Naat Lare – Die Geschichte eines Sith-Schülers

0. Prolog

Diese Geschichte ist ein Spin-Off aus dem Roman "Darth Plagueis" von James Luceno, welcher 2012 erschien. Sie spielt in der Zeit von 72-67 vor der Schlacht von Yavin, also vierunddreißig Jahre vor Ep. I der Star-Wars-Prequel-Trilogie.

Man braucht den Roman nicht gelesen zu haben, um meine Geschichte zu verstehen. Rudimentäre Star-Wars-Kenntnisse reichen vollkommen aus. Ansonsten habe ich am Ende fast jeden Kapitels einige erklärende Fußnoten angebracht, die Interessierte für ein tieferes Eintauchen in die Geschichte lesen können, aber nicht müssen.

Im Roman selbst wird die Geschichte des Nautolaners Naat Lare nur über ein paar Seiten behandelt. Viel zu schnell und zu kurz, wie ich fand. Also habe ich versucht, die Geschichte bunt und rund zu machen.

Darüber hinaus hat es sich ergeben, daß auch die ebenfalls im Roman vorkommenden Sith-Lords Darth Venamis und Darth Tenebrous, welcher immerhin Plagueis' Meister war, hier ein literarisches Denkmal gesetzt bekommen, was es in dieser Form, wie ich bei meinen Recherchen festgestellt habe, weder im SW-Kanon, noch in den Legenden oder im Fanfic-Universum gibt.

Diese Geschichte wird absolut kanontreu sein. Sie hält sich an die Ereignisse in der Romanvorlage und wird auch genauso enden wie dort.

Wenn Ihr Fragen habt, so zögert nicht, mich anzumailen. Oder auch, wenn ihr Unstimmigkeiten entdecken solltet. Ich freue mich auch immer über Reviews oder Sternchen.

Und nun viel Spaß mit meiner Geschichte!


Kapitel 1: Aufbruch von Glee Anselm

Es war einmal vor langer langer Zeit in einer weit weit entfernten Galaxis …

Im Jahre 72 vor der Schlacht von Yavin

Die Sith sind totgeglaubt, während die Jedi unangefochten als Beschützer und Helden der Galaxis gelten. Trotzdem ereignen sich Dinge in der Galaxis, die mit gewöhnlichen Rivalitäten zwischen Planeten und Sternensystemen nicht mehr erklärt werden können. Meister Yoda hat Hinweise darauf erhalten, daß sich die totgeglaubte Dunkle Seite der Macht nach beinahe tausend Jahren wieder aus ihrem Tiefschlaf erhoben hat, um den Lauf der Geschicke in der Galaxis für immer zu verändern. In dieser Zeit versucht der Sith-Lord Darth Venamis, seinen Platz in einer sich stetig wandelnden Galaxis zu erkämpfen. Allerdings muß der junge Bith schon sehr bald feststellen, daß die Jedi nicht seine einzigen Widersacher sind.

Endlich hatte Darth Venamis die Muße gefunden, seine lang gehegte Reise nach Glee Anselm anzutreten. Das kleine Schiff, das er sich organisiert hatte, war gerade groß und gemütlich genug für vier Leute, aber er würde entweder allein oder aber zu zweit von dem Meeresplaneten zurückkehren. Eigentlich war es verboten, einen neuen Sith-Schüler anzunehmen, während der eigene Sith-Meister noch lebte. Aber Venamis hatte in letzter Zeit eine vage Erschütterung in der Macht verspürt, die es ihm ratsam erscheinen ließ, sich beizeiten Unterstützung in Form von einem machtsensitiven Wesen zu sichern, bevor die Bedrohung, die er fühlte, akut werden würde. Zu lange hatte sich sein Meister Darth Tenebrous, ein Bith wie er, nicht bei ihm blicken lassen, als daß er seine Sorgen als unbegründetes Misstrauen und übertriebene Vorsicht hätte abtun können. Was, wenn seinem Meister etwas zugestoßen war? Wer würde dann den Orden der Sith weiterführen, wenn es ihm nicht beizeiten gelänge, einen würdigen Schüler zu finden? Also hatte er einige Planeten in die engere Wahl gezogen, die in der vieltausendjährigen Vergangenheit der Galaxis bereits viele machtsensitive Wesen hervorgebracht hatten.

Da war zunächst der Planet Lao-mon in den Unbekannten Regionen, wo er einen Shi'ido aufgetan hatte, der durch seine Talente in den Casinos der Galaxis viel Geld abzockte, womit Venamis gedachte, seinen Sith-Siegeszug durch die Galaxis zu finanzieren. Schon über eintausendzweihundert Jahre war es her, dass die Sith-Lady Belia Darzu auf ihrer Festung auf Tython im Tiefkern gelebt hatte, wo sie eine Menge Anhänger um sich scharen konnte. Belia Darzu war ebenfalls eine Shi'ido oder Gestaltwandlerin gewesen und hatte Freund und Feind mit mannigfaltigen Gestalten und Formen verwirrt, in welche sie sich zu transformieren imstande war.

