I want you by my side

Kapitel 1

Mein Herz blutete, als die Särge mit den Leichen meines Sohnes Jack und meiner Freundin Beth in die Erde hinabgelassen wurden. Es regnete in Strömen und nur wenige Trauergäste hatten mich nach dem herzergreifenden Gottesdienst auf den Friedhof begleitet, um den Ermordeten die letzte Ehre zu erweisen. Mein Team bildete eine Ausnahme, alle standen geschlossen an meiner Seite, wofür ich unendlich dankbar war. Sie waren meine Familie, die einzigen Menschen, die mich noch davon abhielten, Selbstmord zu begehen. Unsere Computertechnikerin Penelope Garcia, die die Tränen kaum zurückhalten konnte, hielt eine kurze Ansprache, denn ich fühlte mich nicht dazu in der Lage. Ich biss mir auf die Lippen, mein erst zehnjähriger Sohn hatte das nicht verdient, ebenso wie Beth. Beide waren ermordet worden und ich hatte sie nicht beschützen können…

Ich war im Ausland gewesen, auf einer Militärbasis in Afghanistan, wo ich gemeinsam mit der US Army das Land nach Terroristen und Fanatikern durchkämmte. Hier dienten mir meine Jahre als Profiler, so konnte ich schneller herausfinden, wer zu den Übeltätern gehörte und wer nicht. Als der Anruf kam, war ich gerade mitten in einer Schießerei, es ging um Leben und Tod. Da es die Nummer von Beth war, ging ich davon aus, dass sie mal wieder Langeweile oder Sehnsucht nach mir hatte, weshalb ich den Anruf wegdrückte. Erst nachdem wir die Gegend gesichert hatten und ins Lager zurückgekehrt waren, fiel mir auf, dass Beth unzählige Male versucht hatte, mich zu erreichen. Ich rief zurück und mein Stellvertreter, SSA Derek Morgan, hob ab. Er berichtete mir, dass vor nicht mal einer Stunde, ein brutaler Serienkiller meinen Sohn Jack und meine Freundin grausam ermordet hätte. Galle kam in mir hoch… Sie hatte versucht, mir eine Nachricht zukommen zulassen, doch ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, Soldat zu spielen. Noch am selben Tag flog ich zurück, zurück nach Quantico, Virginia. Trotz aller Bemühungen des Teams wurde der Täter nie geschnappt, sondern mordete in weiteren Staaten, darunter New York, Florida und Illinois. Die Ermittlungen verliefen im Sand.

Mein Gesicht blieb ausdruckslos, ich hatte keine Tränen mehr. Unser jüngstes Teammitglied, der 30-jährige Dr. Spencer Reid, folgte mir nach dem Begräbnis, er schien zu ahnen, dass es mir sehr schlecht ging. Wir wurden eigentlich in Jacks Lieblingsrestaurant erwartet, zum traditionellen Totenmahl, doch ich hatte allen mitgeteilt, dass ich aufgrund meiner Verfassung, nicht an diesem Essen teilnehmen würde. Reid hatte, entgegen unserer ungeschriebenen Gesetze, mein Verhalten analysiert und vermutlich somit auf meinen psychischen Zustand geschlossen. Als ich mich nun schweigend entfernte, nutzte er die Gelegenheit, mich direkt anzusprechen: „Hotch, warte! Was ist los? Du hast dich verändert, wir alle, das gesamte Team erkennt dich nicht wieder… Alex und Derek machen sich große Sorgen um dich…" Ich ignorierte den jüngeren Agent und marschierte in Richtung Haupteingang des Friedhofs. „Hotch, rede mit mir! Lass nicht zu, dass es so endet! Du hättest es nicht verhindern können…" Reid verstummte, als ich abrupt stehen blieb. Ich drehte mich zu ihm um, Tränen glitzerten in meinen Augen: „Beth hat mich noch angerufen und ich habe… Nein, ich hätte etwas tun können, ich hätte…" Mein Kollege schüttelte den Kopf, sah an mir vorbei, fixierte einen fernen Punkt, als er erwiderte: „Wir… wir haben herausgefunden, dass es der Killer war, der dich angerufen hat… Offenbar wusste er, dass du beschäftigt warst und dir im Nachhinein die Schuld an diesem Mord gegen würdest… Bitte Hotch, du darfst nicht zulassen, dass dieser Mistkerl siegt! Lass ihn nicht gewinnen!" Da krachte ein Schuss, der mich gnadenlos niederstreckte…

