Die große Halle von Hogwarts war wie immer zum Frühstück voll besetzt und laut. Die Prüfungswoche hatte begonnen und die Stimmung im Schloss eine Mischung aus Anspannung und Konzentration. Vor allem die fünft und Siebtklässler schienen kurz vor dem Siedepunkt und schnauzten jeden an, der in ihrer Nähe auch nur zu laut redete.

Es war mittlerweile so schlimm, dass Harry jedes weitere LG Treffen aussetzten musste, nachdem er ein Tag zuvor fünf Siebtklässler aus dem Raum der Wünsche geschmissen hatte. Die Situation war von einem Moment auf den Anderen explodiert und nur mit Mühe hatte er eine handfeste Schlägerei verhindern können. Die Schuljahresendprüfungen für die Zweitklässler waren natürlich nicht so wichtig wie die ZAGs oder UTZe, aber ohne Quidditch und die LG hatte er keine Möglichkeit ein wenig von dem Druck raus zu lassen. Und so sank seine Laune auf den Tiefpunkt, als er in die lärmende Halle kam. Am liebsten hätte er sich wieder umgedreht, aber die Möglichkeit blieb ihm verwehrt, als er Dumbledores Blick auf sich spürte.

Drei Wochen waren nach seinem letzten Nachsitzen vergangen und in dieser Zeit hatte er den Schulleiter außer im Unterricht kaum gesehen. Es schien als wäre Dumbledore mehr außerhalb des Schlosses als üblich und er fehlte zu den meisten Mahlzeiten. Harry vermisste die abendlichen Gespräche und die allgemein angespannte Stimmung tat ihr übriges hinzu. Seitdem hatte er auch nichts mehr von irgendwelchen Plänen seinen Sommer betreffend gehört und langsam begann er sich Sorgen zu machen, immerhin waren es nur noch zwei Wochen bis dahin. Harry versuchte sich immer wieder den letzten Abend in Erinnerung zu rufen und das Gefühl der Sicherheit, dass er bei dem alten Mann empfand. Aber je mehr Zeit verging, desto unruhiger wurde er.

Das schien ihm auf den Magen zu schlagen und in der letzten Woche war er entweder gar nicht zu den Mahlzeiten erschienen oder hatte nur spärlich gegessen. Scheinbar war Hermine jedoch nicht die einzige, die das auffiel. Am Freitag hatte McGonagall ihn zu sich ins Büro gerufen und erst raus gelassen, als er einen ganzen Teller voller Brote hinuntergeschlungen hatte. Seitdem saß die Hauslehrerin ihm im Nacken und immer wenn er versuchte sich vor einer Mahlzeit zu drücken, erschien sie plötzlich hinter ihm, mit ernsten Geschichtsausdruck und schmalen Lippen. Ein wenig rührte ihre Sorge ihn ja, aber größtenteils verärgerte es ihn mehr. Doch jetzt saß Dumbledore das erste Mal seit Tagen wieder am Lehrertisch und Harry spürte sofort, dass die zwei über ihn geredet haben mussten.

Also ließ er sich von Neville neben sich auf die Bank ziehen und würgte widerstandslos das zugegebenermaßen köstliche Essen hinunter.

„Ich hasse Prüfungen", murrte Ron neben ihm und stocherte ebenfalls nur in dem Auflauf herum.

„Das würdest du nicht, wenn du endlich anfangen würdest früher als drei Tage vorher dafür zu lernen", belehrte Hermine ihn und fing sich dafür einen giftigen Blick von dem Rothaarigen ein.

„Meine Noten sind überhaupt nicht das Problem", seufzte Ron und sein Blick verfinsterte sich noch mehr „Aber wen Fred und George wieder nur knapp durch kommen rastet mum bestimmt vollkommen aus und egal was ich dann habe, es wird nicht gut genug sein."

„Das ist Schwachsinn", sagte Hermine mit gerunzelter Stirn „wieso sollte sie dich für die Noten der Beiden verantwortlich machen?"

„So etwas kann nur von einem Einzelkind kommen", fauchte Ron sie an.

„Leute", ermahnte Neville sie „es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig zerfleischen!"

