Titel: Ein Teil von dir

Teil: 1 von 2

Fandom: South Park

Pairing: Style (Stan/Kyle)

Disclaimer: Die Charaktere gehören nicht mir, ich habe demnach keinerlei Rechte an ihnen und mache natürlich auch kein Geld mit dieser Fic etc.

Warnings: shônen-ai, Kitsch& ...die Intoleranz einiger Charaktere (…)

Kommentar: Die Fanfic hab ich mir insgesamt bissiger gewünscht, aber es hat wohl nicht sollen sein :-/ Die Jungs gehen übrigens mittlerweile auf die Junior Highschool, aber genauso wie alte Streitigkeiten überlebt haben, ist auch alte Liebe nicht gerostet '.

Besondere Widmung: an Rei17 :) Style forever!

Feedback: Ist immer gern gesehen :) Ich nehme alles Produktive, was kommt

Kapitel 1: Exotik

Das allseits vorhandene Gemurmel der Schüler nahm schlagartig an Lautstärke ab, kaum dass sich die Lehrkraft durch die Tür in den Raum stahl und der Auslöser dafür war, dass Kyle seinen Ellbogen dezent in die Rippen seines Tischnachbarn stieß. Dieser hatte bis eben selenruhig mit dem Kopf auf seinem Rucksack geruht, welcher auf der Tischplatte lag, blinzelte einen nun verschlafen aus einem halb geöffneten Auge an und murmelte etwas in Richtung „Noch zwei Minuten, Mom...". Obschon man solcherlei Antworten von Stanley Marsh gewohnt war, konnte sich ein breites Grinsen nicht verkniffen werden, bei dem sich ein Stückchen zum Schwarzhaarigen hinüber gelehnt und hinter hervorgehaltener Hand in sein Ohr geflüstert wurde:

„Alter, unser Lehrer ist da und du weißt doch, was das bedeutet, oder?" Die verräterische Tonlage lockte Stans klaren Verstand hervor wie ein Stück Fleisch einen ausgehungerten Wolf, ließ ihn einmal mit dem Handrücken über die Augenpartie fahren, ein Gähnen unterdrücken und daraufhin einen fragenden Gesichtsausdruck an den Tag legen.

„Ne, was'n?" Wie so oft kontrollierte der Blick, ob der Lehrer vorne am Pult auch noch zu genüge mit seinen Unterlagen kämpfte, bevor er sich wieder auf Kyle legte und bei diesem ein pikiertes Höherziehen der Augenbrauen verfolgte. Irgendwas Wichtiges musste man demzufolge vergessen haben; im Eilverfahren bemühte sich Stan darum, sein Erinnerungsvermögen anzuzapfen und Zugriff auf die Informationen zu erhalten. Allerdings kam ihm sein bester Freund zuvor, welcher einem spielerisch gegen die Stirn klopfte und gleichzeitig das Zauberwort des heutigen Tages aussprach.

„Referat."

Als habe jemand einen Schalter umgelegt, öffneten sich die eigenen Lippen und ließen den schwarzhaarigen Jungen das unverschämte Grinsen imitieren, welches Kyle ebenfalls zur Schau stellte. Mittlerweile lief der Informationsfluss im Hirn so zügig wie der Verkehr auf dem Highway zur Rushhour und die damit zusammenhängende Vorstellung entlockte beiden 14-Jährigen ein Kichern.

„Oh scheiße, ja! Der Fettarsch muss ja heute sein Referat halten und wollte uns nicht verraten, worüber!" Hämisch lugte man über die Schulter und sah dabei zu, wie Eric Cartman verzweifelt versuchte, seine Speckmassen von seinem Platz in der hintersten Reihe nach vorne zu walzen. Stan war es schon immer ein Rätsel gewesen, warum dieser stark übergewichtige Kerl sich nicht einfach in die erste Reihe pflanzte, da er in jedem Raum aufs Neue seine liebe Mühe und Not hatte, sich durch die engen Reihen zu quetschen. Das ganze Szenario wurde dabei stets von einem breiten Arsenal nicht jugendfreier Flüche begleitet und so wie jetzt auch waren die bedauernswerten Mitschüler gefährdet, die Cartman dabei anstieß und die nicht immer erfolgreich darin waren, ihr Gleichgewicht wieder zu finden.

