich selbst heiße mit vollem Namen Isabella Dwyer. Ich habe keinen Zweitnamen, weil meine Mutter ein Hippie war und auf Traditionen pfiff. Stattdessen rief sie mich ständig nur „Kiss". Nicht wegen der Band, sondern weil ich mich mit drei Jahren selbst so getauft hatte.
Optisch sehe ich übrigens ganz passabel aus. Meine Augen sind ein wenig zu groß und meine Haare ein wenig zu lang. Aber sie sind nicht von Spliss befallen und auch nicht borstig, also werde ich sie so lassen. Oder auch nicht. Auf meinem rechten Schulterblatt habe ich weiteres Tattoo mit den Worten „Nothing gold can stay." Emmett konnte mir die Bedeutung dieser tiefsinnigen Worte nicht erklären. Er wusste nicht einmal, dass ich ein weiteres Tattoo hatte. Zwar kommen mir die Worte vertraut vor, aber sie bedeuten mir nichts. Und nun muss ich damit herumlaufen. Ich kann nicht einmal ein Tanktop anziehen. Schon sieht man das Wort „stay" herauslugen.
Beruflich bin ich nicht gerade erfolgreich. Ich arbeite in einer Bar. Laut Alice, die sich nach Emmetts Erzählungen eine halbe Stunde später zu mir gesellt, studiere ich nebenher. Und zwar Geschichte und Englische Literatur. Ich habe keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Zumindest habe ich nicht daran gedacht mich irgendwann einmal selbst zu versorgen. Die Fächerkombination schreit nur nach einem reichen Mann. Einen Freund habe ich übrigens nicht. Keine Ahnung, warum. Schließlich habe ich ganz nette Brüste. Alice meinte mein Ex Jake Black wäre noch in mich verliebt. Ich habe Schluss gemacht, weil er zu sehr geklammert hat. Das hört sich an, als wollte er heiraten. Ob er wohl vermögend ist?
Und nun, Tage später, stehe ich vor dem Apartment, in dem Alice und ich leben. Sie schließt die Tür auf und macht das Licht an und dann rufen ein paar Leute „Überraschung" und ich pinkle mir vor Schreck fast in die Hose.
„Hey", winke ich unbeeindruckt, obwohl mein Herz viel zu schnell pocht und ich sie am liebsten angeschrien hätte. Was denkt ihr Idioten euch eigentlich? Doch ich bewahre meine Contenance und lächele. Ich stehe in einem Raum voller Fremder und will wieder abhauen. Aber leider wohne ich hier. Und leider hat keiner der Schlaumeier hier daran gedacht, dass ich mich nicht mehr an sie erinnern kann. Außerdem wurde ich angeschossen. Ich habe immer noch ein Loch in meiner linken Schulter. Eigentlich sollte ich vor dem Fernseher chillen oder den hässlichen Nagellack auf meinen Fingern entfernen. Alice zieht mich an der linken Hand weiter hinein ins Wohnzimmer und ich erkenne meinen Bruder und den berüchtigten Jasper neben ihm, die mich warm anlächeln, aber ich merke, dass etwas nicht stimmt. Sie verbergen Dinge. Ich sehe es in ihren Augen. Oder vielleicht bilde ich es mir auch ein. Aber ich habe absolut keinen Anhaltspunkt. Ich weiß nur, dass ich anscheinend auf dem Nachhauseweg von der Bar angeschossen wurde. Jasper hat mich in meiner Blutlache liegend auf dem Asphalt gefunden. Er war für Emmett eingesprungen, der mich an diesem Abend abholten wollte. Ich weiß, ich weiß… Sie haben ein Alibi. Aber trotzdem… Eine blödere Story habe ich noch nie gehört. Wer sollte mich denn umbringen wollen?
„Du hast doch erzählt, dass du Polizist bist, nicht wahr?", frage ich meinen Bruder und sehe ihn nicken. „Gibt es etwas Neues, was die Ermittlungen betrifft? Wer hat mich angeschossen?"
