A/N:
Michael/Lincoln SLASH. Ja, ich weiß, sie sind Brüder, also ist das hier Inzest, und das ist so was von falsch, etcpp. Aber deshalb ist es ja auch Fiction. Meines Erachtens ist Prison Break seit Smallville die Serie mit dem größten Slash-Potential überhaupt. Daher konnte ich mich nicht zurückhalten. Feedback wäre wie ein Blick in Michaels blaue Augen :)

Inhalt:
Kurz nach der Flucht genießen die Brüder einen Augenblick der Ruhe. Linc plagen Zweifel. Michael versucht, die Zweifel zu zerstreuen.

Spoiler:
nicht wirklich (Dass sie irgendwann ausbrechen, dürfte keinen überraschen. Ich kenne die 2. Staffel noch nicht, also ist alles reine Spekulation. Abgesehen davon, übermäßig viel Plot gibt's hier eh nicht…)


Alles auf Anfang

Lincoln Burrows wachte auf. Es war noch dunkel draußen. Abgesehen vom flackernden Licht der Neonreklame, die wie unnatürliches Mondlicht in das schäbige Zimmer fiel. Er war alles andere als ausgeschlafen, konnte aber keine Ruhe finden. Wusste nicht, ob er jemals wieder Ruhe finden würde. Michael neben ihm atmete tief und regelmäßig. Beneidenswert. Dabei war er es gewesen, der als Kind Einschlafprobleme gehabt hatte. Etwas zog Lincolns Blick auf sich, als er sich gerade auf die andere Seiten drehen wollte. Ein Glänzen auf Michaels bloßer Schulter. Er sah genauer hin. Und unterdrückte einen Kraftausdruck.

Eine Wunde. Ein klaffender Riss. Mindestens zehn Zentimeter lang. Frisch aufgerissen, wie es aussah. Die Außenränder waren dunkel verkrustet und von einer Schwellung umgeben, die selbst durch die blauschwarze Tinte deutlich zu sehen war. Die Tätowierung verbarg viele alte Narben, wenn man jedoch genau hinsah, konnte man sie erkennen. Diese neue Wunde lag nun nicht mehr nur darunter. Frisches helles Blut und Wundwasser waren herausgesickert, angetrocknet und hatten silbrige Spuren hinterlassen. Fast so, als seien Schnecken über die Haut gekrochen.

Vor über zwei Tagen musste er sie sich zugezogen haben, entweder im Tunnel oder an dem verdammten Stacheldraht. Bei Michaels Schweigsamkeit konnte man das nie wissen. Sie waren stetig nach Süden gefahren seitdem. Hatten nur die nötigsten Stopps gemacht. Benzin, Wasser, Nahrung, der eine oder andere Kaffee. Wach bleiben. Durchhalten. Möglichst schnell möglichst weit kommen - das war das Einzige was zählte. Nach und nach hatten sie sich von ihren Fluchtkumpanen verabschiedet, jeder begierig auf sein neues Leben, und nun waren nur noch sie übrig. Warum hatte Michael nicht seinen verdammten Mund aufgemacht? An jeder verdammten Tankstelle hätten sie verdammt nochmal Verbandszeug kaufen können!

Der Stoff musste sich mit der Wunde verklebt haben. Als Michael gestern Abend das Hemd auszog, bevor er aufs Bett fiel, hatte er anscheinend alles wieder aufgerissen. So wie es aussah, musste es höllisch schmerzen. Lincoln biss sich auf die Unterlippe, erstickte einen Seufzer. Langsam streckte er die linke Hand aus, hob sie zu Michaels verletzter Schulter, stoppte aber wenige Zentimeter über der Haut. Seine Finger zuckten. Dann fuhren sie zögernd über Michaels Schulterblatt, über den längst noch nicht verheilten Fleck der Brandwunde, die einen Teil des so wichtigen Tattoos zerstört hatte, bis hin zur Linie der Wirbelsäule. Immer eine Handbreit von einer Berührung entfernt. Da war sie. Eine blasse Narbe, so lang wie sein kleiner Finger, aber viel, viel dünner, kaum zu erkennen, wenn man nicht wusste, wonach man suchte. Eine Erinnerung an ihre Teenagerzeit. Schon damals war sein kleiner Bruder ein Dickkopf gewesen.

Seine Fingerspitzen kribbelten elektrisch, dann setzten sie ihre Wanderung fort. Jetzt schwebte Lincolns Hand über dieser Heiligenfigur, dem Ritter mit Schwert, dem Engel oder was immer das sein sollte, was Michael sich hatte stechen lassen. Das Bild erinnerte Lincoln an Sankt Georg, den Lieblingsheiligen seiner Kindheit. Nicht dass er sonderlich aufgepasst hätte im Religionsunterricht, er hatte einfach schon früh eine gute Actionstory zu schätzen gewusst. Und der Heilige Georg war cool gewesen. Nur dass dieser hier keinen Drachen erschlug, sondern sein Schwert auf eine Art Dämon richtete. Irgendwie wunderschöne und gleichzeitig höllische Bilder, die Michael ein Leben lang mit sich herumtragen würde. Unauslöschbar. Genauso wie all die Narben.