Harry gab ihm ihm stillen recht. Die ewigen Streitereien zwischen den Beiden gingen ihm ebenfalls auf die Nerven. Seine eigenen Noten interessierten ihn weniger. Solange er durch das Schuljahr kam, war es ihm eigentlich egal, wie er abschnitt. Zumindest hatte er nicht zu befürchten Ärger wegen schlechten Noten zu bekommen, denn die Dursleys interessierten sich nicht für so etwas. Eher im Gegenteil. In der ersten Klasse auf der Grundschule hatte er einmal zwei Wochen im Schrank verbracht, weil er es gewagt hatte bessere Noten als Dudley heim zu bringen. Vernon war der Meinung gewesen, er wolle seinen Sohn bloßstellen. Der Fehler war ihm nie wieder passiert und da Dudley froh sein konnte überhaupt auf eine normale Schule zu gehen, waren Harrys Noten dramatisch abgerutscht.

In Hogwarts musste er so etwas zwar nicht mehr fürchten, allerdings hatte ihm das nicht gerade zu einem besonderen Ehrgeiz was Schulnoten betraf verholfen. Und so hatte er letztes Jahr ein sehr mittelmäßiges Zeugnis gehabt.

„Kommt", sagte Hermine irgendwann und erhob sich. Auch sie schien jetzt leicht nervös. „Wir müssen zu Zauberkunst."

Die Prüfung bestand darin eine Obstschale zu verzaubern. Pflicht war ein Farb- und ein Größenwechsel, ansonsten konnten sie machen was sie wollten. Harrys Apfel war zwar nicht das geforderte dunkelblau, sondern viel heller, aber ansonsten hatte er keine Probleme und nach zehn Minuten war jedes Obststück verzaubert.

Zaubertränke am Nachmittag dagegen war eine Katastrophe. Es lag weniger daran, dass Harry es nicht versuchte. Aber obwohl er sich in den letzten Wochen mehr Mühe gab als sonst, wusste doch die ganze Klasse, dass er in diesem Fach einfach eine Niete war. Seit Snape sich nicht mehr wie ein Arsch verhielt, hatte Neville einen großen Sprung in Tränke gemacht und mittlerweile dümpelte Harry abgeschlagen von den Anderen als Schlechtester der Klasse durch die Stunden.

„Nun, immerhin ist nichts explodiert", versuchte Ron ihn aufzumuntern, als sie endlich Feierabend hatten. „Dein Trank war zwar nutzlos, aber dafür fand ich den Blümchenrauch echt nett."

Harry stöhnte.

„Tu mir einen gefallen, Ron und werde niemals Aufmunterungs Coach! Du bist echt schlecht darin!"

Nach dieser Prüfung und seinen miesen leistungen über das Jahr, wusste Harry das er in Zaubertränke durchgefallen war. Nicht das es ihn sonderlich störte. Es war zwar ein Hauptfach, aber solange er es mit einem anderen ausgleichen konnte, konnte er sich einen Patzer erlauben.

„Was ist denn hier los?", fragte Hermine, als sie zum Essen kamen. Das irgendetwas nicht stimmte, merkten auch die Jungen sofort. Es war stiller als sonst und überall hatten sich an den Tischen kleine Grüppchen gebildet die flüsternd mit einander disskutierten. Als Harry hereinkam, wandten sich sofort einige Köpfe in seine Richtung, die sich aber wieder wegdrehten, kaum sah er in ihre Richtung.

„Hast du irgendwas angestellt?", fragte Neville perplex, als auch viele der Gryffindors das selbe merkwürdige Verhalten zeigten.

„Nein...vielleicht bin ich zum Schüler des Monats gewählt worden?", scherzte Harry, auch wenn sein Herz ihm in den Magen rutschte. Was war nun schon wieder los?

„Habt ihr es schon gehört?", empfing sie eine aufgeregter Seamus, kaum dass sie den Gryffindortisch erreichten.

„Nein, was denn?"

Seamus schob ihnen eine kleine Extraausgabe des Tagespropheten hin. Auf dem Titelblatt war das Foto eines dunkelhaarigen Mannes zu sehen, der von mehreren Beamten des Ministeriums vorbei geschleift wurde und dabei stumm etwas in die Kamera schrie. Die Überschrift lautete:

Sirius Black – der gefürchtete Massenmörder wieder auf freiem Fuß! Spektakulärer Ausbruch aus Askaban.

Ron und Neville keuchten entsetzt neben ihm, aber weder er noch Hermine verstanden wieso.

„Wer ist Sirius Black?", fragte Hermine und zog die Zeitung näher zu sich. Ron sah sie an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.

„Nur der gefährlichste Typ, direkt nach Du-weißt-schon-wem. Er war einer seiner treusten Anhänger und saß seit zwölf Jahren in Askaban!"

