Diesen etwas längeren One-Shot habe ich für eine Halloween-Challenge geschrieben. Wurde rechtzeitig fertig, und habe mit dieser Geschichte den zweiten Platz belegt
Vorgaben:
Länge: One-Shot: mindestens 5 Seiten, höchstens
38 Seiten
Mehrteiler: höchstens 5 Chaps à mindestens 5
Seiten
Rating: bis P-16-Slash
Genre: alle
Warning: Kein Mpreg, die FF darf nur in England/ Schottland spielen, Gewalt und Rape dürfen nur angedeutet werden, Master and Slave ist verboten
Stichwörter: Halloween, Kürbis, Quietscheente, Schimmelkuchen, Glubschauge, Orden des gegrillten Truthahnes, jemand soll eine rosa Ritterrüstung tragen, Haarfärbemittel, Kuschelphönix, Perücke, Clown, Maske
Es sollen mindestens 7 in jeder FF vorkommen, ihr dürft euch raussuchen welche ihr nehmen wollt. Natürlich könnt ihr auch mehr als 7 verwenden.
Special Thanks: to abranka, für ihr Blitzbeta knuddel
Disclaimer: Die hier verwendeten Figuren des HP-Univerums gehören nicht mir, sondern JKR. Sie sind nur ausgeliehen und ich verdiene damit kein Geld. Hingegen gehören mir sämtliche zusätzlich von mir erfundenen Charaktere sowie die Plotidee.
Der Orden des gegrillten Truthahns
Magnus
Peyote, Direktor von Hogwarts, der Schule für Hexerei und
Zauberei, saß in seinem Büro und studierte die Berichte
über die neue erste Klasse. Es war Anfang Oktober, der erste
Monat des neuen Schuljahrs somit vorbei, und so langsam würden
die Neuzugänge ihr Potenzial zeigen. Aus diesem Grund hatte er
es sich angewöhnt im ersten Quartal regelmäßig
Berichte von seinen Kollegen über die Schüler einzuholen.
Wie es aussah gab es in diesem Jahr nichts Außergewöhnliches.
Die übliche Mischung eben – wissbegierige Ravenclaws,
gutmütige Huffelpuffs, abenteuerlustige Gryffindors und ein
wenig hinterlistige, aber kluge Slytherins. Auch die Kabbeleien
zwischen den Gryffindors und Slytherins schienen sich im üblichen
Rahmen zu halten. Bislang war nichts dabei gewesen, was sich nicht
mit ein paar abgezogenen Hauspunkten und Strafarbeiten hatte wieder
regeln lassen. Alles sah also nach einem ruhigen Schuljahr aus.
Entspannt lehnte sich Professor Peyote in seinem Sessel zurück
und lauschte dem Wind, der um die nächtlichen Mauern des
Schlosses heulte.
Was der Direktor nicht wusste, war, dass
genau zu dem Zeitpunkt, da er zufrieden die Berichte aus der Hand
legte, eine Konspiration erster Güte in eben jener ersten Klasse
im Gange war. Genauer gesagt bei den Gryffindors.
Im Schlafsaal
der Jungen saßen Timothy, Alnath, Ivar und Albus auf ihren
Betten und versuchten so gut es ging ihre Hausaufgaben zu machen.
„Mist!", fluchte Ivar, als er wiederholt mit der Feder Tinte
auf das Bettzeug gekleckst hatte.
„Sei leise", zischte
Alnath, dessen Bett der Tür am nächsten stand. „Oder
willst du, dass Ulric raufkommt? Wir haben eh nur noch zehn Minuten
bis zum nächsten Kontrollgang."
„Der nimmt sich aber
auch gar zu wichtig in seiner Rolle als Vertrauensschüler."
Womit Timothy wieder einmal bei seinem Lieblingsthema angekommen war
– über seinen Cousin Ulric zu mosern. „Überhaupt,
keiner hier nimmt uns ernst. Seht uns doch bloß an. Wie
erbärmliche Hauselfen müssen wir vor den Älteren
kuschen, und nicht nur, dass wir uns im Gemeinschaftsraum nicht
hinsetzen dürfen, wo wir wollen, nein, wir dürfen uns
nirgends hinsetzen. Mit dem Erfolg, dass wir hier oben unsere
Hausaufgaben machen müssen, während sich die da unten über
uns lustig machen. Und das alles nur, um dieses Jahr zu überstehen,
damit wir nächstes Jahr in der Zweiten sind und es neue
Erstklässler gibt, die wir dann wiederum piesacken können.
Das kann doch nicht so weitergehen."
Was Timothy sagte, war
zwar nichts Neues, mehr oder weniger das Gleiche sagte er jeden
Abend, doch an diesem Abend erhielt er überraschend
Unterstützung.
„Du hast Recht, Tim. Wir sollten etwas auf
die Beine stellen, und zwar etwas so Umwerfendes, dass uns alle,
sogar die aus der Siebten, dafür Respekt zollen", ließ
sich Albus Dumbledore mit einem vergnügten Funkeln in den Augen
von seinem Bett her vernehmen. Er war als einziger schon mit seinen
Hausaufgaben fertig und las jetzt in einem Buch von Gulliver Pokeby,
seinem großen Vorbild. Im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden
wusste Albus nämlich schon genau, was er später mal von
Beruf machen wollte – magische Tiere und vor allem Vögel
erforschen. Sein größter Wunsch war daher ein eigener
Phönix, doch näher als bis zu dem rotgelben Kuschelphönix
auf seinem Bett war er der Erfüllung dieses Wunsches leider noch
nicht gekommen. Zu dumm aber auch, dass sie Pflege magischer
Geschöpfe erst ab dem dritten Jahr belegen konnten.
„Ach
ja?" Verblüfft sah Timothy seinen Klassenkameraden an. „Ja,
genau, du hast Recht, Albus. Genau das sollten wir machen."
„Ich
unterbreche euch ja nur ungern in euren Tagträumereien", ließ
sich Alnath vernehmen, „aber was genau wollt ihr anstellen, um euch
Respekt zu verschaffen?"
„Ja genau, was wollt ihr kleinen
Ratten anstellen, um euch Respekt zu verschaffen?", fragte da eine
süffisante Stimme von der Tür her.
