Klavier
Alles im Hause Smiley hatte seinen Sinn und Zweck. Nichts war nur zur Zierde angeschafft worden.
Doch seitdem Ann nicht mehr im Haus war, hatten viele der Sachen ihren Sinn verloren. Die meisten von ihnen standen nur noch unnütz rum und dienten, als nichts weiter mehr, als Staubfänger. Allem voran, das alte Klavier im Wohnzimmer.
Als Ann noch hier lebte, hatte sie zwischendurch immer wieder darauf gespielt. Nie irgendwelche bestimmten Lieder, sondern immer etwas was ihrer Laune entsprach. Mal Fröhlich, dann wieder traurig oder auch mal ruhig.
Nun würde es jedoch nie wieder erklingen.
Smiley gab es zwar nicht zu, doch er vermisste die Melodie des Musikinstrumentes. Es hatte immer eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt und es geschafft ihn milde zu stimmen, wenn er gerade das Gefühl hatte durchzudrehen. Egal ob es dabei um Anns ständigen Eskapaden ging oder um die Arbeit.
Es war unsinnig, dass wusste er selbst. So sentimental hatte er nie werden wollen, in seinem Leben. Doch auch er wurde langsam aber sicher alt. Daher schlichen sich auch bei ihm solche Schwächen ein.
In dieser Zeit, in der er sich so einsam war und sentimental wurde, leistete Peter Guillam ihm oft Gesellschaft. Warum er das tat, wusste Smiley nicht. Ob er etwas wusste? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht fühlte er sich einfach nur genauso allein gelassen von allem was ihm lieb war. Aber das konnte er nur mutmaßen, denn er traute sich nicht zu fragen. Zudem wäre es ganz schön unhöflich gewesen.
Die meiste Zeit über saß Peter in der Küche und brütete über irgendwelche Akten aus dem Circus, die er bearbeiten musste während Smiley dagegen im Wohnzimmer saß und Zeitung lass. Manchmal jedoch leistete Peter ihm Gesellschaft, wobei sie auch dann kein Wort mit einander sprachen.
Doch am heutigem Tag war alles anders.
Er und Peter saßen zusammen auf der Couch und waren ins lesen vertieft. Smiley hatte die Zeitung aufgeschlagen und Peter beschäftigte sich mit einem der Bericht, die er wie immer mitgebracht hatte. Dieser schien aber dieses Mal besonders knifflig zu sein, denn es dauerte nicht lange, bis er die Berichtsmappe zuknallte und auf den Tisch war. In seinem Gesicht konnte Smiley deutlich Frustration und auch Wut ablesen.
Mit einem besonders schweren Seufzer rappelte sich Peter von der Couch auf und ging durch den Raum. Er schien erst mal eine Pause machen zu müssen, schloss Smiley und sah zu wie der Jüngere auf das Klavier zuging.
Erstaunt darüber hob er eine Augenbraue an. Was hatte er vor?
Ohne auch nur ein Wort zu sagen, setzte Peter sich an das Musikinstrument und wischte mit einer Hand den Staub von den Tasten. Auch ohne zu fragen, wusste er, dass schon lange Niemand mehr darauf gespielt hatte. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte Ann früher darauf gespielt, schloss Peter, denn Smiley war seiner Meinung nach nicht gerade der musikalische Typ.
Währendessen war Smiley wieder in seiner London Times verschwunden und widmete sich dem Wirtschaftsteil, auch wenn er uninteressant war. Dem Tun des Blonden schenkte er keinerlei Beachtung. Sollte er tun, wonach ihm war.
Diese Einstellung änderte sich jedoch als plötzlich das Klavier erklang. Es war erst eine kurze Tonleiter, als müsse er sich erst wieder einüben zu spielen. Dann erklang eine leise Melodie, die weder traurig noch fröhlich klang. Sie gefiel ihm, denn das Stück erinnerte ihn an die vielen Lieder die seine Frau einst gespielt hatte.
Jedoch wurde diese wunderbare Musik schnell von einem falschen Ton und Guillams leisem fluchen unterbrochen. Hinter seiner Zeitung, kräuselten sich Smileys Lippen zu einem Lächeln.
„Du hast schon lange nicht mehr gespielt." Erkannte er und blätterte dabei eine Seite in seiner Zeitung weiter. Guillam drehte sich nicht zu ihm um. „In meiner Wohnung habe ich kein Klavier und das letzte Mal habe ich in meiner Kindheit auf einem gespielt."
Eine kurze Pause trat ein.
„Es stört dich doch nicht, wenn ich…?"
„Oh, nein nein." Unterbrach Smiley ihn, bevor er die Frage überhaupt zu ende stellen konnte. „Übe ruhig nur. Das Klavier steht sonst eh nur nutzlos rum."
Nur einen Moment später erklang wieder diese wunderbare Melodie und Smiley schloss lächelnd die Augen hinter seinen dicken Brillengläsern. Es war lange her, seitdem er es genossen hatte, dass ein Klavier im Haus stand. Doch nun war wieder einer dieser Momente.
