Disclaimer: Alle Charaktere gehören J.K. Rowling, ich hab sie nur geliehen
und hoffe sie verzeiht es mir, außerdem will ich mit der Geschichte kein
Geld verdienen (wär ja schön *g*)
Der Grahlhof. nun ja, da habe ich diesen Sommer Ferien gemacht, allerdings
habe ich nur den Namen geklaut, der Rest entspringt meiner Fantasie.
Description: Die Story spielt im Sommer vor dem 7 Schuljahr von Harrys Eltern & Co. Lilys Eltern sind während des letzten Schuljahres ums Leben gekommen (was für Petunia die Anregung war, Harry das gleiche über seine Eltern zu erzählen, weil das ein "normaler" Tod war) und Lily wohnt im tropfenden Kessel. Voldemort hat schon eine Menge Anhänger und das Ministerium erhält nur noch den Anschein, dass es alles unter Kontrolle hat. Tatsächlich können die Todesser tun und lassen, was sie wollen, und die Menschen können nicht viel dagegen tun und schauen weg, wenn jemand auf offener Straße angegriffen wird. Was ich aus OotP übernommen habe (mehr oder weniger SPOILER) - Lily und James können sich zurzeit nicht sonderlich leiden (konnten sie anscheinend noch nie), aber wie den Lesern des Buches bekannt ist, fangen sie ja im siebten Jahr an, miteinander auszugehen. Und wie kommt es dazu? ...
"Das reicht, Tom, vielen Dank!" Lily schob ihren Teller zurück und lächelte den Wirt an.
Tom nickte und lächelte zurück, während er den Tisch vor ihr abdeckte. "Sie sollten lieber
bald in ihr Zimmer gehen, Miss Evans", flüsterte ihr leise zu, und sein eben noch lächelndes
Gesicht sah besorgt aus. Lily hob die Augenbrauen und spitzte die Lippen. "Meinetwegen."
Sie strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und stand auf. "Gute Nacht, Tom." Sie
winkte und ging hoch. Keine Minute später ließ sie sich auf ihr Bett fallen. "Toll", dachte sie,
"Was ist das für eine Welt, in der ein fast siebzehn Jähriges Mädchen um halb Acht auf sein
Zimmer gehen muss, da es im Schankraum Gefahr läuft, angegriffen zu werden?" Sie zog
eines ihrer Bücher aus dem am Boden liegenden offenen Koffer und begann zu lesen. Seit sie
hier war, tat sie fast nichts anderes. Das Geld, welches ihre Eltern ihr vererbt hatten, (einen
Teil hatte natürlich auch Petunia bekommen), lag sicher in Zauberergeld eingetauscht in
ihrem Verließ in Gringotts. Sie hatte sich davon an ihrem ersten Tag gleich neue Bücher
gekauft, die sie inzwischen Auswendig konnte. Vor zwei Tagen war ihre Liste mit den
Schulbüchern für das siebte Jahr geschickt worden. Da sie nichts Besseres zu tun hatte, las sie
sie ebenfalls. Tom, Professor McGonagall und sogar Dumbledore selbst hatten ihr gesagt,
dass es sicherer für sie wäre, wenn sie sich sowenig wie möglich in der Winkelgasse aufhielt
und lieber in ihrem Zimmer blieb. Während der paar Ferienwochen, in denen sie hier war,
wurden schon fünf Muggelgeborene angegriffen. Die maskierten Zauberer, die die Taten
begangen hatten, hatten die armen Seelen fast umgebracht, als sie sie auf offener Straße mit
verschiedenen Flüchen folterten. Halb tot ließen sie sie am Straßenrand liegen und
verschwanden lachend. Irgendjemand kümmerte sich um sie, oder brachte sie nach St.
Mungo's, allerdings erst nach Einbruch der Dunkelheit, und wenn sie sich sicher waren, dass
keiner Zusah. Niemand wollte den Maskierten einen Vorwand geben, sie selbst ebenfalls
anzugreifen. Lily hatte all das nur von Leuten aus dem Tropfenden Kessel gehört, sie selbst
war nie dabei gewesen, und darüber war sie froh. Wenn sie da gewesen wäre, was hätte sie
alleine schon tun können? Sie wusste genau, dass ihr niemand geholfen hätte, wenn die
Todesser dann auch auf sie losgegangen wären. Seufzend rollte sie sich auf den Bauch und
blätterte die Seite um.
*****
Drei Tage später geschah es. Lily kam die Treppe herunter, um zum Mittag zu essen. Schon
während sie durch den Gastraum schritt, merkte sie die nervöse, angespannte Stimmung. Tom
warf ihr die ganze Zeit beunruhigte, fast angstvolle Blicke zu, als wünschte er, dass sie nicht
hier wäre, aber als er ihr den Teller brachte, sagte er kein Wort. Er sah sie noch nicht einmal
an. Sie begann zu essen. Einige Menschen standen auf und verließen eilig den Pub, als ein
paar andere hereinkamen. Lily beobachtete sie und schluckte mühsam eine Kartoffel herunter.
Dann flog die Tür zum Hinterhof auf, und Zauberer kamen herein. Sie trugen lange, schwarze
Kapuzenumhänge und Masken vor dem Gesicht. Lily blieb fast das Herz stehen. Langsam
ließ sie ihr Besteck niedersinken und griff so unbemerkt wie möglich nach ihren Zauberstab.
Sie wusste, wenn sie erst jemand als Muggelgeborene enttarnte, dann würde auch ihr
Zauberstab ihr nicht mehr helfen.
Die anderen Zauberer und Hexen verfolgten die Todesser mit den Augen, die Kopfe aber
gesenkt, als wollten sie nicht auf sich aufmerksam machen. Nur einige Wenige, nämlich die,
die gerade eben hereingekommen waren, wagten es, die Maskierten direkt anzuschauen.
