Disclaimer: Wenn ich JKR wäre, hätte ich Kohle. Ich schreibe, weil es mir Riesenspaß macht. Bitte nicht klagen!
Cassie
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Prolog/Harrys Sicht
Mein Körper liegt unter mir wie eine seltsame Puppe... gebrochen... und leer.
Das sind Fleisch und Blut – zerbrechlich, an die irdischen Gesetze gebunden. Schwach. Und doch existiere ich. Ich bin der körperlose Wille, der weiter lebt. Das da unten ist nur mein Haus, in dem ich einmal gelebt habe. Aber sowie jedes Haus, hat es Wände. Es hat Grenzen. Das Leben wiederum, die bloße Existenz, scheint grenzenlos zu sein. Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels, keine singenden Engel mit Harfen in ihren Händen, die auf Wolken sitzen. Und es gibt keinen, der weder meine Taten noch mich persönlich verurteilt. Ich bin an keine Gesetze gebunden und existiere als purer Wille.
Und zum ersten Mal habe ich begriffen, dass mein Körper, mein Tod, der letzte Schritt in die Freiheit war. Ich bin auch das losgeworden, habe es geopfert und gelernt, dass ich größer als all das bin. Ich bin nicht mein Körper, denn ich bin so viel mehr.
Ich schaue zu, wie Ayre sich zu meinem Körper beugt und den Kopf zu meinem Hals bringt. Gleichgültig schaue ich zu, wie sie beginnt mein Blut zu saugen. Die zwei Vampire stehen stumm da und schauen wortlos zu. Von Zeit zu Zeit nimmt Ayre eine Pause, hebt den Kopf, schluckt und macht dann weiter. Ich bin nicht länger am Ort, wo es keine Zeit und keinen Raum gibt, aber trotzdem kann ich nicht deutlich spüren, wie schnell die Zeit vergeht. Alles scheint in der Luft zu hängen. Alles scheint relativ zu sein. Ich bin weder hier noch da.
Der Vater der Blutfamilie tritt zu meinem Körper und Ayre richtet sich auf, zuschauend, wie er seine zwei Finger in eine Schale, die voller Öl zu sein scheint, taucht und einen Kreis auf die Stirn Stirn meines Körpers zeichnet. Er beugt sich über ihn.
„Salve, mi fili," sagt er, seine Lippen auf die linke Wange pressend.
Dann tritt er zurück. Die Mutter geht mit einer feierlichen Miene auf die Schale zu, schüttelt leicht ihre Hand sodass das Öl nicht über den Boden tropft, zeichnet auch einen Kreis und drückt einen zärtlichen Kuss auf die rechte Wange.
„Salve, mi fili," flüstert sie, über das Haar streichelnd. Sie tritt zurück und wechselt ein Lächeln mit dem Vater der Familie, der nach ihrer Hand greift und sie drückt.
Ayre, die kaum noch gerade stehen kann, schluckt heftig, macht auch einen Kreis auf der Stirn und drückt ihre Lippen auf die meines Körpers.
„Salve, Creatio mea," flüstert sie, sich stützend sodass sie ja nicht umfällt.
Ihre Schöpfung...
Ich spüre Dracos Stimme, die mir zuruft und mich verzweifelt bittet, meinen Körper zu finden und wieder zu leben. Der dunkle Lord ist auch da... Und Hermine sitzt zusammen mit Draco, seine Hand drückend. Sie alle denken an mich und hoffen, ich werde den Ruf hören.
Memphisto drückt mich leicht und ich spüre, wie er mir zunickt. Widerwillig konzentriere ich mich auf den schwachen Körper unter mir.
Es ist Zeit...
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Ich lehne mich gegen das Geländer und richte meinen Blick in die Ferne. Die Alpen, die den Wohnort der Mossutu Familie umgeben, erheben sich von jeder Seite des Schlosses und steigen zum Himmel empor, von Schnee gekrönt und von Nebel verschleiert. Ich finde es passend, dass die Vampire ausgerechnet diesen Ort gewählt haben, um ihn ihr Zuhause zu nennen. Obwohl die Mitglieder der Familie oft reisen, kommen sie immer zurück nach Hause.
Das Schloss gefällt mir. Ich hatte noch keine Chance, um das gesamte Schloss zu erforschen, aber das werde ich tun. Meine Erinnerungen mischen sich mit der Erfahrung, die ich vor kurzem hatte. Ich habe die Verwandlung nicht erlebt, weil ich zu jener Zeit nicht in meinem Körper war. Ich habe keinen Schmerz gespürt und im gewissen Sinne fühlt es sich an, als wäre ich abgereist während man mein Haus gut aufgeräumt und umgebaut hat. Aber zu sagen, dass alles beim Alten ist, wäre eine große Lüge. Nichts ist das gleiche und auch wenn mir etwas bekannt vorkommt, ist es mehr wie ein ferner Traum.
Ich erinnere mich an meine Pläne und wie ich mir den Tod vorgestellt habe. Wie ich den Tod gefürchtet habe. Meinen Schock und meine Verwirrung, mein Entsetzen, mich außerhalb meines Körpers zu finden, von den Armen des Dämons getragen, dem ich meine Seele anvertraut habe. Der Tod ist nichts, was ich mir vorgestellt habe. Aber sowie es sich herausgestellt hat, ist auch nicht das Leben das, wofür ich es hielt.
