Ich liebe ihn
„Ich liebe ihn." Diese Worte hallen durch meinen Kopf. Immer wieder höre ich sie. Sie brennen sich ein, um mir ewig in Erinnerung zu bleiben.
„Ich liebe ihn." Du sagtest es mir, als wäre es etwas völlig normales. Als wäre es normal, ihn zu lieben. Ihn, den du immer gehasst hast.
„Ich liebe ihn." Doch wie kannst du jemanden lieben, den du immer verabscheut hast? Jemanden, dessen bloße Anwesenheit dich früher schon zum Brodeln brachte?
Früher. Früher war alles anders. Früher warst du anders. Ich hasste ihn. Du hasstest ihn. Wir hassten ihn.
Wir. Wir waren Freunde. Ich war für dich da. Du warst für mich da. Wir waren füreinander da. Aber dann passierte es. Das, was alles kaputt machte. Mich. Dich. Uns. Unsere Freundschaft. Es ist meine Schuld und das weiß ich. Ich hätte das nicht tun dürfen. Hätte das nicht sagen dürfen. Es war nicht so gemeint. Oft habe ich dir das gesagt. Aber nie hast du mir geglaubt. Und ich verstehe dich. Ich selber hätte mir nicht geglaubt. Jetzt hasst du mich. Jetzt hasse ich mich.
Ich hasse mich, weil ich sie zerstört habe, die Freundschaft zwischen uns.
Ich hasse mich, weil ich es getan habe, das was ich niemals hätte tun dürfen.
Ich hasse mich, weil ich dir wehgetan habe, dich verletzt habe, so schlimm es nur geht.
Doch am meisten hasse ich mich für das, was ich fühle.
Liebe.
Ein Wort, dass mir solange fremd war.
Liebe.
Nie hatte ich sie spüren dürfen, wirkliche, aufrichtige und tiefe Liebe.
Und dann war sie plötzlich da. Einfach so. Ohne vorher bescheid zu sagen. Wie Lava drang sie in mich ein, erfüllte jede Pore meines Körpers. Erfüllte mich. Erfüllte mein Herz. Kalt war mein Herz, bevor ich dich kannte. Ein kleiner Stein, tief in meinem Inneren. Grau und leblos. Es war kein Hass darin, doch Liebe war es auch nicht. Es war einfach leer.
Doch jetzt ist es warm. Und ich lebe. Ich lebe, wie niemals zuvor. Und ich liebe, liebe so stark, dass ich meine zerspringen zu müssen.
Du zeigtest mir, was es heißt zu lieben, Menschen zu akzeptieren, auch wenn sie anders sind. Ein Mensch muss nicht schlechter sein, nur weil er anders ist, sagtest du einmal zu mir. Auch du bist anders. Und nie wollte ich dich so, wie die anderen sind.
Du sagst ich sei herzlos.
Du sagst ich werde böse.
Du sagst mein Herz ist kalt geworden.
Aber wie kann ich herzlos sein, wo ich doch jedes Mal die Lava in mir spüre, sobald ich dich nur sehe.
Wie kann ich böse werden, solange du allein meine Gedanken bestimmst?
Und wie kann mein Herz erkalten, wenn du darin wohnst und es wärmst?
„Weck mich auf" sagtest du eines Tages zu mir, als wir ihn mit einem der vielen Mädchen sahen. Du hast auf sie gezeigt. „Bitte weck mich auf, sollte sich eines Tages werden wie sie." Das waren deine Worte. Und ich habe versucht, dich aufzuwecken. Ich habe versucht, dich vor ihm zu retten.
„Was weißt du denn schon?" Das war alles, was du sagtest. Ja, was weiß ich schon? Ich habe dir wehgetan und unsere Freundschaft zerstört. Es gibt viele Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Aber ich weiß: Er ist nicht gut genug für dich. Er wird dir wehtun, wie all den anderen vor dir. Er wird mit dir spielen, als gehörest du ihm.
Weißt du nicht mehr, was er getan hat?
Hast du denn schon vergessen, was er dir angetan hat, was er mir angetan hat?
Und nun soll es plötzlich Liebe sein? Ganz plötzlich? Einfach so? Auf einmal?
Nie habe ich dir gesagt, was ich für dich fühle. Nie hatte ich den Mut dazu. So oft hätte ich es tun können, so viele Arten gibt es, um es dir zu sagen. Nun habe ich den Mut, doch nun ist es zu spät. Du hörst mir nicht mehr zu. Verstehst du denn nicht?
Ich liebe dich.
Ende
