Von den unzähligen Eindrücken des Tages schwirrte mir der Kopf, als wäre ich gerade erst aus einem Karussel ausgestiegen. Ich taumelte eher den langen Flur im Haus der Cullens entlang als dass ich ging. Wahrscheinlich hätte ich mich auf meinen hohen Absätzen gar nicht halten können – wenn er mich nicht in so vieler Hinsicht gestützt hätte.

Mein Edward. Mein Ehemann.

Es klang absolut unglaublich. In Gedanken wiederholte ich das Wort ein paar Mal, und immer noch konnte ich es kaum fassen. Aber die Trauung war ja erst ein paar Stunden her. Ein paar Jahre würde es wohl schon noch dauern, bis das alles wirklich bei mir angekommen war.

Wir waren verheiratet. Ich hatte Angst davor gehabt, aber jetzt war ich so glücklich, dass ich hätte platzen können. Er hatte sich für mich entschieden, für immer. Und das war in unserem Fall sogar wörtlich zu verstehen. Zum Glück. Sechzig oder siebzig Jahre mit ihm konnten niemals genug sein.

Die Feier war bombastisch gewesen, großartig, bis ins kleinste Detail durchdacht; sie wurde dem Anlass gerecht. Wie auch sonst, wenn Alice sie geplant hatte. Und dennoch war sie an mir vorbeigezogen wie im Rausch. Die Gäste, die Musik, das Essen, alles nur ein verschwommener Reigen von Bildern, aus denen der eine bedeutende Moment klar und scharf hervorstach – Edward, der mir gegenüberstand und die Worte sagte, auf die ich den ganzen Tag gewartet und doch kaum zu hoffen gewagt hatte.

Ich drückte seine kühle, harte Hand, ich musste mich daran erinnern, dass das alles wirklich passiert war. Er erwiderte den Druck, und mein Herz begann so wild zu pochen, dass ich beinahe selbst darüber lachen musste.

Dieser Tag war so wunderbar, so vollkommen, dass ich mir beinahe gewünscht hätte, er möge ewig dauern. Beinahe, denn etwas fehlte noch. Etwas, auf das ich immer ungeduldiger gewartet hatte, und gleich war es soweit.

Wir waren inzwischen vor der Tür zu Edwards Zimmer angekommen. Im Haus war es ganz still. Meine neue Familie, rücksichtsvoll, wie sie alle waren, hatte sich praktisch unsichtbar gemacht, und die Gäste waren schon alle fort. Zum Glück – so musste ich keine zweifelhaft lustigen Streiche über mich ergehen lassen. Nicht, dass ich mir diese Nacht davon hätte verderben lassen. Noch immer konnte ich nicht richtig glauben, was hier gerade geschah. An einem einzigen Tag wurden all meine Träume wahr.

Edward riss mich aus meinen Gedanken, indem er einen hauchzarten Kuss auf meiner Nasenspitze platzierte. Ich sah zu ihm auf und erwiderte sein strahlendes Lächeln.

„Ich liebe dich", flüsterte ich überwältigt.

„Und ich liebe dich", antwortete er. Mit einer einzigen fließenden Bewegung hob er mich hoch, während er gleichzeitig die Türklinke herunterdrückte.

Die Aufregung hatte erstaunlich lange auf sich warten lassen, aber nun kam sie umso heftiger und vermischte sich mit meinem Glückstaumel zu einer unwiderstehlichen Mixtur. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und mein Gehirn speicherte jede Einzelheit, jede Sekunde für alle Zeiten ab. Das Flüstern von Edwards edlen Slippern auf dem nicht minder edlen Teppich, als er mich über die Schwelle trug. Das Mondlicht, das durch die riesigen Fenster fiel und das ganze Zimmer in blasses, bläuliches Licht tauchte. Das leuchtende Weiß der Wäsche, mit der das große Bett mitten im Raum bezogen war. Und schließlich der leise Schnapplaut, als Edward die Tür hinter uns ins Schloss schob.

Einen Moment, eine kleine Ewigkeit, passierte gar nichts. Dann senkte er seine Lippen auf meine.

Er hatte mich auch schon vor dem Altar geküsst und auf der Feier, und hunderte Male davor. Und trotzdem war es diesmal anders. Es war der verheißungsvolle Vorbote auf die Einlösung eines Versprechens, die ich so heiß ersehnt hatte...

Ich schlang ihm die Arme um den Hals und presste mich an ihn. Heute brauchte ich mich nicht zurückzuhalten. Mein Magen schien eine Pirouette zu schlagen, als er mich langsam, ohne dabei seinen Mund von meinem zu lösen, auf die Füße stellte und an sich drückte. Nicht so fest, wie er es konnte und wollte natürlich, aber dazu würde er noch oft genug Gelegenheit haben. Ein ganzes unsterbliches Leben lang.

