Hoffnungslos.

Alles war so hoffnungslos, so sinnlos geworden. Ihr Leben fühlte sich leer und trostlos an. Sie empfand es als überflüssig. Sie war überflüssig. Niemand war mehr da. Niemand den sie liebte. Der sie liebte. Die Einsamkeit war erdrückend. Ihr Lebenswille hatte sie schon lange verlassen.

Ein Lied kam ihr in den Sinn, das sie vor Jahren einmal gehört hatte:

Trauriger Sonntag dein Abend ist nicht mehr weit
Mit schwarzen Schatten teil' ich meine Einsamkeit
Schliess' ich die Augen dann seh' ich sie hundertfach
Ich kann nicht schlafen und sie werden nie mehr wach

Regungslos lag die Frau auf dem weißen Marmor. Ihr Haar fast so hell, wie der Steinboden unter ihr. Ihre Haut wie Porzellan. Leer blickten ihr Augen in die Weite. Sie hatte vergessen wie lange sie schon dort lag. Es konnten Minuten, Stunden, aber auch schon Tage gewesen sein. Was spielte Zeit noch für eine Rolle. Alles war gleichgültig und unbedeutend geworden. Nichts schien ihr geblieben zu sein. Der Sinn ihres Lebens zerstört. Der Mann, den sie liebte saß für den Rest seines Lebens im Gefängnis und ihr einziger Sohn war auf einer tödlichen Mission. Sie war sich sicher, dass sie keinen von beiden jemals lebend wieder sehen würde.

Tränen rannen ihre blassen Wangen hinab. Sickerten durch ihr langes weißblondes Haar auf den marmornen Boden.

Ich seh' Gestalten ziehen im Zigarettenrauch
Lasst mich nicht hier, sagt den Engeln ich komme auch
Trauriger Sonntag.

In der Stille des Raumes hörte sie ihr Blut durch ihren Körper rauschen. Wie das Rauschen des Meeres. Sie lauschte jedem einzelnen Schlag ihres Herzens. Immer unerträglicher erschien ihr das Pochen. Jeder Schlag schmerzte ihre Seele.

„Könnte es doch einfach stehen bleiben", dachte sie sich, „ dann wäre alles endlich vorbei. Alles wäre still und ihr Schmerz wäre vorüber. Sie wäre frei von allem. Nichts mehr spüren. Nichts mehr denken. Nicht mehr atmen. Der Tod wäre eine Lösung."

Einsame Sonntage hab' ich zuviel verbracht
Heut' mach ich mich auf den Weg in die lange Nacht
Bald brennen Kerzen und Rauch macht die Augen feucht
Weint doch nicht Freunde, denn endlich fühl' ich mich leicht

Sie fixierte einen Punkt an der Decke ohne es wirklich zu merken. Der Raum schien sich zu drehen. Immer weiter entfernte sich die Decke über ihr. Nicht als würde sie fallen, sondern als würde sie im Marmor versinken. Immer tiefer sank sie, als ob es nicht massiver Stein wäre auf dem sie lag, sondern Wasser. Wasser, das sie langsam verschluckte. Um sie herum wurde es dunkler und dunkler. Die Frau schloss ihre Augen und tauchte nun vollständig im flüssigen Marmor unter. Es fühlte sich kalt an, aber gleichzeitig hatte sie innerlich das Gefühl von Wärme, Freiheit und Trost.

„Endlich Erlösung", dachte sie."

Die letzte Luft verließ ihre Lunge.

Der letzte Atemzug bringt mich für immer heim
Im Land der Schatten da werd' ich geborgen sein

Trauriger Sonntag

„Freiheit, ich komme."

Immer tiefer und tiefer sank die blonde Frau und sie hatte das Gefühl zu schweben. Langsam kam die Ohnmacht und der Tod war nicht mehr weit. Sie spürte wie mehr und mehr ihre Kräfte sie verließen.

Plötzlich wurde sie an ihren Armen hoch gerissen. Erschrocken riss sie ihre Augen auf und holte tief Luft. Sie starrte in zwei graue Augen, die besorgt in ihre blickten. Dann schloss ihr Mann sie fest in die Arme und flüsterte gebrochen und verängstigt:" Cissa, mein Herz, bleib bei mir."