„Oneee-Chan", hallte es durch die großen Hallen des Flughafens Tokio, „ich hab dich so~ vermisst."
Ruckartig umarmte das lauthalsige Mädchen ihre Schwester, die diese liebevoll erwiderte. Beide traten+ ein Stück voneinander weg, um sich gegenseitig zu mustern. Hide bemerkte einige Veränderungen an ihrer kleinen Schwester: Sie hatte neue Kleidung, nicht, dass sie das verwunderte, doch die mädchenhafte Erscheinung ihrer Schwester überraschte sie immer wieder.
Kei war gewachsen, doch war sie immer noch kleiner als sie.
Die Kombination der Rosa-Töne ihres Kleides, der Schleife im Haar und des Bandes um ihren Hals passten, wie vor einem Jahr perfekt zum Blond ihrer Haare.
Keis tiefrote Augen glitzerten aufgeregt, während sie die Ältere genauso neugierig beobachtete. Hides Haar, welches früher schulterlang gewesen war, fiel ihr nun bis zur Hüfte. Kei beneidete schon immer Hides außergewöhnlichen Haare, die die Farbe von türkisen Edelsteinen besaßen. Sie waren aufregend, etwas beeindruckendes und um lägen nicht so langweilig und normal wie ihre eigenen Blonden. Allgemein wirkte sie... reifer. Aber Kei zweifelte, dass es an dem Altersunterschied von einem halben Jahr lag.
In der Vergangenheit wurde Kei immer als die ältere eingeschätzt, da Hide eher schüchtern war. In der Grundschule war es so, dass Kei von allen die Aufmerksamkeit erregte, durch ihren charismatischen Charakter. Dagegen war ihre ältere Schwester still, saß allein an ihrem Tisch und starrte aus dem Fenster. In den Pausen bevorzugte sie es, auch lieber allein zu bleiben und kritzelte irgendetwas auf kleine Zettel. Die Jüngere war so gut wie immer von Leuten umgeben und wurde jedes Jahr zur Klassensprecherin ernannt. Im Gegensatz dazu, bemerkten die meisten Mitschüler es nicht einmal, wenn die Ältere fehlte. Sie sind wie Sonne und Mond- oder noch besser: Wie Licht und Schatten.
„Hey, du bist echt groß geworden, aber ich bin immer noch größer.", grinste Hide und wuschelte ihrer Schwester durchs Haar. Leicht genervt, aber noch mit einem Lächeln versuchte Kei die Hand von ihrem Kopf zu bekommen: „Hey... lass das sein!"
Die beiden kicherten vor sich hin und machten sich mit ziemlich viel Gepäck, auf den Weg aus dem Flughafengebäude zum Taxistand. Nach einer langen Fahrt, in der sich die Teenager viel zu erzählen hatten, kamen sie endlich zu Hause an.
Als das Auto anhielt, atmeten beide tief durch, um sich auf das vorzubereiten, was sie gleich erwarten würde. Hide bezahlte den Taxifahrer und nahm den Koffer.
Gerade als Hide die Haustür aufschloss, passierte es: „Wir sin-"
„AHHH, MEINE KLEINE PRINZESSIN IST ZURÜCK!", schallte ihnen aus dem Haus entgegen. Gleichzeitig öffnete die Stimme die Tür so ruckartig, dass die Mädchen der Person in die Arme fielen.
„Ich hab dich sooo~ vermisst, Kei-Chaaaan~", schrie die Person, die nebenbei weinte und gleichzeitig lachte.
„D-dad...wir krie...gen keine...Luft...", brachte Hide mit letztem Atem raus.
Lachend antwortete der blonde Mann: „ Haha, tut mir Leid, aber ich konnte nicht anders, als ich meine niedliche, kleine Kei gesehen hab. Na, ging es dir gut? Hast du genug gegessen und schön deine Milch getrunken? Haben dir die bösen Schneckenesser auch ja nichts angetan? Ansonsten werde ich gleich in den nächsten Flieger steigen und ihnen zeigen, was passiert, wenn man sich mit meiner lieben Kei-Chan anlegt!"