Eine Weile standen wir so da, bis mir die Luft ausging und ich mich widerstrebend von ihm lösen musste. Mein Atem ging verräterisch schnell, und bestimmt war ich furchtbar rot im Gesicht. Unfair, dass ihm das nicht passieren konnte.

Plötzlich wusste ich nicht so richtig, wie ich weitermachen sollte. Edward stand einfach da, mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck, und starrte mich an. Ich hatte, das wurde mir jetzt klar, irgendwie erwartet, dass er in dieser Situation die Initiative ergreifen würde, und nun tat er genau das nicht. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, bis ich sah, wie er an seiner seidenen Krawatte, die wahrscheinlich so viel gekostet hatte, wie ich in fünf Jahren für Kleidung ausgab, zerrte und sie glatt entzweiriss.

Konnte es sein, dass er einfach nervös war?

Erst jetzt ging mir auf, dass er, was diese Sache betraf, genauso unerfahren war wie ich. Der Gedanke gefiel mir. In allen anderen Dingen war er mir hundert Jahre voraus, und das schuf trotz aller Vertrautheit eine gewisse Distanz zwischen uns, die ich nie ganz ausblenden konnte. Nicht umsonst hatte ich bis zuletzt kaum fassen können, dass sich dieser Mann tatsächlich für mich entschieden hatte. Aber jetzt war es anders. Diese Sache würden wir gemeinsam entdecken, und alles, was wir fanden, würde nur uns beiden gehören.

Spontan schlang ich die Arme um seine Mitte, und er drückte sein Kinn in mein Haar. Unter Jackett, Weste und Hemd konnte ich deutlich seinen festen, kühlen Oberkörper spüren. Hitze fuhr mir direkt in den Bauch, und ich kuschelte mich noch enger an ihn.

Na bitte, es war doch ganz einfach.

Das wundervolle, lange, reinweiße Hochzeitskleid, das Alice mir ausgesucht hatte, störte mich plötzlich furchtbar. So viel Stoff mit so komplizierten Verschlüssen zwischen mir und Edward... Wer auch immer sich ausgedacht hatte, dass Frauen bei ihrer Hochzeit so etwas tragen sollten, hatte offenbar nicht bis zur Hochzeitsnacht geplant.

Ich überlegte. Alles in mir drängte hin zu Edward, und allein der Gedanke, mich auch nur kurz von ihm zu entfernen, tat mir fast körperlich weh. Aber die Vorstellung, mich hier vor ihm ungeschickt und unter allerhand albernen Verrenkungen aus meinem Kleid zu schälen, trieb mir die Schamesröte ins Gesicht. Ich seufzte leise; es musste wohl sein.

„Ich bin nur kurz im Bad. Geh nicht weg solange!", flüsterte ich atemlos und entzog mich mit beinahe übermenschlicher Willenskraft seiner Umarmung.

„Keine Sorge", flüsterte er zurück, und ich huschte rasch in sein Bad.

Das Licht ließ ich aus. Es hätte nur die Stimmung zerstört, dieses sehnsuchtsvolle Kribbeln im Bauch, von dem ich nicht mehr genug bekommen konnte. Mein Kleid raschelte leise auf den Fliesen, als ich vor den großen Spiegel trat und mich noch einmal als Braut betrachtete. Eingehüllt in weißen, teuren Stoff, von Meisterhand zurechtgemacht und gebadet in Mondlicht, war ich beinahe... schön.

Ich lächelte, und die fremde Bella im Spiegel lächelte auch. Alice hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.

Ich hätte mich in diesem Moment absolut untypischen Selbstbewusstseins verlieren können, wäre da nicht eine viel drängendere Versuchung gewesen.

Kein Laut war zu hören, für mich zumindest nicht; Edward konnte unmöglich entgehen, mit welcher Wucht mein Herz pumpte.

Noch ein letzter Blick, dann wandte ich mich vom Spiegel ab, denn unter dem Anblick dessen, was ich jetzt vorhatte, würde meine Erinnerung an die schöne Bella womöglich leiden.

Ich drehte die Arme auf den Rücken, machte mit dem Oberkörper eine komische Verrenkung und konnte das oberste Häkchen meines Kleides trotzdem nur erreichen, weil es einen recht tiefen Rückenausschnitt hatte. Während ich mich für meinen Entschluss, Edward das nicht sehen zu lassen, beglückwünschte, öffnete ich eines nach dem anderen, fast ohne Unfall. Nur einmal kam ich ins Stolpern, und bei dem Ausfallschritt, mit dem ich mich tatsächlich abfangen konnte, verursachte mein Absatz auf den Fliesen einen Knall, der im ganzen Haus zu hören sein musste.

Keine Sekunde später klopfte Edward leise an die Tür.

„Bella, alles in Ordnung?"

„Ja, ich bin gleich fertig!", antwortete ich atemlos. Mein Gesicht glühte förmlich, aber dann musste ich grinsen. Wenn es dabei blieb, war das für mich gar kein so schlechter Schnitt.

