Noir – Abgründe
Disclaimer: Noir, die Markennamen und Lizenzen verschiedener Waffen und Objekte sowie die Namen der Hauptpersonen Mireille Bouquet und Kirika Yumura sind nicht mein Eigentum. Sie sind eingetragenes (geistiges) Eigentum verschiedener Firmen...
Notiz des Autors: Diese Geschichte beinhaltet Liebesszenen zwischen Frauen sowie leichte Gewaltschilderungen. Wer sich mit solchen Themen nicht anfreunden kann, der sollte das Lesen hier beenden...
Allen anderen: Viel Spaß!
Auch diese Geschichte widme ich (wie schon meine anderen Noir-Fanfictions „Eifersucht" und „Last Bullet" meiner guten Freundin Fabiola, die mir inzwischen wohl noch sehr viel mehr bedeutet als damals ;).
Der Autor
Kapitel 1: High Society
Kirika betrat den Raum und verschaffte sich schnell einen Überblick: Er war nur sparsam, aber edel ausgestattet. Ein Schreibtisch stand in der Mitte des Raums, die Wände des Raumes waren mit Bücherregalen vollständig bedeckt. Ein Leuchter hing an der Decke und warf ein diffuses Licht in den Raum. Kirika sah einen Sessel, der hinter dem Schreibtisch stand. In ihm lag, ausgestreckt und schlafend, ein Mann mittleren Alters. Er war beleibt und hatte braunes, üppiges Haar. Zudem trug er einen Schnauzer. Kirika sah auch den weißen Anzug der Zielperson. Noch einmal ließ sie ihren Blick über das Zimmer und die Bücher hinweg schweifen. Ein Schnarchlaut der Person ließ sie zusammenzucken. Sie durfte keine Zeit verlieren. Es war auffällig, dass der Gastgeber der Party sich so früh zurückgezogen hatte und sicherlich würde bald jemand nach ihm schauen. Kirika hob die Beretta M34f, die mit einem Schalldämpfer ausgerüstet war, zielte sorgfältig und gab zwei Schüsse ab. Die Schüsse konnten kaum gehört werden. Nur die beiden kleinen Löcher, eins im Anzug des Opfers, auf Brusthöhe etwa, und eins mitten auf der Stirn zeugten von dem Mord. Kirika senkte den Arm wieder. Sie schämte sich, wie immer, wenn sie einen Menschen getötet hatte. Sie schämte sich, dass sie so etwas Schreckliches tun konnte und vor allen anderen Dingen schämte sie sich dafür, nicht darüber trauern zu können, dass sie solch ein seelenloses Monster war. Sie sah, wie dem Mann ein bißchen Blut aus dem Einschussloch floss und langsam das Weiß des Kragens Rot färbte. Sie wandte sich ab und schloss leise die Tür hinter sich. Die Waffe ließ sie in einem Kniestrumpf verschwinden. Ihre Tarnung als Dienstmädchen des Hauses würde sicher bald auffliegen und sie musste sich beeilen, das Gebäude zu verlassen. Eilig, jedoch immer noch ihrer Tarnung angemessen, eilte sie durch die Gänge des großen Herrenhauses, vorbei an Wandteppichen und Bildern. Dann kam sie zu der Treppe, die hinunter zum Dienstboteneingang und den Räumlichkeiten für Bedienstete führte. Sie schlüpfte die Treppe hinab und verließ das Gebäude ungesehen durch den Dienstboteneingang.