"Verräter", dachte Lily, während sich ihr Magen verkrampfte. "Tom! Sechs heiße Honig-Met,
ein Johannesbeer-Rum und Zwei Butterbier!" bellte einer der Maskierten. Sie ließen sich an
der Bar nieder und ließen ihre Blicke durch den Raum schweifen. Lily senkte schnell den
Kopf und griff nach dem Wasserglas, einmal um ihre Gesicht zu verdecken, und zum zweiten,
weil ihre Kehle sich knochentrocken anfühlte. Sie glaubte, gleich laut husten zu müssen, und
das wollte sie um alles in der Welt vermeiden. Bloß keine Aufmerksamkeit erregen!
Die Todesser tranken nicht, sondern unterhielten sich lautstark. "Weißt du was, Tom?"
bemerkte plötzlich einer von ihnen und wandte sich an den Wirt. Tom schien hinter seiner
Theke völlig zusammen zu schrumpfen und gab ein leises, fragendes Geräusch von sich. Der
Zauberer deutete auf das Bild hinter einer Gruppe Zauberer an der Wand. "Das Bild da, siehst
du das Bild, Tom?" Tom nickte. "Das hat ein Schlammblüter gemalt. Warum hängst du das
Bild von einem dreckigen Schlammblüter in deinem Haus auf? Sie sind minderwertig, und
ihre Bilder sind es erst recht nicht wert, an der Wand eines reinblütigen Zauberers zu hängen,
nicht war? Also wollen wir es doch lieber entfernen!" Ein greller Blitz schoss aus seinem
Zauberstab und zerfetzte die Leinwand. Ein dunkles Loch gähnte in der Wand. Die Todesser
johlten. "Das Regal da gefällt mir auch nicht!" brüllte ein anderer. WAMM! Ein paar Meter
von Lily entfernt splitterte Holz. Irgendjemand schrie erschrocken auf, und als Sekunden
später weitere Blitze durch den Raum schossen, duckten sich fast alle und hielten sich
schützend die Arme über den Kopf. Nur die Zauberer, die sich anscheinend nicht vor den
Todessern fürchteten, waren aufgesprungen, und zu Lilys Erschütterung begannen sie
ebenfalls, Gläser, Lampen, Stühle und ähnliches zu zerschmettern. Scharfe Teile flogen durch
die Luft. Eine Glasscherbe schnitt Lily in die Hand, als sie ihre Augen schützen wollte. "Du
da!" brüllte irgendwer. Lily zuckte zusammen und sah sich um, ob sie gemeint war. Aber der
Todesser deutete auf einen Zauberer zwei Tische weiter, der mit schreckensweiten Augen den
Maskierten anstarrte. "Du bist doch George MacKimmon, nicht wahr?" bellte der Rodesser.
Der Mann nickte verängstigt. "Und deine Frau ist doch Lindsey Bicks?" Wieder ein Nicken.
"UND IST LINDSEY NICHT EIN GOTTVERDAMMTES SCHLAMMBLUT?" brüllte der
Todesser. Der Mann wimmerte. "MACKIMMON!" donnerte der Anführer der Todesser.
"Was für eine Schande bringst du über die Reinblütigen Zauberer, indem du mit einem
dreckigen Halbmenschen verheiratet bist???" Er hob den Zauberstab, und sein Fluch traf
George MacKimmon direkt in den Bauch. Er schrie auf und wandte sich, während sich
offensichtlich eine kochendheiße, schmerzende Substanz über seinen Körper verbreitete. Die
Menschen krochen auf dem Fußboden zur Tür und versuchten, unbemerkt das Weite zu
suchen, andere versteckten sich unter den noch heilen Tischen. Lily selbst hatte sich hinter die
rauchenden Trümmer des Nachbartisches verkrochen und betete stumm, dass sie sie nicht
entdecken würden. Die Schreie des Mannes klangen ihr in den Ohren. Die Todesser sahen
sich jetzt nach weiteren Opfern um. Hektisch sah Lily an sich herunter, ob irgendetwas sie als
Muggelstämmige auszeichnen könnte. Unter ihrer Zaubererrobe trug sie schon die
Hogwartsuniform, aber sie trug ganz normale Turnschuhe! Muggelschuhe! Verzweifelt zog
sie den Stoff ihrer Robe über ihre Füße und konzentrierte sich darauf, nicht gesehen zu
werden.
Ein leises "Plopp", das sich wiederholte, ließ sie aufhorchen. Irgendjemand war gerade
appariert oder disappariert. "Bleibt stehen!" brüllte eine Männerstimme. Der
Todesseranführer wies seine Gefährten an, erst im letzten Moment zu verschwinden. Blitze
und Flüche schossen hin und her. Auch der letzte Rest des Pubs wurde jetzt zerstört, als ein
wütender Kampf entbrannte. Lily wagte es, vorsichtig einen Blick über die Trümmer zu
werfen. Mehrere Zauberer und Hexen, die das Zeichen des Ministeriums trugen, waren
erschienen und duellierten sich hart mit den Todessern. Ein Fluch traf Lilys Haufen und sie
zog Hastig den Kopf zurück, als blaue Flammen ihr fast das Gesicht verbrannten. Neben sich
sah sie zwei Zauberer in Gebückter Haltung zur Tür rennen und verschwinden. Sie wollte
auch weg, aber wohin?
