Disclaimer: M*A*S*H gehört mir nicht und ich verdiene auch kein Geld damit...
Rückblicke
Allison Brown schlug ihre Hände verzweifelt auf das Lenkrad. Es war nicht zu fassen, ihr erster Arbeitstag und sie kam zu spät. Das machte sicherlich einen guten Eindruck auf ihren neuen Chef... Zum hundersten Mal sagte sie sich selbst "Ruhig bleiben, du kannst sowieso nichts ändern!"
Der Tag hatte schon äußerst bescheiden begonnen, sie hatte verschlafen, dann hatte sie bei dem eiligen Frühstück Marmelade auf ihre Lieblingsbluse gekleckert und musste sich deshalb ein neues Outfit zusammenstellen, sie war völlig abgehetzt in ihren alten VW gesprungen und wie eine Irre davongerast. Zu allem Überfluss steckte sie jetzt auch noch im Stau, der Verkehr in Boston war manchmal einfach mörderisch! Ein Auto war in einen LKW gerast und es konnte Stunden dauern bis alles geräumt war und die Fahrt weitergehen konnte. Am meisten ärgerte sich Allison darüber, dass ihr neuer Chef sie jetzt sicher für unzuverlässig halten würde. Dabei war das doch ihr erster Job in Boston, ihr erster Job überhaupt. Sie hatte gerade erst die Schwesternschule abgeschlossen und war vor ein paar Monaten aus ihrem Heimatort in die große Stadt an der Ostküste gezogen. In dem winzigen Apartment, in dem sie wohnte, standen noch überall Kisten mit unausgepackten Sachen, ihre Kleidung lag lose am Boden und Möbel hatte sie auch kaum. Einzig ein Bett und ein kleiner klappriger Tisch schmückten ihre Wohnung. Trotzdem war sie stolz darauf, es war ihr eigenes Heim, auch wenn es klein und ungemütlich war, sie stand endlich auf eigenen Füßen. Und der Job in der Arztpraxis war der nächste Schritt in ein eigenes, unabhängiges Leben. Wenn sie denn jemals in der Praxis ankommen würde... Endlich bewegte sich der Wagen vor ihr, ihre Ausfahrt war schon in Sicht. Nur noch ein paar Meter dann war sie aus dem Stau draußen.
Als sie vor der Praxis parkte, war sie schon fast eine Stunde zu spät, ein wirklich guter Start! Sie sah sich um, die Nachbarschaft gehörte zu den wohlhabenderen Teilen Bostons. Ihr neuer Arbeitsplatz befand sich in einem großen weißen Haus, typisch für Boston wie sie inzwischen festgestellt hatte. Allison drückte die Klingel und es dauerte nicht lange bis sie eingelassen wurde. Das Wartezimmer war freundlich und hell, vier Fenster gaben einen Blick auf den Park gegenüber frei, die Wände waren in einem hellen Gelbton gestrichen und die Stühle sahen so gemütlich aus, dass sie sich am liebsten hingesetzt hatte. Das einzige, was an eine Artpraxis erinnerte, war der typische Geruch, eine Mischung aus Desinfektionsmittel und Medikamenten.
Allison ging zu einer großen Frau mittleren Alters, die hinter einem Tisch saß und aufmerksam eine Zeitschrift studierte. "Guten Morgen!" Die Schwester blickte sie unfreundlich an. "Der Doktor hat keinen freien Termin mehr, kommen Sie morgen wieder!" Allison schluckte hart, diesen Empfang hatte sie nicht erwartet. Wie würde ihr Gegenüber erst reagieren wenn sie von der kleinen Verspätung erfuhr? "Ich möchte keinen Termin, ich bin Allison Brown und arbeite ab heute hier." Die Schwester wurde noch mürrischer, stand aber ohne ein Wort auf und holte einen dicken Ordner aus einem Regal. Sie fischte ein Formular heraus und reichte es Allison. "Füllen Sie das aus, dann kommen Sie wieder." Kaum hatte sie das gesagt, saß sie schon wieder vor ihrer Zeitschrift und las. Die neue Krankenschwester setzte sich auf einen der Stühle und beantwortete sorgfältig jede Frage.