„Verdammte Scheiße! Wieso sind diese Reihen nur so eng!" Mit Hilfe eines seitlichen Ganges probierte Eric nun, seine Geschichtsunterlagen für das Referat nach vorne zu balancieren und zugleich zwischen zwei weiteren Pulten hindurch zu kommen, was in Anbetracht seiner Fettmengen nicht gerade einfach zu bewerkstelligen war. Weder Stan noch Kyle konnte sich daran erinnern, dass Cartman jemals den Versuch gemacht hatte, abzunehmen. Im Gegenteil, er hatte mir purer Absicht noch an Gewicht zugelegt und sich eingebildet, es handle sich um Muskelmasse, auf die er stolz sein könnte. Dass dies jedoch nicht der Fall war, hatte der Braunhaarige mittlerweile auch kapiert und keifte abermals lauthals durchs Klassenzimmer, als diverse Mitschüler glucksten.

„Ay, hier gibt's nichts zu lachen, klar! Ich kann jawohl nichts dafür, wenn dieser Raum nicht für Leute konzipiert ist, die etwas schwerere Knochen haben!"

„Nein, du konntest echt nicht ahnen, dass die Schule angenommen hatte, die Wale würden ihren natürlichen Lebensraum nicht verlassen!" Der gesamte Geschichtskurs brach in lautes Gegröle aus, kaum dass Kyle seinen Kommentar ausgestoßen hatte und man nicht minder Tränen lachte als er. Ein wenig verschwommen aufgrund dieser Tatsache wechselte Stans Sichtfeld, überflog Gesichter, mit denen man seit dem Kindergarten zu tun hatte und beendete seinen Rundgang bei Cartman, welcher von der anstrengenden Quetschtortur bereits puterrot war, laut schnaufend atmete und nun seine Unterlagen auf das Lehrerpult knallte.

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, du gottverdammter Jude! Aber du bist mal wieder eine ideale Überleitung zu meinem Thema."

Jetzt lag es an der eigenen Person sporadisch zum besten Kumpel zu schielen, dessen Mimik tatsächlich verrutschte bei der Ankündigung. Zwar waren Rückstände des himmelweiten und schillernden Lächelns noch in Kyles Gesicht ausfindig zu machen, doch ein Hauch der bösen Vorahnung umgarnte die feinen Gesichtszüge des Rothaarigen. Gleichzeitig kam Stanley nur eines in den Sinn: wenn Eric Cartman im Zuge einer Strafarbeit ein Referat in Geschichte zu halten hatte, war es nicht nur zu 100 aus dem Internet geklaut, sondern auch dazu da, um anderen eins reinzuwürgen. Dabei hatte der neben einem Sitzende nun wirklich nichts damit zu tun, dass der vor dem gesamten Kurs stehende Schüler diese besondere Ehre zugeteilt bekommen hatte. Immerhin hatte Eric im gesamten Halbjahr noch nicht einmal seine Geschichtshausaufgabe erledigt, in den Tests skrupellos gespickt oder abgeschrieben und ansonsten auch bloß Antworten geliefert, die den Unterricht in keiner Weise bereicherten. Im Gegenteil, er sprach sich positiv gegenüber der Versklavung Farbiger aus, lobte tyrannische Herrscher und je genauer Stan über all dies nachdachte, desto erschreckender fand er die Sympathie, die Cartman für Antisemitismus oder Rassismus allgemein und mit Stolz repräsentierte. Da halfen selbst die verzweifelten Versuche ihres Lehrkörpers wenig, der ständig probiert hatte, diesem intoleranten Fettwanst etwas von Grundrechten und dergleichen einzutrichtern. Letzten Endes war Mr. Buckley es so satt gewesen, dass er von Cartman ein Referat verlangte, in dem er sich einmal näher mit einer Minderheit seiner Wahl und deren Verfolgung auseinander setzen sollte.

„Ich hasse ihn, ich hasse ihn...!" Wie bei einem Gebet zischte Kyle den Satz in gepresster Lautstärke zwischen den Zähnen hindurch, während er Eric mit einem Killerblick fixierte und die Hände zu Fäusten geballt hatte. Wie so oft konnte man selbst nicht anders, als seinen Sitznachbarn kurz anzustupsen und diesem etwas zuzuflüstern.

