Schattenspiele
Autorin: silverbullet27
Disclaimer: Alles gehört Christopher Paolini, Random House, dem cbj-Verlag und 20th Century Fox – mit Ausnahme von Niniel, die auf meinem Mist gewachsen ist. Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte und habe es auch nicht vor. Nach dem Spielen lege ich die Püppchen wieder brav zurück in die Spielkiste, versprochen!
Rating: ... ab 16 wäre anzuraten, wird doch etwas blutiger
Anmerkung: Dies ist die Fortsetzung von „Die Wüstenratten", meiner ersten Durza- bzw. Carsaib-FF. Diese Story kann auch ohne Kenntnis der Vorgeschichte gelesen werden, allerdings könnten Fragen auftauchen, die im ersten Teil schon geklärt wurden, besonders in Hinsicht auf die physische und psychische Beschaffenheit eines Schattens. Wenn ihr Zeit habt, lest euch doch mal ein, sonst geht es hier weiter – mit den ersten Jahren von Durza im Neuen Imperium.
Prolog
Wie herrlich war es doch, einen Körper zu haben! Nach Unendlichkeiten als körperloser Geist war es Durza wieder gelungen, eine Hülle zu erobern. Die beiden schwächeren Geister, mit denen er sich diese Hülle teilte, hatte er im Griff. Er zog ihnen die Kraft ab, nährte sich zum Teil davon und profitierte von ihren Erinnerungen. Gleichzeitig gestaltete sich die Hülle um und wurde seiner ursprünglichen Erscheinung ähnlicher. Die Haare hatten bereits einen rötlichen Ton angenommen, in ein paar Tagen würden sie so blutrot sein wie zu seinen Lebzeiten. Seltsam eigentlich, daß sein Volk „Die Grauen" genannt worden war. Die meisten damals hatten rote Haare. Er zuckte mit den Achseln und wischte sein Schwert ab, bevor er es zurück in die Scheide schob. Rauthr hatte er es genannt: Unheil. Und Unheil sollte es allen bringen, die sich ihm in den Weg zu stellen wagten.
Er schalt sich einen weichherzigen Narren und verließ das zerstörte Nomadenzeltdorf, in dem er bis vor einigen Minuten noch gewütet hatte. Das war doch Carsaibs Herzenswunsch gewesen, nicht wahr? Rache zu nehmen an denen, die seiner Meinung nach Schuld an seinem ganzen Unglück hatten. Der Stammeszauberer, der seinen Vater fälschlich angeklagt hatte und die Feiglinge, die nicht für ihn gesprochen hatten. Nun ja. Den Stamm gab es nicht mehr. Durza hatte ihn ausgelöscht und seinen Blutdurst gestillt. Vorläufig.
Nun war es Zeit, sich weiter nach Süden zu wenden. Er hatte noch eine Verabredung. Es wäre ihm zwar bedeutend lieber gewesen, diesen Weg gemeinsam mit Kazit'ra zu gehen, aber das Schicksal wollte es nicht so. Der Verlust schmerzte ihn, aber er würde schon noch einen Weg finden, sie zu sich zu holen. Schließlich hatte er alle Zeit der Welt dazu. Nachdem er seinen Herzenswunsch befriedigt hätte. Er schaute sich noch ein letztes Mal um, ob nicht doch jemand überlebt hätte. Dem war nicht so. Zufrieden schulterte er das Bündel mit den Büchern, die er bei Haeg gefunden hatte und machte sich auf dem Weg in die Hauptstadt des Reiches.
Kapitel 1
Ilirea war nicht weniger in Aufruhr als der Rest von Alagaësia. Die Dreizehn Abtrünnigen und ihr Anführer, Galbatorix, hatten die alten Ausbildungsstätten der Drachenreiter übernommen. Noch saß König Angrenost auf dem Thron, aber wie wackelig dieser bereits war, zeigte sich an der Macht der Rebellen. Der Königspalast schien weit weniger bewacht zu sein, als die Unterkünfte der Aufrührer. Durza schlenderte interessiert durch die Straßen und betrachtete das Gewimmel der verängstigten Menschen um ihn herum. Die Angst und die Verunsicherung konnte er hierbei fast schmecken. Nicht wenige verließen die Stadt mit ihrem gesamten Hab und Gut und verstopften die Straßen mit ihren Karren.