Irgendjemand näherte sich ihr, und Lilys Gedanken flogen. Was sollte sie tun? Ein hastiger
Blick ließ sie erkennen, dass der Mann eine Maske trug. Jetzt hatte er sie entdeckt. Er hob den
Zauberstab. Im gleichen Augenblick traf ihn ein Schockzauber. Ein anderer Zauberer, einer
der Ministeriumsleute, sprang über die Trümmer hinweg und zog Lily hoch. "Du musst hier
weg!" sagte er scharf. "Aber wohin?" jammerte sie. "Hast du kein Zuhause?" "Nein. Ich habe
hier gewohnt." Sie hatte das Gefühl, ihre Zunge würde sich dauernd verknoten. Der Mann
kniff kurz die Lippen zusammen und schoss über die Schulter hinweg einen Lähmfluch ab.
"Kannst du apparieren?" fragte er. Lily schüttelte den kopf und sah sich ängstlich nach den
anderen um. Die Todesser disapparierten, aber einige schossen immer noch Flüche ab. Der
Mann schien kurz nachzudenken. Dann schnappte er sich einen seltsamer Weise heil
gebliebenen Trinkpokal vom Boden und tippte ihn an, während er "Portus" murmelte. "Hier,
das ist ein Portschlüssel, er wird dich zu mir nach Hause bringen. Du musst hier jetzt zuerst
einmal weg, ich komme gleich und dann können wir überlegen wo du hin kannst, ja? Ich
komme auch gleich. Sag mir nur schnell deinen Namen." "Lily Evans, Sir." "Okay Lily, ich
werde gleich bei dir sein." Er gab ihr den Pokal. Lily ergriff ihn und fühlte, wie sie
hochgerissen wurde.
Mit einem Plumpsen landete sie in einer gemütlichen Küche. Eine Frau, die gerade den
Abwasch machte, sah sich erstaunt um. "Nanu? Besuch?" sie lächelte, aber Lily bemerkte
trotzdem, dass sie die Hand am Zauberstab hatte. "Ich- tut mir leid, ich-" Sie rappelte sich auf
und wurde scharlachrot. Dann apparierte mit einem leisen plopp der Mann von eben neben
ihr. "Ah, du bist heil angekommen", lächelte er. Die Frau hob fragend die Augenbrauen.
"Sally, die junge Dame hier war bei einem Angriff der Todesser im Tropfenden Kessel
anwesen und scheint leider keinen Ort zu haben, wohin sie gehen könnte. Wäre es möglich,
dass Lily erst einmal hier bleibt?" wandte sich der Mann an sie. Sally nickte verstehend. "Ich
muss wieder weg. Da draußen ist die Hölle los." "Komm heil wieder, David." Die Frau strich
sich eine dunkelbraune Locke aus der Stirn und lächelte Lily zu, als ihr Mann verschwand.
"Komm her Liebes, das war wahrscheinlich ein Schock für dich, nicht wahr?" Sie deutete auf
einen der Küchenstühle, und Lily setzte sich gehorsam. Sally holte einen Teller Kekse von
einem Bord und stellte ihn demonstrativ vor Lily auf den Tisch. "Und wer bist du?" "Lily
Evans, Ma'am", sagte sie sie leise und nahm sich zaghaft einen Keks. "Oh, nenn mich Sally",
lachte die Frau. "Es kann noch Stunden dauern, bis David nach Hause kommt, dann wird sich
alles Weitere klären, ja? Du kannst solange gerne hier bleiben. Hier wird dir nichts passieren.
Aber da draußen zu sein." Sie verstummte und schauderte. Dann sah sie Lily genauer an.
"Oh je, du bist eine Muggelstämmige, nicht wahr?" Das war nicht abwertend gemeint, wie
Lily an ihrer Stimme hören konnte, eher mitfühlend, weil sie dadurch gefährdeter war als die
meisten anderen. Sie nickte. Sally deutete auf ihre Schuhe. "Wenn du außerhalb der Schule
bist, solltest du vielleicht nicht gerade Turnschuhe anziehen. Zwar tragen auch viele
Zaubererkinder Muggelkleidung, aber zurzeit." Sie schwieg. "Ich kann schauen ob wir für
dich ein paar einfache Stiefel besorgen können. Es sind nur solche Kleinigkeiten, aber das
reicht ihnen schon, um einen zu diskriminieren." Lily musste nicht fragen, wen Sally mit
'ihnen' meinte. "Das wäre nett", sagte sie leise. Die Frau lächelte aufmunternd. "Brauchst du
irgendwas? Hast du Hunger? Es ist noch etwas Käseauflauf übrig." Lily lächelte zaghaft. "Ich
war gerade beim Mittagessen, als die- die Todesser auftauchten. Ich fürchte, mein Essen liegt
jetzt auf dem Boden des Tropfenden Kessels verstreut." Sally gab ein Glucksen von sich und
schwang ihren Zauberstab. Begeistert sah Lily zu, wie die Speise auf dem Herd anfing, zu
dampfen und sich offensichtlich erwärmte. Bald duftete es in der Küche nach überbackenem
Käse und Nudeln in Tomatensauce. Mit einem weiteren Schnipsen des Zauberstabs
verschwand der Keksteller vom Tisch und ein anderer kam aus einem Schrank angeflogen.
Besteck, ein Glas und eine Serviette platzierten sich ordentlich daneben. Sally lächelte über
Lilys faszinierte Blicke. "Schon mal in einem echten Zaubererhaus gewesen?" fragte sie
beiläufig. Lily schüttelte den Kopf. "Meine Freundin Anlea ist auch eine Muggelgeborene,
und Sheilas Mutter ist ebenfalls eine Muggel. Dadurch gibt es in ihren Häusern nichts- nichts
Besonderes. Außer wenn Sheilas Dad da ist, aber er arbeitet fast den ganzen Tag." "Und du?