Fassungslos starrte ich auf das Blut, das mein weißes Hemd rot färbte. Wie aus weiter Ferne drang Reids Stimme zu mir durch, er flehte mich an, durchzuhalten, jetzt nicht aufzugeben, der Krankenwagen sei bereits unterwegs. Dazu rief mir SSA David Rossi, dessen älteres Gesicht mit seinen vielen Falten, sich in mein Blickfeld schob, in Erinnerung, dass meine Familie mich noch brauchte, ich sollte um mein Leben kämpfen. Der Schmerz, der nur kurze Zeit später einsetzte, ließ mich laut aufschreien, trieb mich fast in den Wahnsinn. Tränen rannen mir aus den Augen und Schweiß trat mir auf die Stirn. Reid meinte, als ich versuchte meinen Körper zu drehen: „Nein Hotch… Bleib ganz still liegen, der Killer beobachtet dich vielleicht noch, wenn er denkt, dass du tot bist, dann wird er dich nicht im Krankenhaus aufsuchen und dir den Rest geben! Vertrau mir…" Spencer wurde von herannahenden Sirenen übertönt. Von dem was danach folgte, bekam ich kaum etwas mit, laut Rossi verlor ich im Krankenwagen das Bewusstsein, erlitt sogar einen Herzstillstand. Jedenfalls wachte ich nach einer Woche Koma auf und fand das Team schlafend vor, alle, außer Dr. Reid, schlummerten vor sich hin. Der junge FBI Agent saß an meinem Bett und sah fürchterlich aus, offenbar hatte er nur sehr wenig geschlafen. Er brachte ein erleichtertes Lächeln zustande, dann flüsterte er leise, um die anderen nicht zu wecken: „Der Täter ist uns durch die Lappen gegangen, aber es besteht keinen Zweifel, es war der Gleiche, der Jack und Beth auf dem Gewissen hat… Die Kugeln sind absolut identisch." Ich nickte schweigend, behielt aber meine Gedanken für mich. Wieso hatte ich diesen Anschlag überlebt? Warum hatte es dieser Mistkerl auf mich abgesehen? Was hatte meine Familie damit zu tun? Wie würde es jetzt weitergehen? War meine Verletzung sehr schlimm? Schwebte nun etwa auch mein gesamtes Team in Lebensgefahr? Ich schüttelte kurzerhand den Kopf, dann verkrampfte sich mein Herz. Der Reaper George Foyet war der letzte Serienmörder, der mich persönlich angegriffen hatte, damals hatte ich fast meine Dienstmarke verloren. Würde es dieses Mal ebenfalls darauf hinauslaufen? Er hatte damals Haley, meine Ex-Frau getötet, bevor ich ihn eigenhändig zu Tode geprügelt hatte… Eine Gänsehaut überkam mich und Reid reagierte sofort: „Hotch, wir sind eine Familie… Du hast mal gesagt, wer sich mit einem von uns anlegt, der legt sich mit uns allen an… Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass wir diesen Mistkerl davonkommen lassen werden! Niemand von uns wird dich jetzt im Stich lassen, also mach dir keine Sorgen! Wir stehen das alle gemeinsam durch!" Ich weinte stumm. Ich war nicht bereit, das Leben meiner Agents, die mir so ans Herz gewachsen waren zu riskieren, lieber lieferte ich mich dem Mörder aus. Ich könnte es nicht ertragen, auch nur einen von ihnen zu verlieren, weder J.J. (Jennifer Jareau genannt), Penelope Garcia, Alex Blake, noch Derek Morgan, David Rossi oder Spencer Reid, niemand sollte meinetwegen sterben müssen. „Aaron Hotchner! Hör sofort auf, dich für diese Morde verantwortlich zu machen… Du hättest sie nicht verhindern können. Der Mörder möchte, dass du genau das denkst! Ich habe dir bereits auf dem Friedhof gesagt, dass dich keine Schuld trifft!" Ich wandte mich vom jüngsten Teammitglied ab, ließ zu, dass der Schlaf mich übermannte.

