Disclaimer: Die Charaktere dieser Fanfic, bis auf die von mir erfundenen, gehören nicht mir, sondern J.K. Rowling. Es sollen hier auch keine Rechte irgendwelcher Art verletzt werden und außerdem will ich kein Geld damit verdienen.
Autornote: Die Story basiert auf den Inhalt der bisher erschienenen 6 Bände und spielt direkt nach Band 6.
Dies ist eine zweiteilige Kurzgeschichte, die sich mit dem Thema Erinnerungen befasst; genauer gesagt um die Erinnerungen an Albus Dumbledore.
Kategorie: Puhh, ist sehr schwierig einzugrenzen, ich würde mal sagen, diese kleine FF ist eine Mixtur aus Humor und Melancholie.
Erinnerungen sterben nicht!
Teil 1
Ein schweres, wenn auch leisen Seufzen, entrann Minerva McGonagalls Brust, während sie am Fenster stand und den letzten Schülern nachblickte, die in diesem Augenblick in die Kutschen stiegen und Hogwarts verließen. Würden sie im September wieder zurückkommen? Minervas Blick wanderte unwillkürlich zu dem weißen Grabmal hinüber, das ihr von Stunde zu Stunde mehr wie ein Mahnmal erschien; ein erhobener Zeigefinger, der vor zuviel Gutgläubigkeit warnte.
„Warum Albus, warum hast du ihm so sehr vertraut? Warum? Du warst doch sonst immer derjenige, der an alles gedacht hat; der jede Möglichkeit in Betracht zog. Warum bei ihm nicht?", hauchte sie in die Stille, ehe sie sich mit einem unwilligen Kopfschütteln abwandte. Es hatte keinen Sinn, sich immer wieder die gleichen Fragen zu stellen, auf die es keine wirklich plausible Antwort zu geben schien.
„Ah Minerva, da sind Sie ja", erklang eine zittrige, alte Stimme hinter ihr und als sie sich umwandte sah sie Professor Tofty, der seinen kahlen Kopf zur Tür hereinstreckte und sie aufmunternd anlächelte.
„Sie haben mich gesucht?", fragte sie irritiert. Es war noch keine zwei Stunden her, da hatte sich der alte Zauberer von ihr verabschiedet.
„Ja, ich wollte Sie bitten, mich zu begleiten", lächelte er und blieb auffordernd in der Türöffnung stehen.
„Begleiten? Wohin?"
„Mein Freund Tiberius und ich haben beschlossen, uns mit Alberforth im Eberkopf zu treffen und ich denke, so ein kleines Butterbierchen würde auch Ihnen gut tun, Minerva."
„Vielen Dank, doch ich habe hier noch sehr viel zu tun", wehrte Minerva McGonagall mit einem Seufzen ab und wandte sich Albus'…nein…ihrem Schreibtisch zu.
„Wir ehren die Toten nicht dadurch, dass wir uns verkriechen und düsteren Gedanken nachhängen und als hätte diese Beerdigung das Ende der Welt eingeläutet", erklärte Tofty ernst und kam einen Schritt auf sie zu.
„Das tue ich auch nicht", widersprach McGonagall entschieden, während sich ihre Haltung unweigerlich straffte.
„Dann kommen Sie mit!"
„Aber…"
„Nein, kein aber! Tun Sie es in Gedenken an einen großartigen Mann und was noch wichtiger ist, an den lieben und treuen Freund, der uns für immer verlassen hat."
Minerva McGonagall wusste keinen Ort, an dem sie in diesem Augenblick weniger gern gewesen wäre, als den Eberkopf und doch lag etwas im Blick mit dem der alte Zauberer sie ansah, dem sie nicht widersprechen konnte. Mit dem Bewusstsein, dass es nicht lange dauern würde, bis sie diese Zustimmung zutiefst bereute, nickte sie zögernd.
„Gut, doch nicht lange. Es gibt wirklich noch sehr Wichtiges…."
„Ich weiß", unterbrach Tofty sie mit einem nachsichtigen Lächeln und hielt ihr galant die Tür auf.