„Nichts,
selbstverständlich, Cousin Ulric", beeilte sich Timothy dem in
der Tür stehenden Vertrauensschüler zu antworten. „Wie
könnten wir unwürdigen Erstklässler auch so anmaßend
sein, von dir Respekt zu fordern." Dann wandte er sich ganz schnell
wieder seinem Buch über Verwandlungen zu, damit sein
wichtigtuerischer Vetter nicht sah, wie er bei den letzten Worten die
Augen verdrehte und Mühe hatte die Unaufrichtigkeit seiner Worte
nicht durch eine entsprechende Mimik zu verraten.
„Ganz genau,
ihr kleinen Rotzbengel. Merkt euch das! Und jetzt arbeitet weiter.
Aber leise, wenn ich bitten darf." Damit schloss Ulric die Tür
zum Jungenschlafsaal der ersten Klasse und ging wieder hinunter in
den Gemeinschaftsraum.
„Also ehrlich, manchmal frage ich mich,
wieso mein lieber Cousin in Gryffindor und nicht in Slytherin
gelandet ist." Timothy warf sich auf den Rücken und blickte
frustriert hinauf in seinen Betthimmel.
„Ganz einfach",
erwiderte Ivar trocken, „weil niemand so fies ist wie Drogo Knox.
Nachdem der sprechende Hut Drogos Inneres durchleuchtet hatte, musste
jeder, der danach kam, wie ein Engel wirken." Tatsächlich war
der erwähnte Vertrauensschüler aus dem Haus der Slytherins
noch gemeiner und weitaus hinterhältiger als sein Kollege von
Gryffindor.
„Was ist nun mit deinem Plan, Albus?", fragte
Alnath, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Tür auch
wirklich geschlossen war und kein Ulric draußen lauerte. „Du
hast doch einen, oder?"
„Na ja, noch nicht ganz, aber
zumindest eine Idee. Doch zuerst müssen wir einen Ort finden, wo
wir uns in Ruhe beratschlagen können. Hier kann es uns
schließlich immer passieren, dass Ulric hereinkommt, um nach
uns zu schauen."
„Der einzige Ort, wo er in diesem Turm nicht
hin kann, ist der Schlaftrakt der Mädchen. Kein Junge kommt dort
hoch, die Treppe befördert einen immer wieder nach unten."
Diese Erfahrung hatte Ivar gleich am ersten Morgen gemacht, als er
noch vor dem Frühstück zu seiner Zwillingsschwester Imogen
gewollt hatte.
„Schade." Betrübt sah Alnath zu Ivar
hinüber. „Dabei wäre das regelrecht perfekt gewesen.
Beziehungsweise dann, wenn wir wüssten, dass Sapphire die
Mädchen nicht ähnlich drangsaliert wie Ulric uns."
„Tut
sie nicht", erwiderte Ivar verdrossen. „Sie ist mehr damit
beschäftigt sich mit ihren Freundinnen über die neusten
Klatschgeschichten aus dem Tagespropheten zu unterhalten oder
darüber, welche Umhangfarbe wohl im nächsten Sommer en
vogue ist."
„Also wäre der Mädchenschlafsaal
geradezu perfekt. Wenn da nur nicht das Problem mit der Treppe wäre",
seufzte Timothy.
„Wieso eigentlich nicht...", meinte Albus
und setzte sich auf. „Überhaupt kann es nicht schaden, wenn
die Mädchen bei unserer Aktion mitmachen. Denn es ist ja nicht
so, dass nur wir unter den Großen leiden müssen; Imogen,
Delphine und Florence werden genauso wenig mit Respekt behandelt wie
wir. Ivar, kannst du mit Maunzi ihnen eine Nachricht schicken, dass
wir heute Nacht um ein Uhr zu ihnen zur Lagebesprechung
rüberkommen?"
„Kann ich machen, Albus..." Ivar winkte
die Katze herbei, die er sich mit seiner Schwester teilte. „Aber
wie willst du die Treppe überzeugen, dich hoch zu lassen?"
„Sagt bloß, ihr habt in Zauberkunst nicht aufgepasst! Das
Zauberwort, im wahrsten Sinne des Wortes, heißt ‚Wingardium
leviosa'." Vergnügt zwinkerte er seinen drei Kameraden zu.
Pünktlich um ein Uhr schlichen sich die vier Jungen in
den Gemeinschaftsraum hinunter und zum Treppenaufgang hinüber,
der zu den Mädchenschlafsälen führte. Ein
Stoffrascheln am anderen Ende der Treppe ließ erahnen, dass
ihre Klassenkameradinnen sie bereits erwarteten.
„Ivar, seid
ihr das?", kam es da auch schon von Imogen.
„Ja, sind wir",
rief ihr Bruder hinauf.
Albus drängte sich nach vorne. „Hört
mir genau zu. Vermutlich reicht die Kraft von einem nicht aus, um mit
dem Schwebezauber einen anderen zielsicher schweben zu lassen.
Deswegen müssen wir es zu zweit machen. Am besten wäre es,
wenn sich Imogen etwa auf die Hälfte der Treppe stellt, und mit
mir gemeinsam den ersten Teil übernimmt. Wir werden zunächst
Alnath hinaufschweben lassen, er ist der kleinste und leichteste von
uns. Wenn Alnath in der Mitte angekommen ist, übernehmen
Delphine und Florence meinen Zauber und zu dritt lasst ihr Alnath
nach ganz oben schweben. Es ist besser, wenn wir den letzten
Abschnitt mit drei Zaubern sichern, denn von dort oben abrupt
hinunter befördert zu werden ist schmerzhafter als auf halber
Strecke", erklärte er.
Mit vereinten Kräften gelang
es den Erstklässlern dieses Hindernis zu überwinden. Allein
das schon bereitete ihnen ein diebisches Vergnügen, hatte es
bislang doch als unmöglich gegolten, dass Jungen in die
Mädchenschlafsäle gelangen konnten. Und ausgerechnet sie,
die stets mit Herablassung behandelten Erstklässler, hatten es
geschafft. Ein wenig außer Atem und mit kaum unterdrücktem
Kichern verschwanden die sieben in dem Schlafsaal von Imogen,
Florence und Delphine.
„Also, wie sieht euer Plan aus?",
fragte Florence, die es sich mit Delphine auf einem der Betten bequem
gemacht hatte.
Alle Blicke wandten sich Albus zu.
„Na ja,
es ist noch kein ganz ausgereifter Plan, aber schließlich will
ich ihn ja auch nicht alleine durchführen. Folglich ist noch
jede Menge Platz für eure Ideen", begann er. „Eines weiß
ich aber schon – wann das Ganze steigen soll. An Halloween! Also in
etwas weniger als einem Monat.
