Ich wünsche euch ein gutes und gesundes Jahr 2009!

Beginnen möchte ich das Jahr mit einer neuen Geschichte, in der ich nicht widerstehen konnte, mich auch mal an den typisch missgelaunten Snape in Hogwarts zu wagen. Aber auch die Buchbranche wird - wie in der vorigen Geschichte - wieder eine wichtige Rolle spielen :-)

Da Hogwarts jedoch schon ausgiebigst von ambitionierten Schreiberlingen erforscht wurde und in mancherlei Hinsicht wenig Gestaltungsspielraum für Neues lässt, bitte ich euch um Nachsicht, falls doch einmal Situationen ungewollt denen anderer Geschichten ähneln.

Die Handlung beginnt knapp 10 Jahre nach dem Krieg. Sie ist mit den Büchern bis auf leichte Abweichungen kompatibel.

Die ausgeliehenen Charaktere gehören J. K. Rowling und mit dem Schreiben sind keine finanziellen Vorteile verbunden.

Ich hoffe, ihr habt Freude an der Geschichte! Liebe Grüße von Tiziana

Kapitel 1 - Der Tränkemeister

Die wärmenden Strahlen der Morgensonne tanzten auf der glatten Oberfläche des Sees und wurden von den Scheiben des Schlosses und von den Dächern reflektiert. Überall drangen sie hindurch und tauchten Hogwarts in ein klares, kühles Licht. Nur bis zu einem Ort schafften sie es nicht, der unterhalb der Erde verborgen war – in die Kerkergewölbe.

In einem dieser Räume schritt der Tränkemeister von Hogwarts auf und ab, messerscharfe Blicke nach links und rechts verteilend. Severus Snape befand sich an diesem Montagmorgen in besonders schlechter Stimmung. Seit seiner Rückkehr nach Hogwarts waren erst wenige Monate vergangen und jeden Tag verfluchte er seither den Moment, in dem er diese Entscheidung getroffen hatte.

Leises Gemurmel ertönte aus den hinteren Reihen.

„Ruhe!" Seine Stimme war leise und hob sich am Wortende leicht. Doch jeder wusste, dass dieser betont ruhige Tonfall, in dem dennoch eine leichte Ungeduld vibrierte, Gefahr signalisierte. Nicht, dass irgendjemand riskiert hätte, diesen Klang vorsätzlich zu provozieren. Aber seine Toleranzschwelle war grundsätzlich niedrig und seine Reaktionen erfolgten unmittelbar und gnadenlos. Punkteabzug und Nachsitzen gehörten zur Tagesordnung und es gab kaum jemanden, der dieses zweifelhafte Vergnügen noch nicht gehabt hatte.

Viele waren aus den Erzählungen ihrer älteren Geschwister oder Eltern vorgewarnt. Man munkelte hinter vorgehaltener Hand, dass der Schlangenbiss vor fast zehn Jahren das Blut des Professors durch reines Gift ersetzt hatte.

Es stellte kein Geheimnis dar, dass Professor Snape maßgeblich dazu beigetragen hatte, den dunklen Zauberer Voldemort zu besiegen, als er im Dienste des damaligen Schulleiters Dumbledore als Spion wirkte. Aber seine Art verhinderte, dass er auch nur ein Jota auf der Beliebtheitsskala stieg. Ausnahmslos alle waren froh, wenn sie die Tür zu seinem Labor- und Lehrraum von außen statt von innen erblickten.

„Was soll das sein, Middleton?" Snape deutete auf den lila verfärbten Inhalt des Kessels.

„Der Abschwelltrank."

„Ach ja? Fünf Punkte Abzug von Ravenclaw. Ich setze voraus, dass die Schüler lesen können, wenn sie Hogwarts betreten." Er zeigte auf eine Tafel, wo die Zutaten aufgelistet standen.

Der Angesprochene zuckte zusammen.

„Oder wollen wir vielleicht die Wirkung dieses … Gebräus… testen? Wie gut es bei einem Schwellzauber wirkt?", fragte er maliziös und richtete seinen Zauberstab auf Marty Middletons Arm.

Dieser schüttelte entsetzt den Kopf, was mit einem zynischen Lächeln von Snape quittiert wurde.

Snape setzte seinen Gang durchs Klassenzimmer fort, wobei der durch das Schwingen seines Umhangs erzeugte Windhauch erstaunlicherweise keinen Effekt auf die Stabilität der Kessel hatte, so dicht er auch an ihnen vorbeistreifte.

Um etliche Hauspunkte erleichtert, verließen die Erstklässler der Ravenclaws und Hufflepuffs schließlich aufatmend den Kerker.

„Goldsmith, hiergeblieben!", hielt Snape einen kleinen dunkelhaarigen Jungen zurück.

Ein entsetzter Blick aus blauen Augen zeigte, dass der Junge wusste, dass nun sein Nachsitzen arrangiert wurde.

„5 Uhr, mein Büro. Es besteht keine Notwendigkeit, den Zauberstab mitzubringen."