„Askaban?", wiederholte Harry und jetzt wurde auch er angeguckt wie blöd.

„Wir sind bei Muggeln aufgewachsen Ron!", erinnerte er seinen besten Freund. Der neigte dazu das immer wieder zu vergessen.

„Oh stimmt", sagte der kleinlaut. Neville und er tauschten einen besorgten Blick, bevor sie Harry ansahen.

„Kann mir mal einer sagen, was hier los ist?", fauchte Harry, dem es langsam zu bunt wurde.

„Nun, Sirius Black hat nach dem Sturz von... Du-weißt-schon-wem eine ganze Straße in die Luft gesprengt und dabei über dreißig Muggel getötet. Und alles nur weil..."

„Weil was, Ron?", schaltete sich Hermine jetzt auch ungeduldig ein. Es war Neville der antwortete.

„Weil er den Aufenthaltsort von Harry Potter erfahren wollte. Er hat diese verquäre Idee, dass wenn er Harry tötet, Du-weißt-schon-wer wieder zurück kommen kann."

Hermine keuchte und sah Harry jetzt ebenso besorgt an, wie die Anderen. Dieser sah wieder auf das Bild von Black, dann ließ er den Blick durch die große Halle schweifen. Überall begegneten ihm neugierige oder ängstliche Blicke.

Sirius Black war also geflohen nur um ihn zu töten? Wahrscheinlich sollte er jetzt Angst haben, merkwürdigerweise war er jedoch vollkommen ruhig. Das einzige das er wusste. War das gerade jede Hoffnung auf einen Dursley freien Sommer dahin geschmolzen waren.

Wo war Dumbledore? Was trieb er? Und wieso zur Hölle war der Mann gerade jetzt weg?

Frustriert und ärgerlich hämmerte Harry am Mittwoch Nachmittag mit seinem Messer auf die Käferaugen ein. Gestern hatten sie sowohl ihre Prüfungen in Verwandlung, als auch in Verteidigung gehabt. Doch anstatt dem Schulleiter, lehnte Professor Snape gegen dem Pult, als sie in das Klassenzimmer kamen. Er hatte ihnen nur mitgeteilt, dass der Schulleiter verhindert war und selbst de Prüfung abgenommen. Abgesehen davon, dass Neville vor lauter Nervosität im Angesicht des Tränkemeisters ein paar Zauber versaute, die er sonst im Schlaf konnte, hatte das Harrys Laune den Rest gegeben.

Als er sich verhalten hatte wie ein Arschloch und dann deswegen wochenlang das Klassenzimmer putzen musste, war Dumbledore da gewesen. Ob Harry wollte oder nicht. Aber jetzt wo er sich seitdem verhielt wie ein Engel, seine Aufgaben machte und stimmt ja, eine verrückter Massenmörder hinter ihm her war, verdrückte dieser heuchelnde, irritierende, verdammt zwinkernde alte Narr sich einfach...

Seine Hand streifte eine kleine Knolle, die zwischen ihm und Rons Platz lag. Es war die selbe wie... Ohne darüber nach zu denken, was er tat, schnappte Harry sich die Knolle und hob sie ein paar Zentimeter an. Eine Hand legte sich auf seine und drückte sie wieder zurück. Erschrocken sah er auf. Er begegnete den zusammen gekniffenen Augen von Snape. Der Lehrer sagte nichts, verstärkte nur ein wenig den Druck, bis Harry aufgab und seinen Griff lockerte. Die Knolle rollte davon und mit ihr seine Wut und Frustration. Zurück blieb nur ein leeres Gefühl und er senkte den Blick wieder auf die Käferaugen.

Ron war so vertieft in seine Aufgabe, dass er nichts von der ganzen Aktion mitbekommen hatte und auch sonst schien keinem aufgefallen zu sein, was beinahe passiert war. Snape ließ seine Hand los und ging um ihn herum. Verwundert das der Mann ihn weder anschrie noch Punkte abzog, schrak er trotzdem zusammen, als Snapes tiefe Stimme direkt in sein Ohr flüsterte:

„Es gibt andere Wege, Potter."

Irritiert von Snapes Verhalten, wandte er sich ein wenig um, aber da war der Lehrer schon einen Tisch weiter gegangen. Die restliche Stunde fummelte Harry weiter an seinen Augen herum, ohne wirklich etwas zu Stande zu bringen. Erleichtert als es endlich klingelte, schnappte er sich seine Tasche und stürmte aus dem Klassenzimmer, ohne auf die Anderen zu warten. Er brauchte einfach einen Moment für sich. Seine Freunde kannten das schon von ihm und sie würden ihn in Ruhe lassen, bis er von selbst kam.