Als sie fertig war kam ein junger Mann mit einem weißen Kittel aus einer weißen Tür. Er hatte dunkelblonde Haare, war groß und verdammt gutaussehend. Schüchtern trat Allison an den Tisch, der Mann unterhielt sich derweil mit der Empfangsdame. Sie sprachen leise, also konnte sie kein Wort verstehen. Alles was sie aufschnappte waren ein paar Informationen über einen Patienten. Hoffentlich darf ich mit ihm arbeiten, dachte sich Allison. Verstohlen blickte sie auf die Hand des Mannes und suchte einen Ehering. Enttäuscht bemerkte sie das Zeichen ewiger Liebe an seinem Ringfinger, die guten sind immer vergeben... "Doktor, dass ist Schwester Brown. Sie hat es offensichtlich nicht für nötig gehalten pünktlich zu erscheinen." Der Arzt lachte nur freundlich während Allison eine Entschuldigung nach der anderen vor sich hin stammelte. "Es tut mir leid, der Stau, ich wollte ja pünktlich kommen, aber da war ein Unfall und ich konnte nicht anders, ich hätte rechtzeitig kommen sollen, bitte entschuldigen Sie, Sir. Wenn Sie mich nicht mehr haben wollen, dann kann ich das verstehen, aber Sie sollten wissen, ich bin sonst nie unpünktlich, ehrlich!" Der junge Arzt streckte ihr seine Hand entgegen, Allison ergriff sie dankbar. Das war schließlich das Zeichen für sie mit ihrer Entschuldigung auszuhören. "Ich bin Doktor McIntyre und das ist Schwester Mayer. Die Verspätung ist nicht so schlimm - so lange das nicht noch mal vorkommt." Die Angesprochene schüttelte heftig den Kopf. "Gut, Mayer wird Ihnen später alles zeigen, jetzt kommen Sie erst mal mit mir. Sie können mir gleich zeigen, ob Sie ihren Noten gerecht werden." Allison schnappte sich einen der Kittel und folgte McIntyre in das Behandlungszimmer.
McIntyre führte Allison in das Behandlungszimmer. An der einen Wand stand eine Liege und auf der anderen Seite waren ein Schreibtisch und drei Stühle. Ansonsten war das Zimmer mit Landschaftsfotos verziert, die typischen Bilder die nervöse Patienten beruhigen sollten. Nur eine der Aufnahmen war anders, sie fiel Allison sofort wegen dem funkelnden Silberrahmen ins Auge. Sie widerstand der Versuchung näher zu treten nur mit größter Mühe, schließlich wartete ein Patient und sie wollte nicht schon wieder unangenehm auffallen. Der gutaussehende Arzt setzte sich auf den bequem aussehenden Sessel hinter dem Tisch während Allison unschlüssig in der Ecke stehen blieb. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, bei ihrer Ausbildung hatte sie keine praktische Erfahrung gesammelt. Sie hatte zwar die besten Noten aus der Medical School, sie war sogar Jahrgangsbeste gewesen, aber die traurige Wahrheit war, sie hatte noch nie mit einem richtigen Patienten geredet.
Dieser Fall schien einfach zu sein, die Frau, die McIntyre gegenüber saß, war eine alte Lady mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. "Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Mrs. Lawrence. Ich hatte nur kurz etwas zu erledigen." Die Wahrheit war, er hatte die Frau nicht mehr ausgehalten. Sie war ein Hypochonder und kam jede Woche mit etwas neuem an, letzte Woche war es das Denguefieber gewesen und dieses Mal hatte sie Malaria. "Wissen Sie, ich habe seit einigen Tagen Schüttelfrost, Schweißausbrüche und meine Temperatur ist auch erhöht. Fühlen Sie mal." Allison zog ihre Augenbraue hoch und sah den Arzt fragend an. Er bedeutet ihr näher zu kommen. "Schwester, überprüfen sie doch bitte die Temperatur von Mrs Lawrence." Sie nahm das ihr dargereichte Fieberthermometer, doch die Frau hatte eindeutig kein Fieber. "36,5°C, völlig normal." Die Patientin zog die Stirn kraus als ob sie es nicht glauben konnte. Sie nahm das Thermometer selbst in die Hand und starrte ungläubig auf die Digitalanzeige. "Das Gerät muss sich irren, ich bin mir sicher, ich habe Fieber." McIntyre warf Allison einen verzweifelten Blick zu, die lächelte ermutigend zurück. "Waren Sie in den letzten zwei Wochen viel unterwegs?" Die Frau nickte begeistert. "Ich war bei meiner Schwester in Salem." Man sah es dem Doktor an, er wäre beinahe in Lachen ausgebrochen. Nur mühsam beherrschte er sich und auch Allison musste breit grinsen. Es war ja auch weithin bekannt, dass Salem zu den Risikogebieten für Malaria zählte... "Mrs Lawrence ich meinte eine Reise in die Tropen, zum Beispiel Afrika oder Südamerika." Sie schüttelte den Kopf, bekräftige aber nochmals, dass sie an Malaria erkrankt sei. "Es tut mir leid, aber unter diesen Umständen kann ich Iihnen kein Medikament verschreiben. Aber Sie können ja in das Tropeninstitut fahren und sich dort genauer erkundigen..."
