Als Königin Guinevere die Nachricht erhielt, dass die Geschwister Pendragon tot waren, verspürte sie nichts. Sie versuchte oft etwas zu empfinden, doch weder Tränen, noch Freude noch Wut, nichts zeigte sich jemals. Innerlich war sie kalt geworden. Sie war um Jahre gealtert und ein Teil von ihr war unwiderbringlich verloren. Aus Gwen wurde Guinevere.
Keine Woche darauf war sie offiziell alleinige Herrscherin Camelots.
Sie war die ehemalige Zofe der getöteten Lady Morgana, der am Ende oft nur noch gefürchteten, verhassten Hexe und Feindin, ihrer besten Freundin und engsten Vertrauten. Sie sollte die einzige Frau im Leben der Königin bleiben, die sie von all ihren Seiten her kannte und die die Königin in stiller Weise einst mehr geliebt hatte als eine Schwester. Eine Freundin hatte Guinevere in den Jahren bis zu ihrem Tod nicht mehr. Noch weniger eine Vertraute. Nicht einmal Furcht und Hass blieben ihr.
Sie war die Witwe des verstorbenen König Arthurs, geschätzt von seinen Rittern und seinem Volk und trotz seiner kurzen Regentschaft als großer Herrscher bewundert und verehrt und von allen betrauert. Er sollte der einzige Mann der Königin bleiben, den sie aufrichtig geliebt und dem sie vertraut hatte. Als sie viele Jahre nach seinem Tod erneut heiratete, tat sie, die sie immer der Liebe nachgegangen war, dies aus Berechnung und im Sinne eines Vorteils für ihr Volk. Auch die Kinder, die sie den beiden Männern gebar, die sie letztlich noch heiratete und die sie beide noch zwei weitere male zur Witwe machten, lernte sie nie zu lieben.
Die Frau, die vorher voll Wärme und Lebenslust gewesen war, hatte der Tod der beiden Menschen, die sie auf der Welt nach ihrem totem Vater und ihrem lange Zeit verschwundenem Bruder am meisten geliebt hatte, gebrochen.
Ihr Herz war gefüllt mit den Verlusten, die vor dem Tod Morganas und Arthurs gekommen waren und füllte sich schnell mit weiteren. Doch bei keinem einzigem trauerte sie mehr.
Kurz nachdem Gaius, der Hofarzt, der ihr zugehört und ihre Sorgen immer zu mildern versucht hatte, am Alter verstarb, ging schließlich auch Merlin, ihr Freund und ihre Stütze, an die sie sich lehnte, wenn einmal doch Gefühle in ihr aufwallten, um in einem Kampf als Zauberer zur Unterstützung zu eilen und kehrte nicht wieder zurück. Merlin galt als verschollen und Guinevere tat, was sie tun musste und schob auch ihre letzten Gefühlsregungen beiseite. Wenn niemand da war, um sie zu halten, dann durfte sie sich nicht fallen lassen. Sie war nicht einmal vierzig Jahre alt und war innerlich doch bereits so gut wie tot.
Ihr verblieben einige wenige vertraute Gesichter unter ihren Rittern, doch diese waren ihr weniger nahe und trauten sich bisweilen auch nicht mehr in die Nähe der so regungskalt gewordenen Königin und sie entfernte sich von ihnen. Sie lernte keine neuen Gesichter kennen, denen sie traute, denn Guinevere vertraute nicht mehr. Und sie hoffte nicht mehr. Sie dachte und regierte, beschloss und verurteilte und saß auf ihrem Thron fernab der Welt.
Manchmal kam ihr dann trotz ihrer Vorsätze und Prinzipien und des Käfigs in den sie sich eingeschlossen hatte, um die Welt auszuschließen, doch noch ein letztes Gefühl. Dann sehnte sie sich nach ihren Geliebten und ihren Verstorbenen. Nahm sie alle gleich und wie sie waren hin. Wünschte sie sich zurück mit ihren Vorzügen und Fehlern, ihren Eigenarten und Idealen, mit ihren Träumen und Ideen, mit Körper und Geist. Doch sie kamen nie und nie kamen sie, um Guinevere zu sich zu holen.
Am Ende verließ die Königin Camelot, ihr Volk und ihre Ritter und machte sich auf, um zu sterben. Keiner sah sie fortgehen und sie drehte sich nicht um. Was sie zurückließ bedeutete schon lange nichts mehr, worauf sie zu ging, war, wofür sie die letzten Jahre gelebt hatte, doch sie wusste sie würde es nicht erreichen.
Als die Geschwister Pendragon starben blieb nur Leere.