In Gedanken versunken lief er durch die Gänge, ohne ein genaues Ziel, einfach nur um sich zu bewegen. Harry wusste genau, was Snape mit „anderen Wegen" meinte. Aber er konnte ja schlecht in das Schulleiterbüro spazieren und Dumbledore etwas vor heulen, wie ungerecht er sich behandelt fühlte. Abgesehen davon, dass der wahrscheinlich eh nicht da war und selbst wenn bestimmt anderes zu tun hatte, als...

Er knallte gegen etwas und wäre fast hingefallen. Ein Hoch auf seine Sucherreflexe und die Statur, die neben ihm war.

„Passen Sie doch auf, Potter."

Vor ihm stand McGonagall, die sich ebenfalls an der Wand abstützte.

„Sorry, Professor. War in Gedanken", nuschelte er und hob ihr Buch auf, das auf den Boden gefallen war.

„Das habe ich bemerkt", schmunzelte die Verwandlungslehrerin und nahm ihr Buch entgegen. Sie musterte ihn einen Moment kritisch.

„Alles in Ordnung, Harry?"

Es war eine dieser raren Momente, wo sie ihn beim Vornamen nannte. Sie tat das manchmal, wenn sie einmal nicht die Miene der strengen Hauslehrerin auf setzte.

„Natürlich, Professor", gab er automatisch zurück und wollte weiter gehen. Er war schon fast an ihr vorbei, als ihm ein Satz einfiel, den Dumbledore an ihrem letzten Abend beim Nachsitzen zu ihm gesagt hatte.

„Um Hilfe zu fragen ist keine Schande oder ein Anzeichen von Schwäche. Aber wie sollen Andere wissen, dass man sie braucht, wenn man es nicht mitteilt?"

Er zögerte, dann drehte er sich langsam zu der Hexe um, die ebenfalls weiter gelaufen war. Professor McGonagall war eine strenge Lehrerin, aber immer gerecht und tat alles für ihre Löwen. Und mehr als einmal hatte sie ihm ein offenes Ohr geboten, auch wenn er es nie angenommen hatte. Er glaubte nicht, dass sie ihm helfen konnte, aber welche Wahl hatte er schon? Wieder herumlaufen und das Schloss ins Chaos stürzen nur weil er zu stolz war um mit Jemanden zu reden?

„Professor?", fragte er schließlich leise und hoffte halb, dass sie ihn nicht hörte. Doch kurz vor der nächsten Ecke drehte sie sich um und sah ihn fragend an. Etwas betreten öffnete er den Mund, schloss ihn wieder und gab sich dann einen Ruck.

„Um ehrlich zu sein...ist nicht alles in Ordnung. Ich...also...hätten Sie vielleicht eine Minute?"

McGonagall sah ihn überrascht an, dann bedeutete sie ihm ihr zu folgen. Knallrot im Gesicht tat er es und zwei Minuten später, saß er in ihrem Büro. Er war schon häufig hier gewesen, aber immer nur wenn er etwas angestellt hatte. Nie freiwillig. McGonagall ging um ihren Schreibtisch herum und schob ihm eine flache Schale hin.

„Nehmen Sie sich einen Keks, Potter."

Kurios sah er auf die flachen Karamellkekse hinab.

„Äh...danke", murmelte er und nahm einen. Der Keks schmeckte gut, aber abgesehen davon gab er ihm erst mal etwas zu tun und er wurde etwas ruhiger.

„Also, Mr Potter. Was gibt es?", fragte McGonagall, klang dabei aber ganz anders als sonst. Viel freundlicher. Trotzdem machte ihn die Frage wieder furchtbar nervös. Jetzt wo er hier saß hatte er keine Ahnung, was er sagen sollte. Etwas hilflos sah er zu seiner Lehrerin und überlegte gerade, ob er nicht mit irgendeiner Ausrede verschwinden sollte, als sie ihm die Entscheidung abnahm.

„Ich denke nicht, dass Albus dir gesagt hat, dass wir verheiratet sind?"

Er...Sie...WAS? Das kam so unvermittelt, dass Harry nur die Kinnlade herunter klappte. McGonagall schnaubte amüsiert.

„Deinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, hat er das nicht."

„Verheiratet?", brachte Harry schwach hervor.