Ich meine, David meinte, du hättest kein Zuhause." Sally sah sie vorsichtig an, nicht sicher,
ob sie das Thema anschneiden sollte. Lily leckte sich etwas Käse von den Lippen. "Meine
Eltern sind letztes Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Meine Schwester
Petunia wohnt jetzt in ihrem Haus und hat mich fast sofort rausgeworfen. Sie mag keine
Magie." "Tatsächlich? Warum nicht?" "Ich weiß es nicht. Früher habe ich mich eigentlich
immer gut mit ihr verstanden, aber dann. seit ich den Brief von Hogwarts bekommen hatte,
war sie abweisend zu mir, und als ich nach meinem ersten Jahr nach Hause kam, hat sie mich
schon völlig ignoriert. Dann hat sie angefangen, Mum und Dad Lügengeschichten über mich
zu erzählen, und mir ganz offen gesagt, was sie von mir denkt: Dass ich eine Missgeburt bin."
"Was???" Sally sah sie schockiert an. Lily zuckte nur die Schultern. "Es ist mir egal. Ehrlich
gesagt würde ich lieber wieder in den Tropfenden Kessel zurück als Petunia fragen zu
müssen, ob ich bei ihr wohnen kann." Sie lächelte, um Sallys besorgtes Gesicht
wegzuwischen. "Ach du meine Güte", murmelte diese. Dann drehte sie sich um und machte
sich wieder am Abwasch zu schaffen. "Erzählst du mir, was genau im Tropfenden Kessel
passiert ist? Dir scheint es nichts auszumachen, darüber zu reden. ich meine, sonst wird so
etwas ja immer Tod geschwiegen." Also erzählte Lily ihr, was geschehen war, und während
sie Sallys lockigen braunen Zopf beobachtete, wie er hin und her wippte, als sie abwusch,
berichtete sie auch von den anderen Vorfällen in der Winkelgasse, von denen sie gehört hatte,
und schließlich auch von ihren eigenen Sorgen und ihrer Wut darüber, dass niemand etwas
gegen diese Menschen tat. Während sie sprach, wunderte sie sich über sich selbst. Sie hatte
noch nicht einmal Anlea und Sheila soviel erzählt. Tatsache war, dass die beiden zwar ihre Freundinnen waren, aber sie sich doch manchmal wie das dritte Rad am Wagen vorkam. Sie
mochte die beiden gerne, doch trotzdem gab es einfach eine Menge Themen, die sie nie den
beiden gegenüber ansprechen würde, oder Dinge, die sie nie mit ihnen gemeinsam tun würde.
Eine wirklich beste Freundin in Hogwarts hatte sie nicht. Meistens war sie zu sehr mit ihren
Hausaufgaben beschäftigt, damit, den kleineren zu helfen, und seit dem fünften Jahr auch mit
ihrer Pflicht als Vertrauensschülerin. Und auch mit ihrer Mum und ihrem Dad hatte sie nicht
über die Dinge in der Zaubererwelt, die sie bewegte, sprechen können, da sie nicht
verstanden, wovon sie sprach. Sie mochte Sally einfach. Tatsache war, dass sie nur den
Vornamen dieser Frau kannte, und nicht mehr von ihr wusste als dass sie eine Hexe war und
einen Mann namens David hatte, der sie vor den Todessern gerettet hatte, aber ihre einfache
Art war es, die der ganzen Küche eine angenehme Atmosphäre gab. Sallys Stimme war etwas
tiefer, als für Frauen gewöhnlich, und dazu leicht rau, als wäre sie immer heiser. Sie schien
eine rundliche, warme Aura um sich zu haben, obwohl sie für eine Frau ihren Alters recht
schlank war, und obwohl sie kein herausragendes Gesicht hatte, schien sie eine innere
Schönheit auszustrahlen. Sie hörte Lily stumm zu, nickte ab und an zustimmend und klapperte
mit den Tellern. Als sie ihre Geschichte beendete, und sich alle Sorgen von der Seele geredet
hatte, drehte sie sich wieder um und trocknete ihre Hände an ihrer Schürze ab. "Wenn du
möchtest, dann kannst du gerne hier bleiben, Liebes. Das Haus ist groß genug, und ich glaube
nicht dass du irgendwen stören würdest." Sie schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Lily
dachte nur eine Sekunde darüber nach und nickte dann dankbar. Anlea war mit ihren Eltern
nach Italien gefahren, und Sheila besuchte ihre Großtante in Irland. "Aber. tut mir leid,
ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo ich hier bin", brachte sie zögernd heraus. "Was, hat
David dir das nicht gesagt?" fragte Sally erschrocken. Lily schüttelte den kopf. "Er hat mich
nur gefragt, ob ich ein Zuhause habe, apparieren kann, und dann hat er mir den Portschlüssel
in die Hand gedrückt und gesagt, der würde mich zu ihm nach Haus bringen." "Das heißt, er
hat dir noch nicht einmal gesagt, wer er ist? Oh Himmel, dieser Mann!" Schimpfend warf
Sally ein paar Gabeln in eine Schublade. "Tut mir Leid, Liebes, das tut mir wirklich
fürchterlich Leid. Du befindest dich auf dem Grahlhof." Sie band sich die Schürze ab,
worunter sie eine dunkelblaue Leinenrobe trug, etwas, dass Lily noch nie gesehen hatte. "Und
ich bin Sally-Anne Potter, und mein Mann, dieser Hornochse, ist David Potter. Herzlich
willkommen!" Sie breitete die Arme aus und deutete damit auf das Haus um sich. Lily lachte,
obwohl der Name "Potter" sie fast umgehauen hatte. Sie konnten doch nicht etwa- aber Potter
war ein sehr häufiger Name, vielleicht war es nur Zufall. "Ähm, sie sind nicht zufälliger
Weise mit James Potter verwand?" fragte sie zögernd. Sally lachte. "Doch, schon. Zufälliger
weise ist er mein Sohn." Lily konnte es nicht fassen. Sie würde die nächsten Tage in dem
Haus von dem Jungen verbringen, den sie am wenigsten ausstehen konnte.
