Die Geschichte spielt nach den Ereignissen von Children of Earth. In späteren Kapiteln wird es eine explizitere Liebesszene geben. Wer das nicht mag, soll die Geschichte bitte gar nicht erst anfangen.
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VERWIRRUNG
Teil 1
Er sah zerbrechlich aus, wenn er so im Garten stand, die Bäume betrachtend, die Hände tief in den Taschen der langen Jacke vergraben, die dichten Haare ein wenig zerzaust vom Wind, jede Linie im Garten berechnend, vergleichend, analysierend, bis ein Vogel ihn davon ablenkte, die Rechnung unterbrach, die er ohne Probleme eine Stunde später einfach wieder aufnehmen konnte, ohne sich auch nur eine Notiz gemacht zu haben.
Sinnlose Berechnungen unbestimmter Beobachtungen – aber sie halfen ihm, zu sich selbst zu finden. Langsam, sehr, sehr langsam nur, aber sie taten es. Also sollte er rechnen und beobachten.
Gwen Williams sah aus dem Fenster des hübschen Hauses dass sie vor anderthalb Jahren gekauft hatten und das nun schon seit einem halben Jahr einen Gast hatte, mit dem sie niemals gerechnet hatte.
Sie erinnerte sich noch so gut daran, wie sehr sie damals alle, vor allem Jack, darauf gehofft hatten, dass er auftauchen würde. Er, der Doctor ... Sie waren wütend gewesen, dass er nicht kam, dann hatte sie selber geglaubt, er käme nicht, weil er angewidert war von dem, was die Menschen zu tun im Begriff waren. Ganz gleich, was jeder von ihnen genau gedacht hatte – es änderte nichts daran, dass sie glaubten, sie hätten alles alleine durchstanden.
Doch inzwischen wusste sie es besser ...
Er war dagewesen ...
Und sie war sich verdammt sicher, dass es die Erde, so wie sie nun war, nicht mehr geben würde, wenn er nicht alles riskiert hätte.
Gwen wusste inzwischen durch ihre Quellen auf der Erde, dass die Regierung keine Ahnung gehabt hatte, mit wie vielen 456 man es eigentlich zu tun gehabt hatte.
Und sie wusste inzwischen durch ihre eine Quelle die nicht von der Erde war, dass es letztendlich nur noch ein einziges Schiff gewesen war – ein einziges von einer riesigen Flotte, die sich bereitgehalten hatte, Millionen von Menschenkindern abzutransportieren. Jedes einzelne eine tödliche Gefahr für die Menschheit.
Er war da gewesen – ohne dass irgendjemand auf der Erde es bemerkt hätte - und er hatte im Alleingang die gesamte Flotte ausgeschaltet und vertrieben – alle Schiffe, bis auf das eine, dass so dicht an der Atmosphäre der Erde dran gewesen war, dass es ihre Welt bedroht hätte, wenn er auch gegen dieses Schiff und seine Besatzung vorgegangen wäre.
Gegen die gesamte Flotte hätte die Erde keine Chance gehabt ...
Die 456 die weiter weg gewartet hatten, wären von Jacks Aktion nicht betroffen gewesen – nur diejenigen, die nah genug an der Erde und in unmittelbarem Kontakt mit ihr waren, konnten durch den Kollektiven Schrei der Kinder getötet werden.
Ein Schrei, der diverse Formen von Aliens getötet hätte – und der andere Formen, wie zum Beispiel Bewohner Gallifreys zumindest beinahe töten konnte.
Er hatte es überlebt und war nicht regeneriert, obwohl sie darüber immer noch sehr verwundert war, denn es hatte Monate gedauert, bis sie ihn gefunden hatte – durch puren Zufall – durch einen Anflug von Nostalgie ...
Sie war zu der riesigen Baustelle gegangen, die am Hafen vor einem halben Jahr mit den Reparaturen der Stelle über dem Hub beinahe fertiggestellt war und war über die Absperrung geklettert, war über das Gelände geschlendert, hatte ein paar Tränen vergossen bei dem Gedanken an all das, was unwiederbringlich unter ihren Füßen begraben lag ... und dann hatte sie sie gesehen ... dunkelblau, hölzern, in einer Ecke zwischen abgestellten Gerüstteilen, halb zugestellt mit Brettern und Eisenteilen – die TARDIS ...
