Kapitel 1: Sie sind

„Wer glaubt, Geld sei das Wichtigste im Leben, war noch nie verliebt …" –Gerhard Kocher
„Das unterscheidet die Liebe vom Geld: dass sie nur Zinsen bringt, wenn man sie ausgibt." – Markus M. Ronner

Gabi schaute träumerisch über die Skyline von Manhattan. Der Blick aus Ihrem Büro im 47. Stock war atemberaubend. Die zierliche Brünette liebte den Trubel der Großstadt gewöhnlich sehr. Sie ließ ihre Gedanken abschweifen. Noch drei Tage, dann würde sie gemeinsam mit Dan ihren Urlaub auf einer kleinen einsamen Insel der Malediven antreten. Den ganzen Tag nichts tun außer die heiße Sonne, den Strand und das Essen genießen. Sie freute sich schon darauf morgen nachmittag Dan vom Flughafen abzuholen. Sie hatten sich seit vier Monaten nicht gesehen und sie vermisste ihren Vater sehr. Dan war zwar nicht ihr leiblicher Vater, aber er hatte ihre Mutter schon kurz nach Gabriellas Geburt geheiratet. Sie mochten zwar nicht blutsverwandt sein oder den selben Nachnamen teilen, aber ihre Verbindung war so stark wie zwischen Eltern und Kindern möglich.

Gabi dachte voll Wehmut an ihre wunderbare Kindheit zurück, die vor allem geprägt war durch die starke Liebe, die ihre Eltern für einander und für ihre Tochter empfanden. Leider war diese jäh zu Ende gegangen, als Ihre Mutter Anna vor 8 Jahren, als Gabi 17 war, an Brustkrebs gestorben war. Sie hatte ein großes, nie aufzufüllendes Loch in das Leben von Gabi und Dan gerissen. Beide verarbeiteten dieses Schicksal unterschiedlich und stützen sich dennoch gegenseitig. Dan hatte realisiert, dass seine Firma, die neben seiner Familie sein Lebensinhalt war, alle Bedeutung für ihn verloren hatte. Gabi hingegen stürzte sich in ihr Studium und vergrub sich damit in Arbeit. Beide profitieren davon, denn nach dem Studium, dass sie in Rekordzeit und mit besten Noten absolvierte, bereitete Dan sie zwei Jahre gründlich auf die Übernahme seiner Firma als Geschäftsführerin vor. So wurde sie mit damals 23 Jahren eine der jüngsten erfolgreichen Managerinnen New Yorks. Sie liebte die Arbeit und Dan zog sich anschließend auf ihre abgelegene Farm in Kalifornien zurück.

Er war nicht einsam oder ähnliches. Er konnte einfach der Hektik New Yorks, nachdem Anna nicht mehr an seiner Seite war, nichts mehr abgewinnen. Sie war wirklich die Liebe seines Lebens, sie hatten 18 wundervolle Jahre zusammen verbringen dürfen. 18 Jahre, von denen er nicht eine Sekunde bereute, 18 Jahre, die ihm den wahren Sinn des Lebens gezeigt hatten. Er war gerade 30 als sie sich kennenlernten, sie im 5 Monat schwanger, er Erbe eines großen PR-Imperiums.

Er hatte nur den einen Wunsch für Gabriella, dass sie eines Tages das Glück erfahren dürfte, dass er mit Anna erlebt hatte. Diese unvergleichliche Magie zwischen zwei Menschen, die alles andere unwichtig werden ließ. Aber Gabriella hatte wenig Zeit die möglichen Kandidaten kennenzulernen, denn ein Großteil ihres Tages war mit Arbeit und Arbeit und Arbeit angefüllt. Daher war sie jetzt um so entspannter, wenn sie dem Urlaub mit Dan entgegensah. Dieser Urlaub war eine liebe Gewohnheit geworden. Zweimal jährlich für jeweils zwei Wochen flog sie gemeinsam mit Dan in die Ferne, dieses Jahr also standen die Malediven auf dem Plan. Sie hatte eine Clubanlage auf einer kleinen Insel gebucht. Ansonsten war nichts dort, perfekt für pure Entspannung. Die Firma ließ sie in der Zeit vertrauensvoll in den Händen ihrer rechten Hand Taylor. Sie kannten sich seit der High School und gewöhnlich betreute Taylor die Niederlassungen in drei anderen Bundesstaaten. Sie waren ein eingespieltes Team und Gabi vertraute Taylor blind.

