Hallo :-)

An eine längere Geschichte traue ich mich nicht mehr, aber diese Kurzgeschichte nahm neulich Gestalt an, als ich eine Weile in einer abgeschiedenen Gegend unterwegs war. Der Stil wird ganz anders als bei meinen bisherigen Schreibversuchen sein und eventuell erst mal gewöhnungsbedürftig. Doch wenn ihr wollt, kann ich ein paar Kapitel daraus machen.

Die ausgeliehenen Charaktere gehören J. K. Rowling.

Viel Spaß wünscht euch Tiziana

sssssssssssssssssss

Beredtes Schweigen

Kapitel 1 – Die Besucherin

„Ihr Besuch ist da."

Einer der Mönche, dessen Gesellschaft mir in den vergangenen Jahren vertraut geworden war, stand in der Tür und lächelte. Hinter ihm erschien eine junge Frau. Nachdem ich eine zustimmende Handbewegung machte, trat sie ins Zimmer.

Ich muss gestehen, dass ich sie nicht auf den ersten Blick erkannte, nicht nach so vielen Jahren. Aber mein Erstaunen war nichts im Vergleich dazu, wie sich ihre Augen vor Schock weiteten, als sie sah, wem sie gegenüber stand.

Ihr Mund öffnete und schloss sich wieder und sie griff in die Luft, als würde sie einen Halt brauchen. Ich schob ihr einen Stuhl hin. Sie legte eine Hand auf die Rückenlehne und schien einen Augenblick der Versuchung nachgeben zu wollen, sich zu setzen. Doch schließlich richtete sie sich kerzengerade auf, um Haltung bemüht. Sie versuchte sichtlich, ihre Fassung wiederzuerlangen. Ein schwacher Versuch, denn ihre Stimme verriet ihre Verwirrung.

„Sie leben?!"

Ich zog ob dieser offensichtlichen Tatsache eine Augenbraue hoch. Es erstaunte mich jedoch, was aus diesen zwei Worten sprach: nicht nur Ungläubigkeit und Bestürzung, was angesichts der Umstände vorhersehbar gewesen war, sondern auch Erleichterung. In ihrem Gesicht arbeitete es und ich wartete auf die unvermeidliche Frage. Doch sie kam nicht.

Stattdessen fühlte ich mich perplexen und prüfenden Blicken ausgesetzt, die schließlich zu meinem Hals wanderten. Sie würde nicht sehen, was sie dort zu erblicken vermeinte, denn ich war sehr darauf bedacht, die Narben zu verbergen.

„Man sagte mir, dass es um einen anonymen Bericht über die Aktivitäten in Todesserkreisen geht, dass ein Augenzeuge diesen veröffentlichen will."

Ich nickte zustimmend.

Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich hatte ja keine Ahnung!" Sie setzte sich nun doch und wippte mit dem linken Fuß, in Erwartung einer Antwort, eines Kommentars, näherer Erklärungen.

Ich nahm gegenüber Platz und begegnete ihrem Blick ruhig.

Und plötzlich verstand sie.

sssssssssssssssssss

Ich sah das Erschrecken in ihren Augen, bevor sie es schleunigst verbarg. Gut so. Mitleid konnte ich nicht ertragen.

„Gibt es keine Heilungschancen?", fragte sie. Ihre Stimme klang belegt. Ich beantwortete ihre Frage mit einem Kopfschütteln.

„Halten Sie sich deshalb versteckt?"

Ich wiederholte die Geste.

„Warum dann?"

Ich nahm meinen Schreibblock, meinen ständigen Begleiter im Laufe der letzten zehn Jahre.

Weil ich endlich Ruhe haben möchte, Ms. Granger.

Das „endlich" unterstrich ich.

Lächelte sie etwa? Tatsächlich. Ich merkte, wie das Lächeln auf mich übergriff. Ich erlaube ihm, einen Moment zu verweilen, die Verblüffung auf ihrem Gesicht war es wert. Ihr Besuch begann mich zu amüsieren. Ich hatte selten Gäste und die Ablenkung von meiner sonstigen Zurückgezogenheit erschien mir merkwürdig belebend.

„Wie haben Sie den Biss überlebt?"

Nun war sie heraus, die Frage, mit der ich schon früher gerechnet hatte. Mit wenigen Sätzen formulierte ich meine Antwort auf dem Papier: Ich besaß ein Gegengift. Das Bildnis von Manius Dewbrattle in der Heulenden Hütte informierte Professor McGonagall in Hogwarts. Sie half mir, mich hier zurückzuziehen.

Sie las, schaute mich mit großen Augen an.

Dewbrattle war Schulleiter vor schätzungsweise 350 Jahren, ergänzte ich auf dem Papier, sie bewusst missverstehend.

Entsprechend verletzt klang ihre Antwort: „Meinen Sie, mich interessiert dieser Dewbrattle? Ich möchte wissen, wie Sie es geschafft haben, dem Gift zu trotzen. Hatten Sie mit dem Angriff gerechnet?"

Resigniert griff ich erneut zum Stift. Ich hatte vergessen, wie hartnäckig sie sein konnte.

Ich werde Ihre Fragen beantworten, aber nicht heute. Einen Teil der Antworten finden Sie auch in meinen Aufzeichnungen.

Ich nahm den Stapel, der neben mir lag und schob ihn zu ihr.

Sie blätterte kurz darin.

„Es ist sehr umfangreich. Ich könnte bleiben, bis ich die Aufzeichnungen gelesen habe und diese dann täglich mit Ihnen durchsprechen. Man bot mir bereits Übernachtung im Gästebereich des Klosters an. Was halten Sie davon?"

Ich zuckte die Schultern.