Wie mir mein Cousin Wulfric
erzählt hat, findet hier dann immer so eine Art Gruselfest
statt. Mit großen Jack-o-latern-Kürbissen, Fledermäusen
und so weiter. Halt das Übliche, mehr oder weniger, nur ein
wenig größer aufgezogen. Ein Fest, wo sich alle ein wenig
gruseln sollen, aber letztendlich ihren Spaß haben, viel Essen
und einfach ausgelassen feiern sollen.
Meine Idee wäre nun,
dass wir diesem Halloween unseren ganz eigenen Stempel aufdrücken.
Und zwar, indem wir unsere lieben Mitschüler dazu bringen, sich
mal richtig zu gruseln. Und damit meine ich jetzt nicht solche
Lappalien, wie dass wir die Fledermäuse dressieren, damit sie
sich auf ganz bestimmte Schüler stürzen und deren Haare
nicht mehr loslassen. Das wäre zu kindisch. Nein – ich rede
von richtigem Gruseln und richtigem Ekeln." Gespannt, wie seine
Kameraden seine Idee aufnehmen würden, sah Albus in die Runde.
Auf Timothys Gesicht war eine leichte Enttäuschung zu lesen,
die aber weniger auf die Grundidee zu zurück zu führen war,
sondern daher rührte, dass er sich im Geiste schon einen Schwarm
Fledermäuse auf Drogo und Ulric hatte loslassen sehen. Aber nun
ja, bestimmt würde Albus dafür sorgen, dass auch so Ulric
dieses Halloween ganz gewiss nicht so schnell vergessen würde.
Bestimmt! Sein Gesicht hellte sich wieder auf.
Auch die anderen
waren Feuer und Flamme.
„Sehr schön. Aber ihr wisst, dass
das eine Menge Arbeit bedeutet. Denn die Zeit, die wir in der
Bibliothek für die Erledigung unserer Hausaufgaben zur Verfügung
haben, wird vermutlich ausschließlich für diese Aktion
drauf gehen. Was wiederum mehr Hausaufgaben in den Schlafsälen
bedeutet", warnte Albus. „Und natürlich müssen wir
dabei äußerst vorsichtig sein, damit uns keiner von den
Älteren auf die Schliche kommt."
Die anderen nickten
zustimmend. Das würde zwar eine ziemliche Plackerei werden, aber
wenn alles so lief, wie sie es sich vorstellten, war es das allemal
wert.
„Gut, dann lasst uns gleich morgen beginnen. Am besten,
jeder von uns überlegt sich bis dahin vielleicht das ein oder
andere, was wir machen könnten, und wenn es auch nur die Idee
ist. Ob wir sie letztendlich umsetzen können, werden wir noch
früh genug herausfinden", schlug Ivar nun vor. „Jetzt aber
sollten wir zusehen, dass wir in unsere Betten zurückkommen,
nicht dass die Hauselfen hier zum Putzen auftauchen und Ulric melden,
dass wir nicht in unserem Schlafsaal sind." Er stand vom Bett
seiner Schwester auf und ging Richtung Tür.
„Halt!",
rief da Delphine. „Das Wichtigste hätten wir beinahe
vergessen."
Gespannt sahen die anderen das Mädchen an.
„Keine geheime Verschwörung ohne geheimen Bund. Wir
sollten dem Ganzen einen Namen geben, eine geheime Gesellschaft
gründen. Etwas, das uns ganz alleine gehört."
Delphine
hatte recht. Denn ihre Identifikation als Erstklässler mussten
sie sich mit ihren Klassenkameraden aus den drei anderen Häusern
teilen, und die Zugehörigkeit zu Gryffindor mit gleich sechs
weiteren Jahrgängen.
„Wie wäre es mit ‚Babayagas
Grauen'", schlug Imogen vor, die eine Vorliebe für diese
russische Märchenhexe hatte.
„Ich weiß was
Besseres", wischte Timothy ihren Vorschlag triumphierend zur Seite.
„Wir nennen uns ‚Orden des gegrillten Truthahns'! Denn vor
lauter Ekel werden wir bestimmt die einzigen sein, die den gegrillten
Truthahn richtig zu würdigen wissen."
Diese Begründung
rief ein allgemeines, breites Grinsen hervor, und so blieb es bei
Tims Namen.
„Hey, wie wäre es hiermit?" Timothy
zeigte auf eine Seite in dem Buch über Verteidigung gegen die
dunklen Künste, in dem er blätterte. Der Orden des
gegrillten Truthahns hatte sich mal wieder in der Bibliothek
getroffen.
„Sieht echt ekelhaft aus." Angewidert verzog
Florence das Gesicht.
„Was ist das? Inferi?", fragte Ivar,
der zwar die Bildunterschrift kopfüber entziffern konnte, nicht
aber den dazugehörigen Text.
„Lebende Leichen."
„Zeig
mal her." Und Ivar zog sich das Buch hinüber. „Das ist echt
übel. Wäre zwar wirklich gruselig, allerdings steht da,
dass diese Inferi auch sehr gefährlich sind. Und wir wollen die
Schule ja nur das Gruseln lehren und nicht wirklich in Gefahr
bringen. Außerdem glaube ich nicht, dass wir über das
nötige Können verfügen, um Inferi zu erschaffen. Ha!
Hier steht es ja... ‚können nur durch schwarze Magie ins Leben
zurückgeholt werden'. Nein danke, ich verzichte. Damit hätten
wir nicht nur die Schulleitung gegen uns aufgebracht, sondern
bestimmt auch das Ministerium am Hals."
„Oh ja! Ich sehe
schon die Schlagzeilen vor mir: ‚Erstklässler als
Schwarzmagier enttarnt – Hogwarts vor der Schließung.' Das
ist kein Scherz der Welt wert." Delphine schüttelte
entschieden den Kopf.
„Nichts Illegales", bekräftigte
Albus. „Wir wollen sogar nach Möglichkeit innerhalb der
Schulregeln bleiben. Denn leider, auch wenn uns alle dafür
Respekt zollen werden, wird es auch ein paar Hauspunkte kosten, und
das sollten besser nicht zu viele sein."
„Und was ist
hiermit?" Imogen hatte in der Zaubertrankabteilung ein Buch über
die Behandlung organischer Materie gefunden.
Neugierig beugte
sich Albus zu ihr hinüber. „Ein Schimmeltrank?"