Fünf Monate später…

Ich betrat das Hauptquartier der BAU in Quantico, Virginia an diesem verregneten Morgen mit gemischten Gefühlen… Es war mein erster Arbeitstag nach dem Anschlag, der Täter immer noch auf freiem Fuß. Trotz intensiver Ermittlungen war es dem FBI nicht gelungen, den Mörder auf irgendeine Weise zu eliminieren. Da jedoch vor weniger als 24 Stunden in Philadelphia ein Bankraub stattgefunden hatte, bei der die gleiche Waffe benutzt worden war, ging der Director davon aus, dass für mich keine Gefahr mehr bestünde und zog meinen Personenschutz ab. Ich stieg aus dem Fahrstuhl und erschien zögerlich im Büro meiner Teamkollegen. J.J. war die erste, die mich begrüßte: „Hey Hotch! Schön dich wieder bei uns zu haben! Komm, die anderen sind im Konferenzraum, ein neuer Fall erwartet uns in New York City, scheint etwas Größeres zu sein…" Ohne meine Antwort abzuwarten, hängte sie sich bei mir ein und zwang mich so, mich den anderen zu stellen. Sie nickten mir alle freundlich zu, offenbar erleichtert darüber, dass ich trotz alledem noch weitermachen wollte. Garcia führte uns in den Fall ein: „Das NYPD hat innerhalb der vergangenen Woche vier Leichen entdeckt. Alles junge Frauen Anfang bis Mitte 20. Sie stammten aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Von mittellosen Einwanderern, bis hin zur reichen Senatstochter ist alles dabei. Sämtliche Opfer werden 24-32 Stunden festgehalten. Der Täter vergewaltigt die Frauen. Nachdem er sie gefoltert hat, stranguliert er sie mit einem Gürtel. Bevor er die Leichen in den gefährlichsten Gegenden der Stadt entsorgt, entfernt er ihnen Herz und Leber, vermutlich noch während die Opfer leben…" J.J. atmete tief durch, während Reid sich als Erster zu Wort meldete: „Das deutet auf einen sehr gefährlichen Täter hin, der seine Opfer gerne quält, also ein Sadist, der es genießt diesen Frauen Schmerz zuzufügen." Derek nahm einen Schluck Kaffee und fuhr fort: „Wir sollten sofort aufbrechen, dieser Killer wird nicht aufhören, bis wir ihn geschnappt haben…" Daraufhin sahen alle mich an. Sie erwarteten den Befehl zum Aufbruch. Seufzend kam ich meiner Pflicht als Unit Chief nach: „Also gut, Abflug in 40 Minuten…" Der Konferenzraum leerte sich allmählich, nur David Rossi schien keine Eile zu haben. Als wir alleine waren, sagte er ruhig: „Wie fühlst du dich, Aaron? Bist du wirklich schon bereit für den Einsatz? In deinen Augen sehe ich immer noch den gleichen Schmerz, wie am ersten Tag nach deiner Rückkehr aus Afghanistan… Möchtest du vielleicht darüber reden?" Ich packte die Akte zusammen: „Dave, es geht mir gut, der Psychiater hat mich für diensttauglich erklärt, ich darf und kann wieder arbeiten…" Rossi nickte: „Ich weiß, aber danach habe ich nicht gefragt…" Das hatte ich geahnt. David, der beste Freund, den man sich nur wünschen konnte, hatte innerhalb von fünf Minuten mehr gesehen, als der Seelenklempner des FBI in fünf Monaten. Ich war ihm eine Antwort schuldig: „Wenn du die Wahrheit wissen willst… Es geht mir beschissen… Beth fehlt mir, wir haben nahezu täglich miteinander geredet… Aber ich vermisse Jack mehr als alles andere. Jedes Mal, wenn ich meine Wohnung aufschließe, denke ich, er müsste mir entgegen gerannt kommen. Haleys Schwester Jessica hat vergangenes Wochenende seine Sachen in Kisten gepackt und mir geraten, umzuziehen… Doch ich fürchte, das wird das Problem nicht lösen… Kein Vater sollte seinen Sohn zu Grabe tragen…" Rossi legte mir eine Hand auf die Schulter: „Du bist wieder da, weil du es Zuhause nicht mehr aushältst… Du suchst Verbindung zum Team… Das ist gut, es wird dir vielleicht helfen, den Schmerz des Verlustes einzudämmen, ihn zumindest einstweilen zu betäuben… Da bleibt mir nur noch eines zu sagen… Willkommen zurück, SSA Hotchner!"