„Cool bleiben, Kyle. Du weißt genau, dass er dich nur provozieren will..."

„Ich hasse ihn...!"

Die Gewitterwolkenfront, welche zum gegenwärtigen Zeitpunkt über dem Kopf des besten Freundes schwebte, wurde von gleißenden Blitzen durchzuckt, was Stan seufzen und dann wieder zu Cartman nach vorne schauen ließ. Dessen Mundwinkel hatten sich in unübersehbare Höhen gezogen, als er den Projektor anwarf und dann einige Folien in seinem Materialienstapel suchte. Nebenbei bellte er den Schüler an, welcher den Lichtschalter am leichtesten erreichen konnte: „Clyde, du wirst auch nicht dünner davon, wenn du hier die ganze Zeit tatenlos rumsitzt. Los, mach endlich das Licht aus!"

„Die paar Schritte hätte er jawohl noch selbst machen können, dämliche Fettschwarte!" Wie angepisst Kyle momentan war, war einem keineswegs entgangen. Das erneute Zischen fungierte in der Hinsicht als weiterer Beweis und Stan rollte einmal mit seinen saphirblauen Augen, bevor er sich tiefer in seinem Stuhl zurücksinken ließ und dem Spektakel vorne zusah. Nebenher drangen immer wieder dezente Flüche ins eigene Ohr, die dem Schwarzhaarigen zusehendst versicherten, dass Cartman sich besser mit spitzen Bemerkungen zurückhalten sollte, sofern er nicht eine Faust küssen wollte. Einem war sowieso nie klar gewesen, warum sich dieser Kerl immer wieder mit Kyle anlegte, denn dass er ein jedes Mal aufs Neue der Verlierer war, wusste mittlerweile so gut wie jeder.

Die nun eingekehrte Dunkelheit wurde bloß noch von dem Licht des Projektors durchschnitten, auf welchen Eric soeben das erste Bild packte und dann unbeholfen an einem Rädchen rumschraubte, damit der Kurs das Motiv erkennen konnte. Aus unidentifizierbaren Pixeln wurden demnach binnen der nächsten Sekunden Linien, die für allgemeine Verwirrung sorgten, den ein oder anderen Zuschauer den Kopf drehen ließen und auf den vorsichtig vorgetragenen Hinweis hin, das Bild stehe auf dem Kopf, brüllte Cartman lediglich ein „Schnauze! Ich arbeite hier vorne und nicht ihr!".

Das, was sich dann eine weitere Minute später in seiner vollen Pracht an der Wand präsentierte, sorgte dafür, dass Kyle die Ellbogen auf die Tischplatte stützte und dann die Stirn gegen seine Handflächen legte.

„Ich glaub's nicht... Fettarsch hält ein Referat über die Hexenverfolgung! Ich will gar nicht wissen, an welcher Stelle er mich eingebaut hat...!"

Überfragt blieb Stan nichts weiter übrig als bedrückt zu schweigen und sich eine Strähne hinters Ohr zu schieben; das auf dem Bild wundervoll dargestellte, lodernde Feuer, in dessen Mitte eine betende Frau thronte, war eine direkte Inkarnation dessen, was Cartman nur all zu gern mit jeglichen Mitgliedern von Minderheiten tun würden – Kyle eingeschlossen.

„Eric, kann ich aus dieser Grafik schließen, dass du dich mit dem Thema der Inquisition und deren grausamen Urteilen auseinander gesetzt hast?" Mr. Buckley, der sich lässig auf einer der Fensterbänke niedergelassen hatte und seinen Lehrerkalender in den Händen hielt, wirkte positiv überrascht darüber, dass dieser sonst so miese Schüler allem Anschein nach tatsächlich ein einziges Mal auf ihn gehört hatte. Sogar die Menge an Unterlagen schien zu beweisen, dass sich Eric wahrhaftig ausführlich mit dieser Thematik befasst haben musste, allerdings ließ die auf die Frage hin gegebene Antwort den Mann einen frustrierten Laut ausstoßen.

„Ja, aber die Urteile waren nicht grausamen, sondern in jedem Falle vollkommen gerechtfertigt! Die katholische Kirche hat nämlich nichts weiter getan, als all jene zu bestrafen, die sich mit dem Teufel eingelassen haben. Das waren größtenteils Frauen, die der Hexerei überführt wurden. Aber es gab natürlich auch Hexer und ganz besonders verdächtig waren Menschen mit außergewöhnlichen Malen und... roten Haaren."