Endlich waren alle Häkchen geöffnet, und das Oberteil des Kleides hing lose an meinen Schultern. Nur noch die geschickt verborgene Schnürung an der Taille, dann schlüpfte ich aus den kurzen Ärmeln und ließ meterweise weißen Stoff in einer dramatischen Bewegung an mir herunterfallen.

Ich wagte einen Blick an mir herab. Reinweiße Dessous natürlich, und...

Ein kleines Lächeln irgendwo zwischen Belustigung und Scham stahl sich auf mein Gesicht. Wie hatte ich das nur vergessen können? Oder eher verdrängen...

Halterlose weiße Seidenstrümpfe. Oh Alice.

Einen Moment wog ich Optik gegen Unfallgefahr ab, dann kickte ich meine Schuhe von den Füßen. Mit vor Ungeduld zitternden Händen entfernte ich noch die Haarnadeln und Klammern aus meiner Frisur, und dann endlich war ich bereit.

An der Tür hielt ich inne. Es zog von zwei Seiten an mir; Nervosität gegen Neugier, Scham gegen Schamlosigkeit. Noch einmal atmete ich tief durch und dankte dem Schicksal, dass Edward meine wirren Gedanken nicht lesen konnte. Dann drückte ich die Klinke und trippelte auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer.

„Ich bin soweit", flüsterte ich heiser.

Edward saß auf der Bettkante. Jackett und Weste hatte er abgelegt, aber die halbe Krawatte hing noch immer an seinem Hals. Als ich auftauchte, hob er den Kopf und sah mich von unten her an. In seinem Blick lag eine Verletzlichkeit, die ich noch nie an ihm gesehen hatte. Ich wollte ihm sagen, wie sehr ich ihn liebte, was mir diese Nacht bedeutete, aber die Worte, die ich hätte benutzen können, waren einfach zu hohl und nichtssagend.

Mit zwei raschen Schritten war ich bei ihm, ließ mich neben ihm nieder und schlang die Arme um ihn. Ich wisperte seinen Namen, ließ sein Haar durch meine Finger gleiten, presste meine warme, weiche Wange an seine kalte, harte.

Ein wohliger Schauer fuhr gemeinsam mit seiner Hand über meinen Rücken, und dann spürte ich seine Lippen an meinem Ohrläppchen.

Ich seufzte; das Kribbeln in meinem Bauch hatte sich gerade verlagert...

Und dann war er fort, so plötzlich, dass ich beinahe vornüber gekippt wäre.

Fassungslos starrte ich sein im Halbdunkel liegendes Gesicht an. Er stand nun etwa einen Meter vom Bett entfernt und wich meinem Blick aus. Ich schluckte; etwas war gar nicht in Ordnung.

„Komm doch wieder her", flüsterte ich. Die plötzlich wieder aufgeflammte Nervosität war aus meiner Stimme nur allzu deutlich herauszuhören.

„Es tut mir leid", murmelte er. „Es geht nicht."

„Wa-was meinst du?", stammelte ich, obwohl ich die Antwort doch bereits kannte.

„Bella... Es ist zu gefährlich."

Verzweiflung überkam mich wie eine dunkle Wolke. Die Euphorie, die ich gerade noch gefühlt hatte, war entsetzlich weit weg.

„Zu gefährlich?", wiederholte ich mit zitternder Stimme. Mir wurde auf einmal wieder bewusst, dass ich halbnackt war. „Wir – wir sind doch jetzt verheiratet! Du hast gesagt..."

„Ich habe gesagt, dass ich es versuchen werde. Aber ich... Bitte versteh doch, Bella. Wir haben alle Zeit der Welt, wenn du erst verwandelt bist."

„Edward, es ist unsere Hochzeitsnacht!", wimmerte ich. Er sah mich an mit einer seltsamen Mischung aus Qual und Mitleid.

Was tat ich hier?

Ich bettelte meinen eigenen Mann an, mit mir zu schlafen.

Die Schamesröte schoss mir ins Gesicht, und gleichzeitig fröstelte ich.

„Schon gut", flüsterte ich und sprang vom Bett auf.

„Bella..."

„Schon gut." Ich griff nach dem weißen Morgenmantel, der neben dem Bett lag, und warf ihn mir über; meine Blöße, die sich noch vor Kurzem so natürlich angefühlt hatte, ertrug ich nun nicht mehr. Ich mied Edwards Blick, als ich auf die Tür zustrebte.

„Bella."

Ich schüttelte nur den Kopf, meiner Stimme traute ich nicht. Ich konnte nicht denken, ich wusste nur, dass ich weg musste, weit weg von diesem beklemmenden Gefühl, das mir die Luft zum Atmen nahm.

Edward folgte mir nicht, als ich hinaus auf den Flur lief, er stand da wie erstarrt. Kurz sah ich noch seinen dunklen Umriss, verzerrt durch den Tränenschleier vor meinen Augen, dann fiel die Tür zu und ich war allein.