Venamis' zweite Schülerin war eine Iktotchi-Frau vom Mond Iktotch des Planeten Iktotchon, welche die Gabe besaß, die Leute durch ihre rhetorische Gabe und visionäre Überzeugungskraft anzuziehen und auf die Seite der Sith zu locken. So würde er sich später eine Sith-Armee erschaffen. Bereits Darth Cognus, die Schülerin von Darth Zannah, der Schülerin von Darth Bane höchstpersönlich, war eine Iktotchi gewesen, die mit ihrer Seher- und Visionsgabe das Erbe der Sith mitgeprägt hatte.

Was ihm jetzt noch fehlte, war ein gerissener, furcht- und gnadenloser Attentäter, der präzise die wichtigen Feinde seines zukünftigen Imperiums aus dem Weg räumte, die für seine gemeinen Sith-Soldaten eine Nummer zu groß wären. Also war nun die Reihe an Glee Anselm. Die Spezies der auf diesem Planeten heimischen Nautolaner zeichnete sich seit eh und je durch einen ziemlich großen, kräftigen und athletischen Körperbau aus. Genau richtig für Soldaten oder spezialisierte Attentäter. Hier auf diesem Meeresplaneten hatte vor beinahe viertausend Jahren der Sith-Lord Exar Kun die Nautolanerin Dossa entdeckt, welche ihm einige Jahre als Sith-Gehilfin gedient hatte. Womöglich gab es auf dem Meeresplaneten machtsensitive Nachkommen von Dossas Verwandten oder gar von ihr selbst. Und so, wie der Jedi-Orden in beinahe regelmäßigen Abständen seine Ränge mit Neuzugängen von Glee Anselm auffüllte, aus denen später fähige und respektable Jedi-Meister wurden, so sollte es auch für einen talentierten Sith wie ihn ein Leichtes sein, sich von diesem Nexus der Macht in der Galaxis ebenfalls hoffnungsvollen Nachwuchs zu beschaffen. Natürlich wußte Venamis, daß es einem Sith wie einem Jedi verboten war, gleichzeitig mehr als einen Schüler anzunehmen. Aber wer konnte schon wissen, welcher der Anwärter sich letztendlich als tauglich erweisen würde? Die Zeit rannte ihm davon und er konnte sich keine weiteren Jahre der verschwendeten Mühen einer intensiven Sith-Ausbildung leisten, wenn sich nicht wenigstens einer seiner Kandidaten als würdig erweisen würde.

Endlich tauchte Venamis' Schiff aus dem Hyperraum auf und nahm Kurs auf die nautolanische Hauptstadt Pieralos. Der kleine XV-Frachter ächzte und klapperte, als er auf der Landebucht des Raumhafens landete.

„Sie sollten Ihr Schiff warten lassen!", brummte der nautolanische Raumhafenbeamte, als sich in mehreren Anläufen endlich die Landerampe geöffnet hatte und der schwarzgekleidete Bith aussteigen konnte.

„Ich weiß. Das ist das Schiff eines Freundes. Er hat gesagt, daß alles in Ordnung ist", erwiderte Darth Venamis mit einer beschwörenden Handbewegung.

Seiner Berechnung nach waren es höchstens neunundzwanzig Prozent Widerstand, die der Beamte jetzt leisten würde, um seine Abfertigung zu verzögern. Der Raumhafenbeamte schaute einen Moment perplex auf den großen gelblichen kahlen, am Mittelscheitel gefurchten Oberkopf des Neuankömmlings, der ihn mit seinen großen runden schwarzen Augen intensiv ansah. Dann wich seine Skepsis einem breiten weichen Lächeln. Venamis lächelte zufrieden zurück. Seine Einschätzung des Bewegungsrhythmus' des Beamten hatte sich als zutreffend erwiesen. Der Mann war viel zu phlegmatisch und in Raumschiffdingen zu unkundig, als daß er ihm angemessene Widerworte hätte geben können oder wollen. Dieses Phlegma und diese Unkenntnis machten genau die einundsiebzig Prozent des Trägheitsmomentes in jenem Beamten zum derzeitigen Zeitpunkt aus, welcher Venamis jetzt von der Landeplattform wegbringen sollte.