Es dauerte eine Weile, bis er sein Ziel erreicht hatte. Nun musste er nur noch herausfinden, wo sich sein Gegner aufhielt. Wenn Galbatorix in der Stadt war, war sein Schatten nicht weit – so hatte man es ihm berichtet. Gegenüber der alten Ausbildungsstätten war eine Tordurchfahrt, in die er sich setzen konnte um zu warten. Geduld war zwar noch nie eine seiner Tugenden gewesen, aber hier würde er sie beweisen müssen. Wie immer, wenn ihm ein Kampf mit einem anderen Schatten bevorstand, ging er die verschiedenen Techniken durch. Pamuk war schon länger in einem Körper und würde stärker sein, als Durza es jetzt war. Aber sein Gegner war auch insgesamt langsamer. Wenn er sich schneller bewegte als bei ihrem letzten Duell, hatte er große Chancen auf den Sieg. Und sich noch einmal von seinem alten Feind niederstechen lassen, das könnte er nicht ertragen. Dreimal waren sie bisher aufeinander getroffen und zweimal davon hatte Durza seine Hülle einbüßen müssen. War wieder zu einem körperlosen Geistwesen geworden. Nein, diesmal war Pamuk an der Reihe.
Durza schmunzelte. Nur die Elfen hatten die Lebensdauer, um auch nur annähernd verstehen zu können, wie es war, sich über Jahrhunderte hinweg zu bekämpfen, Hass zu pflegen und immer auf der Lauer zu sein. Schade nur, daß sie sich weigerten, Geister zu rufen. Er hätte gern einmal erfahren wie es ist, in einem ihrer Körper zu sein. Andererseits wollte er sich von seinem derzeitigen auch nicht so schnell wieder trennen. Noch einmal ging er den letzten Kampf durch: er hatte sich ablenken lassen, sein größter Fehler. Dadurch hatte er zu spät reagiert gehabt und Pamuk die Chance genutzt, ihm das Schwert bis ans Heft in die Brust zu stoßen. Die Schmerzen waren unerträglich bei so einem Tod. Nicht, daß eine „normale" Entkörperung angenehmer war, aber sie kostete bei Weitem nicht so viel Kraft und er konnte sich im wahrsten Sinne des Wortes wieder sammeln.
Ein großer Schatten verdunkelte den Himmel und er trat einen Schritt aus der Toreinfahrt heraus: einer der Wyrdfell war zurückgekehrt. So nannten die Elfen die Abtrünnigen. Der Drache war grün, nicht schwarz, also konnte es nicht Galbatorix sein. Durza zog sich wieder auf seinen Beobachtungsposten zurück. Als es anfing, leicht zu regnen, fluchte der Schatten und vergrub sich tiefer in seinen Mantel. Zwar schützte ihn der Torbogen vor der direkten Nässe, aber die Kälte würde seine Glieder hinauf kriechen. Und das war auch für einen Schatten nicht sonderlich angenehm. Er seufzte und übte sich in Geduld. Selbst wenn es Tage dauern sollte, irgendwann würden Galbatorix und sein zahmes Püppchen Pamuk hier auftauchen. Durza fletschte die Zähne: wie konnte sich ein Schatten, dem fast alle Möglichkeiten offenstanden, nur so demütigen und zum Handlanger machen lassen?
Wenn der Kampf vorbei wäre, würde er erst einmal ausgiebig reisen. Natürlich erst zum Helgrind, wo er mit Kazit'ra reden konnte. Es würde schon noch einen Weg geben, sie in einen Körper zu holen. Aber bisher war ihm noch keiner realisierbarer erschienen als der, den er erst vor wenigen Wochen ausprobiert hatte und gescheitert war.. Vielleicht hatte ja jemand in den letzten dreihundert Jahren, seit er das letzte Mal beschwört worden war, etwas zu seinem Problem gefunden? Ja, erst würde er reisen müssen, die verschiedensten Bibliotheken besuchen und – was fast noch am Wichtigsten war: ein oder zwei seiner Siegel an zentralere Orte platzieren. Der Ort seiner Beschwörung lag einfach viel zu weit abseits, als dass er es wirklich nutzen wollte. Aber immerhin: wenn ihn ein übereifriger Narr zu gefährlich verletzen würde, konnte er sich dort wieder sammeln.