„Ist ja gut, beruhige dich erst einmal. Mir geht's bestens. Ich hab dich auch vermisst Dad. Mach dir keine Sorgen um die Franzosen. Es geschah alles mit meinem Einversständnid", erwiderte sie mit einem neckisch Kichern.
„WAHGR!", hörte man nur noch und sah wie sich die Seele des aufgeregten Vaters verabschiedete.
„Kei! So etwas kannst du doch nicht machen! Du weißt doch, wie sensibel Vater ist.", tadelte die Ältere.
„Ja, Hi~de", antwortete sie kichernd. Ihr Vater erwachte aus seinem Tod-ähnlichen Zustand und versuchte wieder, Hide zu umarmen: „Ach was würde ich nur ohne dich machen, Hime-Chan~".
Doch er rechnete nicht mit den Launen Hides: „Ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du mich nicht so nennen sollst!", knurrte die Ältere und verpasste ihrem Vater einen gekonnten Karateschlag direkt ins Gesicht.
„Wehe du nennst mich noch ein einziges mal Hime", drohte sie ihm noch einmal, doch der blonde Mann schlummerte schon friedlich und träumte von seinen bezaubernden Töchtern.
„Man bin ich froh, dass du wieder hier bist, dann muss ich den wenigstens nicht allein ertragen", murmelte Hide, als sie ihre Straßen- gegen Hausschuhe eintauschte. Kei tat es ihr gleich und antwortete zustimmend: „Ich hab' dich auch vermisst, Onee-Chan". Dann brachten die beiden das Gepäck auf Kei's Zimmer.
„Mom, ist es in Ordnung wenn wir bis zum Abendessen oben bleiben?"
„Ja macht ruhig, ihr habt euch bestimmt viel zu erzählen", antwortete die Mutter fast im selben Moment.
Kei war dabei ihre Sachen in ihren Schrank einzupacken, während Hide sich auf ihr frisch bezogenes Bett gelegt hatte, einen Manga las und sie über alles mögliche ausfragte: „Sind die Jungs in Frankreich süß?", erkundete sie sich ohne auch nur eine Sekunde den Blick von ihrem Manga abzuwenden.
„Seit wann interessierst du dich denn für Jungs?" entgegnete die Blondine überrascht, doch anstatt etwas zu sagen netrachtete Hide sie nur mit einem nichts-sagenden Blick.
„Na ja, auch nicht besser als hier, aber ein paar Sahneschnittchen waren schon dabei."
Diese Aussage blieb komplett ohne Kommentar und Hide hatte sich schon wieder ihrem Lesestoff zugewandt.
„Hey was liest du eigentlich da?", fragte Kei ein wenig genervt und zog ihr das Heft aus der Hand.
„Hey! Halt, wart-", panisch versuchte sie den Manga zurück zu ergattern, wobei die beiden jedoch über einander stolperten und letztendlich aufeinander fielen und das Heft direkt vor der Nase von Kei landete... geöffnet.
„Aua...", murmelten beide fast Zeit gleich. Die Jüngere rieb sich den Kopf und öffnete langsam ihre Augen. Erst starrte sie auf die aufgeschlagen Seiten und blieb stumm. Doch nach einigen Sekunden realisierte sie was vor ihrer Nase lag: „Seit wann liest du den Ya-"
„Halt die Klappe, schrei' nicht so herum, Mom hört uns noch!"
„Oh Gott, meine Schwester liest Yaoi...Wieso Yaoi? Wenn es wenigstens nur Shounen-Ai wäre, aber nein! Yaoi! Warum?", flüsterte Kei vor sich hin, eher zu sich selbst als zu ihrem Gegenüber.
„Jetzt komm mal runter... Ganz ruhig atmen, okay?", beruhigte Hide ihre völlig aus der Fassung geratene Schwester.
„Komm es ist doch gar nicht so schlimm, viele in unserem Alter lesen sowas...", versuchte die Größere weiter auf sie einzureden.
„Aber das ist fast wie Dads Pornosammlung, die wir mal gefunden haben... da warst du doch auch schockiert", schniefte die kleinere. Okay vielleicht macht ein halbes Jahr Altersunterschied doch was aus... überlegte Hide.