Mireille mischte sich unter die anwesenden Gäste. Alle stammten aus dem Teil der Pariser Haute Volée, in dem manche Vertreter des alteingesessenen Geburts- und Geldadels eine delikate Liaison mit der Demi-monde verband, und die alle mehr oder weniger Dreck am Stecken hatten. Sie selbst hatte die Identität einer gewissen Sophie Réno angenommen, der Tochter eines Emporkömmlings, die zum ersten Mal auf eine Upperclass-Party ging. Die echte Sophie befand sich in einem Bootshaus am Seineufer, betäubt und gefesselt. Es war ein Leichtes gewesen, ihren Leibwächter abzulenken und beide zu überwältigen. Trotzdem machte ihr der Auftrag Sorgen: Die weitere Ausführung würde sich wohl schwieriger erweisen, denn immerhin mussten Kirika und sie während diesem Empfang zwei Menschen liquidieren, so forderte es ihr Auftraggeber. Die eine Zielperson war der Gastgeber dieser Feier, Jean Marceau, ein Mann mit Mafiakontakten, der seine Finger in vielen dunklen Bereichen des Pariser Nachtlebens hatte. Die andere Zielperson war seine Frau Clara Marceau, die nicht weniger mächtig als ihr Gatte war. Offiziell war sie zwar nur eine Boutiquebesitzerin, veranstaltete jedoch Spiele zweifelhafter Art: Als Gönnerin eines Waisenheimes versorgte sie ihren Freundeskreis mit einer Art von Gladiatorenspielen, in denen die Kinder des besagten Waisenheims gezwungen wurde, gegeneinander auf Leben und Tod zu kämpfen.
Dieser Auftrag würde mit Sicherheit nicht einfach werden, wobei ihr weniger das Attentat Sorge bereitete als die Flucht: Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm hoch, Überwachungskameras und Wachleute standen an jeder Ecke. Zwar trugen die Leibwächter Rénos Anzüge und taten so, als seien sie Partygäste, jedoch konnte Mireille eindeutig die Abdrücke von Pistolen in den Taschen der Männer ausmachen. Zudem konnten sie die beiden Ziele nicht auf einmal ausschalten, ohne das Risiko einer vorzeitigen Entdeckung einzugehen. Deshalb mussten sie sich aufteilen und das machte Mireille die meisten Sorgen: Obwohl sie schon oft getrennt operiert hatten, zog es Mireille jedesmal die Eingeweide zusammen, wenn sie nur daran dachte, Kirika könne etwas zustoßen, ohne dass sie ihr würde helfen können...
Mireille verscheuchte die negativen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf ihren Auftrag. Phase 1 war ja schon problemlos ausgestanden: Kirika hatte, in ihrer Verkleidung als Dienstmädchen, Réno ein Glas Sekt mit Schlafmittel verabreicht, und war dem Mann, als dieser sich zurückziehen wollte, unauffällig gefolgt. Nun war es an Mireille, sich um die andere Zielperson zu kümmern. Sie schlängelte sich geschickt durch die Menschenmengen und Grüppchen von Bekannten, immer weiter zur Zielperson hin, die abseits in einer kleinen Fensternische an einem Tisch saß und sich mit zwei weiteren Frauen unterhielt. Mireille gesellte sich zu einer Gruppe in der Nähe der Fensternische und sprach den Mann, der der Fensternische am nächsten war, an, um eine gute Beobachtungsposition zu haben. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie weiterhin die Fensternische. Der noch junge Mann, Mireille schätzte ihn so um die Zwanzig, schien erfreut zu sein über die Aufmerksamkeit der gutaussehenden blonden Frau. Mireille sah, wie er ihr rotes Kleid bewunderte und ihr entging auch nicht der abschätzende Blick in ihren Ausschnitt. ‚Männer!', dachte sich Mireille und lächelte freundlich. „Es ist schön, einen noch so jungen, gutaussehenden Mann auf einer Feierlichkeit wie dieser hier zu finden..." Ihr wurde bewusst, wie aufreizend dieser Satz wirken musste in solch einer gesellschaftlichen Schicht und sie grinste verlegen. Mireille fiel auf, dass der Mann tatsächlich gut aussah. Er war mittelgroß und trug einen eleganten schwarzen Anzug. Er war Brillenträger, doch trotz seiner gesellschaftlichen Stellung wirkte er keineswegs überheblich und eingebildet. Die Locken gefielen Mireille. Der Mann errötete seinerseits. „Vielen... vielen Dank! Mein Name ist Jean. Wie mein Vater. Und Ihr Name ist, wenn ich fragen darf?" Er neigte leicht seinen Kopf und Mireille lächelte verschmitzt. So ein höflicher Mann. Dann wurde ihr bewusst, was der Mann gesagt hatte... ‚Wie mein Vater.' Geistesgegenwärtig rettete Mireille sich vor einer weiteren peinlichen Situation und antwortete rasch: „Sie dürfen. Ich heiße Mireille..." Sie biss sich auf die Lippen. Verdammt! Wie konnte sie nur! Ihr richtiger Name! Wie konnte man nur so blöd sein! Der Mann schien jedoch nichts bemerkt zu haben und lächelte weiter. „Also, Mireille, darf ich Sie zu einem Drink einladen? Immerhin gehört meinem Vater das alles hier..." Mireille nickte. „Wählen Sie für uns." Jean nickte. „Bitte warten Sie. Ich bin gleich zurück!" Er nickte Mireille noch rasch zu und verließ dann fröhlich lächelnd die Gruppe in Richtung Bar.
