Please Recall
A Love Story
Kapitel 1:
Alltäglicher Familienwahnsinn
"Natsuki, Schatz, du kommst noch zu spät zur Schule, komm endlich raus da!", rief Marron ihrer 15-jähriger Tochter zu, die sich schon seit einer halben Stunde im Badezimmer verbarrikadiert und seitdem kein Lebenszeichen von sich gegeben hat.
Ihr Mann Chiaki, ein angesehener Arzt, stellte einen Teller Pancakes auf den Tisch und drückte seiner Frau einen Kuss auf die Wange. "Beruhige dich, Shinji ist doch da und kann sie mit dem Auto mitnehmen, nicht wahr?" Er warf Shinji, der am Küchentisch der Nagoyas saß und munter Pancakes in sich hineinstopfte, einen fragenden Blick zu. Shinji, mit vollem Mund außerstande, eine angemessene Antwort zu geben, nickte mehrmals euphorisch mit dem Kopf und bekam leuchtende Augen. Bei seinem Anblick musste Marron schmunzeln.
Shinji war der Sohn ihrer besten Freundin Miyako Minazuki, ehemals Toudaji, die mit Yamato verheiratet war. Darüber hinaus war Shinji noch jemand ganz anderer, aber das war eine andere, längere Geschichte...
Plötzlich erschien Natsuki wie aus dem Nichts neben ihrer Mutter und stierte den fröhlichen, essenden Shinji wütend an. "Was macht der denn schon so früh hier?!", polterte sie auch schon drauflos und deutete anklagend auf ihren ungeliebten Nachbar. Sie konnte Shinji wirklich nicht ausstehen, vor allem, weil er sie nie in Ruhe ließ und ständig unpassende Kommentare von sich gab. Außerdem war er faul, unverschämt und schwänzte immer das Basketballtraining.
Sie hatte schon immer eine Abneigung gegen ihn gehabt.
"Guten Morgen, Fy... Natsuki, meine Liebste!", begrüßte Shinji sie, nachdem er sich beeilt hat, einen großen Bissen runterzuschlucken und grinste sie an.
Natsuki schnaubte aber nur verächtlich und dreht sich von ihm weg. Sie nahm sich eine Scheibe Brot und belegte diese mit Käse, ohne auch nur in die Nähe des Küchentisches zu kommen.
"Was soll das überhaupt? Es reicht mir schon, ihn als Nachbar zu haben und ständig sehen zu müssen, aber dass er jetzt auch noch von morgens bis abends hier rumhängt, das ist doch nicht auszuhalten!", schimpfte sie und steigerte sich noch mehr in ihre Wut rein.
"Das stimmt gar nicht", protestierte Shinji empört. "Ich bin überhaupt nicht von morgens bis abends hier. Aber..." Er hielt inne. "...wenn du dir das wünschst, könnte sich das einrichten lassen!" Marron verkniff sich das Lachen, als Shinji Natsuki – wie er glaubte – unwiderstehlich zuzwinkerte und sie die Hände zu Fäusten ballte und ihn zornig anfunkelte. "So weit kommt's noch!", warf sie ihm an den Kopf und verschwand türeknallend in ihrem Zimmer.
Chiaki, der das ganze Geschehen einfach ignoriert hatte – er und Marron waren schon daran gewöhnt – seufzte nur laut auf und setzte sich neben Shinji an den Tisch, um seine Zeitung aufzuschlagen und sich darin zu vertiefen.
"Gibtsch nich' noch mehr Pancakesch?", mümmelte Shinji mit vollem Mund und Marron warf einen Blick auf den Teller, der nun vollkommen leer war. "Nein", gestand sie etwas ratlos. "Das waren die Letzten... Du hast ja einen gesunden Appetit." Sie lächelte Shinji an und räumte den Tisch ab. Der junge Mann grinste sie an. "Mama weigert sich mittlerweile welche zu machen. Gut, dass es sie wenigstens hier noch gibt." "Kluge Mutter. Und stattdessen gehen wir hier bald pleite, wenn du weiterhin täglich den Vorrat an Lebensmitteln verdrückst, den wir drei in einer Woche nicht schaffen", bemerkte Chiaki trocken, ohne von seiner Zeitung aufzusehen. Marron warf ihm einen strengen Blick zu. "Hör nicht
auf ihn, du bist hier immer willkommen, und das weißt du auch", sagte sie freundlich zu Shinji und ohne ihren Ehemann anzusehen, boxte sie Chiaki, der just in diesem Moment hinter der Zeitung mit den Augen rollte, mit der Faust auf die Schulter, ohne auch nur das geringste von ihrem Lächeln an Shinji einzubüßen. Shinji grinste. "Danke Marron. Ich mochte dich schon immer viel lieber als diesen Geizhals." Er deutete mit dem Kopf Richtung Chiaki, der fassungslos seine Morgenlektüre sinken ließ und den Jungen anstarrte. "Das ist also der Dank...", fing er an, wurde aber jäh von Shinji unterbrochen, der dem Familienvater freundschaftlich auf die Schulter klopfte. "Schon gut, Alter! Ich verzeih dir und komme morgen früh wieder, dann hast du hoffentlich wieder Pancakes, schließlich musst du dein Versprechen ja einhalten, nicht wahr?" Sprach's und verschwand blitzschnell mit einem "Ich warte auf Natsuki im Auto!" aus der Wohnung.
Chiaki sah ihm mit zusammengekniffenen Augen hinterher. "Vergisst der eigentlich nie was?", knurrte er.
Marron stellte zwei Tassen Kaffee auf den Tisch und setzte sich neben ihren Mann. "Ganz offensichtlich nicht", antwortete sie und rief noch einmal nach Natsuki, die diesmal auch sofort aus ihrem Zimmer herauskam und sich beschwerte, dass sie zu spät kommen würde und das nur wegen "diesem Vollidioten".
"Shinji wartet unten im Auto auf dich, er bringt dich heute zur Schule", beruhigte ihre Mutter sie und zeigte auf das Lunchpaket, das sie ihr zusammengestellt hatte.
Natsuki kullerten fast die Augen aus dem Kopf. "Soll das ein Witz sein?", fragte sie langsam, doch als niemand lachte, schüttelte sie nur sprachlos den Kopf, schnappte sich ihr Lunchpaket und verließ das Haus. Irgendwie nahm sie hier keiner wirklich ernst, oder bildete sie sich das etwa bloß ein?