„Gabi", unterbrach eine Stimme über ihre Telefonanlage ihre Gedanken, „ich habe Tay in der Leitung für Dich!" „Danke Shar, stell bitte durch", grinste Gabi vor sich hin,… wenn man vom Teufel spricht.

„Hallo Tay, ich hoffe doch es bleibt beim gemeinsamen Abendessen heute, oder?" fragte Gabi. „Ja, sicher", kam die Erwiderung. „Ich habe so eben nur mit Shar unseren Treffpunkt verschoben. Ich hatte einfach Lust auf Mexikanisch. Da Shar dafür war, haben wir dich schon überstimmt", lachte sie. „Also damit kann ich leben", kicherte Gabi freudig. „Ich wollte sowieso gerade Feierabend machen. Ich fahr also nach Hause und fang an Koffer zu packen und wir treffen uns um acht Uhr!" „Ja, ich freu mich auf Euch!" „Und ich mich erst, Tay!" Sie beendeten das Gespräch und Gabi nahm ihren Mantel und ihre Handtasche aus der Garderobe und marschierte ins Vorzimmer. „So, so", lachte sie Shar an, „mexikanische Verschwörung gegen mein Sushi-Restaurant!" „Exakt", lachte die hübsche Blondine im Vorzimmer. „Wir sehen uns um 19:30 Uhr!" winkte Gabi und war schon auf dem Weg zum Fahrstuhl. „Sicher", rief ihr Shar hinterher, „Zeke bringt heute die Zwillinge ins Bett! Ich werde pünktlich sein."

„Wer es glaubt", murmelte Gabi grinsend vor sich hin. Es war einfach wunderbar mit den besten Freundinnen so eng zusammenzuarbeiten, denn auch Shar war auf der High School in ihrer Klasse gewesen. Ebenso ihr Ehemann Zeke, der aus der damaligen Drama Queen eine liebende Ehefrau und Mutter von zwei dreijährigen hinreißenden Mädchen gemacht hatte. Noch häufig schimmerte die verrückte und kein Blatt vor den Mund nehmende Shar durch. Eine Eigenart war, dass sie immer, und zwar wirklich immer, zu spät kam, gewöhnlich 30 Minuten. Seltsamerweise hatte sie aber immer eine einleuchtende Entschuldigung, deswegen waren ihre Freundinnen dazu übergegangen, Shar eine halbe Stunde früher zu bestellen. Dann traf sie gewöhnlich pünktlich mit den anderen ein.

***

Fast exakt zur gleichen Zeit packte ein wirklich ungewöhnlich gutaussehender junger Mann mit den wahnsinnigsten blauen Augen ebenfalls seine Koffer für einen zweiwöchigen Urlaub. Er würde zunächst morgen von Kalifornien nach New York fliegen um dort seine Eltern zu besuchen und dann zwei Tage später von dort auf die Malediven jetten. Seine Basketball-Saison war zu Ende und er wollte einfach nur unbeobachtet von den Paparazzi Erholung und Ruhe genießen, vielleicht mit einer netten Urlaubsromanze garniert. Troy grinste genießerisch vor sich hin, sicherlich würde sich dort unter den knappen Bikinis die ein oder andere Lady finden lassen.

Er hatte keinerlei Zweifel daran, dass auch dort die Mädels genau so willig waren, wie hier in Kalifornien. Troy war kein Kostverächter, aber er ließ die Frauen nicht zu nah an ihn herankommen, körperlich natürlich schon, aber nicht an sein Herz. Er war sicher, dass alle nur sein Äußeres sahen und sein Geld wollten, daher ließ er keine tiefe Beziehung zu. Er gab ihnen, was sie brauchten, sie ihm, was er brauchte und nach wenigen Tagen, seltenst Wochen, ging jeder wieder seiner eigenen Wege.

Das Klingeln seines Handys riss ihn aus den Gedanken. „Hallo Chad, wo steckst du?" „Nicht mehr in Christina", lachte dieser laut auf. „Ich wollte auch nur checken, ob du alles wichtige für deinen Urlaub gepackt hast!" „Du redest von Kondomen, vermute ich", lachte Troy. „Alles im Koffer!" „Sehr gut, man ich beneide dich!" „Du wolltest nicht mitkommen!" erwiderte Troy. „Meine Schwester heiratet hoffentlich nur einmal. Du weißt, da muss ich hin!" muffelte Chad. „Aber wir verabreden uns im Club, wenn du zurück bist, in Ordnung!" „Sicher, Chad!" „Ach und Troy, tu nichts, was ich nicht auch tun würde!" „Dann kann ich mir ja alles erlauben", lachte Troy. „Also, bis bald Mann!" Ja, wahre Freundschaft gab es nur unter Männern.