Während er die Landeplattform verließ, fluchte er innerlich auf seinen Meister. Darth Tenebrous war im bürgerlichen Leben ein renommierter Ingenieur und Raumschiffkonstrukteur. Der alte Bith reiste für gewöhnlich mit den schicksten und teuersten Raumschiffen durch die Galaxis, während er ihn, seinen Schüler, mit der Weisheit beschieden hatte, daß sich Venamis auf seinen Reisen sein eigenes Raumschiff organisieren solle, um zu lernen, selbst für seine Mobilität zu sorgen. Aber mehr als diese Klapperkiste von Frachter war nicht drin gewesen für das Geld, welches er von seinem Meister bekommen oder aber in sporadischen Aufträgen unterwegs verdient hatte. Um sich auf positivere Gedanken zu bringen, stellte er nun rein zum Vergnügen eine Wahrscheinlichkeitsrechnung auf, wann er den Raumhafen verlassen und sich endlich seinem eigentlichen Besuchszweck widmen könnte. Er gab sich zwanzig Standardminuten. Es waren schlußendlich sogar nur neunzehn Standardminuten, bis er das Raumhafengebäude verließ, um nun auf die Straße unter die heiße Sonne Glee Anselms zu treten und seine Suche aufzunehmen.

Zunächst schlenderte er ziellos herum, blieb hier und da stehen, um in der Macht versunken Witterung aufzunehmen. Aber er spürte nichts. Als er an einem Wäldchen hinter einem Schulgebäude vorbeikam, hielt er urplötzlich inne. Soeben hatte Darth Venamis verspürt, wie ihm dunkle unfokussierte Wellen der Macht aus dem Wäldchen entgegenschlugen. Er hielt auf das Wäldchen zu, um sich dort hinter einem Busch zu verbergen und nun auf die Wiese zu blicken, wo die Quelle dieser dunklen Energie saß. Der stämmige, mindestens zwei Standardmeter große Nautolaner saß im Schneidersitz mit gekreuzten Beinen auf dem Rasen, während seine großen dunkelroten Augen fiebrig glänzten. Offenbar hatte er Spice konsumiert. Eine braun-gelb gestreifte Katze lag auf seinem Schoß; Venamis sah, wie sie ruhig und entspannt war, während ihr Bauch langsam von ihren gleichmäßigen Atemzügen bebte.

Dann holte der Nautolaner ein Messer hervor und stach zu. Darth Venamis mußte sich zwingen, hinzuschauen, was dieser vielleicht zwanzigjährige junge Mann dem armen, völlig überraschten Tier antat. Auch als hartgesottenem Lord der Sith war ihm solches Tun nicht alltäglich und geläufig genug, um das sterbende Tier ohne jegliche mitleidige Gefühlsregung zu betrachten. Aber Sith-Sein erforderte Härte und Mitleidlosigkeit. Und es war gut, jetzt zumindest passiv einen Testlauf dieser in Extremsituationen unersetzbaren Eigenschaften mitzumachen, als später zu versagen, wenn es um alles gehen würde. Trotzdem seufzte er erleichtert auf, als der brutale Bursche mit seinem Sadismus-Spielchen endlich fertig war. Etwas ernüchtert schaute der junge Kerl nun um sich. Jetzt, wo die Wirkung des Spice langsam nachlassen mußte, würde er vielleicht ansprechbarer und zugänglicher sein für die Absichten, die Darth Venamis ihm gegenüber hegte.

Naat Lare saß ernüchtert im Schneidersitz mit gekreuzten Beinen in dem kleinen dunklen Wäldchen hinter seiner derzeitigen Schule. Er war nun schon zwanzig Jahre alt, aber er würde die zwölfte Klasse noch einmal wiederholen müssen - wohlgemerkt in der dritten Schule in diesem Schuljahr. Jetzt, wo die Wirkung des Spice langsam nachließ und seine vorherige Euphorie und Aufgeputschtheit im Verschwinden begriffen war, wurde ihm wieder einmal bewußt, wie tief er in der Scheiße saß. Er schüttelte einmal kräftig seinen Kopf hin und her, so daß seine im Licht mal blau, mal grün schimmernden steißlangen Lekkus in einer heftigen Bewegung durch die Luft schwirrten, geradeso, als könnte er damit seine Probleme von sich wegschütteln. Aber die tote Sim-Katze blieb auf seinen Schoß liegen. Vor einer halben Stunde noch war sie vertrauensvoll zu ihm in seinen warmen Schoß gekrochen, hatte sich von ihm streicheln und kraulen lassen, nachdem er ihren Geist zu seinem baldigen Nutzen manipuliert hatte, um sie schließlich vollends einzulullen. Und dann, als sie ihre Augen geschlossen hatte, beinahe am Wegdämmern war und wohlig schnurrte, da hatte er zugestochen – erbarmungslos. Jetzt fehlten der Katze die Augen, ihr Bauch war aufgeschlitzt und ihre inneren Organe lagen vor ihm im braunen Hamf-Gras, während der Zeigefinger seiner rechten Hand noch in der Po-Öffnung der toten Katze steckte.