Imogen
nickte. „Und er ist mit den Zutaten aus unseren Zaubertrankkästen
herstellbar. Alles was wir zusätzlich züchten müssen,
ist etwas Obstschimmel."
Inzwischen hatte auch Albus die Seite
eingehend studiert. „Das klingt echt machbar... Und stellt euch nur
vor, wenn wir vorher alle Haustische mit diesen Trank präparieren,
das Essen erscheint, und zack, keine Minute später ist alles von
Schimmel überzogen! Schimmeltruthahn, Schimmelkartoffelpüree,
Schimmelkuchen..."
„Ekelhaft!" Hin- und hergerissen
zwischen Ekel und Bewunderung starrte Alnath das aufgeschlagene Buch
an.
„Gar nicht toll", widersprach Ivar. „Denn was sollen
wir essen, wenn alles verschimmelt ist? Soviel zu gegrilltem
Truthahn."
„Kein Problem", zwinkerte Albus ihm vergnügt
zu. „Wir besorgen uns einfach vorher etwas aus der Küche.
Meinem Cousin Wulfric zufolge, drängen einem die Hauselfen dort
das Essen förmlich auf."
„Und hat dir dein Cousin auch
verraten, wie wir in die Küche kommen?", fragte Alnath
skeptisch.
„Ja, hat er. Er hat mir außerdem versprochen,
mir jede Ferien ein neues Geheimnis über Hogwarts zu verraten."
„Hast du es gut!", seufzte Timothy. „Sag mal, können
wir die Cousins nicht tauschen? Ich hätte auch gerne mal einen
tolle Cousin, der mich mag und mich mit Tipps versorgt."
„Na
ja, es wird wohl seinen Grund haben, warum Wulfric nie
Vertrauensschüler oder Schulsprecher war", grinste Albus.
Schon als Kind hatte er zu seinem unternehmungslustigen Vetter
aufgesehen, der es durchaus faustdick hinter den Ohren hatte.
„Und
was hast du gefunden?", fragte Delphine den neben ihr sitzenden
Alnath.
„Einen Farbzauber. Aber ich habe absolut keine Idee,
wie wir den anwenden könnten", zuckte er mit den Schultern.
„Ein Farbzauber?" Florence kicherte.
„Was ist los?
Wieso kicherst du?", wollte Imogen neugierig wissen.
„Erinnerst
du dich an gestern, als wir gerade noch rechtzeitig Sapphire und
ihren Freundinnen auf der Treppe ausgewichen sind?"
Imogen
nickte und fing auch an zu kichern. Auf die leicht ungeduldigen
Blicke der anderen hin, beruhigte sie sich wieder soweit, dass sie
ihnen die Situation vom Vortag erklären konnte. „Wir sind
ihnen dann nachgeschlichen. Stellt euch vor, die haben sich eine
halbe Stunde lang darüber unterhalten, wieso Rosa so viel
kleidsamer ist als Blau, oder jede andere Farbe. ‚Also, für
einen zarten, hellen Teint gibt es keine schmeichelndere Farbe als
Rosa. Besonders Kirschblütenrosa. Das betont auf so
unaufdringliche Weise die natürliche Lebendigkeit eines
Gesichts'", ahmte Imogen die Vertrauensschülerin nach.
„‚Und auf alle Fälle ist es viel kleidsamer als dieses
Schwarz. Darin sieht man ja mehr tot als lebendig aus'",
imitierte Florence eines der Mädchen, die immer mit Sapphire
anzutreffen waren, und zupfte an ihrem Schulumhang.
„Rosa? Sagt
mal, sonst geht es denen aber noch ganz gut. Klingt fast so, als
würden die sich wünschen, unsere Schulumhänge wären
rosa", empörte sich Timothy.
„Na, dann müsste es
für sie doch wie ein wahrgewordener Traum sein, wenn plötzlich
alle Ritterrüstungen im Schloss rosa wären", erwiderte
Albus amüsiert.
„Also wirklich, ich weiß nicht, ob
das eher in die Kategorie ‚gruselig' oder doch ‚ekelig'
fällt", schauderte Ivar. „Aber eigentlich auch egal, denn
eines ist sicher: Den anderen Schülern wird es einen ziemlichen
Schock versetzen."
„Genau! Und dann können wir meinen
schockierten Cousin Ulric, wenn er uns blöd kommen will, auch
gleich in eine dieser rosa Ritterrüstungen stecken", meinte
Timothy begeistert.
Auch die anderen mussten bei dieser
Vorstellung lachen.
In diesem Moment tauchte die hagere Gestalt
von Dustin Alexander, dem Bibliothekar, auf und bereitete der
Ordenssitzung ein ziemlich abruptes Ende.
„Weiß
jeder, was er zu tun hat?", fragte Albus in die Runde.
Die
anderen nickten.
„Tim, Florence und ich provozieren in der
Eingangshalle einen Streit und lassen uns von Ulric oder Drogo
überraschen. Ulric wäre natürlich besser, weil wir bei
ihm besser wissen, wie wir ihn so manipulieren können, dass er
uns als Strafarbeit die Große Halle auskehren lässt",
sagte Ivar.
„Alnath und ich fangen mit den Ritterrüstungen
an", meinte Delphine.
„Genau, und Imogen und ich gehen in die
Küche und kümmern uns um das Essen. Aber denkt dran, wir
haben nicht viel Zeit", wies Albus noch einmal seine Mitstreiter
drauf hin.
Damit stoben die sieben auseinander.
Vor einem
Gemälde mit einer Obstschale blieben Imogen und Albus stehen.
„Und jetzt?", fragte Imogen neugierig.
„Die Birne
kitzeln... Ich frage mich zwar, wieso man ein Gemälde kitzeln
soll, aber auch egal." Albus streckte sich, um an die Birne
heranzureichen. Schon nach wenigen Sekunden fing die Frucht zu
kichern an und das Bild schwang zur Seite um die beiden Schüler
einzulassen.
In der Küche herrschte Hochbetrieb ob des
bevorstehenden Festmahls, dennoch wandten sich sofort einige
Hauselfen Albus und Imogen zu, um in Erfahrung zu bringen, wie sie
den jungen Herrschaften zu Diensten sein könnten.
„Wir
hätten gerne etwas zu essen. Zum Mitnehmen. Und zwar für
etwa 50 Personen", erklärte Albus.
„50 Personen?",
quiekten die Elfen aufgeregt.