Schweigend gingen sie durch die leeren Korridore nach unten, durchquerten die große Eingangshalle und traten durch das Portal nach draußen. Es dauerte nicht lange, bis sie die Straße nach Hogsmead erreicht hatten und wenig später vor der Tür des Eberkopf standen. Ein hölzernes Schild mit der Aufschrift Geschlossen baumelte an der Türklinke, doch Tofty ließ sich davon nicht beirren. Mit einem traurigen Lächeln stieß er die Tür auf und trat, gefolgt von Minerva McGonagall in das Innere des Gastraums. Auf Minerva wirkte er unwirtlich wie eh und je, doch sie beschloss, diese Unannehmlichkeit heute einfach in Kauf zu nehmen. Albus hatte sich nie durch, wie er es nannte, unwichtige Äußerlichkeiten davon abhalten lassen, hier seinen Bruder zu besuchen.
Obwohl draußen die Sonne schien, war es im Schankraum düster und Minervas Augen brauchten einige Zeit, bis sie sich an die spärlichen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
„Ist vielleicht besser so, dann sehe ich den Dreck nicht so genau", dachte sie missmutig, während sie Tofty zögernd folgte, der in diesem Augenblick den einzigen von Gästen besetzten Tisch ansteuerte.
Neben Aberfort saßen dort noch drei weitere hoch betagte Männer, die bei ihrem Eintreten das Gespräch unterbrochen hatten und nun neugierig in ihre Richtung blickten.
„Minerva, darf ich Ihnen meine Freunde Silas Goodman, Tiberius Ogden und Philipp Ammon vorstellen", sagte Tofty freundlich und deutete auf die weißhaarigen Männer neben Alberfort.
„Angenehm", entgegnete McGonagall steif und setzte sich, als Aberfort ihr in einer stummen Geste einen Stuhl heranzog, mit an den Tisch.
„Schön, dass Sie sich unserer kleine Runde angeschlossen haben", sagte er der alte Zauberer mit kurzem, weißem Haar, den Tofty ihr als Silas Goodman vorgestellt hatte mit schwerer Stimme.
Unsicher was sie ihm darauf erwidern sollte, nickte Minerva nur und betrachtete skeptisch das Glas vor sich, in welches Alberfort eben für sie einen Handbreit Feuerwhiskey einschenkte.
„Auf dich, Albus mein alter Freund", sagte Goodman und hob sein Glas, „der uns zum nächsten großen Abenteuer vorangegangen bist. Wir werden dich sehr vermissen!"
„Ja, das werden wir", bestätigte Ammon und leerte sein Glas in einem Zug, ehe er es mit einem wehmütigen Lächeln zurück auf den Tisch stellte. „Er war ein Unikat, wie wir wohl kein Ähnliches zu finden ist."
„Oh ja! Besonders werde ich seinen Humor und seinen charmante, geistreiche Art vermissen, mit der er uns hin und wieder unterhalten hat", bestätigte Goodman, während er mit einem wehmütigen Ausdruck im Gesicht den Rest seines Glases hinunterkippte.
„Ich werde seine verdammten Zitronenbrausebonbons vermissen, mit denen er mich immer genervt hat", meldete sich nun erstmals Alberfort brummend zu Wort. „Und doch würde ich viel darum geben, wenn er mir nur noch ein einziges Mal diese widerlich riechende Tüte unter die Nase halten könnte."
„Ohhhh, seine Zitronenbrause! Erinnert ihr euch noch daran, wie Albus Drakewood einen Beutel davon zum Geschenk machte?", lachte Amon und wischte sich ungeniert eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Natürlich, wie könnte ich das je vergessen", nickte Goodman, während auf seinem runzeligen Gesicht ein kindliches Grinsen entstand.
„Silas und Philipp waren mit Albus in der gleichen Jahrgangstufe…als Schüler in Hogwarts meine ich natürlich", erklärte Tofty und fügte, indem er sich verschwörerisch zu Minerva lehnte, leise hinzu: „Ich war damals Lehrer und ich kann Ihnen sagen, drei solche Unruhestifter haben sie in Hogwarts wohl nie erlebt."
