Der unruhige Schlaf und das leise Stöhnen meines Gemahls wecken mich. Er ist noch nicht sehr lange mein Gemahl und ich muß mich noch daran gewöhnen mit ihm das Bett zu teilen. Noch weckt mich jede seiner Bewegungen.
Und heute Nacht ist das auch gut so, denn die Albträume scheinen ihn wieder aufs Äußerste zu quälen.
Fest nehme ich meinen Mann in die Arme und streichele sanft seine schweißnasse Stirn. Beruhigend flüstere ich sinnloses Zeug in sein Ohr.
Langsam entspannen sich seine Glieder und er versinkt in einen ruhigen, tiefen Schlaf.
Selbst zu wach um sofort wieder einschlafen zu können, halte ich ihn noch lange an mich gedrückt und lasse meinen Gedanken freien Lauf.
Man sollte meinen, daß es eher die Vorkommnisse in Osgiliath sind, die meinem Mann solche Träume bescheren. Das Wissen, in den sicheren Tod zu reiten und dann als einziger lebend zurück zu kommen. Doch das ist es nicht. Mein Mann erblickt in seinen schlimmsten Träumen einen brennenden Scheiterhaufen und sich selbst mittendrin.
Die vielen Jahre, in denen er der Verachtung seines Vaters ausgesetzt war hätten ihn gleichgültig machen können und hart. Doch Faramir ist immer sensibel geblieben, sein Herz verletzlicher noch als sein Körper. Und das macht ihn in meinen Augen zu einem großen Mann, einem starken Mann.
Seit er zum ersten Mal meine Hand nahm redeten wir miteinander. Über unsere Ängste und Hoffnungen und was die Zukunft für uns bringen möge. So fern es eine Zukunft überhaupt gäbe. Wir hatten beide unsere Rolle in diesem Krieg gespielt und waren nun zur Untätigkeit verdammt. Ihm fiel dies deutlich leichter als mir. Ich war schon immer ruhelos und ich war dankbar für seine ruhige Art, die mir wie ein Anker erschien, der mich auf stürmischer See sicher fest hielt.
In diesen Tagen lernte ich, ihn zu schätzen. Und sehr bald begann ich, ihn zu lieben.
An den Herrn Aragorn verschwendete ich bald keinen Gedanken mehr. Es wurde mir bewußt, daß ich in ihm nur das geliebt hatte, was er als Waldläufer darstellte. Er schien mir wild, frei und ungebunden. Ich wollte fort aus dem Einflußbereich meines Bruders, der in mir immer nur die kleine Schwester sah, die es zu behüten galt. Und Aragorn schien mir anders zu sein als mein Bruder, mich ernster zu nehmen. Ich wollte, daß er seine Freiheit mit mir teilte.
Doch wie es wirklich um seine Freiheit und Unabhängigkeit bestellt ist, das wurde mir auf der Krönungsfeier schlagartig bewußt. Aragorn, König von Gondor, trägt das Zeichen seiner Sklaverei als Krone auf dem Kopf. Ein Ring, der ihn für immer an das Schicksal Gondors schmiedet. Soll Arwen sich damit herumschlagen, wenn dem König diese Last zu viel wird und er sich unruhig nach seiner früheren Freiheit sehnt. Ich beneide sich nicht darum.
Und wir werden in ein paar Wochen nach Ithilien gehen. Faramir hatte es sich vom neuen König gewünscht und Aragorn hatte diesem Wunsch gerne zugestimmt.
Es wird ein ruhiges Leben, ein Landleben.
Wir haben dort nicht viel mehr zu tun, als eine Schar Kinder in die Welt zu setzen und groß zu ziehen. Eine Schar lachender und sonnengebräunter Kinder mit hellem Haar und dunklen Augen, die barfüßig über sonnenbeschienene Wiesen tollen.
Und Faramir wird jedes einzelne von ihnen mit all seiner Kraft lieben und er wird es ihnen täglich sagen.
Sicherlich würde er sofort damit beginnen, wenn er wüßte, daß du da bist, mein Kleines. Aber ich will noch etwas warten bevor ich es ihm sage. Ich will das Gefühl, daß du bei mir bist, noch ein wenig für mich alleine auskosten.
Und so beginne ich leise die Melodie eines Schlafliedes zu summen, das damals unsere Mutter für Eomer und mich sang.
Den einen Arm um den Mann gelegt, der mir zum Liebsten wurde und die andere Hand schützend auf meinem Bauch, das bedeckend, was uns zum Liebsten werden wird, summe ich so lange leise vor mich hin, bis auch ich wieder friedlich lächelnd einschlafe.
ENDE