Lincoln wollte nicht undankbar sein. Natürlich war er froh, dass er draußen war. Der Tod auf dem elektrischen Stuhl war weiß Gott nicht das Ende gewesen, das er sich erträumt hatte, aber es hätte ihn zumindest ganz allein betroffen. Mehr oder weniger zumindest. Sicher, es gab Leute, die ihn liebten, das wusste er jetzt, aber oft genug war er auch davon überzeugt gewesen, sie wären alle ohne ihn besser dran. Was, wenn etwas schief gegangen wäre? So viel hätte schief gehen können. Michael hatte alles riskiert. Was, wenn er zu viel riskiert hatte? Sie waren auf der Flucht und hatten nebenbei einen Kindermörder und Vergewaltiger befreit.

War es wirklich so viel wert? Michael hätte ein gutes Leben haben können. Sorgenfrei. Er hatte einen hoch bezahlten Job, ein luxuriöses Appartement mit der besten Aussicht auf Chicago, er konnte alles haben, was er nur wollte. Und er war brillant. So brillant, dass sich Firmen und Universitäten um ihn rissen. All das hatte er einfach so aufgegeben. Einfach so… So viele offene Fragen…

„Warum, Michael? Warum nur?" flüsterte Lincoln, kaum hörbar. Sein Blick verlor sich in der Szene auf Michaels Rücken. Auf den zu Boden fallenden Dämon mit seinen grotesk verbogenen Glieder und schmerzverzerrter Fratze. Er stutzte kurz und runzelte dann die Stirn. Nein, der Engel war nicht kurz davor, zuzustechen. Im Gegenteil, er zog das Schwert zurück. Die Tat war bereits begangen. Der Teufel so gut wie tot. Sollte das bedeuten, das Gute hätte gesiegt? Wie lange werden wir noch leben?, fragte Lincoln sich nicht zum ersten Mal.

Plötzlich drehte Michael sich herum. Lincoln hatte gar keine Zeit, überrascht zu sein. In einer einzigen fließenden Bewegung hatte sein Bruder ihn fest im Nacken gepackt und sich zu ihm herangezogen. Er sah ihm wortlos in die weit geöffneten Augen. Minutenlang. Stirn an Stirn. So nah, dass jeder den Geruch des anderen in der Nase hatte. Lincoln war immer wieder erstaunt, wie hell Michaels Augen waren. Das Erbe ihres verhassten Vaters. Lincoln, der die sanften, braunen Augen ihrer Mutter geerbt hatte, fragte sich manchmal, ob Michael wusste, dass er seinem Vater äußerlich immer ähnlicher wurde. Wenn nicht, würde er es ihm ganz bestimmt nicht auf die Nase binden. Jetzt waren diese Augen fast schwarz. Nur ein schmaler, silbriger Ring der Iris rahmte die riesigen Pupillen ein, und einen winzigen Augenblick lang hatte Lincoln Angst, darin zu ertrinken.

„Du weißt, warum." Michaels Worte waren geflüstert, aber eindringlich wie immer.

Lincoln spürte, wie der Griff in seinem Nacken kurz fester wurde, dann atmete Michael einmal scharf ein und ließ seinen Bruder los. Ruckartig setzte er sich auf, schwang die Beine über die Bettkante und barg den Kopf in seinen Händen. So blieb er sitzen. Eine Weile beobachtete Lincoln ihn nur. Dann sagte er: „Deine Schulter sieht übel aus. Wir müssen die Wunde reinigen."

Michael nickte wortlos, stand dann auf und tappte ins Bad. Mit einem Seufzer ließ Lincoln sich auf den Rücken fallen und starrte an die Decke. Warum konnte er nicht erleichtert sein? Sie hatten es geschafft. Sie hatten Fox River verlassen. Das Leben breitete unzählige Wege vor ihnen aus. Sie hatten die freie Auswahl. Warum zur Hölle konnte er sich nicht wie ein normaler Mensch über seine wieder gewonnene Freiheit freuen? Er kannte die Antwort selbst. Er misstraute der Freiheit und ihren Möglichkeiten. Er hatte es bisher famos geschafft, sein Leben zu verkorksen, er würde es auch weiterhin schaffen. Seine Tendenz, Menschen zu vertreiben, war legendär. Jeden, der in seine Nähe kam, verletzte er früher oder später, so dass er, oder sie, wieder aus seinem Leben verschwand. Er tat es nicht absichtlich, nein, es passierte einfach. Er konnte nicht anders. Und anschließend war er allein. Auch Michael hatte er verletzt, oft und hart. Aber Michael war als einziger immer wieder zu ihm zurückgekommen. Nur für wie lange?

Ein Ruf aus dem Bad holte ihn in die Gegenwart zurück.

„Hey Linc? Kannst du mir hier mal helfen?"

tbc.