Minerva McGonagall hatte in den vierzig Jahren in denen sie in Hogwarts unterrichtete mehr Unruhestifter kennen gelernt als ihr lieb war, doch sie verkniff sich einen diesbezüglichen Kommentar. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein Albus Dumbledore in seiner Jugend auch nur annähernd so schlimm gewesen sein konnte, wie ein Sirius Black, ein James Potter oder ein gewisses Zwillingspaar mir feuerroten Haaren….oder etwa doch?
„Lasst mich mal überlegen, wann war das…ach ja, am 1. September 1860, der Beginn unseres 6ten Schuljahres….ist das wirklich schon so lange her?", setzte Goodman grübelnd hinzu und rieb sich nachdenklich das Kinn.
„Wenn ich euch alte Knaben so ansehe, würde ich sagen, ja das ist schon sehr lange her", lächelte Tiberius Ogden, welcher, nach Minervas Schätzung, einige Jahre jünger als die beiden anderen Herren sein musste.
„Kaum zu glauben", schmunzelte Goodman versonnen, griff nach der Flasche Feuerwhisky und füllte erneut reihum die Gläser. „Es kommt mir vor, als wäre es erst gestern gewesen dass… oh wie hieß sie noch einmal…dieses Mädchen mit den wundervollen blauen Augen?"
„Vivian Crockford", half ihm Ammon auf die Sprünge.
„Ja, ja, die liebreizende Vivian", nickte Goodman verträumt. „Das Mädchen mit den aufregenden Augen, unter deren kühlen Blick die Herzen aller männlichen Gryffindors dahin schmolzen. Albus war damals ziemlich verschossen in sie."
„Wenn ich mich recht daran entsinne, dann war er da nicht der Einzige", lächelte Tofty.
„Er war der Einzige von uns, der auch nur die Spur einer Chance bei ihr hatte", behauptete Ammon und zwinkerte seinem ehemaligen Schulfreund zu. „Sind die beiden eigentlich jemals zusammen ausgegangen?"
„Wenn du gemeinsames Nachsitzen als Ausgehen bezeichnen willst, dann ja", kicherte Goodman. „Ansonsten würde ich behaupten, dass dieser Punkt in die Kategorie unerfüllter Wünsche fällt."
„Armer Albus und dabei hat er sich doch soviel Mühe gegeben ihr zu imponieren!", seufzte Ammon.
„Ja, darum auch das Geschenk an Drakewood", nickte Goodman mit einem wehmütigen Lächeln und wandte sich Minerva McGonagall zu. „Sie müssen wissen,
Professor Nathanael Drakewood, war damals Schuleiter in Hogwarts und dieser gute Mann hatte die Eigenart, seine Schüler mit einer langen, sehr lange Rede willkommen zu heißen."
„Ich habe von ihm gehört", nickte Minerva zögernd. „Albus erwähnte ihn hin und wieder."
„Nun ja, Drakewood hat bei uns allen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und vermutlich ist auch er der Grund, warum Albus das Amt des Schulleiters in Hogwarts anstrebte."
„Das ist mir neu", sagte Minerva und blickte nun neugierig geworden in die Runde. „Demnach war also Drakewood so etwas wie ein Gönner oder großes Vorbild für Albus?"
Ein dröhnendes Gelächter erschütterte den Gastraum des Eberkopfes. Die vier Männer lachten, bis ihnen die Tränen in die Augen traten und Goodman nach einiger Zeit mühsam nach Luft schnappte und den Kopf schüttelte.
„Ich wusste gar nicht, dass Sie soviel Humor und Witz besitzen, meine liebe Minerva", kicherte Tofty, während er gleichzeitig wieder nach Fassung rang.
„Das war keinesfalls als Witz gedacht", erklärte Minerva trocken, der langsam dämmerte, was es mit Albus Beziehung zu Drakewood auf sich haben könnte.
„Ohne Übertreibung, Nathanael Drakewood war sicherlich der letzte Mensch dem Albus nachstrebte und für Drakewood gab es seinerseits wohl kaum einen Schüler, den er persönlich so sehr verabscheute wie unseren genialen Freund Albus."