Er schaute noch einmal auf das tote Tier, in der Hoffnung, dem toten Kadaver noch einen letzten Rest an grausamer Lust abzugewinnen, dann zog er seinen braun verschmierten Zeigefinger wieder aus seinem Opfer. Auf einmal merkte er auf und drehte spontan seinen Kopf in die Richtung, von woher er gerade die störenden Schwingungen wahrgenommen hatte. Irgendetwas war in der Nähe und beobachtete ihn. Nein – nicht der Hausmeister der Schule, dem die Sim-Katze gehört hatte. Der war viel zu tumb und zu einfach gestrickt für so etwas. Das, was Naat Lare jetzt fühlte, war viel mächtiger, dunkler. Und es könnte gefährlich sein. Er nahm den Kadaver von seinen massigen muskulösen Oberschenkeln und legte ihn vor sich in das Gras. Dann erhob er beide Hände in die Luft, um mit ihnen derart herumzuwedeln, daß die tote Katze samt den ihr entnommenen Organen wie von Geisterhand emporgehoben wurde. So würde Naat Lare das Beweisstück für sein Verbrechen schnell und unkompliziert entsorgen – wie immer. Wenn niemand hinter seine Tat käme, dann könnte er eventuell doch noch die zwölfte Klasse in dieser Schule beenden – vorausgesetzt, er ließe sich nichts weiter zuschulden kommen, was natürlich erst einmal entdeckt und ihm auch nachgewiesen werden müßte, wohlgemerkt. Wenn er Pech hatte, dann würde man ihn aus Pieralos verbannen und ihn auf eine dieser kleinen langweiligen pseudo-idyllischen Inseln Glee Anselms stecken, wo er ständig unter Beobachtung stünde und irgendwann würden dann alle auf der Insel wissen, was er für einer war.

Darth Venamis hielt die Luft an. Der kleine Leichnam der Sim-Katze samt den danebenliegenden inneren Organen des Tieres erhoben sich und wurde von den beiden grünen Händen des Burschen in eine Mülltonne dirigiert. Als er damit fertig war, drehte er seinen Kopf abrupt in Venamis' Richtung, als habe er soeben dessen Witterung aufgenommen. Offensichtlich wußte er bereits, daß seine Machtspielchen jeglicher Art bei normalen Wesen keinen Anklang finden könnten und jetzt fürchtete er, auf frischer Tat ertappt zu werden. Venamis versuchte, seine Präsenz in der Macht noch besser zu verbergen und registrierte zufrieden, daß sich der unbekannte Nautolaner zusehends entspannte. Er reagierte also auf Machtpräsenz, erkannte seinesgleichen. Das war mehr, als Venamis anfangs von ihm erwartet hatte. Er begann, Hoffnung zu schöpfen.

Nun stand Naat Lare auf und verließ zügig das Wäldchen, freilich nicht zu schnell, um keinen unnötigen Verdacht zu erregen. Er steuerte auf die belebte Strandpromenade im Südstrand-Distrikt zu, wo die Perlenverkäufer und andere Dienstleister um die zahlreiche touristische Kundschaft buhlten. Er fühlte jetzt wieder die seltsam verdächtige Präsenz hinter sich, aber sie war jetzt weiter weg als vorhin im Schul-Wäldchen. Er atmete einmal tief durch und entspannte sich. Bestimmt würde das Unbekannte hier im Leute-Getümmel schon bald seine Spur verlieren. Nun jedoch fesselte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Er hielt er erneut inne. Jetzt war er der Beobachter.

Das Objekt seiner Neugierde war ein Quarren-Pärchen. Der Mann war gerade in ein Souvenier-Geschäft gegangen, während die Frau draußen wartete. Sie wartete eine ganze Weile, während der Mann drinnen offensichtlich die Zeit vergessen hatte. Ihre weißen Kopftentakeln, die ihr vom Kinn hingen, zitterten in einer Art zunehmender Anspannung, während ihre kleinen blauen Augen besorgt schauten. Naat Lare stellte sich bildlich vor, wie er die Quarren-Frau unter irgendeinem Vorwand in eine finstere Ecke locken würde. Eine von vielen finsteren Ecken, die er in der nautolanischen Hauptstadt kannte, um ungestört Spice zu konsumieren oder irgendein Mädchen sich zu Willen zu machen, um bestimmte Begierden zu befriedigen. Meist reichten irgendwelche eitlen Versprechungen aus für das, was er von diesen Frauen wollte. Zumal er gut aussah, zumindest sagten ihm das die anerkennenden bis begehrlichen Blicke von vielen weiblichen Wesen – Touristinnen und Einheimischen.