Chad war nicht nur der beste und engste Freund des LA Lakers Kapitäns seit der Kindergartenzeit, sondern auch sein Teamkamerad und der einzige, der es wagte, ihm zu widersprechen. Troy war als rücksichtslos und kompromisslos bekannt, sowohl in Bezug auf sein Spiel als auch in Beziehungen zu Freunden und Frauen. Seine Augen konnten eisblau werden und damit sprichwörtlich Löcher in die Augen der anderen bohren. Das er innerlich eigentlich ein sensibler und auch humorvoller Mann war, diese Seite kannten nur seine Eltern und Chad. Diese allerdings konnten sich kaum noch daran erinnern. Die Maske, die Troy trug, um den verabscheuten Paparazzi und auch den lauernden Schlampen keine Angriffsfläche zu bieten, war zu seinem zweiten Ich geworden. Chad tat sein bestes um seinen Freund aus dieser Starre zu reißen, aber er befürchtete über kurz oder lang würde diese liebenswerte Seite vollkommen verschwinden.

Im Grunde genommen waren Sie sich sehr ähnlich. Ihr Leben hatte sich parallel entwickelt von der Grundschule bis zur Uni waren sie die Basketball-Champs der Schule gewesen. Sie wohnten beide in kleinen Villen in den Hills, fuhren protzige Autos und genossen Ihr Leben mit Mädchen und Partys. Man war eben nur einmal jung. Beide mieden Paparazzi und beide waren noch nie wirklich der Liebe begegnet. Da sie dieses aber nicht wussten, vermissten sie es auch nicht. Beide fühlten von Zeit zu Zeit eine Leere in sich, aber obwohl beide intelligente Männer waren, hatten sie keine Ahnung wie dieses Gefühl der Unvollständigkeit zu beseitigen war. Also ignorierten sie es und sprachen auch niemals darüber miteinander.

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Die Augen der Männer im „Tacos" wurden groß und begehrlich als sie die drei heißen Ladies durch den Eingang schreiten sahen, egal ob sie in weiblicher Begleitung oder mit Freunden da waren. Die Frauen waren total verschiedene Typen, aber doch alle drei äußerst attraktiv und für jeden Mann ein begehrliches Objekt. Gabi, Shar und Tay hatten sich noch auf dem Parkplatz getroffen und traten so eben kichernd durch die Tür, wie immer wenn sie einen Raum betraten, veränderte sich für die drei unbemerkt die Atmosphäre. Sie standen unweigerlich im Mittelpunkt, nicht nur durch ihre Attraktivität, die Ausstrahlung und Aura der Freundinnen zog unweigerlich alle Blicke auf sich.

Die eine war eine zierliche Latina, deren engelsgleiches Gesicht von üppigen brauen Locken umrahmt war, die bis auf ihre Schultern fielen. Sie erweckte in jedem Mann durch ihre äußerliche Zerbrechlichkeit den Beschützerinstinkt, dass in ihrem Inneren eine toughe erfolgreiche Geschäftsfrau mit eisernen Grundsätzen und eine willensstarke Person steckte, vermochte kaum jemand zu erkennen. Ihr Gesicht kam ohne Make-up aus und als sie laut lachend an einem Tisch ihren Platz einnahm, fielen unweigerlich ihre großen rehbrauen, jetzt freudig glänzenden Augen auf.

Die zweite Frau, die offenbar mit großen Gesten und weitausschweifenden Reden ihre Begleiterinnen unterhielt, war eine schlanke, elegante Blondine. Das dezent geschminkte Gesicht war ebenmäßig und unterstrich ihre brauen Augen. Der Lidschatten passte farblich zu ihrem Kleid und Ihr glockenhelles Gelächter schallte durch das Restaurant. Für alle offensichtlich fiel ihr die Rolle der Unterhalterin und Wortführerin zu.

Die dritte Person im Bunde war eine dunkelhäutige Schönheit mit Kurven an den richtigen Stellen. Sie trug ein figurbetonendes Kleid und ihre vollen schwarzen Haare umrahmten gleichmäßige Gesichtszüge. Sie wirkte erfolgsorientiert und im Gegensatz zu den beiden anderen eher konservativ und geschäftsmäßig.