„Ansonsten kann ich das Ganze natürlich auch mit zurück nach England nehmen und wiederkommen, wenn ich es gelesen habe."

Es ist Ihre Entscheidung, schrieb ich auf den Notizblock.

„Ich bleibe", entschied sie. „Ist es Ihnen recht, wenn ich morgen Nachmittag wieder hierher komme?"

Ich schaute aus dem Fenster, wo sich der Kräuter- und Rosengarten in aller Pracht entfaltete. Früher hatte ich so etwas nie wahrgenommen, doch meine Sinne waren in den letzten Jahren geschärft worden und ich genoss den Duft, der vor allem in den Nachtstunden durch das Fenster drang.

Sie folgte meinem Blick nach draußen und erblickte die kleine Bank.

„Wollen wir uns dort treffen, wenn es nicht regnet?" Sie wirkte plötzlich begeistert.

sssssssssssssssssss

Hermione Granger wartete schon, als ich am nächsten Nachmittag aus dem Fenster sah. Sie wanderte zwischen den Rosen entlang. Ihre Haare leuchteten in der Sonne leicht rötlich, nicht so intensiv wie Lilys Haar, aber der Schimmer ähnelte diesem. Der dumpfe Schmerz, sobald ich an Lily dachte, war sofort wieder da. Würde es bis ans Ende meiner Tage so sein?

Harry Potters Gesicht zu sehen, als er meine Erinnerungen anschaute, dafür hätte ich viel gegeben. Meine Gefühle für seine Mutter, ihre Gefühle für mich, seinen meistgehassten Lehrer… Ich war derjenige gewesen, der diesen Hass bewusst entfacht und ihm immer weitere Nahrung gegeben hatte. Es war besser so.

In diesem Moment schaute sie zur Fensterfront und winkte. Ich nahm meinen Umhang und stieg die steinerne Wendeltreppe in den Garten hinab.

sssssssssssssssssss

„Guten Tag!", lächelte sie.

Ihr Lächeln war frei von dieser angestrengten Fröhlichkeit, die man so oft sah, wenn Leute ihr Gesicht in dem Glauben verzogen, freundlich zu wirken. Vor allem enthielt es keine Gönnerhaftigkeit und Herablassung. Es wärmte mich und ich merkte, wie ich mich entspannte.

Sie würde davon nichts erkennen, denn meine Spionagetätigkeit hatte mich perfektioniert, Gefühlsregungen dieser Art zu verbergen. Ich war dankbar dafür, denn Mimik und Gestik waren nach dem Verlust meiner Stimme die wichtigsten Instrumente geworden, um mir Respekt und Distanz zu verschaffen.

Ich ließ einen Sicherheitsabstand zwischen uns und appellierte an meine Selbstbeherrschung, als sie ein paar Pergamentblätter auf ihren Schoß legte und mich ein leiser Duft erreichte. Hautcreme? Der Tränkemeister in mir wurde wach und versuchte, die Zutaten zu erraten.

„Ich habe die ersten 40 Seiten gelesen", begann sie langsam und betont artikuliert, als wäre ich begriffsstutzig.

Ich merkte, wie Ärger in mir aufstieg und richtete mich auf. Ms. Granger war nicht die erste, die automatisch wie zu einem Schwerhörigen mit mir sprach, einige der Mönche hatten anfangs die gleiche Angewohnheit gehabt. Es erschien mir nicht nachvollziehbar, wieso Menschen so reagierten, obwohl ihnen auf intellektueller Ebene eindeutig bewusst sein müsste, dass mein Gehör vermutlich sogar noch um einiges besser funktionierte als ihr eigenes, weil es nicht von ständigem Nachdenken über die nächsten Worte abgelenkt wurde.

So sehr ich mir wünschte, in bestimmten Situationen noch einmal meine Stimme erheben zu können, um jemanden in seine Schranken zu weisen oder Grenzen zu ziehen, so war die Entdeckung anderer Sinne und Ausdrucksmöglichkeiten im Laufe der Zeit zu einer interessanten Erfahrung geworden.

Da ich kein Hehl aus meiner Verstimmung machte, sah sie mich aufmerksam an und schien ihren Fehler zu bemerken. Die goldenen Sprenkel in ihren Augen irritierten mich einen Moment.

„Warum haben Sie entschieden, über Ihre dunkelsten Jahre zu schreiben, Professor Snape?"

Ja, wieso? Die Ereignisse vor einem Jahrzehnt hatten mich Jahr für Jahr begleitet, bei Tag und bei Nacht, waren in der Stille des Klosters zu Gespenstern und Albträumen geworden, die mich Stück für Stück zu verzehren drohten. Irgendwann hatte ich begonnen, sie mit der Feder zu bannen und dabei festgestellt, dass ich nicht mehr aufhören konnte zu schreiben. Anfangs war ich von dem Gedanken angetrieben worden, der Nachwelt zu vermitteln, was Zauberer wie Voldemort anzurichten vermochten, aber je mehr ich schrieb, desto klarer sah ich selbst.

Ich notierte diese Überlegung für Ms. Granger. Sie schaute mich seltsam an. Vermutlich konnte sie diese Gedankengänge nicht mit dem Mann zusammenbringen, den sie in Erinnerung hatte. Und mir machte es Spaß, sie durcheinanderzubringen, stellte ich plötzlich fest.

„Das Lächeln steht Ihnen", meinte sie. „Sie sehen gut aus, Professor Snape."

Mein Gesichtsausdruck schien sie zu erheitern. „Sie wirken irgendwie abgeklärt, anders als früher."

Anders als früher?, sah ich meine Hand schreiben.

Sie lachte. „Sie waren furchterregend."

Tatsächlich?