„Ja, seit 48 Jahren. Dementsprechend kannst du ganz offen mit mir reden. Um ehrlich zu sein hatte ich nicht zu hoffen gewagt, dass du zu mir kommst, auch wenn ich es mir natürlich gewünscht habe. Aber ich bin sehr froh darum, vor allem da du es getan hast, bevor du wieder Severus Kerker in die Luft jagst."

Sie schmunzelte, aber als sie seinen verlegenen Blick bemerkte, kniff sie die Augen zusammen.

„Das hast du doch nicht, oder?"

„Nein", sagte er rasch, immer noch benommen von ihrem Geständnis. Jetzt wo er darüber nachdachte passte es zu ihnen. Dann hatte Dumbledore mit seiner Familie also nicht irgendwelche Geschwister gemeint, sondern McGonagall. Einen kurzen Moment stellte er sich vor, wie es wohl gewesen wäre von ihnen aufgezogen zu werden. Der Gedanke ließ ihn schlucken, also verdrängte er ihn rasch wieder.

„Aber ich hätte es fast getan, wenn Snape mich nicht aufgehalten hätte", gab er kleinlaut zu. Vor nicht einmal einer Stunde hätte er sich lieber die Zunge abgebissen, als ihr das zu erzählen. Doch jetzt hatte er das Bedürfnis ehrlich zu ihr zu sein, nachdem auch sie so offen zu ihm gewesen war. Er sank unter ihrem Blick in seinen Stuhl.

„Professor Snape hat es also verhindert", wiederholte sie stirnrunzelnd „und was hat er dazu gesagt?"

Harry zuckte ein wenig zusammen. Wahrscheinlich dachte sie jetzt, Snape hätte ihn zu ihr geschickt, um sich seine Strafe abzuholen.

„Er sagte, es gibt andere Wege", murmelte er. McGonagalls Gesicht verlor augenblicklich ihre harten Züge und er konnte sehen, dass sie verstand. Sie seufzte einmal und lehnte sich auf ihren Tisch, näher zu ihm.

„Albus ist momentan sehr beschäftigt, Harry", fing sie an, aber er unterbrach sie schnell.

„Ich weiß das. Es ist auch nicht so wichtig...ich gehe jetzt besser..."

Er schüttelte den Kopf und kam sich plötzlich unglaublich dumm vor.

„Du bleibst genau da, wo du gerade bist, junger Mann!", blaffte McGonagall jetzt wieder mit ihrer üblichen forschen Art. Er hielt mitten in der Bewegung inne und ließ sich dann wieder auf den Stuhl plumpsten.

„Albus mag im Moment beschäftigt sein, aber das heißt nicht, dass er dich vergessen hat oder du ihm plötzlich unwichtig geworden bist. Wenn du es genau wissen willst, ist das erste was ich jeden Tag höre, wenn ich ihn sehe: `Wie geht es Harry?´"

Überrascht, aber erfreut hob Harry den Kopf und blickte in die braunen Augen, die ihn warm ansahen.

„Ich will ihm nicht zur Last fallen", gab er zu, aber McGonagall tat das mit einer Handbewegung ab.

„Du fällst Niemanden zur Last, Harry. Im Gegenteil. Lily und James standen uns sehr nahe und es wäre unsere Aufgabe gewesen uns um dich zu kümmern. Du weißt mittlerweile warum wir es nicht konnten. Im Nachhinein war es ein Fehler und das wollen wir wieder gut machen. Durch die Ereignisse der letzten Tage hat Albus einfach zu wenig Zeit. Wir wissen wie verwirrend und belastend das alles für dich sein muss und glaube mir, wenn ich auch nur den Hauch einer Chance gesehen hätte, dass ich etwas für dich tun kann, hätte ich es getan. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass du mich an dich ran lässt."

Manipulative, alte Leute, die einen besser kannten als man selbst, sollten verboten werden!

„Äh...ja...", gab Harry nicht sehr intelligent zurück. McGonagall lächelte und schon wieder die Schale nach vorne.

„Keks?"

Er nahm einen, auch wenn er überhaupt keinen Appetit hatte. Während er an ihm knabberte beobachtete McGonagall ihn eingehend und als sie sprach klang sie besorgter, als er sie je gehört hatte.

„Ich befürchte du hast bereits mitbekommen, das Sirius Black aus Askaban entkommen ist und das er höchstwahrscheinlich hinter dir her ist?"

Er nickte und sie seufzte einmal.