Minerva McGonagall ließ ein gedehntes „ahhhh" vernehmen. Doch ehe sie eine weitere Frage stellen konnte, hatte Ammon erneut die Gläser gefüllt und das Seinige erhoben.
„Albus, wir trinken auf dich und deine genialen Ideen, die uns so manche triste Unterrichtsstunde versüßt haben!"
„Auf dich, Albus!" stimmten die anderen mit ein.
„Eines versteh ich jetzt aber nicht", nuschelte Aberfort, nachdem er sein Glas geleert hatte und es nun unschlüssig zwischen den Fingern drehte. „Wenn Albus seinen Schuleiter nicht mochte, warum hat er ihm dann sein Lieblingsbonbons geschenkt?"
„Ja, die Geschichte mit den Zitronenbrausebonbons", strahlte Goodman, der offensichtlich auf die Gelegenheit gewartet hatte, jene für ihn so denkwürdige Geschichte zu erzählen. „Es begann alles damit, dass Phillip unserer entzückenden Vivian geholfen hatte, ihren schweren Schulkoffer im Hogwartsexpress zu verstauen und sie ihm, liebreizend wie sie nun mal war, aus Dankbarkeit eine Tüte Zitronenbrausebonbons geschenkt hatte. Sie war eine Muggelgeborene müsst ihr wissen. Philipp fand dieses Muggelsüßigkeit ausgesprochen scheußlich und das war wohl auch der Grund, warum diese Zitronenbrausebonbons die lange Anreise überlebt hatten.
Nun müsst ihr euch vorstellen, dass wir und unser Freund Albus schon den ganzen Tag unterwegs waren und dementsprechend ausgehungert in Hogwarts ankamen. Der Sprechende Hut hatte bereits sein Lied vorgetragen, die Erstklässer waren auf ihre Häuser verteilt und alles wartete nun nur noch darauf, dass sich die Schüsseln vor unserer Nase mit köstlichen Speisen füllen würden. Alle warteten, doch unser geschätzter Schulleiter Drakewood dachte, dass die Aufmerksamkeit seiner Schüler mit leeren Bäuchen wohl am größten wäre und hielt uns wie jedes Jahr eine ellenlange Rede über Pflichtbewusstsein, Ernsthaftigkeit, Güte und was ihm besonders am Herzen lag, die moralische Grundeinstellung seiner Schüler. Er erinnerte jedes Jahr daran, wie dankbar wir doch sein müssten, unsere Ausbildung im wundervollen Hogwarts absolvieren zu dürfen und dass die Gewissenhaftigkeit mit der wir uns dem Studium widmeten, jede Form von rebellischem Gedankengut ausschloss. So sehr ich es auch liebte in Hogwarts zu sein, haben wir doch jedes Mal zum Schuljahrsbeginn gelitten. Es kam wirklich nahe an seelischer Grausamkeit heran, uns immer wieder diese Litanei abgedroschener Phrasen zuzumuten, von den körperlichen Qualen, die unsere knurrenden Mägen verursachten ganz zu schweigen.
Ich sehe und höre heute noch Philipp, wie er den guten Drakewood mit finsteren Blicken zu erdolchen sucht und dabei vor sich hinbrummt: „Ich möchte nur einmal, nur ein einziges Mal erleben, dass er sich kurz fasst!""
„Und ich höre dich heute noch stöhnen: „Ein frommer Wunsch, doch ich bezweifle, dass einer von uns das je erleben wird", lachte Philipp Ammon, während sich ein verklärter Ausdruck auf seinem Gesicht breit machte.
Goodman nickte grinsend und Minerva konnte sich einer gewissen Faszination nicht erwehren, dass diese alten Männer sich so genau an Worte erinnern konnten, die sie vor über hundert Jahren gesprochen hatten und so lauschte sie gebannt Goodmans weiterer Erzählung, während sich in ihrem Geist das Bild des jungen Albus Dumbledore bildete, der mit seinen Mitschülern in der Großen Halle saß….
Albus Magen knurrte an jenem Abend so laut, dass es nicht nur am Tisch der Gryffindors zu hören war, sondern auch einige Hufflepuffs herübersahen.