Aber das war es nicht, was er jetzt mit der Quarren-Frau vorhatte. Quarren waren überhaupt nicht sein Typ. Wenn, dann bevorzugte er seine eigene Spezies. Twi'lek-Frauen gingen gerade noch. Aber diese Quarren-Frau sollte dort in der toten Ecke ihr Ende finden. Und dann würde er wieder zurückschlendern, als wäre nichts gewesen, um zu beobachten, wie ihr Mann reagieren würde. Er würde verzweifelt sein, seine Frau überall suchen und er, Naat Lare, würde ihm folgen und sich an seinen Qualen weiden, so wie er es bei seinen Verbrechen dieser Art immer tat. Es tat ihm jetzt schon leid um das entgangene Vergnügen, den Hausmeister beim Entdecken seiner toten Sim-Katze aus dem Verborgenen heraus zu betrachten. Aber man konnte nicht alles haben.

Nun drang Venamis in des Nautolaners Gedanken ein und was er sah, erschreckte und amüsierte ihn zugleich. Ja, dieser junge Mann würde sich für seine Zwecke bestimmt gut eignen. Zeit, aus der Deckung zu treten und seine Präsenz als Sith-Lord zu offenbaren. Zumindest teilweise.

„Junger Nautolaner", hörte Naat Lare nun eine Stimme auf Basic ihm hinterher rufen.

Er drehte sich abrupt um, um nun einen Bith zu sehen, der ihn mit seinen großen schwarzen Augen musterte.

„Was wollen Sie von mir", fragte er aggressiv und baute sich drohend vor dem einen Kopf kleineren Mann auf.

„Verzeiht mir, ich bin das erste Mal auf Glee Anselm und ich dachte, du könntest mir vielleicht etwas von der nautolanischen Hauptstadt zeigen – natürlich gegen Bezahlung", erwiderte der Bith freundlich.

„Sehe ich aus wie ein Fremdenführer", grollte Naat Lare unwirsch.

„Du kennst die Hauptstadt sicherlich gut, so wie auch ich ziemlich viel von dir weiß", sagte der Bith wissend.

Bisher waren beide nebeneinander hergelaufen, wenngleich der Bith sich anstrengen mußte, mit dem Tempo, das der riesige Nautolaner vorlegte, mitzuhalten. Nach dieser seiner Behauptung nun drehte sich Naat Lare ruckartig um und versperrte dem unheimlichen Bith den weiteren Weg. Er funkelte ihn von oben herab böse mit seinen roten Augen an und zog drohend und grausam seine Oberlippe schief nach oben, dabei seine obere Zahnreihe entblößend.

„Für gewöhnlich mache ich kurzen Prozess mit Leuten, die vorgeben, zu viel über mich zu wissen und mich damit zu erpressen."

Mit einem Schlag wurde ihm klar, daß dieser Bith die Quelle seines Unbehagens im Wäldchen gewesen war. Die Bith waren generell in der Galaxis als überaus intelligente Spezies bekannt. Und dieser Bith hier schien gar aus deren höheren Rängen zu stammen. Aber Naat Lare hatte keinen Schimmer, wie er den unheimlichen Begleiter abschütteln könnte, denn mit roher Gewalt. Und das würde Aufsehen erregen. Gerade deshalb hatte dieser durchtriebene Geselle ihn genau hier angesprochen. Weil er hier in der Menge sicher war. Und ein Wegrennen Naat Lare noch verdächtiger machen würde, als er ohnehin schon war bei seinem umfangreichen Vorstrafenregister.

Darth Venamis erkannte, daß er sein Opfer allzu sehr in die Enge getrieben hatte. Das war nicht gut. Es war kontraproduktiv. Er war hierhergekommen, um einen Schüler zu finden, nicht, um in aller Öffentlichkeit einen gewalttätigen Zwischenfall zu provozieren, der für einen Tag seinen Platz auf einer Seite des hiesigen Lokalblattes finden würde. Was würde Darth Tenebrous von ihm denken, wenn er das zufällig lesen sollte? Also änderte er seine Taktik.

„Was ergibt 3784:7?", fragte der Unbekannte Naat Lare im Ton eines Lehrers.

„540,571 und noch ein paar Zerquetschte", antwortete dieser gelangweilt und wie aus dem Blaster geschossen.

„Sehr gut", lobte ihn der Bith.

„Ist das hier eine Befragung für ein Quiz irgendeiner Holo-Net-Sendung?", fragte der Nautolaner nun etwas entspannter.

Die Beiden begannen nun wieder, nebeneinander her zu laufen, wobei Naat Lare nun ein gemächlicheres Tempo vorlegte, so daß beide jetzt in den auf der Strandpromenade üblichen gemächlichen Schlenderschritt verfallen waren.