„50 Personen?", fragte auch
Imogen irritiert.
„Ja, 50 Personen. Dafür braucht auf dem
Tisch von Gryffindor nicht ganz so viel zu sein, wie sonst."
„Aber
Albus", versuchte Imogen ihren Klassenkameraden in seinem Vorhaben
zu unterbrechen.
„Imogen", wandte er sich ihr zu und zog sie
etwas von den Elfen weg. Flüsternd erklärte er ihr: „Es
geht zwar bei diesem Streich darum, den Älteren eine Lektion zu
erteilen, aber weit mehr Respekt verdienen wir uns, wenn wir zugleich
beweisen, dass wir besser sind als sie, und so etwas wie Hausehre und
Zusammenhalt dennoch groß schreiben. Glaub mir, nach dem
heutigen Abend werden die nächsten Tage die Hölle sein.
Denn alle werden auf uns sauer sein, weil wir ihnen das Festmahl
verdorben haben. Also sollten wir dafür sorgen, dass wir
wenigstens von den anderen Gryffindors Rückendeckung bekommen.
Deshalb werden wir im Turm nicht nur ein Festessen für uns,
sondern auch für die anderen vorbereiten. Mal sehen, vielleicht
können wir sie ja sogar davon überzeugen, ob des gelungenen
Scherzes ein paar der Strafarbeiten, die uns erwarten, zu
übernehmen."
Das leuchtete Imogen ein, die sich zwar
wunderte, wieso Albus das nicht schon vorher zur Sprache gebracht
hatte, aber der Antwort, dass dann Timothy bestimmt darauf bestanden
hätte, zumindest seinen Cousin Ulric vom Festmahl
auszuschließen, und sie das nicht machen könnten, konnte
sie nur zustimmen. Gemeinsam überzeugten sie die Hauselfen ihnen
ein Festessen für 50 Leute zu überlassen.
Sorgsam
verstauten sie das Essen in zwei große Säcke. „Wie gut,
dass wir das Ganze nicht tragen müssen, sondern schweben lassen
können. Trotzdem, wird es nicht auffallen, wenn wir mit zwei
solchen Säcken durch die Gänge schleichen?", gab Imogen
zu bedenken.
„Daran hab ich schon gedacht", und Albus
zwinkerte ihr vergnügt zu. Das ganze bereitete ihm einen
Riesenspaß. Dann holte er unter seinem Umhang etwas silbrig
Glänzendes hervor. „Ein Tarnumhang", sagte er ehrfürchtig.
„Ich hab ihn von meinem Cousin Wulfric. Kam gestern mit einer Eule,
gerade rechtzeitig. Leider muss ich ihm den Umhang nach der Aktion
wieder zurückgeben."
Fasziniert sah Imogen zu, wie die
beiden Säcke unter dem Umhang verschwanden und sofort unsichtbar
wurden.
„Also dann... Wingardium leviosa!"
Imogen hatte
es Albus gleich getan und gemeinsam machten sie sich daran ihre
schwebende Beute in den Gryffindor-Turm zu bringen. Sie hatten Glück,
der Aufenthaltsraum war leer, die anderen Mitschüler waren
offenbar schon zum Festmahl in die Große Halle gegangen.
„Jetzt aber schnell!" Und sie hasteten wieder hinunter in die
Eingangshalle, wo sie auf Delphine und Alnath stießen.
„Und?"
„Wir sind so gut wie fertig", meinte Alnath grinsend. „Es
ist nur noch diese Rüstung. Und sobald wir diese mit dem
Färbezauber belegt haben, aktiviert sich auch der Zauber in den
anderen Rüstungen."
Eine der großen Rüstungen
am Eingang klapperte verdächtig.
„Was ist das?", fragte
Albus mit einer Spur Besorgnis in der Stimme.
„Drogo Knox",
erklärte Delphine kampfeslustig. „Er hat uns im südlichen
Flur im zweiten Stock beobachtet und ist uns hinterher geschlichen.
Zweifellos um herauszukriegen, was wir vorhaben, um uns dann im
richtigen Moment zu ‚erwischen'. Wäre ihm auch fast
gelungen, hätten wir nicht unerwartete Hilfe bekommen."
„Hilfe? Von wem?", fragte Imogen neugierig.
„Von
Charles Stanham, aus der Vierten. Sagte, er wäre schon gespannt,
was wir wohl vorhätten, und sicher, dass es ein großer
Spaß würde", erklärte Alnath.
„Ich kann es
kaum glauben. Sicher, Charles ist ein Scherzbold par Excellenze,
aber..." Imogen war regelrecht fassungslos ob der unerwarteten
Unterstützung.
„Stimmt... Wie dem auch sei, just in dem
Moment, als Drogo uns bei Professor Forsythe anschwärzen wollte,
kam Charles, der uns offenbar auch beobachtet hat, hinter einer Säule
hervor und hat ihn mit einem Silencio-Zauber belegt", erzählte
Delphine.
„Tja, und weil wir einen stummen Drogo ja nicht so
einfach in der Halle herumlaufen lassen konnten, haben wir ihn in
eine der Rüstungen gesteckt und Charles hat uns geholfen sie
magisch zu verschließen." Alnath grinste. „Da fällt
mir etwas ein... wäre schön, wenn wir uns bei Charles
revanchieren könnten. Habt ihr genug Essen besorgt, damit wir
ihm etwas abgeben können?", fragte er Albus und Imogen.
Albus
winkte fröhlich ab. „Haben wir, haben wir..."
„Dann
fehlen jetzt nur noch Ivar, Timothy und Florence." Ungeduldig
schaute Imogen in Richtung der Tür zur Großen Halle, ob
ihr Bruder nicht bald erscheinen würde.
Endlich tauchten die
drei fehlenden Mitglieder des Ordens des gegrillte Truthahns auf.
„Alles fertig", keuchte Ivar ein wenig atemlos. „Die Tische
sind präpariert, sogar der Lehrertisch..."
„Was?",
unterbrach Alnath fassungslos und starrte seine Freunde an. „Seid
ihr wahnsinnig? Den Lehrertisch?"
„Reg dich nicht so auf",
erwiderte Timothy mit gespielter Gelassenheit. „Es wäre zu
auffällig gewesen, wenn einzig der Lehrertisch verschont
geblieben wäre. Außerdem, was ist schon dabei? Ich bin mir
sicher, die Lehrer können sich in ihrem Quartier jederzeit etwas
zu Essen von einem der Hauselfen bringen lassen."