„Ich habe Hunger!", verteidige sich Albus und zuckte mit einem entschuldigen Grinsen die Schultern.
„Wir sind erst bei Drakewoods Ermahnung zur ständigen Gewissenhaftigkeit und dem erforderlichen Pflichtbewusstsein…es wird also noch etwas dauern," knurrte Phillip und kramte in den Taschen seiner Robe, „aber warte mal, ich hab hier doch noch….ahhh ja, da sind sie."
Philipp hatte eine knallbunte, zerknautschte Tüte aus seiner Tasche gezogen und schob sie Albus hinüber, der sie neugierig betrachtete.
„Was ist das?"
„Eine Muggelsüßigkeit, nennt sich Zitronenbrausebonbons; sind aber ein bisschen sauer", grinste Philipp. „Sie werden deinen unersättlichen Appetit wohl kaum stillen können, doch…
Philipp konnte seinen Satz nicht beenden, denn Albus hatte sich gerade einen Bonbon in den Mund geschoben und stieß nun ein lautes und begeistertes „Genial!" aus.
„Psssst, er guckt schon", zischte Vivian, die zur Albus Linken saß und wohl als einzige Drakewoods Rede zuhörte.
„Na und?", grinste Albus und zwinkerte ihr charmant zu, was ihm allerdings nur ein genervtes Augenrollen einbrachte.
„Vielleicht sollte wir Drakewood einen Bonbon anbieten, könnte ja sein, dass er dann eher den Mund hält und wir endlich zum wirklich wichtigen Teil des Abends übergehen können", schlug Silas scherzhaft vor.
„Wir könnten…", begann Philipp, doch Vivian fiel ihm sofort ins Wort.
„Wagt es ja nicht schon am ersten Abend wieder mit euren Dummheiten anzufangen! Gryffindor hat wegen euch schon im letzten Schuljahr mehr als genug Hauspunkte verloren." Die Augen des Mädchens funkelten sie der Reihe nach streng an.
„Dann sollten wir uns wirklich mal von unserer besten Seite zeigen", entgegnete Albus betont ernsthaft, was ihn allerdings nicht davon abhielt, aus der vor ihm liegenden Serviette ein Schiffchen zu falten.
Philipp und Silas hatten sofort verstanden, was Albus mit dem Schiffchen vorhatte und wirkten nicht im Mindesten überrascht, als Albus es wenig später mit einigen Bonbons belud.
„Was hast du vor?", frage Vivian misstrauisch.
„Ich werde nur unserem hochgeschätztem Schulleiter ein kleines Präsent schicken", verkündete Albus fröhlich und fügte, nachdem sie offensichtlich den Sinn nicht so ganz verstanden hatte, erklärend hinzu: „Du siehst vor dir das erste mit Bonbons beladene Luftschiff. Mein Dad hat mir erzählt, dass sie im Zaubereiministerium in ähnlicher Weise kleine Nachrichten verschicken."
„Ihr könnt doch nicht…" ereiferte sich Vivian, während sich ein Ausdruck von Panik auf ihrem Gesicht breit machte, doch Albus legte ihr mit einem kecken Lächeln den Finger auf den Mund und sie verstummte sofort.
Von soviel Dreistigkeit überrumpelt starrte Vivian ihren Mitschüler verblüfft an, der in diesem Augenblick seinen Zauberstab aus der Tasche zog und das Schiffchen sacht anstupste. Es hob sich in die Luft, schwebte kurz über der Tischplatte und segelte dann lautlos Richtung Lehrertisch davon.
Jeder am Tisch der Gryffindors hielt die Luft an. Das Schiffchen schwebte unbeirrt weiter und es dauerte nicht lange, bis jeder in der großen Halle seine Augen auf die sich Drakewoods nähernde Luftfracht richtete. Jeder? Nein, nicht jeder. Drakewood selbst war so sehr in seine Ansprache vertieft, dass er weder das Schiffchen registrierte, noch das leise Räuspern seiner Lehrer, die ihm damit auf das Nahende aufmerksam machen wollten.