Er schüttelte den Kopf. Ein Zauberer wie Haeg, der sich in der Wüste verkrochen hatte mit seiner kleinen Familie. Hätte der alte Narr in einer der größeren Städte gewohnt, er hätte reich werden können! Die Menschen gaben Durza immer wieder neue Rätsel auf. Einerseits waren sie hochbegabt, andererseits ließen sie die meisten ihrer Fähigkeiten verkümmern und befriedigten gerade einmal ihre Grundbedürfnisse. Essen, schlafen, arbeiten, gelegentlich einen Partner suchen um sich zu vermehren... Mehr fiel den meisten nicht ein, was sie aus dem Geschenk machen könnten, das ihnen gegeben worden war.
Nur wenige wandten sich überhaupt den Wissenschaften zu. Hätte Haeg sich nicht des Nomadenjungens angenommen, hätte der Holzkopf sein Glück wahrscheinlich auch nur zwischen Schafen und Sandkörnern gefunden. Carsaib konnte eigentlich froh sein, dass Durza seinen Körper erwählt hatte. Er würde ihm schon zeigen, wozu man als Schatten in der Lage sein konnte. Sein Lehrmeister hatte einen brillanten Kopf gehabt, schade nur, dass ihm dieser so frühzeitig eingeschlagen worden war, aber nun ja. Er hatte seinen Tod gerächt.
Fünf schmierige, nach Schweiß und Zwiebeln stinkende Banditen waren es gewesen, die diesen großartigen, wenn auch sehr geschwächten Zauberer getötet hatten. Es war kaum der Rede wert gewesen, sie aufzutreiben und in Stücke zu hacken. Aber Carsaib hatte ja noch diesen unbefriedigten Hass auf den Nomadenstamm, der seine Familie vertrieben hatte. DAS war schon eher nach Durzas Geschmack gewesen.
Seufzend lehnte der Schatten sich zurück und legte den Kopf an die kühle Mauer der Tordurchfahrt. Manchmal fragte er sich selbst, wie es dazu gekommen war, dass er so... blutrünstig geworden war. Blutrünstig. Was für ein Wort. Er grinste und dachte an den Helgrind, wo diese Narren von Menschen aus dem Verlangen nach Blut eine Religion gemacht hatten! Nun, wenigstens hielten sie die Tore des Todes offen, pflegten sie und gaben den Geistern die Aufmerksamkeit, die sie brauchten. Oder zumindest die meisten von ihnen.
Durza hatte das nie ausgereicht. Er wollte einen Körper und diesen dazu benutzen, etwas in der Welt zu verändern. Wenn er jemals den Elfen finden sollte, der ihn und seine Gefährtin damals getötet hatte, konnte es gut sein, dass er dann zufrieden war. Aber dieser Elf war wahrscheinlich schon lange Zeit tot. Es war sogar gut möglich, dass dieser noch vor der Ankunft der Menschen in Alagaësia gestorben war. Erschlagen von einem Urgal vielleicht?
Er sollte aufhören zu grübeln und lieber den palastartigen Bau mit den vielen Anflugtürmen für die Drachen und ihre Reiter im Auge behalten! Er konzentrierte sich auf das Gebäude gegenüber seines Unterschlupfs und wickelte sich noch tiefer in seinen Mantel. Wenigstens hatte er einem der Banditen vernünftige Stiefel abnehmen können, sonst hätte ihn der alles durchdringende Regen noch schneller ausgekühlt.
„Neu hier, was?"
Erschrocken fuhr Durza herum und sah in das pockennarbige Gesicht eines alten Bettlers, der leise an ihn herangeschlurft war. „Wie?"
Der Bettler hustete und bot dem Schatten einen Schluck aus seinem fleckigen Weinschlauch an. „Hier ist die schlechteste Stelle, um zu betteln, mein Junge. Diese Rebellen geben nichts und sonst traut sich hier kaum noch wer her. Haben alle Angst. Ha!"