Die drei amüsierten sich offenbar prächtig, denn immer wieder schallte Ihr Kichern oder auch mal prustendes Gelächter durch die Räumlichkeiten. Es war nur zu deutlich, dass diese drei Ladies Ihre gegenseitige Gesellschaft offen genossen und eine Einheit bildeten.

Als endlich einer der Männer den Mut fasste und nach dem Essen an ihren Tisch trat, lauschten die anderen weniger Mutigen dem folgenden Wortwechsel. „Guten Abend meine Damen!" „Guten Abend, Dreibein!" Das kam von der Blondine, die beiden anderen kicherten nur. „Öhm, kann … kann ich die Ladies eventuell zu einem Drink an der Bar einladen", folgte dann schon etwas verunsichert, die sexuelle Anspielung tapfer ignorierend. „Keine Ahnung, ob Sie das können, ich kenn ja ihre finanziellen Verhältnisse nicht!" „Also …. Darf ich Sie denn einladen?" „Nein, danke, wir stehen mehr auf Männer, die bei der Einladung nicht stottern!" Der Mann drehte sich um und schlich tiefrot an seinen Sitzplatz zurück.

Die drei brachen in Gelächter aus, was sie vergeblich hinter ihren vorgehaltenen Händen zu verbergen versuchten. „Das war aber gar nicht nett, Shar!" kicherte Gabi. „Ich habe auf einen Blick erkannt, dass dieser Kerl nur unter Eure Kleider greifen möchte, er konnte mir ja nicht mal in die Augen sondern nur auf die Titten starren." Shar war immer diejenige, die unverblümt aussprach, was die beiden anderen nur insgeheim dachten. Ihre Menschenkenntnis war phänomenal. Sie konnte auf den ersten Blick erkennen, ob ein netter Mann unter der Oberfläche steckte. Sie fühlte sich verpflichtet für Ihre besten Freundinnen nur so einen Mann zu akzeptieren, der ihnen das geben konnte, was Zeke ihr gab. Die beiden anderen akzeptieren diese Fürsorge und sie wussten, dass Shars Menschenkenntnis immer zuverlässig war.

***

Am nächsten Vormittag betrat Troy mit einer Sonnenbrille und seiner schon obligatorischen grauen Mütze den Flughafen in LA. Er wollte den Paparazzi entgehen und schritt schnell mit gesenktem Kopf auf den Eingang zu. Als er merkte, dass die Fotografen ihn ins Visier nahmen, beschleunigte er seine Schritte noch, zog die Mütze tiefer und bahnte seinen Weg zum Check-In. Dadurch übersah er jedoch einen älteren, nichtsdestotrotz attraktiven Mann in den Fünfzigern und rannte fast in ihn hinein.

Diesen sollte er nur wenig später im Flugzeug als seinen Sitznachbarn wiedersehen. Troy flog schließlich erster Klasse um seine Ruhe zu haben. Er steckte die Kopfhörer seines iPods in die Ohren und schloss die Augen. „Entschuldigung, können sie ihre Tasche vom Sitz stellen, bitte? Das ist mein Sitzplatz", sagte der ältere Mann höflich. Troy murmelte nur was vor sich, stellte die Tasche unter seinen Sitz und wandte die Augen zum Fenster. „Sagen Sie, ich möchte sie nicht belästigen, aber …. Sind sie nicht Troy Bolton? Ich bin ein großer Lakers-Fan!" „Ja, bin ich", erwiderte Troy knapp und bevor er sich wieder umdrehen konnte um deutlich zu machen, dass er ungestört sein wollte, streckte ihm der Mann freundlich die Hand entgegen. „Ich bin Dan Webster, sehr erfreut." „Ja, ja", murmelte Troy und schüttelte kurz widerwillig die angebotene Hand.

„Entschuldigen Sie nochmals, sie wünschen offensichtlich ihre Ruhe. Das kann ich gut verstehen bei ihrem stressigen Job und der Belagerung durch solche Fans wie mich. Sollte ihnen dennoch während des langen Fluges mal nach Plaudern sein, ich sitze direkt hier" lachte Dan freundlich. Troy musste sich eingestehen, dass sehr selten die Leute seine Privatatmosphäre respektierten und er war dem dunkelhaarigen Mittfünfziger dankbar. Er schenkte ihm ein schmales Lächeln und unbemerkt für ihn entspann sich nach einiger Weile ein respektvolles und entspannendes Gespräch unter Männern. Troy realisierte, dass er solche Gespräche gewöhnlich nur mit seinem Vater führen konnte. Er war erstaunt, wie schnell sie New York erreichen und damit die Zeit im wahrsten Sinne im Flug vergangen war.