„Nein, ich möchte mich mit dir über deine Zukunft unterhalten", erwiderte der Bith seelenruhig.

„Bist du ein Klerikaler oder hast irgendeinen windigen Vertreterjob für mich?", fragte Naat Lare höhnisch.

„Sehe ich aus wie ein heiliger Mann?", fragte der Bith mit einem dünnen Lächeln.

„Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was sie von mir wollen. Sie verschwenden meine Zeit", zischte er zurück.

„Die hast du selbst schon genug verschwendet. Ich werde es dir sagen. Aber nicht hier an diesem Ort", erwiderte der Bith.

„Ihr wollt mich in eine Falle locken!", blaffte Naat Lare aufgebracht.

„Oh, erst war es dir nicht recht, dich mit mir in der Menge zu unterhalten und jetzt hast du Angst davor, mit mir allein zu sein?"

„Nein, das ist es nicht", gab Naat Lare beleidigt zurück.

Venamis ließ erneut ein dünnes Lächeln erkennen. Dieser Junge hier vor ihm trug jede Menge starker Emotionen und Schwachpunkte mit sich herum, die sich gut im Sith-Training verwenden und anderweitig ausnutzen lassen würden. Aber man müßte sie zügeln und beherrschen, um das aus dem Nautolaner zu machen, was ihm vorschwebte.

„Du hast also Angst davor, daß ich dich in eine Falle locke … Etwa so wie du deine Opfer? Und womöglich noch vollgedröhnt mit Spice?", entgegnete der Bith belustigt.

„Was wissen Sie denn schon? Reden Sie doch leiser!", herrschte ihn Naat Lare an, sich dabei irritiert umsehend, ob jemand ihrer absurden Unterhaltung lauschen würde.

„Laß uns hier einkehren." Darth Venamis wies auf eine ziemlich schäbige Spelunke mit dicken heruntergelassenen Vorhängen hinter den kleinen ungeputzten Fenstern. Der Schuppen war vollkommen leer, als die Beiden eintraten. Er diente wohl eher zur Geldwäsche denn zur Bewirtung von Gästen.

„Hier kann uns niemand hören und du kannst jederzeit fliehen, falls nötig", versicherte er seinem Schülerkandidaten, während Naat Lare nicht überrascht über die zwielichtige Umgebung schien.

Offensichtlich verkehrte er hier gelegentlich, weswegen auch immer.

„Ich kenne dich besser, als du denkst, mein großer blau-grüner Freund", erklärte Venamis, nachdem sie Platz genommen hatten und der Sith-Lord zwei Getränke ihrer Wahl geordert hatte.

„Sie … kennen mich überhaupt nicht", zischte Naat Lare zurück, während seine weinroten Augen sein Gegenüber in der dunklen Schummerbeleuchtung des Lokals gefährlich anglommen.

„Was, wenn ich dir nun sage, daß ich weiß, was du mit der armen Sim-Katze gemacht hast? Und daß du darüber nachgedacht hast, die Quarren-Frau umzubringen, um dich an den Qualen ihres verzweifelten Ehemannes zu weiden?", nahm ihn der unheimliche Bith nun in die Zange.

„Bist du ein Bulle, der mir hinterherschnüffelt, oder gar ein Jedi?!", fragte Naat Lare nun eine Spur gereizter.

„Du haßt die Bullen – und die Jedi?", fragte der Bith eine Spur heiterer.

Jetzt verstand Naat Lare überhaupt nichts mehr. Das ganze ergab nun überhaupt keinen Sinn mehr. Das hier war viel zu grotesk, um wahr zu sein. Aber der Bith wußte viel zu viel. Er mußte verschwinden! Am besten sofort.

„Warum interessiert Sie das?", fragte Naat Lare, sich bereits nach Dingen umsehend, die er zum Töten nutzen könnte. Sein Messer am Gürtel, welches der Bith bereits kannte, hielt er dafür für ungeeignet.

„Weil ich deinen Zorn fühle. Deine Langeweile. Deinen Verdruß. Aber ich kenne den Sinn deines Daseins. Und schon bald wirst auch du ihn kennenlernen, anstatt frustriert und gierig von einer Verzweiflungstat zur nächsten zu eilen", erklärte der Bith salbungsvoll.

„Was ist denn der Sinn meines Daseins?", fragte Naat Lare neugierig, während er an seinem Glas Sapphire-Ale nippte.

„Die Galaxis von der verlogenen Gleichmacherei und der Unterdrückung der natürlichen Triebe durch die Jedi und ihre Helfershelfer bei der Polizei und der Regierung zu befreien", erklärte der Sith feierlich.

„Arbeiten Sie für die Hutts oder die Schwarze Sonne?", inquirierte Naat Lare ungläubig.

