1#
Die Bräune hatte sich in Windeseile verflüchtigt, als ob es der Oktober Regen ihm aus der haut auswaschen würde. Kränklich sah er jetzt manchmal aus; die Decke bis zum Kinn hochgezogen hatte er sich Mark angeschlossen, abends fern zu sehen und dabei heiße Milch mit Honig zu trinken. Der weiße Stoff spiegelte sich ausgemergelt auf seinem Gesicht während er auf der Couch saß, die Beine unter der Decke hochgezogen bis an die Brust.
Ich rührte besonnen in der blubbernden roten Nudelsoße, griff geistesabwesend zu den Gewürzen über dem Herd und streute etwas von dies und jenem mit dazu. Aus dem Augenwinkel sah ich zur Couch hinüber.
Seine Haar wirkten dunkler als sonst, seine Augen tiefschwarz im Kontrast zur hell gewordenen Haut. Er stierte auf die große Palme neben dem Fernseher, der murmelnd plärrte. Niemand außer dem Fernseher sprach heute abend sehr viel, Akay hatte sich ins Bad verkrochen, wo er mit Vorliebe telefonierte, Marc füllte gewissenvoll sein halbes Milchglas mit Honig und rührte es sorgfältig zu einem hellgoldenen süßen Wundertrank und Ken stierte, während er abwesend sein Glass auf das Knie vor ihm gestellt hatte.
Alle waren ruhig; meist waren wir ruhig wenn das Kameralicht aus war. Man konnte schließlich nicht 24/7 grinsen und gute Laune haben, das hier alles ganz toll und aufregend finden und noch kluge, tiefgründige reflektierende Statements ablassen. Wenn die Kamera aus war waren wir ruhig, versuchten zerstreute Kräfte auf einen Punkt zu fokussieren für den nächsten Tag, im Studio oder bei D, dem unerbittlichem Arschloch.
Er erinnerte mich immer an eine dieser total albernen US-Militär-Klamauk Komödien, 'Auf Kriegsfuß mit Major Payne'; Herr D...huch ich meine natürlich D! mit Ausrufezeichen, war jedenfalls mein persönlicher Major Payne und nur ungern hielt ich mich zurück ihm mal verbal fest in seinen Arsch zu treten, wenn er mal wieder nichts anderes zu tun hatte als uns zur Sau zu machen. Aber ja ja, nicht in die Hand beißen, die einen füttert und so weiter und so weiter. Ich weiß, ich weiß; trotzdem...
'Meiko hier scheiße...Meiko da schieße...' 'Akay da lahm...Akay hier lahm...' 'Ken sowieso überall scheiße...' und so weiter.
Heute hätte ich fast einen Krampf in den Lippen gekriegt, als ich sie so fest zupressen musste um schlimmere verbale Eskapaden gegen Major Payne meinerseits zu verhindern. Ken hatte er heute fast sichtbar von einem Meter paar und achtzig auf zwanzig Zentimeter schrumpfen lassen. Es tat uns allen fast genauso weh wie er Ken mehr und mehr in die Ecke drängte und der nicht mehr wagte auch nur aufzusehen. Er hatte seid dem kein Wort mehr gesprochen.
Schweigend hatte er das Training hinter sich gebracht; Major Payne hatte ihm nichts mehr als abfälliges schnauben entgegen gebracht; schweigend hatte er sich umgezogen, schweigend war er in den Bus geklettert, schweigend hatte er aus dem Fenster auf Berlin gestarrt, schweigend mit uns ins Zimmer gegangen und schweigend sich zu Mark auf die Couch gesetzt, versteckte sich seid dem hinter der weißen schweren Decke.
Ich blinzelte wieder auf von meinem Nudeltopf, herüber zu ihm.
Seine Haut war weiß, aber dass seine Augen heute tief schwarz wirkten kam wohl nicht vom Kontrast.
Wieso verdammt noch mal viel mir jetzt nichts ein, was ich sagen konnte?!
Worte blieben mir selten aus, aber jetzt gerade, jetzt gerade in diesem Augenblick in dem ich so unbedingt etwas sagen wollte, irgendetwas was eines seiner schmalen, hinreißenden lächeln auf seine Lippen Zeichen würde, nur für ein paar Sekunden; irgendetwas dass seinen Augen einen dankbaren, erleichterten Schleier über das leere, schwere Stieren legen würde, nur für einen Augenblick; Etwas dass ihm einen Ausdruck auf das helle, feine Gesicht legen würde, der auch mich als Antwort lächeln ließ.
Warum fiel mir gerade jetzt nichts ein?!