„Wir wissen immer noch nicht, wer es war", sagt er und schaut nonchalant zu Jasper. Ich verfolge seinen Blick und weiß, dass er lügt. Oder vielleicht bilde ich es mir nur ein. Ich kenne diese Leute nicht und sie könnten mich alle hinters Licht führen. Langsam werde ich paranoid. Vielleicht liegt es an den Tabletten, die ich verschrieben bekommen habe. Oder an dem Schlafmangel. Oder an den Kopfschmerzen. Oder vielleicht auch daran, dass ich verdammt noch mal nicht weiß, wer ich bin. Ich will in mein Zimmer und es durchsuchen. Es könnte allerdings sein, dass diese Leute hier wichtige Beweismittel vernichtet haben. Vielleicht deale ich ja? Schließlich lebe ich in Chicago. Die Mieten sind nicht gerade billig.
„Willst du mir sagen, dass es nicht einmal eine nähere Spur gibt?"
Emmett seufzt und fährt sich durchs Haar.
„Kiss, die Ermittlungen laufen. Ich kann mit dir hier nicht darüber reden. Sobald es dir besser geht, kommst du aufs Revier und wirst verhört. Und dann klären wir alle wichtigen Dinge."
„Ich werde verhört? Was soll das heißen? Ich kann mich an nichts erinnern, verdammt noch mal. Fuck, ich wurde angeschossen! Anstatt mich zu verhören, solltest du den Bastard finden, der mir das angetan hat", sage ich. Naja, vielleicht schreie ich dabei auch ein wenig. Zumindest bestätigen mir das Emmetts geweitete Augen. Er zieht mich ein wenig außer Hörweite der anderen und beugt sich zu mir herunter.
„Was ist los mit dir?"
„Was meinst du?"
„Dein Tonfall und diese Wortwahl..."
„Meine Wortwahl? Oh sorry, vielleicht bin ich nur ein wenig aufgebracht, dass ich mich nicht erinnern kann, wer zum Teufel ich bin? Wer hat mich angeschossen, Emmett? Was zum Teufel bedeutet das alles? Will mich jemand umbringen? Wieso? Wie konnte ich in diese Situation kommen? Wer bin ich? Und wer sind all diese Menschen?"
„Deine Freunde", sagt er. Mehr Antworten bekomme ich nicht.
„Keiner von ihnen hat mich im Krankenhaus besucht."
„Ich habe es ihnen verboten. Du hast deine Ruhe gebraucht. Deswegen sind sie heute hier."
„Und ausgerechnet heute brauche ich keine Ruhe? Ich will duschen und in mein verdammtes Zimmer und endlich herausfinden, wer ich bin..."
„Meinst du nicht, du kommst deinem Ziel näher, wenn du mit deinen Freunden sprichst?", unterbricht er mich und ich halte den Mund. Er hat Recht. Und ich schäume vor Wut.
„Wer will mich umbringen, Emmett?", zische ich.
„Ich weiß es nicht", presst er Wort für Wort hervor.
„Wer sind die Verdächtigen?" Emmett nimmt meine Hand und zieht mich näher zu sich.
„Kiss, ich verspreche dir, dass die Person, die dir das angetan hat, zur Rechenschaft gezogen wird. Vertrau mir!"
Und in diesem Augenblick bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Oder? Ich rolle mit den Augen und suche das Weite. Bis ich von einer Brünetten aufgehalten werde, die sich mir in den Weg stellt.
„Hi, ich bin Angela, wir studieren auch zusammen", sagt sie und schüttelt meine Hand. Ein wenig widerwillig, wie ich bemerke, schließlich habe ich es initiiert. Vielleicht wollte sie mich ja umarmen, aber wie gesagt: ich kenne sie nicht.
„Und wir sind befreundet?"
„Ja", murmelt sie irritiert. „Du weißt wirklich nichts mehr?"
„Nope", sage ich und poppe das P laut als ob ich ein Kaugummi platzen lasse. Langsam stinkt mir das Ganze. Es ist unbestritten, dass diese Leute mich nicht mehr wiedererkennen. Ich verhalte mich launisch und desinteressiert. In meinem früheren Leben war ich wahrscheinlich ein Mauerblümchen, so wie Angela, wenn ich ihren Klamotten zufolge urteilen darf. Bieder und freundlich. Ich muss unbedingt in mein Zimmer und meinen Schrank inspizieren. Wieso tut mein Kopf nur so weh?