Description: Die Story spielt im Sommer vor dem 7 Schuljahr von Harrys Eltern & Co. Lilys Eltern sind während des letzten Schuljahres ums Leben gekommen (was für Petunia die Anregung war, Harry das gleiche über seine Eltern zu erzählen, weil das ein "normaler" Tod war) und Lily wohnt im tropfenden Kessel. Voldemort hat schon eine Menge Anhänger und das Ministerium erhält nur noch den Anschein, dass es alles unter Kontrolle hat. Tatsächlich können die Todesser tun und lassen, was sie wollen, und die Menschen können nicht viel dagegen tun und schauen weg, wenn jemand auf offener Straße angegriffen wird. Was ich aus OotP übernommen habe (mehr oder weniger SPOILER) - Lily und James können sich zurzeit nicht sonderlich leiden (konnten sie anscheinend noch nie), aber wie den Lesern des Buches bekannt ist, fangen sie ja im siebten Jahr an, miteinander auszugehen. Und wie kommt es dazu? ...
"Das reicht, Tom, vielen Dank!" Lily schob ihren Teller zurück und lächelte den Wirt an.
Tom nickte und lächelte zurück, während er den Tisch vor ihr abdeckte. "Sie sollten lieber
bald in ihr Zimmer gehen, Miss Evans", flüsterte ihr leise zu, und sein eben noch lächelndes
Gesicht sah besorgt aus. Lily hob die Augenbrauen und spitzte die Lippen. "Meinetwegen."
Sie strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und stand auf. "Gute Nacht, Tom." Sie
winkte und ging hoch. Keine Minute später ließ sie sich auf ihr Bett fallen. "Toll", dachte sie,
"Was ist das für eine Welt, in der ein fast siebzehn Jähriges Mädchen um halb Acht auf sein
Zimmer gehen muss, da es im Schankraum Gefahr läuft, angegriffen zu werden?" Sie zog
eines ihrer Bücher aus dem am Boden liegenden offenen Koffer und begann zu lesen. Seit sie
hier war, tat sie fast nichts anderes. Das Geld, welches ihre Eltern ihr vererbt hatten, (einen
Teil hatte natürlich auch Petunia bekommen), lag sicher in Zauberergeld eingetauscht in
ihrem Verließ in Gringotts. Sie hatte sich davon an ihrem ersten Tag gleich neue Bücher
gekauft, die sie inzwischen Auswendig konnte. Vor zwei Tagen war ihre Liste mit den
Schulbüchern für das siebte Jahr geschickt worden. Da sie nichts Besseres zu tun hatte, las sie
sie ebenfalls. Tom, Professor McGonagall und sogar Dumbledore selbst hatten ihr gesagt,
dass es sicherer für sie wäre, wenn sie sich sowenig wie möglich in der Winkelgasse aufhielt
und lieber in ihrem Zimmer blieb. Während der paar Ferienwochen, in denen sie hier war,
wurden schon fünf Muggelgeborene angegriffen. Die maskierten Zauberer, die die Taten
begangen hatten, hatten die armen Seelen fast umgebracht, als sie sie auf offener Straße mit
verschiedenen Flüchen folterten. Halb tot ließen sie sie am Straßenrand liegen und
verschwanden lachend. Irgendjemand kümmerte sich um sie, oder brachte sie nach St.
Mungo's, allerdings erst nach Einbruch der Dunkelheit, und wenn sie sich sicher waren, dass
keiner Zusah. Niemand wollte den Maskierten einen Vorwand geben, sie selbst ebenfalls
anzugreifen. Lily hatte all das nur von Leuten aus dem Tropfenden Kessel gehört, sie selbst
war nie dabei gewesen, und darüber war sie froh. Wenn sie da gewesen wäre, was hätte sie
alleine schon tun können? Sie wusste genau, dass ihr niemand geholfen hätte, wenn die
Todesser dann auch auf sie losgegangen wären. Seufzend rollte sie sich auf den Bauch und
blätterte die Seite um.
*****
Drei Tage später geschah es. Lily kam die Treppe herunter, um zum Mittag zu essen. Schon
während sie durch den Gastraum schritt, merkte sie die nervöse, angespannte Stimmung. Tom
warf ihr die ganze Zeit beunruhigte, fast angstvolle Blicke zu, als wünschte er, dass sie nicht
hier wäre, aber als er ihr den Teller brachte, sagte er kein Wort. Er sah sie noch nicht einmal
an. Sie begann zu essen. Einige Menschen standen auf und verließen eilig den Pub, als ein
paar andere hereinkamen. Lily beobachtete sie und schluckte mühsam eine Kartoffel herunter.
Dann flog die Tür zum Hinterhof auf, und Zauberer kamen herein. Sie trugen lange, schwarze
Kapuzenumhänge und Masken vor dem Gesicht. Lily blieb fast das Herz stehen. Langsam
ließ sie ihr Besteck niedersinken und griff so unbemerkt wie möglich nach ihren Zauberstab.
Sie wusste, wenn sie erst jemand als Muggelgeborene enttarnte, dann würde auch ihr
Zauberstab ihr nicht mehr helfen.
Die anderen Zauberer und Hexen verfolgten die Todesser mit den Augen, die Kopfe aber
gesenkt, als wollten sie nicht auf sich aufmerksam machen. Nur einige Wenige, nämlich die,
die gerade eben hereingekommen waren, wagten es, die Maskierten direkt anzuschauen.