Ihr war fast das Herz stehen geblieben. Sie hatte an die Eingangstür geklopft, gebollert, gerufen, geschrien – aber nichts war zu hören oder zu sehen gewesen, außer einem leichten Lichtschein aus dem Inneren. Es hatte fast drei Wochen gedauert, bis sie über die spärlichen Informationen die sie über das Schiff hatten mit Hilfe eines persönlichen Gegenstandes von Jack und einer gehörigen Portion Glück die Türe hatte öffnen können.
Gwen winkte dem Doctor zu, der sie lachend mit einem Fingerzeig auf eine Unregelmäßigkeit in der Hecke aufmerksam machte. Und ihre Gedanken wanderten wieder zu dem Moment zurück in dem sie ihm das erste Mal gegenübergestanden hatte ...
Wenn er heute schmal war, dann war er damals beinahe verhungert ... er hatte nur noch das Notwendigste zustande gebracht um am Leben zu bleiben. Er war restlos verwirrt, aber mit viel Zeit und mit aller Geduld die Gwen in ihrer für sie so typischen Weise aufbringen konnte, hatte sie es geschafft, ihn dazu zu bringen, ihr die Aufzeichnungen zu zeigen, die er während der Zeit gemacht hatte, in der er um die Erde gekämpft hatte wie nie zuvor.
Gwens Hals wurde eng, wenn sie an die dringlichen Bilder dachte, die er versucht hatte zur Erde – zu Jack zu schicken, die aber wieder und wieder von den 456 blockiert worden waren. Er hatte Formeln, Wellenlängen, Mutmaßungen und Fakten geschickt, die nie angekommen waren und wieder und wieder hatte er versucht, Jack zu erreichen.
Die 456 hatten im übel mitgespielt, aber er hatte nicht aufgehört. Hatte Schiff für Schiff weitergemacht, hatte alles riskiert und Gwen wusste, dass sie das Bild niemals vergessen würde, das er bot, als er, während die letzte Aufzeichnung lief, erkannte, was Jack tat – seltsamerweise war er absolut davon überzeugt, dass es Torchwoods – dass es Jacks Werk war ... der Jubel in seinen Augen, das begeisterte, ansteckende, triumphierende Lachen und dann plötzlich der Schmerz ... sein Schrei – sein schrecklicher Schrei – seine langen, schmalen Hände, die seinen Kopf festhielten, in dem Versuch, der erfolgreichen Waffe zu entgehen, die ihn durch seine nicht menschliche Physiologie fast ebenso heftig traf wie die 456. Das Blut aus seinen Augen, aus seinen Ohren hatte sich in Gwens Hirn eingebrannt und ebenso die letzten Worte die er mit klarem Kopf flüsterte, als er die Koordinaten für eine Notlandung eingab: „Torchwood-Hub, Cardiff, Jack ..."
Er war dort gelandet, wo er immer gelandet war – nur dass dort niemand mehr auf ihn gewartet hatte... Er hatte nichts von der Explosion gewusst.
Es war reinem Zufall zu verdanken gewesen, dass weder UNIT noch die Regierung das Schiff gefunden hatten, das irgendwann so selbstverständlich zur Baustelle gehört hatte, dass niemand sich mehr darüber wundern konnte.
Sie hatte absolut niemandem Bescheid gesagt und ihn stattdessen einfach bei sich versteckt ... Rhys und Andy hatte ihr geholfen, die TARDIS von der Baustelle wegzuholen. Sie stand nun in der Garage, die von der Höhe her gerade eben so gereicht hatte, weil sie ein spitzes Dach hatte.
Den Doctor selbst hatte sie im Gästezimmer einquartiert.
Er hatte schrecklich ausgesehen, völlig wirres Zeug geredet, und offenbar nicht begriffen, warum sie ihn nicht verstehen konnte. Erst hatte Gwen geglaubt, er könne sich an nichts mehr erinnern, aber dann stellte sie fest, dass seine Erinnerungen offenbar noch vollständig da waren – was fehlte waren die korrekte Reihenfolge und die Zusammenhänge... er rief in völlig unvorhersehbaren Mustern Erinnerungsbrocken auf, die ihm in der Situation in der er sich dann jeweils befand, nicht weiterhalfen und es dauerte nicht lange, bis er durch das geordnete Umfeld im Hause der Williams realisierte, dass es so war.