Enttäuscht verließ Mrs Lawrence das Zimmer, McIntyre wartete bis er die mürrische Verabschiedung von Schwester Mayer hörte, dann lachte er laut los. Eigentlich sollte er dankbar für die Frau sein, sie kam jede Woche mit einer neuen spannenden Krankheit. "Wer war das denn?" Allison sah den immer noch lachenden McIntyre an, es dauerte noch eine Weile aber dann hatte er sich wieder beruhigt. "Mrs. Lawrence kommt in regelmäßigen Abständen zu mir, jedes mal hat sie eine neue Krankheit. Diesen Monat sind ihr Schwerpunkt die Tropenkrankheiten, sie hatte aber auch schon mal die Pest. Aber keine Angst, nicht alle unsere Patienten sind so." Der Arzt schickte sie zu Schwester Mayer, die empfing sie mit einem Grummeln. Allison wäre viel lieber bei dem netten Doktor geblieben aber stattdessen bekam sie eine Praxisführung. Während ihr Mayer das Ordner-Ablage-System erklärte, dachte Allison immer wieder an McIntyre. Lustig, nett, gutaussehend, so was traf man schließlich nicht alle Tage...
Nach der Einführung in den Praxisalltag sollte Allison Medikamente in den Arzneischrank des Behandlungszimmers einräumen. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, sah sie sich ausgiebig um. Auf dem großen Schreibtisch standen Fotos, McIntyre mit einer Frau und zwei Mädchen vor einem kleinen Haus, sicher seine Familie. Es gab mehr solche Aufnahmen, alle mit verschiedenem Hintergrund aber immer war die selbe kleine Familie darauf zu sehen. Er war sicher ein guter Vater, er unternahm zumindest viel mit seinen Kindern.
Plötzlich fiel Allisons Blick wieder auf das Foto mit dem silbernen Rahmen. Sie trat näher und betrachtete es. Man konnte darauf ein paar Männer sehen, alle in Uniform und eine gutaussehende blonde Frau. Ein Mann trug einen Anglerhut, der nächste war kleiner und jünger und trug eine Brille, über ihnen saß ein unsympathisch aussehender Kerl ohne Lippen. Man konnte auch McIntyre sehen, er drehte sich halb zu dem Soldaten über ihm, ein Mann mit schwarzen Haaren und breitem Grinsen. Sie saßen vor einem großen Zelt auf einer kleinen Bank. Eigenartig, dachte Allison, wann war McIntyre im Krieg?! Er sah doch noch so jung aus...
"Was machen Sie da?" Allison zuckte zusammen als sie die wütende Stimme von ihrem Chef hörte. "Ich habe nur das Bild betrachtet Sir." Er grummelte etwas vor sich hin und sagte dann lauter "Sie werden nicht fürs Bilder anschauen sondern fürs arbeiten bezahlt, also Marsch, Marsch!" Schnell machte sich die junge Schwester wieder an die Arbeit, sie konnte sich nicht vorstellen, warum McIntyre so böse war. Vorhin hatte er noch Scherze gemacht und jetzt... Es hatte etwas mit dem Foto zu tun, da war sie sich sicher. Jetzt war ihre Neugierde geweckt und sie würde alles tun um herauszufinden, was es mit dem Bild auf sich hatte. Doch zuerst mussten die Medikamente verstaut werden.