Mireille wandte sich von der Gruppe ab. Wie konnte sie nur so blöd sein... Nun galt es rasch zu handeln, bevor der Mann zurückkehrte. Das würde sonst nur Komplikationen bedeuten. Inständig hoffte sie, dass Kirika schnell arbeiten würde und nicht die Zeit vertrödelte, denn wenn Mireille ihren Teil des Plans ausgeführt hatte, blieben wahrscheinlich nur wenige Sekunden, bevor das ganze Gelände hermetisch abgeriegelt war... Sie besah sich die Frau erneut. Clara Réno war eine Frau um die Fünfzig und sah für ihr Alter noch sehr gut aus. Mireille vermutete jedoch, dass sowohl die roten Haare sowie das faltenfreie Gesicht für viel Geld gekauft worden waren. Okay, die Haare weniger. Mireille grinste. Dann ging sie ein paar Schritte auf die Sitzgruppe zu. Die drei Frauen blickten fragend auf. Mireille sah die anderen beiden Frauen an: Sie waren Clara sehr ähnlich, was den Vermögensstand des Ehemannes angehen musste, zumindest trugen sie ähnlich teuren Schmuck und Kleider allererster Güte. Mireille zog ihre Pistole und richtete sie auf ihr Ziel. Sie sah den Schreck in den Augen ihres Opfers. Dann wurde die Frau von ihrem Stuhl herunter gerissen, als die Kugeln sich in ihren Körper bohrten. Es dauerte ein paar Augenblicke und die Zeit schien für einen Moment stehen geblieben zu sein. Dann brach die Hölle los: Die anderen beiden Frauen sprangen auf und fingen an zu schreien und immer mehr Leute fielen mit ein, als sie die blutüberströmte Leiche auf dem Boden liegen sahen. Mireille sah sich kurz um und entdeckte den jungen Sohn der Frau. Er hielt zwei Gläser in den Händen und sah sie an. Mireille wunderte sich. Es war weder ein Gefühl des Hasses noch des Entsetzens, das ihr da entgegenschlug. Vielmehr Ungläubigkeit und ein fragender, verzweifelter Blick.
Das Schreien der Leibwächter riss Mireille aus ihrer Trance. Dann hörte sie die ersten Schüsse. Schnell erwiederte sie das Feuer. Sie sah, wie zwei der fünf Wachmänner getroffen gegen Tische oder Leute geschleudert wurden. Dann drehte sie sich um und sprang auf den Tisch und von dort gegen das Fenster, über die Leiche, die sie mit leblosen Augen anzusehen schien, hinweg. Den stechenden Schmerz in ihrer Bauchgegend bemerkte sie erst im Moment des Fallens, als sie durch die Glaswand geflogen war und die Splitter des Nischenfensters an ihr vorbei fliegen sah...
Endnotiz: Wem es aufgefallen ist: Jean Réno und Sophie Marceau sind französische Schauspieler. Die Namen hab ich nur getauscht... G. Aber mir sind auf die Schnelle keine besseren französischen Namen eingefallen.