„Cartman...!" Die wütende Anfuhr hatte ihren Ursprung direkt neben Stan, welcher die Lider schloss und eine Katastrophe kommen sah – und dafür brauchte es keine Teufelskräfte, sondern lediglich Menschenkenntnis. In seinem besten Freund kochte das Blut nämlich unlängst, woran dieser himmelsgleiche Blick, den der Referierende Kyle von Zeit zu Zeit zusandte, nicht unschuldig war. Einem graute es davor, die Lider wieder zu öffnen und dennoch konnte Stanley nicht anders, als seine Aufmerksamkeit von seinem Tischnachbarn zu Eric und wieder zurück wandern zu lassen. Zwischen den beiden schienen sich die Gewitterwolken ausgebreitet zu haben und ihre tosenden Ausgeburten wetzten zwischen ihnen ebenso eifrig hin und her wie die Blicke.

„Tut mir leid, Kyle. Wir wollen es doch nicht leugnen: damals wärst du direkt auf dem Scheiterhaufen gelandet. So als rothaariger Jude, der sich dem Teufel verschrieben hat, um-."

Weiter kam Cartman nicht mehr in seinen beleidigenden Ausführungen, da der anderen Junge wie von der Tarantel gestochen von seinem Stuhl aufsprang und im nächsten Moment nach vorne stürmte. Der Lehrer war genauso schockiert von der Situation wie der Rest des Geschichtskurses und stierte wie hypnotisiert die aus dem Ruder geratene und soeben beginnende Schlägerei seiner Schüler an, wollte Einspruch erheben und seine Autorität spielen lassen, wurde aber vorher von einem beißend lauten Kreischen davon abgehalten.

Im Affekt hatte Stan mit dem Kopf geschüttelt; ja, so hörte es sich an, wenn Cartman eins auf die Nase bekam und dementsprechend nun wie eine Sirene heulte. Jedoch war der akustische Hintergrund nicht das altbekannte, rechthaberische Geplärre von Kyle, welches Stanley seit Jahren auswendig kannte, sondern wirkte weitaus wehleidiger. Verbissen probierte man demnach, zwischen den vorne am Pult sich gegenseitig traktierenden Gliedmaßen etwas zu erkennen, leckte sich nervös über die Lippe und reckte den Hals, was endlich ermöglichte, zu erhaschen, wie der beste Freund sich nun taumelnd von Cartman wegbewegte. Die Hände fummelten verzweifelt in der voluminösen, roten Lockenmenge, indessen die Mütze, die für gewöhnlich dafür verantwortlich war, dass eben diese Haarmenge nicht all zu sehr ins Auge stach, irgendwo auf dem Boden des Klassenzimmers verschollen war.

„Eric, Kyle. Sofort aufhören!" Endlich konnte sich Mr. Buckley aus seiner Starre lösen und wies Clyde dazu an, das Licht wieder anzumachen. Grell stach die künstliche Beleuchtung im ersten Moment in den Augen aller Anwesenden, ließ verstärkt blinzeln und dann intensivierte sich die enorme Welle des geflüsterten Getuschels im Raum. Ein Getuschel, welches sich allem voran auf die sonst so gut versteckte Frisur des Rothaarigen konzentrierte, der sich in etwa so begafft vorkam, wie ein seltenes Tier im Zoo.

„Oh... fuck...!" Den eigenen Lippen entwich, was Kyle laut seiner Miene gerne gesagt hätte, aber ohnehin in dem nachhaltig anhaltenden Geheule von Eric untergegangen wäre. Dieser hielt sich nämlich wie eine Primadonna eine Hand vor die Nase, rief nach seiner Mami und war trotzdem nicht halb so spektakulär wie der andere Teilnehmer der kurzen Prügelei. Der Teilnehmer, in dessen leuchtend roten Locken ein neongelbes Kaugummi pappte, welches mit jedem noch so hitzigen Versuch, es zu entfernen, lediglich besser fest zu kleben schien. Wie auch immer Cartman das geschafft hatte, Stan hätte ihm dafür gerne ebenfalls ein paar deftige Kinnhaken verpasst. Erst recht, als sich Kyle urplötzlich in Bewegung setzte und aus dem Raum stürmte. Über die Flut an Lästereien hinweg konnte der Schwarzhaarige die den Gang entlang rennenden Schritte immer leiser werden hören, spürte einen plötzlichen Impuls in sich aufkeimen und spurtete keine Sekunde später ebenfalls aus dem Klassenzimmer. Irgendwo im Hinterkopf erlosch die einen ermahnende Stimme des Lehrers mitsamt Cartmans übertriebenem Geflenne und dass Stanley vollkommen richtig mit seiner Vermutung gelegen hatte, bewies die noch leicht schwingende Türe der Jungentoilette.