Das mochte
zwar zu einem gewissen Grad einleuchtend sein, dennoch sah Alnath
aus, als würde er am liebsten seinem Kameraden dafür an die
Gurgel gehen.
„Nicht!", hielt ihn Albus zurück. „Das
bringt jetzt nichts. Was geschehen ist, ist geschehen, wir können
es nicht mehr rückgängig machen. Und in einem Punkt muss
ich Timothy zustimmen, die Lehrer werden schon nicht verhungern.
Außerdem haben wir jetzt keine Zeit mehr, uns mit derlei
Streitereien aufzuhalten."
Tatsächlich konnten sie hören,
wie sich der Direktor in der Großen Halle anschickte, das
Festmahl zu eröffnen.
„Verehrte Lehrer, geschätzte
Schüler..."
„Verehrte Mitglieder...", und Albus
verbeugte sich mit einem übermütigen Funkeln in den Augen
vor seinen Klassenkameraden. „Wenn ich bitten darf..."
Delphine
und Alnath gingen hinüber zu der letzten Ritterrüstung, und
gleich darauf schillerten alle Rüstungen im herrlichsten Rosa,
das man sich denken konnte.
Derweil hatten die übrigen fünf
an der Tür zur Großen Halle Stellung bezogen. Ein synchron
ausgerufenes „Nox Fackeln!" brachte sämtliche Fackeln an den
Wänden zum Verlöschen, so dass die Halle in ein
unheimliches Dunkel getaucht wurde, in dem einzig die Glubschaugen,
die Florence und Ivar in den Kürbissen platziert hatten,
leuchteten.
Entsetztes Kreischen war aus allen Richtungen zu
hören, während die Lehrer versuchten eine Panik unter den
Schülern zu verhindern. Erst ein donnerndes „Lumos" von
Magnus Peyote brachte Licht und Ruhe in den Saal.
Kopfschüttelnd
sah der Professor zu dem Kürbis, der dem Lehrertisch am nächsten
stand, ehe er ohne weitere Worte erklärte: „Lasst das Festmahl
beginnen..."
Auch hier ließ der Schock nicht lange auf
sich warten, denn der Schimmeltrank zeigte seine ganze Wirkung.
Derweil hatten die sieben Gryffindor-Erstklässler den Tumult
genutzt, um das Weite zu suchen, nicht jedoch, ohne am Ausgang der
Großen Halle noch ein letztes Gruselwerk zu hinterlassen: Einen
Grabstein, davor eine Schicht Erde, gerade hoch genug um ein frisches
Grab darzustellen. Auf dem Stein stand zu lesen: „Hier ruht die
alte Hackordnung. Gestorben am 31. Oktober 1855." Und verbunden war
das ganze mit einem dünnen, reißfesten Faden, der dafür
sorgte, dass, wer auch immer über den Faden stolperte, eine
knöcherne Hand aus der Erde hervorschnellen ließ.
„Ich
wüsste gerne, wem wir das hier zu verdanken haben", grollte
mehr als ein Schüler missmutig, als sich die Schülerschaft
daran machte, die Große Halle zu verlassen.
Nachdem klar
geworden war, dass das Festmahl wohl Opfer eines Halloweenscherzes
geworden war, hatte Professor Peyote kurzerhand das Fest für
beendet erklärt und alle Schüler aufgefordert, sich in ihre
Häuser zu begeben. Dort würden die jeweiligen Hauslehrer
dafür sorgen, dass zumindest kein Schüler an diesem Abend
hungrig zu Bett gehen musste.
„Ich weiß es", murmelte
Ulric düster, „und glaub mir, das wird ihnen noch leid tun."
Vom Eingang der Halle her tönten erschreckte Schreie, wann
immer jemand über die Schnur am Grab stolperte. Aber auch ein
belustigtes „Ist das wirklich Drogo Knox, der da in der
Ritterrüstung steckt?" und ein „Süß! Soviel
Modebewusstsein hätte ich ihm gar nicht zugetraut..." war zu
hören.
„Wer meinst du war es?", fragte einer seiner
Freunde den Gryffindor-Vertrauensschüler.
„Ist dir nicht
aufgefallen, dass an unserem Tisch gleich sieben Schüler
fehlten? Die ganze erste Klasse..."
„Die kleinen Zauberkröten
sollen das gewesen sein?" Halb empört, aber auch halb
beeindruckt sahen seine Klassenkameraden Ulric an.
Charles
Stanham, der nicht weit entfernt war, konnte sich ein Grinsen nicht
verkneifen. Er war zwar auch ein wenig verärgert über das
verdorbene Festessen, aber was die Kleinen auf die Beine gestellt
hatten, war schon beachtlich.
Brodelnd vor kaum unterdrückter
Wut stiegen die Gryffindor-Schüler hinauf zu ihrem Turm. Doch
als sie dem Porträt der fetten Dame das Passwort nannten,
verweigerte diese ihnen den Zutritt. „Falsches Passwort", gab sie
zur Antwort.
Ein falsches Passwort? Wie konnte das sein? Die
Vertrauensschüler drängten nach vorne. „Die
Erstklässler", sagte Ulric nur grimmig. „Die kleinen Ratten
müssen das Passwort geändert haben."
„Aber wie
sollen sie das fertig gebracht haben?", fragte Sapphire.
„Keine
Ahnung. Auf jeden Fall sollte wohl jemand Professor Mage Bescheid
sagen."
„Warte noch einen Moment", rief da Ulric, der am
Rahmen des Porträts einen Notizzettel entdeckt hatte. Darauf
waren sieben merkwürdige Zeichen geschrieben. „Ich kenne diese
Zeichen. Ein Code. Eine Art Familiengeheimschrift. Ganz klar, die
Notiz stammt von meinem widerlichen kleinen Cousin Timothy."
Es
dauerte einen Moment, ehe Ulric die Nachricht entziffert hatte. Sie
bestand aus einem einzigen Wort: Respekt. Sollte das etwa das neue
Passwort sein? Zögernd probierte Ulric das Wort aus, und
anstandslos schwang das Porträt zur Seite und gab den Eingang
frei.
Der Anblick, der sich den versammelten Gryffindors bot,
verschlug ihnen förmlich die Sprache. Im hellerleuchteten
Gemeinschaftsraum standen grinsend die sieben Erstklässler, und
hinter ihnen aufgebaut, war ein Festmahl, ausreichend für den
ganzen Turm, zu sehen.
