The Vampires Student Teil II:
"Freunde und Feinde der Nacht"
Kapitel 1 : „Special needs"
Gillian saß im Fond des eleganten schwarzen Wagens und sah schweigend zum Fenster hinaus. Gavner Purl, der neben ihr saß, hatte den Anstand und das Feingefühl, sie in Frieden zu lassen.
Es war eine lange Fahrt.
Ihr Schweigen wurde begleitet durch das asthmatisch rasselnde Atmen des Vampirs neben ihr. Sie hatten die Lichter der Stadt lange hinter sich gelassen, und der Wagen glitt auf schnurgeraden Strassen durch die Dunkelheit, als Purl sich räusperte.
„Wie hat er es aufgenommen?"
Er- das war Larten Crepsley, und die Frage hätte vollständigerweise lauten müssen: Wie hat Larten Crepsley es aufgenommen, dass du, Gillian ihn verlassen hast, um deine Ausbildung bei Gavner Purl zu beenden?
„Erstaunlich gefasst." Gillian spielte wieder und wieder in Gedanken durch, was ihr Vampirmeister gesagt und getan hatte, als sie ihm vor wenigen Stunden eröffnet hatte, dass sie ihn verlassen würde. „Er hat kaum Anstalten gemacht, mich zurückzuhalten."
Es laut auszusprechen, machte es nur noch schlimmer. Es stimmte. Was hatte er getan, um sie zurückzuhalten? Es versetzte ihr einen Stich, als sie sich sein Gesicht in Erinnerung rief. So gelassen und ungerührt.
„Mach dir nichts draus, Liebes", sagte der Gavner und tätschelte ihr das Knie.
Gillian zwang sich zu einem Lächeln, und wand dann das Gesicht zum Fenster.
Der alte Vampir verstand den Wink. Er nahm seine Hand weg und beugte sich vor, um dem Fahrer eine Anweisung zu geben: „Was machen Sie denn? Warum fahren sie über die Brücke, der Weg ist viel zu schlecht, Sie werden das Auto beschädigen!"
„Aber hier entlang sparen wir mehrere Kilometer."
„Das ist mir egal. Fahren sie außen rum. Ich kann das Geholpere nicht ertragen."
„Wie sie wünschen, Sir".
Gillian registrierte kaum, dass der Wagen langsamer wurde und wendete.
Sie starrte in ihr eigenes Gesicht, das sich blass in der schwarzen Scheibe spiegelte.
Ihre großen dunklen Augen blickten ihr traurig unter schwarzen Ponyfransen entgegen.
Sie ertrug es nicht lange und sah weg.
Sie konnte sich nicht einmal mehr selbst in die Augen blicken.
Nach einer Ewigkeit, wie ihr schien, fuhr der Wagen in eine geschwungene Auffahrt und hielt neben einem Springbrunnen, der allerdings nicht im Betrieb war, vor einem herrschaftlichen Haus. Der Fahrer stieg aus und öffnete nacheinander für Gillian und dann für den Gavner die Tür.
Der alte Vampirgalan reichte ihr die Hand und schmunzelte: "Beeindruckt?"
Gillian blickte an der verschnörkelten und mit Efeu umrankten Fassade des Hauses empor. Hinter jedem der vielen hundert Fenster brannte ein Licht zu ihrer Begrüßung.
„Ja. Es ist ein wunderschönes Haus. Und so groß."
„Allerdings. Mehr Räume, als ich brauche. Du siehst, ich habe genügend Platz für eine kleine Studentin. Wollen wir?" Und er reichte ihr den Arm.
Gillian hakte sich bei ihm unter und ließ sich die vielen Stufen zum Eingangsportal hinauf führen.
Der Fahrer folgte ihnen, mit Gillians geringem Gepäck unter dem Arm. Er kramte ein enormes Schlüsselbund hervor und schloß auf.
Gillian fühlte sich wie das Aschenputtel im Märchen, als der alte Vampir sie in sein Haus führte. Sie staunte über alles, was sie sah: die große geschwungene Freitreppe, die zu einer Galerie hinauf führte, die dunklen Gemälde an den Wänden, den riesigen Kronleuchter der leise klimperte, als ein Luftzug vom Eingangsportal ihn zum Schwingen brachte, der Anblick eines angrenzenden Raumes voller antiker Möbel.
„Wenn Sie mir bitte folgen würden, Miss", sagte der Fahrer und deutete die Treppe hinauf.
Gillian ließ den Arm des Gavners los, und dieser hauchte einen Kuss auf ihre Hand, bevor er sich in einen der angrenzenden Gemächer zurückzog.
Gillian beeilte sich die Treppe hinauf und folgte dem Fahrer durch unzählige Korridore und Gänge hinein in die Eingeweide des Hauses. Als sie endlich an ihrem Zimmer ankamen, fragte sie sich bereits, wie sie je alleine zurück finden sollte. Jeder normale Mensch würde Probleme haben, sich in diesem gewaltigen Haus zurechtzufinden, und Gillian war es darüber hinaus nicht gewohnt, feste Wände um sich zu haben.
Die meiste Zeit hatten sie und Larten in einem Zelt oder einem Wohnwagen gelebt, und ihre Zeit als Mensch hatte Gillian in einer winzigen Einzimmerwohnung verbracht.
„Wenn sie noch etwas benötigen oder Fragen haben, scheuen sie sich nicht, nach mir zu läuten, Miss", sagte der Fahrer, nachdem er ihr den Koffer neben dem Bett abgestellt hatte.
Und was für ein Bett! Solche Betten kannte Gillian nur aus dem Fernsehen: es war ein Himmelbett mit vier gewaltigen Pfosten, an jeder Ecke einen, die einen Baldachin aus schwerem mitternachtsblauem Samt stützten.
Gillian brachte es gerade noch fertig ein überwältigtes „Danke" zu hauchen, bevor der Mann die Tür hinter sich zuzog und sie alleine zurückließ.
Das Zimmer war über eine Verbindungstür mit einem Salon verbunden, in dem Sessel und ein bequem aussehendes Sofa standen, und es grenzte an ein eigenes Bad.
Begeistert ließ Gillian die Wanne mit heißem Wasser vollaufen und quetschte fast eine ganze Packung Badeseife hinein. Sie schnupperte an den vielen Cremes und Seifen und Parfums, die sauber aufgereiht für sie bereit standen.
Sie schlüpfte aus ihrem abgetragenen Kleid, ließ es achtlos zu Boden gleiten, und stippte probehalber mit einem Zeh in das Badewasser.
Es war viel zu heiß, und daher für sie gerade richtig.
Langsam stieg sie in die Wanne und tauchte genüsslich in einen Berg von Seifenschaum ein.
Seufzend schloß sie im heißen Wasser die Augen.
Das war jetzt genau das, was sie gebraucht hatte.
In ihrem Leben mit Larten Crepsley hatte sie sich oft genug mit einer kalten Dusche oder einer Katzenwäsche begnügen müssen. Manchmal gab es tagelang nicht einmal das, dann wenn sie auf Friedhöfen oder in verfallenen alten Häusern untergekommen waren.
Der Cirque hatte einigermaßen Bequemlichkeit und Komfort geboten, jedoch waren die behelfsmäßig erbauten Duschen in einem Wohnwagen nichts im Vergleich HIERZU.
„Das hätte ich schon viel früher haben können", dachte Gillian und grinste zufrieden.
Dann tauchte sie mit dem Kopf unter Wasser und verschwand im Schaum.
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