Die Stichworte sind verschiedensten Projekten entnommen, darunter das bekannte 120er: lythaa DOT livejournal DOT com/86434 DOT html


Zwielichtwege (In between worlds)

Beleg wusste, dass er starb. Er wusste es in dem Moment, als Anglachel ihn traf. Es war nur noch eine Frage von Momenten, bis er seinen letzten Atemzug tun würde. Und doch kämpfte er noch wider Willen, kämpfte um jeden noch so schwachen Atemzug. Er war nicht willens zu sterben, nicht jetzt und nicht so, so ausweglos seine Situation auch war.

Schon jetzt spürte er, wie seine Glieder taub wurden, seine Gedanken träge und schläfrig. Sein Herz schlug nur noch schwach und unregelmäßig, das Atmen fiel ihm schwer. Noch litt er fürchterliche Schmerzen, doch bald schon klangen sie ab, je weiter die Taubheit von seinem Körper Besitz ergriff.

Da wusste er, dass er den Kampf verloren hatte. Beleg Cúthalion war dem Tode geweiht, erschlagen von der Hand seines eigenen Freundes Túrin. Húrins Sohn war wahrlich vom Schicksal getrieben. Beleg empfand keinen Zorn deswegen, nur tiefgehenden Frieden. Denn wer konnte sich schon gegen sein eigenes Schicksal stemmen? Wer war mächtiger als die Fäden der Geschicke aller, die Vaire in ihre Teppiche knüpfte? Belegs Schicksal war schon vor langer Zeit mit dem Túrins verknüpft worden, und somit war sein Ende schon lange vorher besiegelt worden.

Vielleicht war es einfacher so, überlegte er. Wenn er einfach losließ und sich in die ewige Dunkelheit nach dem Leben fallen ließ. Wenn er nach Mandos ging und sich nicht weiter dagegen sperrte.

Die Nacht war dunkel, ein Sturm rollte heran, die Bäume krachten. Blitze zuckten am Himmel und beleuchteten die ohnehin schaurige Szenerie in einem noch unheimlicheren Licht. Der sterbende Elb lag in seinem eigenen Blut am Waldboden von Taur-nu-Fuin, der Wind wehte totes Laub und kleine Äste über ihn, als wolle er ihn schon jetzt begraben.

Schreie lagen in der Luft, die Klageschreie tausender leidender Seelen, schien es Beleg. Bald schon würde sich der Langbogen Doriaths in diesen schaurigen Klagechor einreihen, die Zeit war gekommen.

Nach der Taubheit folgte die Kälte, eine Kälte jenseits der Welt. Sie ließ ihn erstarren und nahm ihm den letzten Atem. Ein verzweifeltes Aufbäumen seines Körpers versuchte die letzte Wärme des Lebens zu erhaschen, das ihm unaufhaltsam wie Sand durch die Finger rann.

Da wurde er gewahr, dass er nicht mehr allein war. Jemand beobachtete ihn in seinem Todeskampf – oder etwas. Beleg versuchte den Kopf zu bewegen, doch es gelang ihm nicht. Er würgte, denn Blut war ihm bei diesem Versuch in die Kehle geronnen.

Kalte Finger strichen ihm über sein geschundenes Gesicht, die Finger des Todes. Goldene Augen blitzen in der Nacht über ihm auf, ein bleiches Gesicht beugte sich über ihn. Die Fürstin des Todes. Ihr langes, schwarzes Haar fiel wallend auf ihn herab.

»Shh, shh«, raunte sie ihm ins Ohr.

Er wollte fragen, wer sie war, doch kein Laut kam ihm über die Lippen.

»Dein Leben bin ich«, raunte sie, als habe sie seine Gedanken gelesen. »Du stirbst, mein Schöner. Welch Verschwendung es doch ist, was für ein Verlust für diese Welt, wenn du von ihr gehst. Willst du sterben?«

Er versuchte den Kopf zu schütteln. Nein, er wollte nicht sterben, nicht so. Es gab noch zu viel, was er tun musste.

»Nur ein Kuss«, flüsterte sie. »Mehr ist nicht notwendig, nur ein kleiner Kuss von mir und du wirst für immer auf dieser Erde wandeln. Das Zwielicht, die ewige Nacht wird dein sein und dein allein.«

Sollte es so einfach sein? Sollte er so leicht dem Tod von der Schippe springen können? Doch das Angebot war zu verlockend. Er konnte nicht sterben, nicht so jedenfalls, er quälte sich nur unnötig. Dies war seine Stunde, seine Möglichkeit ein zweites Leben zu beginnen.

Nur ein Kuss. So leicht …

Sie beugte sich zu ihm herab. Ihre eisig kalten Lippen berührten die empfindliche Haut seines Halses. Ein Kuss nur und er würde neu geboren werden.

Scharfe Zähne eines Raubtieres gruben sich tief in das Fleisch, tranken gierig sein Blut und gaben ihm doch gleichzeitig neue Kräfte. Er keuchte und wehrte sich gegen den Biss, doch nur schwach. Dann war alles vorüber und Beleg wurde neu geboren.