"Verräter", dachte Lily, während sich ihr Magen verkrampfte. "Tom! Sechs heiße Honig-Met,
ein Johannesbeer-Rum und Zwei Butterbier!" bellte einer der Maskierten. Sie ließen sich an
der Bar nieder und ließen ihre Blicke durch den Raum schweifen. Lily senkte schnell den
Kopf und griff nach dem Wasserglas, einmal um ihre Gesicht zu verdecken, und zum zweiten,
weil ihre Kehle sich knochentrocken anfühlte. Sie glaubte, gleich laut husten zu müssen, und
das wollte sie um alles in der Welt vermeiden. Bloß keine Aufmerksamkeit erregen!
Die Todesser tranken nicht, sondern unterhielten sich lautstark. "Weißt du was, Tom?"
bemerkte plötzlich einer von ihnen und wandte sich an den Wirt. Tom schien hinter seiner
Theke völlig zusammen zu schrumpfen und gab ein leises, fragendes Geräusch von sich. Der
Zauberer deutete auf das Bild hinter einer Gruppe Zauberer an der Wand. "Das Bild da, siehst
du das Bild, Tom?" Tom nickte. "Das hat ein Schlammblüter gemalt. Warum hängst du das
Bild von einem dreckigen Schlammblüter in deinem Haus auf? Sie sind minderwertig, und
ihre Bilder sind es erst recht nicht wert, an der Wand eines reinblütigen Zauberers zu hängen,
nicht war? Also wollen wir es doch lieber entfernen!" Ein greller Blitz schoss aus seinem
Zauberstab und zerfetzte die Leinwand. Ein dunkles Loch gähnte in der Wand. Die Todesser
johlten. "Das Regal da gefällt mir auch nicht!" brüllte ein anderer. WAMM! Ein paar Meter
von Lily entfernt splitterte Holz. Irgendjemand schrie erschrocken auf, und als Sekunden
später weitere Blitze durch den Raum schossen, duckten sich fast alle und hielten sich
schützend die Arme über den Kopf. Nur die Zauberer, die sich anscheinend nicht vor den
Todessern fürchteten, waren aufgesprungen, und zu Lilys Erschütterung begannen sie
ebenfalls, Gläser, Lampen, Stühle und ähnliches zu zerschmettern. Scharfe Teile flogen durch
die Luft. Eine Glasscherbe schnitt Lily in die Hand, als sie ihre Augen schützen wollte. "Du
da!" brüllte irgendwer. Lily zuckte zusammen und sah sich um, ob sie gemeint war. Aber der
Todesser deutete auf einen Zauberer zwei Tische weiter, der mit schreckensweiten Augen den
Maskierten anstarrte. "Du bist doch George MacKimmon, nicht wahr?" bellte der Rodesser.
Der Mann nickte verängstigt. "Und deine Frau ist doch Lindsey Bicks?" Wieder ein Nicken.
"UND IST LINDSEY NICHT EIN GOTTVERDAMMTES SCHLAMMBLUT?" brüllte der
Todesser. Der Mann wimmerte. "MACKIMMON!" donnerte der Anführer der Todesser.
"Was für eine Schande bringst du über die Reinblütigen Zauberer, indem du mit einem
dreckigen Halbmenschen verheiratet bist???" Er hob den Zauberstab, und sein Fluch traf
George MacKimmon direkt in den Bauch. Er schrie auf und wandte sich, während sich
offensichtlich eine kochendheiße, schmerzende Substanz über seinen Körper verbreitete. Die
Menschen krochen auf dem Fußboden zur Tür und versuchten, unbemerkt das Weite zu
suchen, andere versteckten sich unter den noch heilen Tischen. Lily selbst hatte sich hinter die
rauchenden Trümmer des Nachbartisches verkrochen und betete stumm, dass sie sie nicht
entdecken würden. Die Schreie des Mannes klangen ihr in den Ohren. Die Todesser sahen
sich jetzt nach weiteren Opfern um. Hektisch sah Lily an sich herunter, ob irgendetwas sie als
Muggelstämmige auszeichnen könnte. Unter ihrer Zaubererrobe trug sie schon die
Hogwartsuniform, aber sie trug ganz normale Turnschuhe! Muggelschuhe! Verzweifelt zog
sie den Stoff ihrer Robe über ihre Füße und konzentrierte sich darauf, nicht gesehen zu
werden.
Ein leises "Plopp", das sich wiederholte, ließ sie aufhorchen. Irgendjemand war gerade
appariert oder disappariert. "Bleibt stehen!" brüllte eine Männerstimme. Der
Todesseranführer wies seine Gefährten an, erst im letzten Moment zu verschwinden. Blitze
und Flüche schossen hin und her. Auch der letzte Rest des Pubs wurde jetzt zerstört, als ein
wütender Kampf entbrannte. Lily wagte es, vorsichtig einen Blick über die Trümmer zu
werfen. Mehrere Zauberer und Hexen, die das Zeichen des Ministeriums trugen, waren
erschienen und duellierten sich hart mit den Todessern. Ein Fluch traf Lilys Haufen und sie
zog Hastig den Kopf zurück, als blaue Flammen ihr fast das Gesicht verbrannten. Neben sich
sah sie zwei Zauberer in Gebückter Haltung zur Tür rennen und verschwinden. Sie wollte
auch weg, aber wohin?
Irgendjemand näherte sich ihr, und Lilys Gedanken flogen. Was sollte sie tun? Ein hastiger
Blick ließ sie erkennen, dass der Mann eine Maske trug. Jetzt hatte er sie entdeckt. Er hob den
Zauberstab. Im gleichen Augenblick traf ihn ein Schockzauber. Ein anderer Zauberer, einer
der Ministeriumsleute, sprang über die Trümmer hinweg und zog Lily hoch. "Du musst hier
weg!" sagte er scharf. "Aber wohin?" jammerte sie. "Hast du kein Zuhause?" "Nein. Ich habe
hier gewohnt." Sie hatte das Gefühl, ihre Zunge würde sich dauernd verknoten. Der Mann
kniff kurz die Lippen zusammen und schoss über die Schulter hinweg einen Lähmfluch ab.