„Du musst es ja nicht mögen.", versuchte sie verzweifelt die Situation zu retten, „Aber bitte erzähl Mom und Dad nichts, okay?"
„Aber... aber... ", eine Röte verteilte sich auf Keis ganzem Gesicht. Hilft wohl alles Nichts, stellte Hide fest und umarmte ihre kleine Schwester. Im nächsten Moment jedoch rief ihre Mutter, dass sie zum Essen runter kommen sollten.
„Mhh, Zuhause schmeckt's doch immer noch am Besten. Ittadakimasu!", schwärmte Kei während sie sich auf das traditionell japanische Essen stürzte. Erst hatte sie ein paar Probleme mit den Stäbchen, doch nach wenigen Versuchen, hatte sie den Bogen wieder raus. Dann wurde die Stille durch die Mutter durchbrochen: „Na, seid ihr schon aufgeregt?"
„Hm? Weshalb denn?"
„Na Montag ist doch euer erster Schultag."
„Stimmt, das hab ich total vergessen! Mist ich weiß gar nicht was ich anziehen soll..."
„Wie wär's mit deiner Schuluniform?"
„...", Kei konnte darauf nur resignierend seufzen.
„Was soll ich bloß mit dir machen, Hide?", daraufhin schaute sie die Blonde verwirrt an, während sie gerade ihre Ramen mit den Essstäbchen in den Mund schaufelte.
„Ah da fällt mir was ein, warte kurz", erinnerte sich die Ältere und verschwand nach oben.
„Kann das nicht bis nach dem Essen warten?", schrie die Mutter ihr nach, aber man hörte schon wieder Schritte die Treppe runter laufen. Mit Schwung lief Hide um die Ecke ein bunt eingepacktes Paket in der Hand.
„Wir konnten ja unsere Geburtstage nicht zusammen feiern, also... Herzlichen Glückwunsch nachträglich!"
„Oh pack' aus, pack' aus!"
„Dad beruhige dich, das ist mein Geschenk.", sagte sie während sie die Verpackung auf riss. Zum Vorschein kam eine rosa Strickjacke mit Tierohren und... „Soll das ein Schwein sein?!", sagte Kei ruhig, um sich zu versichern, dass sie nichts Falsches sagte. Sie beobachtete ihre Schwester aus dem Augenwinkel.
„A-Aber... es ist rosa...", flüsterte Hide mehr als es richtig zu sagen, und schon an ihrem Flüstern erkannte man, dass sie verunsichert war, ob es wirklich ein gutes Geschenk gewesen ist.
„Ähm.. also...-"
„Och, das ist aber süß, komm schon Kei-Chan zieh sie an, zieh sie an. An dir sieht sie bestimmt noch viiiel niedlicher aus.", sprach ihr Vater einfach rein und versuchte sie in die Strickjacke zu zwängen.
An den meisten Leuten hätte sie wahrscheinlich total dämlich ausgesehen, aber Kei stand sie ausgesprochen gut. Wahrscheinlich lag es daran, dass einfach alles was die Farbe rosa trägt an Kei gut aussah.
„Ich hab auch was für dich", erwiderte die Blondine und rannte immer noch in der pinken Schweinejacke ebenfalls vom Tisch weg. Im Flur kramte sie scheinbar in ihrem Handgepäck, welches sie vorhin vergessen hatten mit hoch zu nehmen. Das Mädchen holte eine kleine Tüte raus und ging zurück ins Esszimmer.
„Hier für dich.", sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln und hielt ihr die Geschenktüte hin. Ebenfalls mit einem Lächeln nahm Hide ihr Geschenk entgegen und untersuchte den Inhalt der Tüte, woraufhin sich ihre Miene allerdings schlagartig änderte.
„Was ist das...?"
„Das sind Dessous. Damit du auch mal bei den Jungs landen kannst.", kicherte Kei.
„Weißt du was,", fing Hide an, „GEH DOCH EINFACH STERBEN!"
Sooo das war der Prolog! Es werden jetzt erstmal mehr oder weniger alle Charaktere vorgestellt in den nächsten Kapiteln und dann wird es spannender mit der eigentlichen Story. Wir hoffen, wir haben euer Interesse geweckt! ^-^