„Ich hoffe du erinnerst dich bald wieder", sagt sie mitfühlend und ich nicke. Angela ist bereits die zehnte Person, die ich kennengelernt habe. Da waren bisher Jake, mein definitiv nicht vermögender Ex, sein Freund Mike, der meinen Brüsten unverschämterweise mehr Aufmerksamkeit schenkte als meinem Gesicht, und seine Freundin Jessica, die mich darauf hinwies, dass ich keinen BH tragen würde... (Danke dafür!) Danach kamen Alices Zwillingsschwesterpärchen Holly und Faith, sowie meine Kommilitonen Ben, Tyler, Eric, Siobhan und Angela. Ich scheine nicht viele Freunde zu haben, wenn Alice sogar ihre Schwestern bitten muss zu kommen. Als Dealer müsste ich eigentlich mehr Kontakte haben. Ich bin also ein wenig unbeliebt. Und bieder. Wieso wurde ich wohl sonst auf meinen fehlenden BH angesprochen? Jessicas Blick war unbezahlbar.
„Das Essen ist da", verkündet Alice plötzlich, als es an der Tür klingelt. Ich stöhne innerlich. Wie lange muss ich diese Farce noch ertragen? Anstatt mich weiter in ein neues Gespräch zu vertiefen, schleiche ich mich also auf mein Zimmer. Zumindest hoffe ich, dass es mein Zimmer ist. Sobald ich das Licht anmache und Bilder von Emmett und mir auf dem Bücherregal erkannte, atme ich erleichtert auf und blicke mich um. Es sieht alles ziemlich brav und langweilig aus. Im hinteren Eck des Zimmers steht ein Metallbett, das von einem in violetten Tönen gehaltenen Quilt überzogen ist. Daneben steht ein alter Nachttisch mit einer kleinen schrillen Lampe, am Fenster das Schreibtisch aus Holz, ein Kleiderschrank sowie zwei komplett mit Büchern gefüllte Billy-Regale an der rechten Wand. Es hängen Bilder an den Wänden. Kunstdrucke, die mir bekannt vorkommen, an deren Titel ich mich aber nicht erinnern kann. Irgendetwas mit Ro... oder? Es liegt mir auf der Zunge, und es macht mich rasend. Was ist nur mit mir los? Ich gehe hinüber zu den Regalen und lese die Buchtitel. Das meiste sind Romane oder Sachbücher über die amerikanische Geschichte. Ansonsten ein paar Kunstbücher und welche über Fotografie. Ich bin also belesen. Dumm nur, dass ich keine Inhalte mehr wiedergeben kann.
„Was ist das Letzte, woran sie sich erinnern können?", hatte mich der Arzt vor ein paar Tagen gefragt und ich hatte mit den Schultern gezuckt.
„Vielleicht will ich mich ja an nichts erinnern", hatte ich geantwortet.
„Was ist mit ihrer Kindheit?"
„Was soll damit sein?"
Er hatte gesagt, dass es mir leichter fallen würde, wenn ich Dinge sah, die ich kannte. Und nun hatte ich meine sogenannten Freunde gesehen und diese Bücher, die meinem „früheren Ich" anscheinend etwas bedeutet hatten. Wieso zum Henker blieben also all die Flashbacks aus?
„Kiss?", höre ich Alice hinter mir. Hinter ihr passiert das wahre Leben, während ich mir wie die Hülle eines verlorenen Selbst vorkomme. Ich kann nicht feiern und auf den Putz hauen. Ich habe wichtige Recherchen zu erledigen.
„Habt ihr irgendetwas aus meinem Zimmer verschwinden lassen?", frage ich direkt und sie macht große Augen.
„Wieso meinst du das? Fehlt irgendetwas?"
„Ich weiß es nicht. Sag du es mir!"
Sie sieht sich langsam um und zuckt schließlich mit den Schultern. „Es sieht hier so aus wie immer. Kannst du dich etwa an irgendetwas erinnern?", fragt sie hoffnungsvoll und ich verwerfe augenblicklich meine innerlichen Zweifel. Wer auch immer hier ein falsches Spiel spielt. Alice ist es nicht. Dessen bin ich mir seltsamerweise überaus sicher.
ihr wollt eine gute tat vollbringen?
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sagt mir, was ihr denkt! xoxo