Dem Jungen traten Tränen in die Augen und er nickte betreten.

sssssssssssssssssss

In seinen Räumen ließ sich Severus Snape in den breiten Sessel fallen und stützte den Kopf auf die Arme. Er hatte seine ehemalige Wohnung nahezu unverändert wieder übernommen, da keiner der anderen zeitweiligen Tränkelehrer im Kerker wohnen wollte. Doch es wäre ihm auch gleichgültig gewesen, wenn ein Vorgänger den Räumlichkeiten seinen Stempel aufgedrückt hätte. Er war kein Mensch, der seiner Umgebung große Bedeutung beimaß. Minerva ließ keine Gelegenheit aus zu ergründen, warum er es sich nicht behaglicher und weniger spartanisch einrichtete. Behaglich! Er schnob verächtlich durch die Nase. Verglichen mit Spinners End war das hier ein Palast.

Alles, was er zum Leben brauchte, stand ohnehin in seinem Labor, abgesehen von einigen Bücherregalen, die er in seinem Wohnraum aufgestellt hatte und einem kleinen Vorrat an Feuerwhisky und Elfenwein.

Die tratschenden Furien im Kollegium wurden zwar nie müde, sich über seine Erscheinung die Mäuler zu zerfetzen, aber das war ihr Problem. Wenn ihnen sein Aussehen nicht passte, dann sollten sie gefälligst wegschauen. Glaubten sie wirklich, er richtete sich nach ihren verqueren Maßstäben von Geschmack, wenn sie ihn nur regelmäßig mit ihren Bosheiten traktierten? Es bewirkte eher das Gegenteil, dachte er feindselig. Er warf einen seiner beliebig austauschbaren schwarzen Umhänge über und begab sich in die Große Halle.

sssssssssssssssssss

Die Schulleiterin von Hogwarts betrachtete ihren Kollegen, der beim Abendessen angewidert auf seinem Teller herumstocherte, von der Seite.

Unnahbar, kühl und wortkarg war er schon immer gewesen, aber der Ausdruck von Bitterkeit und Resignation hatte sich immer tiefer eingeprägt. Um die Narbe zu verbergen, die nach dem Schlangenbiss geblieben war, trug er ausnahmslos Gewänder mit hochgeschlossenem Kragen, was ihn noch unzugänglicher wirken ließ.

Minerva McGonagall seufzte. Sie musste mit ihm sprechen. Erst heute hatte sie erneut zwei Beschwerdebriefe von aufgebrachten Eltern erhalten, die sich über Severus Snapes Verhalten gegenüber ihren Sprösslingen beschwerten. Der Druck der Eltern wurde immer stärker.

Severus trug ihr noch immer nach, dass sie ihn damals aus der Heulenden Hütte gerettet und ins St. Mungos gebracht hatte, wo er einige Tage mit dem Tod rang. Aber hätte sie ihn dort liegen und vor ihren Augen sterben lassen sollen? In einem solchen Moment handelte man automatisch, stillte das Blut, wendete Heilungszauber an. Doch er hatte noch Monate später düster vor sich hingebrütet, sobald sie ihn im Krankenhaus besuchte.

Danach hatte er sich neun Jahre in Spinners End vergraben.

Seltsamerweise fühlte sie sich seit damals in gewisser Hinsicht verantwortlich für ihn. Gleich nach seiner Genesung hatte sie sich erkundigt, ob er nach Hogwarts zurückkommen wollte. Die Stellen „Verteidigung gegen die Dunklen Künste" und „Zaubertränke" waren beide zu dieser Zeit nur vertretungsweise besetzt gewesen.

Seine Reaktion hatte jedoch nur darin bestanden, sie höhnisch von oben bis unten zu mustern. Manchmal hatte er noch gefragt, wie verzweifelt sie denn wäre, dass sie auf ihn zurückgreifen wollte, bevor er ihr unmissverständlich die Tür vor der Nase zuschlug.

Sie hatte trotzdem ihr Angebot hartnäckig Jahr für Jahr erneuert und sich immer wieder eine Abfuhr geholt. Im Frühjahr des vergangenen Jahres bekam sie dann überraschend ein Schreiben, in dem er in knappen Worten zu ergründen versuchte, ob ihr Angebot noch galt. Sie antwortete umgehend und teilte ihm mit, dass die Stelle für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ab dem nächsten Schuljahr bereits an Mr. Harry Potter vergeben sei, sie ihn aber als Meister für das Fach Zaubertränke herzlich willkommen heißen würde.

Auf ihren Brief erfolgte jedoch nur die lakonische Mitteilung, dass er auf ein Zusammentreffen mit Mr. Potter ohne Weiteres verzichten könnte und dass er sich zwei Wochen Bedenkzeit ausbat.

Nach Ablauf dieser Frist tauchte er hohlwangig und ausgemergelt in ihrem Büro auf und erklärte, dass er die Stelle annehmen würde. Er sah so leidend aus, dass sie einen Anflug von Mitgefühl verspürt und gezweifelt hatte, ob es ratsam sei, ihm in diesem Zustand Unterricht aufzubürden. Diese Sorge hatte er ihr allerdings gleich in der ersten Woche genommen, sodass sich seither vielmehr Bedenken meldeten, ob man den Schülern einen solch ungenießbaren Menschen noch als Lehrer zumuten könne.