"Kannst du apparieren?" fragte er. Lily schüttelte den kopf und sah sich ängstlich nach den
anderen um. Die Todesser disapparierten, aber einige schossen immer noch Flüche ab. Der
Mann schien kurz nachzudenken. Dann schnappte er sich einen seltsamer Weise heil
gebliebenen Trinkpokal vom Boden und tippte ihn an, während er "Portus" murmelte. "Hier,
das ist ein Portschlüssel, er wird dich zu mir nach Hause bringen. Du musst hier jetzt zuerst
einmal weg, ich komme gleich und dann können wir überlegen wo du hin kannst, ja? Ich
komme auch gleich. Sag mir nur schnell deinen Namen." "Lily Evans, Sir." "Okay Lily, ich
werde gleich bei dir sein." Er gab ihr den Pokal. Lily ergriff ihn und fühlte, wie sie
hochgerissen wurde.
Mit einem Plumpsen landete sie in einer gemütlichen Küche. Eine Frau, die gerade den
Abwasch machte, sah sich erstaunt um. "Nanu? Besuch?" sie lächelte, aber Lily bemerkte
trotzdem, dass sie die Hand am Zauberstab hatte. "Ich- tut mir leid, ich-" Sie rappelte sich auf
und wurde scharlachrot. Dann apparierte mit einem leisen plopp der Mann von eben neben
ihr. "Ah, du bist heil angekommen", lächelte er. Die Frau hob fragend die Augenbrauen.
"Sally, die junge Dame hier war bei einem Angriff der Todesser im Tropfenden Kessel
anwesen und scheint leider keinen Ort zu haben, wohin sie gehen könnte. Wäre es möglich,
dass Lily erst einmal hier bleibt?" wandte sich der Mann an sie. Sally nickte verstehend. "Ich
muss wieder weg. Da draußen ist die Hölle los." "Komm heil wieder, David." Die Frau strich
sich eine dunkelbraune Locke aus der Stirn und lächelte Lily zu, als ihr Mann verschwand.
"Komm her Liebes, das war wahrscheinlich ein Schock für dich, nicht wahr?" Sie deutete auf
einen der Küchenstühle, und Lily setzte sich gehorsam. Sally holte einen Teller Kekse von
einem Bord und stellte ihn demonstrativ vor Lily auf den Tisch. "Und wer bist du?" "Lily
Evans, Ma'am", sagte sie sie leise und nahm sich zaghaft einen Keks. "Oh, nenn mich Sally",
lachte die Frau. "Es kann noch Stunden dauern, bis David nach Hause kommt, dann wird sich
alles Weitere klären, ja? Du kannst solange gerne hier bleiben. Hier wird dir nichts passieren.
Aber da draußen zu sein." Sie verstummte und schauderte. Dann sah sie Lily genauer an.
"Oh je, du bist eine Muggelstämmige, nicht wahr?" Das war nicht abwertend gemeint, wie
Lily an ihrer Stimme hören konnte, eher mitfühlend, weil sie dadurch gefährdeter war als die
meisten anderen. Sie nickte. Sally deutete auf ihre Schuhe. "Wenn du außerhalb der Schule
bist, solltest du vielleicht nicht gerade Turnschuhe anziehen. Zwar tragen auch viele
Zaubererkinder Muggelkleidung, aber zurzeit." Sie schwieg. "Ich kann schauen ob wir für
dich ein paar einfache Stiefel besorgen können. Es sind nur solche Kleinigkeiten, aber das
reicht ihnen schon, um einen zu diskriminieren." Lily musste nicht fragen, wen Sally mit
'ihnen' meinte. "Das wäre nett", sagte sie leise. Die Frau lächelte aufmunternd. "Brauchst du
irgendwas? Hast du Hunger? Es ist noch etwas Käseauflauf übrig." Lily lächelte zaghaft. "Ich
war gerade beim Mittagessen, als die- die Todesser auftauchten. Ich fürchte, mein Essen liegt
jetzt auf dem Boden des Tropfenden Kessels verstreut." Sally gab ein Glucksen von sich und
schwang ihren Zauberstab. Begeistert sah Lily zu, wie die Speise auf dem Herd anfing, zu
dampfen und sich offensichtlich erwärmte. Bald duftete es in der Küche nach überbackenem
Käse und Nudeln in Tomatensauce. Mit einem weiteren Schnipsen des Zauberstabs
verschwand der Keksteller vom Tisch und ein anderer kam aus einem Schrank angeflogen.
Besteck, ein Glas und eine Serviette platzierten sich ordentlich daneben. Sally lächelte über
Lilys faszinierte Blicke. "Schon mal in einem echten Zaubererhaus gewesen?" fragte sie
beiläufig. Lily schüttelte den Kopf. "Meine Freundin Anlea ist auch eine Muggelgeborene,
und Sheilas Mutter ist ebenfalls eine Muggel. Dadurch gibt es in ihren Häusern nichts- nichts
Besonderes. Außer wenn Sheilas Dad da ist, aber er arbeitet fast den ganzen Tag." "Und du?