„Respekt", zischte Ulric, als er
seines Cousins gewahr wurde, doch es klang keineswegs anerkennend.
„Ich werd dir Respekt beibringen." Und er wollte sich auf Timothy
stürzen.
Doch Albus kam ihm zuvor und vertrat ihm den Weg.
„Im Gegenteil", sagte er ruhig. Gemeinsam mit Alnath und Ivar
drängte er Ulric aus dem Porträtloch hinaus und stellte
sich dann in den Eingang. Mit lauter, klarer Stimme richtete er das
Wort an seine Mitschüler. „Diese ganze Aktion heute, von den
modisch äußerst missglückten Ritterrüstungen bis
hin zu dem verschimmelten Festessen, diente dazu euch Respekt zu
lehren. Respekt uns Erstklässlern gegenüber. Wir mögen
zwar die Jüngsten in dieser Schule sein und somit vermutlich in
der natürlichen Rangordnung ganz unten stehen, aber mangelndes
Alter und noch fehlendes Wissen – eine Tatsache, für die wir
nichts können, die zu beheben wir uns aber an jedem Tag bemühen
– ist noch lange kein Grund, uns so respektlos zu behandeln, wie
ihr es in den vergangenen zwei Monaten getan habt. Alles, was wir
wollen, ist ein klein wenig Achtung. Eine kleine Nische im
Gemeinschaftsraum. Ein klein wenig Anerkennung und Zusammenhalt,
damit wir eines Tages zu Zauberern und Hexen heranreifen, auf die
diese Schule stolz sein kann, und nicht zu herrschsüchtigen,
grausamen Menschen werden, die vor höheren kriechen und die
niederen ducken. Und um zu beweisen, dass wir wissen, was die
Begriffe Zusammenhalt und Hausehre bedeuten, laden wir euch zu einem
Halloween-Festessen ein, das zu organisieren wir so frei waren."
Damit trat Albus durch das Porträtloch zurück, doch ehe er
den Durchgang ganz freigab, wandte er sich noch einmal zu den
versammelten Schülern um. „Und ach ja, um zu zeigen, dass auch
ihr etwas auf Zusammenhalt und Hausehre haltet, wäre es schön,
wenn ihr uns in den nächsten Tagen zumindest mental den Rücken
stärkt, denn ich glaube kaum, dass die anderen, die ja kein
Festessen bekommen werden, uns so schnell verzeihen." Mit einer
leichten Verbeugung ließ Albus nun endgültig die übrigen
Gryffindor-Schüler in den Gemeinschaftsraum.
Charles Stanham
war einer der ersten, der zu dem versammelten Orden des gegrillten
Truthahns hinüber ging. „Nicht schlecht! Das muss man euch
lassen. Eine tolle Aktion", sagte er anerkennend. „Also, meinen
Respekt habt ihr euch damit wirklich verdient. Und in Zukunft könnt
ihr auf meine Unterstützung bauen..." Er lachte. „Ich
wünschte, mir wäre etwas Ähnliches in meinem ersten
Jahr eingefallen. Ich glaube, es gab keinen Abend, wo ich nicht in
einem See aus Tinte auf meinem Kopfkissen eingeschlafen bin und manch
schwarzen Fleck am nächsten Morgen auf der Stirn hatte."
In
diesem Moment betrat Professor Arthur Mage, Lehrer für
Zauberkunst und Hauslehrer von Gryffindor, der das Ersatzabendessen
für seine Schüler in die Wege leiten wollte, die Szene. Als
die sieben Mitglieder des Ordens ihn sahen, sanken ihre Schultern ein
wenig nach unten und das Grinsen auf ihren Gesichtern verblasste.
„Äh", sagte Alnath zu Charles, „was die Unterstützung
betrifft – du hättest nicht zufällig Lust ein paar von
unseren Strafarbeiten zu übernehmen, die wir jetzt bestimmt
kriegen?" Er warf dem älteren Schüler einen leicht
verzweifelten Blick zu, doch ehe Charles etwas erwidern konnte, wurde
Alnath schon von Albus mit nach vorne gezogen. Die anderen fünf
Erstklässler folgten ihnen. Schließlich hatten sie
gemeinsam den Streich ausgeheckt und durchgeführt, also würden
sie jetzt auch gemeinsam dafür gerade stehen.
„Professor",
grüßte Albus seinen Hauslehrer, wobei seine Stimme nur ein
ganz klein wenig zitterte. „Falls Sie sich fragen, was das zu
bedeuten hat und wer dafür verantwortlich ist, so möchten
wir Sieben uns schuldig bekennen."
Professor Mage musterte die
sieben Schüler vor ihm mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Mitkommen!" Er wandte sich um und schritt mit wehendem Umhang
den Gang entlang. Albus, Imogen, Timothy, Florence, Alnath, Delphine
und Ivar seufzten, beeilten sich dann aber dem Lehrer hinterher zu
laufen.
„So,
meine Damen und Herren, Sie sind also für das verdorbene
Halloween-Fest verantwortlich?" Magnus Peyote musterte die sieben
Schuldigen, die vor seinem Schreibtisch aufgereiht standen.
Albus,
der den Direktor aufmerksam gemustert hatte – angefangen bei den
stacheligen, grauen Haaren, die an diesem Abend noch stacheliger
aussahen, zu den warm dreinblickenden Augen, bis hin zu der harten
Linie um den Mund, von der er nicht ganz sicher war, ob sie nicht
eher daher rührte, dass der Schulleiter versuchte ein Lächeln
zu unterdrücken –, besann sich darauf, dass eine der ersten
Tugenden von Gryffindor Mut war, und erwiderte: „Sir, für die
Streiche, den Schimmeltrank, die leuchtenden Augen, die farblich
verschandelten Rüstungen und auch für das Grab sind wir
verantwortlich. Doch ich bin nicht der Ansicht, dass dadurch das Fest
verdorben wurde. Es wurde allenfalls verändert, so dass es nicht
mehr dem üblichen Halloween-Fest entsprach."
Professor
Mage, der die sieben Schüler bislang nur streng beobachtet
hatte, war schockiert. Nie hätte er es für möglich
gehalten, dass ausgerechnet ein Erstklässler, noch dazu ein so
hervorragender Schüler wie Albus Dumbledore, es wagen würde
dem Schulleiter auf diese Art zu widersprechen.