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Sie schaute zu ihrem anderen Tischnachbarn. Harry Potter lächelte sie fröhlich an. Sie hatte vom ersten Tag an gespürt, dass er sich wohl in Hogwarts fühlte und gut bei den Schülern ankam. Abgesehen von seinem Bekanntheitsstatus war es für viele Schüler eine erfrischende Abwechslung, einen jungen Lehrer zu haben. Harry setzte auf eher unkonventionelle Unterrichtsmethoden. In Hogwarts unterrichtete er von Montag bis Donnerstag, die restlichen Tage lebte er bei seiner Familie in der Nähe. Seine Frau Ginny hatte gerade den zweiten Sohn zur Welt gebracht.

Severus und Harry hatten gleichzeitig in Hogwarts angefangen und gingen sich seit diesen wenigen Monaten konsequent aus dem Weg. Harry versuchte gelegentlich, Kontakt zu knüpfen, gab dies aber immer sehr schnell wieder auf. Severus Snapes Reaktionen auf den jungen Kollegen bestanden vor allem in finsteren Seitenblicken.

Als ihre Augen wieder auf ihrem griesgrämigen Kollegen verweilten, schlug ihr greifbar schlechte Laune entgegen. „Ist die Betrachtung endlich abgeschlossen? Oder wünschst du, auch meine andere Seite zu sehen?"

Minerva McGonagalls Lippen bildeten einen schmalen Strich. „Würdest du mich nach dem Essen bitte in mein Büro begleiten, Severus?"

Aufgrund ihres ungewöhnlich eisigen Tons verkniff er sich einen weiteren Kommentar und deutete ein Nicken an.

sssssssssssssssssss

„Was ist los mit dir, Severus?", fragte sie beherrscht.

„Abgesehen davon, dass ich zum Weiterleben genötigt wurde, weil du mit Macht die Samariterin spielen musstest?"

„Zum Kuckuck, Severus", wurde sie schärfer. „Ich habe so gehandelt, wie du an meiner Stelle auch gehandelt hättest. Außerdem hätten dir als Tränkemeister in all den Jahren genug andere Optionen zur Verfügung gestanden, wenn du deines Lebens wirklich so überdrüssig bist, wie du nicht müde wirst, mir vorzuwerfen!"

„Weshalb wolltest du mich sprechen?"

„Die Eltern von Jeremiah Peters und Jacob Howlett haben mir geschrieben."

„Sie beschweren sich, dass ihre kostbaren Söhne nicht mit Samthandschuhen angefasst werden", stellte er gelangweilt fest.

„Sie sind keine Einzelfälle. Ich kann dir versichern, dass ich dich aufgrund deines exzellenten Wissens sehr gern wieder als Zaubertränkeprofessor eingesetzt habe. Aber ein achtungsvoller Umgang mit den Schülern ist Voraussetzung zum Unterrichten. Aufgrund der Belastung, unter der du früher standest, wurde dir in der Hinsicht viel nachgesehen, doch unter den heutigen Umständen akzeptiere ich nicht, dass Schüler dieser Schule unfair behandelt oder eingeschüchtert werden."

„Willst du mir kündigen?"

Minerva McGonagall holte tief Luft und zählte bis Drei. „Nein. Und das weißt du ganz genau. Ich hätte dich nicht zurück nach Hogwarts gebeten, wenn ich nicht noch Hoffnung für dich sehen würde!"

„Hoffnung? In welcher Hinsicht? Einen handzahmen Papagei aus mir zu machen?", entgegnete er höhnisch.

„Du bist 48 Jahre alt. Mit etwas Glück hast du noch 2 - 3 Mal so viele Jahre vor dir. Der Krieg ist längst vorbei. Du bist frei. Es liegt bei dir. Willst du etwa den Rest deines Lebens so verbringen: voller Hass, Bitterkeit und Wut?"

Er fixierte sie aus verengten Augen und meinte streitsüchtig: „Ich möchte mich ungern wiederholen, aber ich habe nicht um meine weitere Existenz in dieser Welt gebeten. Und was die Schüler betrifft: Anscheinend ist die Nachkriegsgeneration der Meinung, dass sie keine fundierte Schulbildung mehr benötigt, geschweige denn, Disziplin und Fleiß. Ich vertrete diese Ansicht jedoch nicht und lasse in meinem Unterricht keine Nachlässigkeit durchgehen. Wenn du anderer Auffassung bist, steht es dir jederzeit frei, meinen Posten anderweitig zu besetzen."

„Das liegt nicht in meiner Absicht, bisher jedenfalls nicht. Ich erwarte von dir, dass du dich besser in den Griff bekommst."

Snape betrachtete sie durch den Vorhang seiner strähnigen schwarzen Haare. „Wenn das alles ist, bitte ich um Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen."

Minerva McGonagall verfolgte seinen Abgang stirnrunzelnd und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es eine gute Idee gewesen war, sich in sein Leben einzumischen und ihn zurückzuholen - sowohl ins Leben als auch nach Hogwarts.

Denn eins stand fest: Severus Snape verhielt sich unerträglicher als jemals zuvor.