Ich meine, David meinte, du hättest kein Zuhause." Sally sah sie vorsichtig an, nicht sicher,
ob sie das Thema anschneiden sollte. Lily leckte sich etwas Käse von den Lippen. "Meine
Eltern sind letztes Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Meine Schwester
Petunia wohnt jetzt in ihrem Haus und hat mich fast sofort rausgeworfen. Sie mag keine
Magie." "Tatsächlich? Warum nicht?" "Ich weiß es nicht. Früher habe ich mich eigentlich
immer gut mit ihr verstanden, aber dann. seit ich den Brief von Hogwarts bekommen hatte,
war sie abweisend zu mir, und als ich nach meinem ersten Jahr nach Hause kam, hat sie mich
schon völlig ignoriert. Dann hat sie angefangen, Mum und Dad Lügengeschichten über mich
zu erzählen, und mir ganz offen gesagt, was sie von mir denkt: Dass ich eine Missgeburt bin."
"Was???" Sally sah sie schockiert an. Lily zuckte nur die Schultern. "Es ist mir egal. Ehrlich
gesagt würde ich lieber wieder in den Tropfenden Kessel zurück als Petunia fragen zu
müssen, ob ich bei ihr wohnen kann." Sie lächelte, um Sallys besorgtes Gesicht
wegzuwischen. "Ach du meine Güte", murmelte diese. Dann drehte sie sich um und machte
sich wieder am Abwasch zu schaffen. "Erzählst du mir, was genau im Tropfenden Kessel
passiert ist? Dir scheint es nichts auszumachen, darüber zu reden. ich meine, sonst wird so
etwas ja immer Tod geschwiegen." Also erzählte Lily ihr, was geschehen war, und während
sie Sallys lockigen braunen Zopf beobachtete, wie er hin und her wippte, als sie abwusch,
berichtete sie auch von den anderen Vorfällen in der Winkelgasse, von denen sie gehört hatte,
und schließlich auch von ihren eigenen Sorgen und ihrer Wut darüber, dass niemand etwas
gegen diese Menschen tat. Während sie sprach, wunderte sie sich über sich selbst. Sie hatte
noch nicht einmal Anlea und Sheila soviel erzählt. Tatsache war, dass die beiden zwar ihre Freundinnen waren, aber sie sich doch manchmal wie das dritte Rad am Wagen vorkam. Sie
mochte die beiden gerne, doch trotzdem gab es einfach eine Menge Themen, die sie nie den
beiden gegenüber ansprechen würde, oder Dinge, die sie nie mit ihnen gemeinsam tun würde.
Eine wirklich beste Freundin in Hogwarts hatte sie nicht. Meistens war sie zu sehr mit ihren
Hausaufgaben beschäftigt, damit, den kleineren zu helfen, und seit dem fünften Jahr auch mit
ihrer Pflicht als Vertrauensschülerin. Und auch mit ihrer Mum und ihrem Dad hatte sie nicht
über die Dinge in der Zaubererwelt, die sie bewegte, sprechen können, da sie nicht
verstanden, wovon sie sprach. Sie mochte Sally einfach. Tatsache war, dass sie nur den
Vornamen dieser Frau kannte, und nicht mehr von ihr wusste als dass sie eine Hexe war und
einen Mann namens David hatte, der sie vor den Todessern gerettet hatte, aber ihre einfache
Art war es, die der ganzen Küche eine angenehme Atmosphäre gab. Sallys Stimme war etwas
tiefer, als für Frauen gewöhnlich, und dazu leicht rau, als wäre sie immer heiser. Sie schien
eine rundliche, warme Aura um sich zu haben, obwohl sie für eine Frau ihren Alters recht
schlank war, und obwohl sie kein herausragendes Gesicht hatte, schien sie eine innere
Schönheit auszustrahlen. Sie hörte Lily stumm zu, nickte ab und an zustimmend und klapperte
mit den Tellern. Als sie ihre Geschichte beendete, und sich alle Sorgen von der Seele geredet
hatte, drehte sie sich wieder um und trocknete ihre Hände an ihrer Schürze ab. "Wenn du
möchtest, dann kannst du gerne hier bleiben, Liebes. Das Haus ist groß genug, und ich glaube
nicht dass du irgendwen stören würdest." Sie schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Lily
dachte nur eine Sekunde darüber nach und nickte dann dankbar. Anlea war mit ihren Eltern
nach Italien gefahren, und Sheila besuchte ihre Großtante in Irland. "Aber. tut mir leid,
ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo ich hier bin", brachte sie zögernd heraus. "Was, hat
David dir das nicht gesagt?" fragte Sally erschrocken. Lily schüttelte den kopf. "Er hat mich
nur gefragt, ob ich ein Zuhause habe, apparieren kann, und dann hat er mir den Portschlüssel
in die Hand gedrückt und gesagt, der würde mich zu ihm nach Haus bringen." "Das heißt, er
hat dir noch nicht einmal gesagt, wer er ist? Oh Himmel, dieser Mann!" Schimpfend warf
Sally ein paar Gabeln in eine Schublade. "Tut mir Leid, Liebes, das tut mir wirklich
fürchterlich Leid. Du befindest dich auf dem Grahlhof." Sie band sich die Schürze ab,
worunter sie eine dunkelblaue Leinenrobe trug, etwas, dass Lily noch nie gesehen hatte. "Und
ich bin Sally-Anne Potter, und mein Mann, dieser Hornochse, ist David Potter. Herzlich
willkommen!" Sie breitete die Arme aus und deutete damit auf das Haus um sich. Lily lachte,
obwohl der Name "Potter" sie fast umgehauen hatte. Sie konnten doch nicht etwa- aber Potter
war ein sehr häufiger Name, vielleicht war es nur Zufall. "Ähm, sie sind nicht zufälliger
Weise mit James Potter verwand?" fragte sie zögernd. Sally lachte. "Doch, schon. Zufälliger
weise ist er mein Sohn." Lily konnte es nicht fassen. Sie würde die nächsten Tage in dem
Haus von dem Jungen verbringen, den sie am wenigsten ausstehen konnte.