An den Haustischen begannen Schüler zu tuscheln und einige standen sogar auf, als sich der schwankende Bonbontransport unmittelbar vor dem Schulleiter befand, und dieser immer noch nichts bemerkte.
„Oh nein….oh nein…bitte nicht…", hauchte Vivian und hielt sich die Hände vor die Augen.
In der Halle wurde es zunehmend unruhiger, doch Drakewood reagierte nicht.
„Ich kann es nicht fassen, er bekommt wirklich nichts mit", feixte Silas mit einem breiten Grinsen.
„Beim Barte des Merlin, jemand hat unseren hoch geschätzten Schulleiter unter den Imperiusfluch gestellt!", stöhnte Phillip theatralisch.
Albus kniff die Lippen zusammen doch an diesem Punkt versagte seine Konzentration endgültig und das eh schon schwankende Schiffchen geriet ins schlingern. Keine eineinhalb Meter von Drakewood entfernt, begann es nach links zu kippen, richtete sich wieder auf, neigte sich gefährlich nach vorn, so dass ein Bonbon heraus fiel und über den Boden kullerte, richtete sich erneut auf, ruckelte, neigte sich nach rechts, schaukelte sich erneut in die Waagrechte, ehe es sich sacht auf den Lehrertisch hinab senkte. Albus hatte beabsichtigt, das Schiffchen direkt vor Drakewood abzusetzen, doch dazu kam es nicht mehr. Der Schulleiter hatte seine Ansprache beendet und hob nun seinen Kelch in die Höhe um daraus zu trinken, streifte das Flugobjekt und der gesamte Inhalt des Schiffchens purzelte in das Trinkgefäß. Vivian ließ einen gurgelnden Lauf von sich hören, der vermutlich ein Warnruf werden sollte, doch es war bereits zu spät. Drakewood setzte den Kelch an die Lippen, tat einen großen Schluck und spuckte mit hochrotem Gesicht einen der Zitronenbonbons aus, ehe er hustend und keuchend den Kelch von sich schleuderte. In seinem Gesicht spiegelte sich Ungläubigkeit, dann Entsetzen und Sekunden später verwandelte dich dieser Ausdruck in mörderischen Zorn.
„Mist, so war das nicht gedacht!", brummte Albus und beeilte sich seinen Zauberstab in der Tasche seiner Robe verschwinden zu lassen, doch es war zu spät….das Unheil brach bereits über ihn herein….
„Oh, es war einfach köstlich!"
Ogden, Tofty und Ammon brachen in schallendes Gelächter aus und auch Minerva konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren. Oh ja, auch sie konnte sich das Gesicht vorstellen, wenngleich ihr bewusst war, dass dieser Scherz sicherlich unangenehme Konsequenzen für seine Betreiber nach sich gezogen hatte.
„Ich weiß bis heute noch nicht wie, doch Drakewood hat sofort erkannt, wer für die saure Fracht verantwortlich war und schoss wie ein wütender Hippogreif auf uns zu", berichtete Silas Augenrollend.
„Oh ja, das war wirklich mehr als dumm gelaufen", stöhnte Ammon und verzog das Gesicht. „Und während alle anderen Essen serviert bekamen, ließ uns Drakewood eineinhalb Stunden in seinem Büro warten, ehe er uns eine saftige Strafarbeit und einen langen Vortrag auftischte."
„Doch du musst zugeben, es war den Spaß wert", kicherte Phillip.
„Ja, vor allem wenn man bedenkt, dass es unsere liebreizende Vivian war, die uns an jenem Abend vor dem drohenden Hungertod gerettet hat", nickte Ammon mit glasigen Augen und einem verklärten Lächeln. „Dieses Mädchen war wirklich unglaublich. Nachdem Drakewood uns persönlich zum Eingang des Gemeinschaftsraum begleitet hatte und die Porträts ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, uns auf keinen Fall vor dem Frühstück aus dem Turm zu lassen, standen unsere Chancen doch noch etwas zum Abendessen zu bekommen, bei gleich null."
„Und das hatte unsere Vivian, clever wie sie war, natürlich vorhergesehen", ergänzte Silas.