„Wie geht es dir?" fragt eine sanfte, weibliche Stimme.
Ich drehe mich um.
Ayre mustert mich kritisch und neigt den Kopf zur Seite.
„Gut," sage ich kurz.
Sie gluckst.
„Das sagst du immer," sagt sie. „Es hätte mich nicht überrascht, dass du es auch gesagt hättest, als deine Seele aus deinem Körper heraus erzwungen worden ist. Ich muss es wissen, weil ich deine Schöpferin bin. Die erste Woche ist immer die schwierigste, bis du dich an deinen neuen Körper und seine Funktionsweise gewöhnst."
Ich seufze und fahre mir durchs Haar. Mir ist es in diesem Moment vollkommen egal, wie mein Körper aussieht. Aber wenigstens ist er etwas, was mir vage bekannt ist, wenn mir alles anderes so fremd ist.
„Ich bin verwirrt," sage ich ehrlich. „Aber das wird schon. Ich muss mich nur an alles gewöhnen."
„Weißt du," sagt sie, sich zu mir stellend, „Ich hatte nie vor, jemanden zu verwandeln. Es hörte sich zu kompliziert an. Zu viel Verantwortung."
Ich lache und schüttele den Kopf. Das ist auch meine Meinung zu Kindern.
„Aber in unserer Familie betrachtet man es als eine Ehre und die bloße Verwandlung wird als ein feierlicher Akt angesehen," sagt sie. „Ich möchte meine Pflicht gut erfüllen. Aber du, dunkler Prinz..."
Ihre Augen glitzern als sie mich anschaut.
„Du bist eine Schöpfung, mit der man nicht viel Arbeit hat," sagt sie lächelnd. „Und ich verstehe jetzt, wieso du so viel erreicht hast und warum dich die ganze Welt fürchtet. Vielleicht war dein Körper menschlich, aber dein Geist war es nicht. Er hat Großartigkeit erreicht, die für die Sterblichen unvorstellbar ist. Man wird damit geboren, muss aber ständig daran arbeiten, was dir zweifelsohne gut gelungen ist. Und auch wenn wir Jahrhunderte vor uns haben, gelingt es uns nicht. Manche sind einfach nicht für Großartigkeit geboren. Das ist aber dein Schicksal."
„Schicksal?" wiederhole ich. „Daran glaube ich nicht. Ich glaube nur an mich und das, was ich mit meinen Händen und mit meinem Willen erreichen kann."
„Und ich lerne von dir," sagt Ayre einfach. „Ich bin meiner Blutfamilie sehr dankbar, dass sie ausgerechnet mich für diese Aufgabe erwählt hat."
Ich schaue ihr in die Augen und verspüre etwas, was ich seit langem nicht verspürt habe – Zufriedenheit. Jetzt gibt es nichts mehr zu fürchten. Es gibt keine lauernde Gefahr und keine Prophezeiungen. Ich habe Aberforth Dumbledore umgebracht und Neville Longbottom ist der nächste auf meiner Liste. Ich werde das erreichen, was ich mir vorgenommen habe und nichts und niemand kann mir in die Quere kommen. Ich habe seit langem kein solches Gefühl von Frieden in mir gespürt. Es hat nichts mit Schwäche oder Gleichgültigkeit zu tun. Ich habe den Tod gesehen und auch ihn besiegt. Und jetzt gibt es nichts mehr auf der Erde aber auch darüber hinaus, was ich fürchte.
„Gut, dass es bewölkt ist," murmelt Ayre. „Sonst hättest du nicht hier stehen und den Sinn des Lebens bedenken können."
Nie wieder werde ich im Sonnenlicht spazieren gehen können. Ich habe mit der Verwandlung so viel bekommen. Trotzdem fällt es mir schwierig zu akzeptieren, dass es doch manche Beschränkungen und Grenzen gibt. Wahrscheinlich haben sich die Vampiren damit abgefunden – und wirklich mochte ich das Sonnenlicht nicht sonderlich – aber ich werde schon einen Weg finden, auch diese Schwierigkeit zu überwinden.
„Was hast du vor?" fragt sie. „Ich werde dich nicht hier halten. Du bist vollkommen gesund und ich habe dich beim Essen drei Tage lang beobachtet. Alles läuft prima. Deine Organe haben sich schnell an die Veränderung gewöhnt. Und ich als deine Schöpferin kann dich entlassen, wenn du es willst. Wenn du fortgehen willst, hält dich keiner davon ab."
Ich grinse breit.
„Keiner konnte mich je von etwas abhalten," sage ich. „Nicht einmal der dunkle Lord. Aber trotzdem danke. Ja, ich werde gehen."
Eine Spur der Enttäuschung ist in ihren Augen zu sehen.
„Aber ich komme wieder um dich zu sehen," sage ich, eine Hand auf ihre blasse Wange legend. „Ich werde dich nie vergessen, meine Schöpferin. Du hast mir ein neues Leben gegeben und das werde ich nie vergessen."
Ayres Augen glitzern und sie legt ihre Arme um mich, mir über den Rücken fahrend.
„Geh, also," sagt sie schniefend.
Als wir uns trennen, glitzern ihre Augen mit Tränen.
„Auf in die Welt der Sterblichen, um weiter die Dunkelheit anzuführen," flüstert sie.
„Ja," sage ich und nicke. „Es ist nicht mein Schicksal, sondern mein Wille."