An dem Tag hatte er ihr mit seiner Verzweiflung beinahe das Herz gebrochen, aber der Absturz hatte nur kurz gedauert und von dem Tag an war es besser geworden.
Inzwischen hatte er Tage, an denen er bis zu einer Stunde am Stück genau wusste, was er sagte und tat und irgendwann hatte er sich in diesen Zeiten mit Gwen an seiner Seite gewagt, in die TARDIS zu gehen und dort versucht, herauszufinden, was mit ihm nicht richtig war und wie er es ändern konnte.
Damit er dabei nicht mehr Schaden anrichtete, als er gut machte, hatte er mit Gwen ausgemacht, dass er ihr im Minutentakt ein Zeichen gab, dass er noch er selbst war. Sein perfektes Zeitgefühl hatte das zu einem messbaren Wert gemacht, denn wenn er in seinen kranken Zustand zurückfiel, vergass er das Zeichen oder änderte es.
Wenn das geschah, brachte Gwen ihn zurück ins Haus.
„Ist er noch im Garten?" Rhys hatte die Küche betreten und umfasste Gwen von hinten, die nach wie vor den Doctor beobachtete.
„Ja, er rechnet wieder.", sie lächelte und Rhys gab ein leises Schnaufen von sich.
„Der mit seiner Rechnerei – ich bin ja immer noch der Meinung, dass ein paar Bier ihm da schneller helfen würden."
Gwen boxte ihn lachend nach hinten in die Rippen. Sie wusste, dass Rhys nicht meinte, was er sagte. Er stand hundertprozent hinter ihrer Entscheidung, den Zeitreisenden so lange in ihrem Haus wohnen zu lassen, bis er wieder auf eigenen Füßen stehen konnte.
Rhys legte sein Kinn auf Gwens Schulter ab, während sie nun beide nach draußen blickten.
„Ich kenne, außer dir, Gwen, niemanden, der so freundlich ist, wie dieser Doctor. Schau ihn dir doch mal an – alles begeistert ihn, alles fasziniert ihn und so lange er nun schon hier ist, habe ich noch kein einziges agressives oder schlecht gelauntes Wort gehört. Wenn man mal von der Zeit absieht, als ihm klar wurde, was mit ihm los ist. Fragt er eigentlich immer noch?"
Gwen nickte.
„Ja – wenn ich ihn morgens wecke ist seine erste Frage nach wie vor die nach Jack und wann er da sein wird. Aber meistens ist er mit den Gedanken unmittelbar danach schon wieder woanders. Ich habe allerdings das Gefühl, dass seine Träume schlimmer werden und ich weiß nicht, ob das ein gutes, oder ein schlechtes Zeichen ist... verdammt, warum lässt Jack sich nur nicht blicken!"
Rhys richtete sich wieder ganz auf und fasste sie etwas fester.
„Er wird kommen, wenn er dafür bereit ist, Gwen."
Sie legte ihren Kopf zurück, bis er gegen Rhys lag und stimmte ihm murmelnd zu.
Plötzlich runzelte der Doctor die Stirn und sah verwirrt zur Straße, die er zwar durch die hohe Hecke nicht sehen konnte, aber trotzdem sah er dorthin, als könne er es doch.
Dann blickte er zu Gwen zurück und sagte, so laut, dass sie es im Haus durch das offene Fenster hören konnten: „Er ist falsch. Das Ergebnis der Reihenfolge ist immer wieder eine neue unmögliche Abfolge und deshalb müssen die Grenzen zwischen den Universen sicher versiegelt sein. Er ist ein fixer Punkt in der Zeit und er ist hier." - es war sein typisches Kauderwelsch, wie immer so ausgesprochen, als rede er völlig normal.
Dann deutete er auf die Straße, wo gerade ein Auto zum Stehen gebracht worden war, aus dem nun, wie man schemenhaft durch das Grün erkennen konnte, jemand ausstieg und sich, nachdem die Tür mit einem satten Geräusch zugeworfen worden war auf das Haus der Williams zubewegte...