Jetzt lachte der Bith hell auf.

„Ich arbeite nur für mich selbst", erklärte er mit einer Selbstverständlichkeit, die den jungen Nautolaner beeindruckte.

Er trank sein Glas in einem Zug aus und schaute Venamis erwartungsvoll an.

„Möchtest Du vielleicht noch etwas trinken?", fragte Venamis einladend.

Jetzt begann es, interessant zu werden. Und noch war es viel zu früh, dem Kandidaten zu beichten, daß er selbst noch einen Meister hatte, dem er diente. Aber wenn alles gut gehen würde, dann würde sein zukünftiger Schüler davon nie erfahren.

„Gerne", erwiderte dieser nun.

Der der Sith-Lord machte eine wedelnde Handbewegung und die Flasche, aus der der Barkeeper, ein etwas verschlafener Mon Calamari, vor etwa fünf Standardminuten Naat Lares Glas gefüllt hatte, erhob sich von ihrem Platz hinter der Theke der Bar und flog zum Tisch der Beiden. Jetzt machte Venamis eine leichte Drehbewegung und die Flasche neigte sich über dem Glas des Nautolaners, um es nun mit der tiefblauen Flüssigkeit beinahe randvoll zu füllen.

„Habt Ihr keine Bedenken, daß der Kellner unerwartet zurückkommt?", fragte Naat Lare ungläubig.

„Ich habe ihm gerade suggeriert, daß er jetzt eine kleine Denkpause brauchen würde", gab Venamis nonchalant zurück und ließ die bunt etikettierte Flasche wieder an ihren Platz hinter der Theke zurückschweben. Es klirrte sanft, als sie beim Einschweben eine Nachbarflasche berührte. Aber der Kellner blieb verschwunden.

„Und wenn wir Zwei zusammenarbeiten, dann können wir die Galaxis von Verkommenheit und Fäulnis befreien und die ganzen verweichlichten Kriecher und Parasiten töten. Wir werden ihre Verstecke brandschatzen, so daß sie keinen Rückzugsort mehr haben werden", sagte der Bith in einer geradezu unheimlichen Ruhe.

Jetzt lächelte Naat Lare. Brandschatzen war gut. Erst vor zwei Tagen hatte er das Haus des Schulleiters seiner vorherigen Schule abgefackelt, weil der ihn von der Schule verwiesen hatte, weil Naat Lare dort in nur zwei Monaten acht Mitschüler krankenhausreif geprügelt hatte und in dieser kurzen Zeit obendrein auf der Schultoilette dabei erwischt worden war, als er gerade Spice konsumierte.

„Unser Naat macht so etwas nicht", hatten seine unauffälligen anständigen Eltern noch vor zehn Jahren dem Direktor der ersten Schule versichert, als dieser sie wegen ähnlicher Delikte ihres Sohnes in sein Büro zitiert hatte. Aber seitdem wurden Naat Lares Eltern wieder und wieder mit der schmerzhaften Wahrheit konfrontiert, daß ihr zu Hause lieber Sohn zwei Gesichter hatte.

Aber das, was dieser geheimnisvolle Bith ihm hier erzählte und gerade demonstriert hatte, war viel zu schön, um wahr zu sein. Eine weitere Welle von Zweifeln stieg in ihm hoch.

„Mit Verlaub, aber ich glaube, Sie sind völlig durchgeknallt und irre", warf Naat Lare dem Bith mit einem breiten Grienen an den Kopf und ließ dabei seine beiden weißen makellosen Zahnreihen aufblitzen.

„Ganz bestimmt nicht durchgeknallter und irrer als du", entgegnete Venamis ernst. „Und wenn du nicht aufpasst, wirst du das im Gegensatz zu mir auch bald amtlich und schriftlich haben, während ich dann schon längst wieder auf einem anderen Planeten sein und mir dort einen würdigeren Schüler suchen werde", drohte er dem jungen Nautolaner, um dann etwas versöhnlicher und sanfter fortzufahren: „Ich habe gesehen, wie du die Sim-Katze getötet und in den Müllbehälter hast segeln lassen – mithilfe der Macht", sagte der Bith andächtig.

„Ach so nennt man das?", entgegnete Naat Lare interessiert.

„Ich werde dir noch viel mehr über die Macht erklären – und zeigen, wie sie funktioniert – wie ALLES funktioniert. Wenn du mich läßt. Aber du mußt deine Familie und alles andere hinter dir lassen und deine Triebe noch besser steuern. Meinst du, du schaffst das?", fragte er herausfordernd.

„Ihr unterschätzt mich bei weitem", erwiderte Naat Lare spöttisch.