„Ja, allerdings! Kaum dass wir den Gemeinschaftsraum betreten hatten, kam sie auf uns zu. Sie musterte uns der Reihe nach mit dem nur ihr eigenen strengen Vertrauensschülerblick, doch statt der befürchteten Strafpredigt schüttelte sie nur den Kopf und deutete auf den Tisch unter dem Fenster."
„Wir glaubten unseren Augen nicht zu trauen", erzählte Phillip. „Dort stand ein richtiges kleines Büffet, mit Suppe, Brot, Pasteten, Hühnerbeinen, Gemüse und einer ganzen Schüssel vom köstlichsten Schokoladenpudding. Doch noch ehe wir uns bei ihr bedanken konnten fuhr sie uns ärgerlich an: „Haltet die Klappe und esst, für heute habt ihr schon genug dummes Zeug von euch gegeben!"
„Sie war einfach ein Goldstück!", schwärmte Silas, während sein Blick verträumt ins Leere ging.
„Sie war etwas Besonderes, genau wie Albus und ich hätte ihm von ganzen Herzen dieses Mädchen gegönnt", nickte Ammon mit einem wehmütigen Lächeln. „Erinnert ihr euch noch, mit was er sich bei ihr bedankt hat?"
„Natürlich!", bestätigten die anderen beiden und Silas fügte, als er Minervas fragenden Blick auffing, lächelnd hinzu: „Mit Blumen…oder besser gesagt mit einem Meer von Blumen. Ich weiß nicht wie lange Albus daran gearbeitet hatte, doch als wir am nächsten Morgen aufstanden, erkannten wir unseren Gemeinschaftsraum nicht wieder. Der Fußboden, die Tische und Wände waren übersäht mit einer Unzahl an bunten Blumen und über das Porträtloch hatte Albus mit roten Rosen den Schriftzug „Tausend Dank, liebe Vivian" angebracht."
„Als wir die Treppe von unserem Schlafsaal herunterkamen, stand unsere liebste Vivian mit offenem Mund davor", ergänzte Philipp die Erzählung. „Ich denke, spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste sie um Albus Gefühle, denn als sie uns beide erblickte lief sie rot an und flüchtete aus dem Gemeinschaftsraum."
„Ja, allerdings rechnete sie nicht damit, dass Albus seine Dankbarkeitsbekundung nicht allein auf den Gemeinschaftsraum der Gryffindors beschränkt hatte. Der komplette Weg vom Turm hinunter bis in die große Halle, war mit bunten Blumen aller Art dekoriert", kicherte Tofty. „Eine erstaunlich Leistung für einen Jungen der gerade die fünfte Jahrgangstufe abgeschlossen hatte. Albus hatte sogar im Zentrum der Eingangshalle einen kleinen Teich mit Seerosen geschaffen."
„Allerdings", nickte Minerva beeindruckt, während vor ihren geistigen Augen unwillkürlich die Bilder eines herbei gezauberten Sumpfes in den Gängen des Nordflügels auftauchten.
„Tja, allerdings bescherte dies Albus die nächste Strafarbeit", seufzte Silas und wandte sich direkt an Minerva. „Sie müssen wissen, dass Drakewood von Albus Höchstleitung in Zauberkunst und Verwandlung alles andere als angetan war. Wir hatten die große Halle noch nicht betreten, da hörten wir ihn bereits brüllen."
„Für einen kurzen Moment dachten wir wirklich, Drakewood würde komplett überschnappen. Bis dahin konnte ich mir nicht vorstellen, wie markerschütternd eine menschliche Stimme wirklich sein konnte."
„Verglichen damit war jeder Heuler ein liebliches Vogelgezwitscher!", brummte Ammon. „Und Albus saß zum zweiten mal im Büro des Schuleiters."
„Oh ja ich erinnere mich!" Tofty lächelte in sein Glas, als würde er in dessen rotbraunem Inhalt noch einmal jene Szene vor sich sehen.
Fortsetzung folgt…
Autornote 2: Und natürlich habe ich nichts dagegen, wenn ihr mir schreibt, wie euch dieser erste Teil gefallen hat. ;-)
Liebe Grüße von euerem Sternchen