Sah er wirklich so abgerissen wie ein Bettler aus? Durza fletschte die Zähne: er brauchte dringend bessere Kleidung! Andererseits... waren diese Lumpen auch eine gute Tarnung. Vorerst. Er lehnte den angebotenen Wein ab und beschloss, den Alten auszufragen. „Warum haben die Leute Angst, hier her zu kommen?"
„Weil sie fürchten, dass die Drachenreiter ihren Palast zurück holen wollen!" Er ließ sich neben dem Schatten an der Mauer nieder und trank einen Schluck Wein. „Schwachsinn, wenn du mich fragst. Die Reiter haben viel zu viel Angst vor diesen noblen Rebellen..."
Nun war Durza verwirrt. „Noble Rebellen? Wie meinst du das?"
Der Alte hob einen schmutzigen Zeigefinger, rülpste, dann erklärte er: „Weißte... ich hab den Galbatorix gesehen, jawohl. Hat ´ne Rede gehalten, drüben, auf dem Weißen Markt. Schlauer Mann. Hat Visionen, musste wissen. Der will wirklich was ändern, ja, ja..."
Sicher. Das wollten alle Größenwahnsinnigen. „Was will er denn ändern?"
„Na, erst mal den Drachenreitern den Hintern versohlen!" Der alte Bettler lachte und entblößte dabei alle seine fünf schwarzen Zahnstummel. „Die sind nämlich echt zu arro... arro... na ja, selbstherrlich halt. Glauben, der König müsse ihnen gehorchen, nich anders rum. Kommt von den Elfen. Sind zu viele davon dabei. Glauben eh, was Besseres zu sein." Er spuckte aus und trank einen weiteren Schluck Wein. „Der Galbatorix, der will ´ne neue Gesellschaft, ohne Drachenreiter. Wo der König das Sagen hat und wo die Spitzohren nix zu melden haben, jawohl! Guter Mann, das!"
Durza grinste. Die Elfen hatten sich nicht geändert, ohne Zweifel. Und wenn die meisten im Volk so dachten wie dieser Bettler, dann hatten die Rebellen viel Unterstützung zu erwarten. Er wollte noch weiter fragen, aber der Alte war an seine Schulter gelehnt eingeschlafen. Erst wollte er ihn wegstoßen, aber da kam ein Trupp Soldaten auf sie zu. Wenn man den Alten in der Stadt kannte (und meistens kannten die Menschen diejenigen, die sie an den Rand ihrer Gesellschaft gedrängt hatten), würde er weniger Verdacht erregen, als hier allein zu sitzen. Nur kurz streiften die Blicke der Soldaten die beiden zusammengekauerten Gestalten am Boden, im Gleichschritt marschierten sie vorbei und hielten erst vor den Ausbildungsstätten an. Wachablösung, aha.
Stunden später, Stunden, in denen der Alte fast ununterbrochen geschnarcht hatte, wurde es Durza zu bunt. Er stand auf und ließ den Säufer zu Boden gleiten. Der Regen hatte aufgehört, dafür zeigten sich die ersten Sterne am Abendhimmel. Wieder hörte er das Rauschen von Drachenschwingen und er trat aus der Durchfahrt heraus, um zu sehen, wer da gerade im Anflug war. Auch wenn es schon recht dunkel war, konnte der Schatten noch sehen wie mitten am Tag. Ein schwarzer Drache näherte sich. Galbatorix kehrte heim. Gut. Endlich tat sich etwas.
Er schulterte seinen Beutel und überlegte kurz, ob er sich hineinschleichen oder doch lieber standesgemäß Zutritt fordern sollte. Er entschied sich für den Mittelweg und murmelte: „Garjzla!" Ein roter Blitz schoss aus seiner Handfläche und schlug einige hundert Meter entfernt an der Gebäudemauer ein. Wie aufgeschreckte Hühner verließen die Soldaten ihre Posten und rannten zur Stelle der Explosion.
Währenddessen schlich sich der Schatten unbemerkt in den palastartigen Bau. Nun musste er nur noch seinen alten Feind finden. Aber das sollte nicht so schwierig werden. Er konnte ihn schon fast riechen...
TBC