Auch Magnus
Peyote schien verblüfft ob dieser Antwort, doch gespannt, wie
weit der Mut diesen jungen Gryffindor tragen würde, fuhr er in
seiner Befragung fort. „Nicht der Ansicht, soso... Was hatte
eigentlich die Inschrift auf dem Grabstein zu bedeuten?"
Wiederum
war es Albus, der dem Professor antwortete. „Ich bin mir sicher,
dass Ihnen als Schulleiter, kaum etwas innerhalb dieser Mauern
entgeht. Folglich dürfte es Ihnen nicht neu sein, dass die
Älteren die Jüngeren unterdrücken, und somit die
Erstklässler als Jüngste besonders darunter zu leiden
haben. Vielleicht war es schon während Ihrer eigenen Schulzeit
nicht viel anders. So wird uns, um Ihnen ein Beispiel zu nennen, von
den Ältern der Aufenthalt im Gemeinschaftsraum untersagt. Was
mich zu der Frage bringt, wie ein Raum diesen Namen
‚Gemeinschaftsraum' verdienen kann, wenn es keine Gemeinschaft
gibt? Wir", er deutete auf seine Mitschüler und sich, „haben
erkannt, dass nur wir etwas daran ändern können, da die
Älteren gewiss nicht von sich aus auf die Idee kommen, an dieser
althergebrachten Hackordnung etwas zu ändern."
„Und da
dachtet Sie sich ‚sabotieren wir das Halloween-Fest, dann wird
alles anders'?", fragte Professor Peyote mit hochgezogenen
Augenbrauen.
„Nicht sabotieren, Sir. Wir wollten Aufmerksamkeit
erlangen."
„Das ist Ihnen gelungen", unterbrach Professor
Mage, aber Albus achtete nicht auf diesen Einwurf, sondern fuhr
unbeirrt fort.
„Uns wurde klar, dass man uns unter anderem
deshalb nicht respektierte, weil man glaubte, dass wir zu nichts
Größerem fähig wären. Also galt es zu beweisen,
dass man auch Erstklässler nicht unterschätzen sollte. Und
am wirkungsvollsten ließ sich das am Halloween-Fest
demonstrieren." Entschlossen sah er den Direktor an.
„Und
glauben Sie, ihre Aktion hat ihnen den gewünschten Erfolg
eingebracht? Das von nun an alles anders wird?" Die Stimme des
Schulleiters hatte ein wenig an Schärfe gewonnen.
„Nein,
Sir, das glaube ich nicht. Ich denke nicht, dass sich von heute auf
morgen alles ändern wird. Aber ich denke, die anderen Klassen
haben am heutigen Abend gemerkt, dass man besser nicht leichtfertig
über uns hinweg sieht." In Albus Augen hatte sich eine Spur
Trotz geschlichen, aber es war ihm mit seiner Antwort bitterernst.
„Haben Sie sonst noch etwas zu ihrer Verteidigung zu sagen?"
Offenbar war der Professor bereit das Urteil zu verkünden.
Albus warf seinen Leidensgenossen noch rasch einen Blick zu, dann
schüttelte er den Kopf. „Außer vielleicht, dass wir,
zumindest im eigentlichen Sinn, keine Schulregel gebrochen haben."
Darauf schwieg Magnus Peyote für einen Moment, ehe er jeden
einzelnen der vor ihm stehenden Schüler fest ins Auge fasste.
„Also schön, meine Damen und Herren. Ich weiß nicht, ob
die Zeit für Veränderungen wirklich schon gekommen ist,
aber ich kann auf keinen Fall die von Ihnen gewählte Methode
diese Veränderungen herbeizuführen gutheißen. Darum
werden ihrem Haus, angesichts ihrer heutigen Verfehlungen am
Gemeinschaftssinn, dem eine neue Bedeutung zu geben Sie sich
aufgeschwungen haben, und der Erwartungen, die Sie heute Abend
enttäuscht haben, für jeden von Ihnen 15 Punkte abgezogen.
Des Weiteren werden Sie in den nächsten drei Wochen jeden Abend
eine Stunde nachsitzen. Sie werden Nährschlamm für die
Gewächshäuser aus dem See schaufeln, die Bücher in der
Bibliothek abstauben, die Trophäen im Pokalzimmer polieren, die
Zaubertrankvorräte archivieren, die Eulerei ausmisten, das
Quidditch-Feld von Unkraut und Laub befreien, und die Rahmen eines
jeden Bildes im Schloss, das frei zugänglich ist, reinigen. Und,
meine Damen und Herren, sollten Sie für das Weihnachtsfest
ähnliche Pläne wie für Halloween hegen, seien Sie
versichert, dass Sie dann bei weitem nicht so glimpflich davon kommen
wie heute." Mit einem letzten strengen Blick entließ der
Direktor die sieben Erstklässler.
Bedrückt
schlichen die Mitglieder des Ordens des gegrillten Truthahns zurück
in Richtung Gryffindor-Turm. 105 Hauspunkte und drei Wochen lang
Strafarbeiten...
„Kopf hoch, Leute", versuchte Albus seine
Kameraden aufzumuntern. „Wir wussten, dass wir nicht ungeschoren
davon kommen würden. Und nach der Reaktion unserer lieben
Mitschüler vorhin dürfte es das wert gewesen sein."
„Aber noch wissen wir nicht, ob wir mit unserer Aktion wirklich
den gewünschten Erfolg hatten", sagte Florence leicht
zweifelnd.
„Nun ja, einen haben wir zumindest überzeugt:
Charles Stanham." Ein leichtes Grinsen schlich sich wieder auf
Alnaths Gesicht.
„Und ich bin mir sicher, dass er nicht der
Einzige ist", erwiderte Albus überzeugt.
„Nur schade,
dass wir es meinem Cousin nicht heimzahlen konnten." Irgendwie
ärgerte sich Timothy, dass sein Vetter so ungeschoren
davonkommen sollte.
„Noch ist nicht aller Tage Abend."
Vergnügt zwinkernd zog Albus eine kleine Phiole aus seinem
Umhang. „Mit freundlichen Grüßen von Haus zu Haus."
Und er reichte Timothy das Fläschchen.
„Was ist das?",
fragte dieser neugierig.
„Ein äußerst wirksames
Haarfärbemittel. Das Rezept stand auf der Rückseite von dem
Schimmeltrank. Ich habe mir gedacht, ein schickes Slytherin-Grün
würde Ulric bestimmt gut stehen..."
Fin.