„Harry ich kann dir gar nicht eindringlich genug sagen, wie gefährlich dieser Mann ist. Im Schloss bist du sicher, aber trotzdem bitte ich dich nicht mehr alleine herum zu laufen. Als reine Vorsichtsmaßnahme."

Wieder nickte er, auch wenn sein Gesicht etwas fiel. Jetzt kommt es, dachte er und wurde nicht enttäuscht.

„Albus wollte eigentlich mit dir darüber reden, aber ich denke jetzt ist so gut, wie irgendwann anders auch. Wir haben darüber nachgedacht, ob der Blutschutz tatsächlich noch notwendig ist." Sie zögerte kurz und ihr Blick wurde traurig.

„Allerdings sind wir beide der Meinung, dass man Lilys Opfer nicht einfach so ignorieren sollte und mit Black auf freiem Fuß erst recht nicht."

Hier war es. Nett ausgedrückt hieß das, er musste wieder zu den Dursleys. Eigentlich sollte es ihn nicht überraschen, trotzdem tat es weh, nachdem er sich zum ersten Mal Hoffnung gemacht hatte. Tief in seinem Inneren hatte er sich vorgestellt nicht mehr dort hin zu müssen. Jetzt würde es ihm noch viel schwerer fallen.

„Das heißt im Klartext, du musst für eine gewisse Zeit in das Haus deiner Tante."

Harry nickte stumm, ballte aber die Faust in der Tasche.

„Allerdings", fuhr McGonagall fort und jetzt klang sie so entschlossen, wie nur die Löwenmutter es konnte „wirst du nicht alleine dort hin gehen!"

Harrys Kopf ruckte nach oben. McGonagall sah ihn fest an und lächelte dann grimmig.

„Ich denke diese Muggel werden sich mit ein paar mehr Zauberern in ihrem Haus zurecht finden müssen."

Ein gefährlicher Glanz tauchte in ihren Augen auf und Harry konnte nicht anders als zu grinsen. Pure, unendliche Erleichterung durchfloss ihn bei dem Gedanken, dass Dumbledore sein Versprechen hielt. Er würde nicht alleine sein! Und McGonagall Gesichtsausdruck nach zu urteilen würde es eine höchst interessante Zeit werden. Er verstand immer noch nicht so ganz, wieso sie sich so viel mühe mit ihm gaben. Sicherlich hatten sie besseres in ihren eigenen Ferien zu tun, als auf ihn aufzupassen?! Für seine nächsten Worte hätte er sich am liebsten selber einen Tritt gegeben, aber er konnte nicht zulassen, dass sie ihre Zeit mit ihm verschwendeten.

„Professor...danke! Aber ich komme schon zurecht...ich bin ich gewöhnt. Sie brauchen wirklich nicht ihre Zeit..."

„So ein Unsinn, Potter", fauchte McGonagall und schob ihm zum dritten Mal die Schale hin.

„Nehmen Sie sich einen Keks und seien Sie still! Wir entscheiden ganz allein was wir mit unserer Zeit machen und was nicht. Also lassen Sie uns den Spaß!"

Folgsam nahm Harry sich wieder einen Keks und hielt lieber den Mund. McGonagall sah ihn warm an und er konnte nicht anders als zurück zu lächeln.

„Es sind nur zwei Wochen, Harry! Und wir werden es danach wieder gut machen!"

„Sie brauchen nicht..."

„Keks!", bellte McGonagall und diesmal schnappte Harry sich sofort einen, bevor sie die Schale überhaupt berühren konnte. Die Frau war einfach unglaublich. Jetzt rückte sie ihre Brille zurecht und sah ihn scharf an.

„Ist damit alles geklärt, Mr Potter?"

Er nickte stumm, musste innerlich aber über ihr Verhalten lächeln.

„Sehr gut. Dann würde ich vorschlagen, dass Sie sich auf die restlichen Prüfungen vorbereiten."

Er stand auf und wollte gehen. Blieb dann aber noch einmal stehen und sah seine Hauslehrerin treuherzig an.

„Professor, ich..."

„Nehmen Sie sich einen Keks und verschwinden Sie, Potter", knurrte sie, aber das Funkeln in ihren Augen machte dem ihres Mannes Konkurrenz. Harry nahm sich noch einen, verstaute diesen aber in der Tasche und machte das er weg kam. Als er draußen im ruhigen Korridor stand, schüttelte er sich einmal und ging dann in Richtung Turm. Das war das merkwürdigste Gespräch, dass er je hatte!