Der Bith lächelte. Endlich hatte er den aufsässigen Nautolaner gezähmt. Sein neuer Schüler hatte seinen neuen Meister doch tatsächlich im Pluralis Majestatis angesprochen, ohne daß er ihm das extra sagen mußte. Ein hoffnungsvoller Anfang, wie Darth Venamis fand.

„Dann treffen wir uns morgen um zehn Uhr auf dem Raumhafen Südstadt, Startrampe 96. Ich zähle auf dich, mein junger Freund."

Naat Lare spürte, daß der unbekannte Bith davon ausging, daß er diese Ansage ohne Widerstand akzeptieren würde. Er schien ihn wirklich zu kennen. Das war aufregend und unheimlich zugleich. Er hatte noch niemals die Erfahrung gemacht, jemandem zu begegnen, der so ähnlich war wie er selbst. Von den Jedi hatte er nur gelegentlich etwas im Holo-Net gesehen. Er wußte von seiner Mutter, daß er sie meiden sollte, seine Fähigkeiten vor ihnen verbergen mußte, um ihnen nicht aufzufallen.

„Sie werden dich fangen und töten bei deinen Missetaten!", hatte sie ihm gedroht. Aber der Bith hier mochte keine Jedi. Ob er auch gelegentlich Katzen zu Tode quälte? Zumindest hatte Naat Lare nicht gespürt, daß dem Bith die von ihm getötete Sim-Katze auch nur im Geringsten leid getan hätte.

Venamis mußte sich etwas anstrengen, um den Kellner aus dessen fremdverordneter Denkpause zu reißen, damit dieser nun gemächlich zu ihnen an den Tisch geschlurft kam. Nun ließ sich Venamis die Rechnung bringen, zahlte für zwei Drinks und verließ mit seinem stattlichen Begleiter das Lokal. Dann trennten sich ihre Wege vorerst. Auf dem Nachhauseweg dachte Naat Lare noch einmal an das entgangene Vergnügen, den verzweifelten Quarren-Mann bei der vergeblichen Suche nach dessen Frau beobachten zu können, die realerweise noch bei diesem war. Aber wahrscheinlich hätte Naat Lare das sowieso nicht gemacht. Er hatte noch nie ein Wesen einer intelligenten Spezies einfach so zum Vergnügen getötet. Ob dieser Bith so etwas tun würde – tat – gar so etwas von ihm verlangen würde?

Zu Hause ließ sich Naat Lare nicht anmerken, daß gerade sein Leben verändert worden war. Am nächsten Morgen machte er sich in aller Frühe auf, ohne jemandem zu sagen, wo er hinging und wieso. Sollten sie ihn doch verzweifelt suchen und sich fragen, was er jetzt wieder angestellt hatte. Schade eigentlich, daß er das nicht mehr mitbekommen würde. Er würde sich an ihrer Verzweiflung weiden. Aber gleich würde er Startrampe 96 erreicht haben und dann würde er, das verkannte Genie Naat Lare, in eine neue Zukunft aufbrechen, was immer ihn da auch erwarten mochte. Die Einstiegsrampe war bereits geöffnet. Er spürte die Präsenz des Bith im Inneren des Raumschiffes und betrat es nun ohne zu zögern. Kurze Zeit später hob das Schiff ab und nach einer Weile sah Naat Lare die grüne Kugel des Meeresplaneten Glee Anselm immer kleiner werden, bis sie plötzlich abrupt verschwand, nachdem das Raumschiff in den Hyperraum eingetreten war.

Das sich nun entspinnende Gespräch verlief schließlich genau in den Bahnen, die dem Sith-Lord vorschwebten.

„Hast du schon einmal von Dossa gehört?", fragte Darth Venamis seinen neuesten Schüler, während ihr Raumschiff durch den silberweißen Funkentunnel des Hyperraumes sauste.

„Sie ist eine Urahnin von mir", erklärte Naat Lare mit leuchtenden weinroten Augen, während seine blauen und grünen Lekkus vor Stolz erbebten.

„Das glaube ich dir aufs Wort", pflichtete ihm Darth Venamis anerkennend lächelnd bei, bevor das Schiff des Bith wieder aus dem Hyperraum austrat.

Naat Lare schaute ernüchtert auf den dunkelbraunen unwirtlich erscheinenden Planeten, der sich nun vor ihnen auftat. Er konnte keinerlei Meer oder wenigstens kleine Seen auf ihm entdecken. Zumindest nicht auf dieser Hälfte des Himmelskörpers. Und so arid und trocken, wie diese braune Kugel aussah, zweifelte Naat Lare stark daran, daß sich deren Rückseite einladender präsentieren würde. Ihm war schlagartig sonnenklar, daß dieser Planet im Gegensatz zu Glee Anselm keine Insel des Vergnügens, der leichten Lebensart oder der Geselligkeit war.