Tief durchatmend zügelte man sein Tempo, vernahm das Plätschern von Wasser und schummelte sich schließlich in den hässlich gekachelten Raum hinein.

„Kyle...?" Obwohl man den Gleichaltrigen genauestens dabei beobachten konnte, wie er sein Bestes tat, um mit Hilfe von Wasser seine Frisur zu retten, erhielt man keine Antwort von diesem. Stattdessen genügte es Stan, als er flüchtig Aussicht auf das Gesicht seines Freundes erhielt und die unsichtbaren Tränen in dessen Augen brennen sah. Seit je her waren diese auffälligen Haare Kyle zuwider gewesen; seit je her hatte er sie unter Mützen versteckt und seit je her hatte man es nicht nachvollziehen können. Denn wann immer sich die Gelegenheit bot, hatte man die kräftigen Locken angestarrt und nur schwerwiegend dem Drang, sie einmal anzufassen oder um die Finger zu wickeln, widerstehen können. Bloß war es niemals möglich gewesen, Kyle dies zu beichten, da dieser sich garantiert recht verarscht vorkommen würde und das wiederum die Blamage für die eigene Person nur zusätzlich zuspitzte.

„Soll ich-?"

„Nein!"

Stan hatte sich kaum zwei Schritte auf seinen Freund zu bewegt, als dieser ihm barsch das Wort abschnitt und abermals alles daran setzte, die klebrigen, gelben Fäden aus den Locken zu reißen. Die dabei verwendete Gewalt tat einem schon beim bloßen Zusehen weh; allerdings schien in Kyles Körper momentan viel zu viel Adrenalin durch die Blutgefäße zu preschen, als dass diesem der Schmerz sonderlich bewusst wurde - an erster Stelle stand nach wie vor der immense Ärger und die peinliche Situation vor dem versammelten Geschichtskurs.

Ein weiteres Mal schauten die blauen Augen nun dabei zu, wie sich der andere Junge tief genug herabbeugte, damit das aus dem Hahn laufende Wasser sein Haar erreichte und Stans Ansicht nach so gut wie wirkungslos über das Kaugummi floss. Vielleicht war es tatsächlich ein Fehler gewesen, Kyle hinterher zu rennen; mit einem beklemmenden Gefühl in der Magengegend stand Stanley tatenlos daneben und schluckte gegen einen aus dem Nichts aufgekommenen Kloß im Halse. Was einen verunsicherte war nicht eventueller Ärger von Seiten des Lehrkörpers, wenn man diesem das nächste Mal begegnete, sondern die Befürchtung, Kyle würde sauer auf einen sein – warum auch immer, denn im Grunde genommen bot man ihm keinen Grund dazu. Abgesehen natürlich von der derzeitigen Anwesenheit und dem stupiden Betrachten seiner Tortur. Und Demut war eine Emotion, die wohl kein Mensch sonderlich gerne teilte – unabhängig davon, mit wem.

„Zur Hölle mit Cartman...!"

Man war sich nicht sicher, ob man den Satz richtig verstanden hatte; zu leise war das erboste Grummeln dem Rothaarigen entwichen. Was Stan allerdings zweifellos sagen konnte, war, dass sich der andere Anwesende zusehendst mehr Haare ausriss und trotzdem nicht besonders viel an dem misslichen Klumpen Kaugummi änderte.

„Alter, hör auf damit!" Entsetzt wurde nun der Abstand zueinander überbrückt und probiert, selbst das gelbe Ungetüm zu fassen zu bekommen, was schwieriger war als erwartet. Anstatt still zu halten, drehte sich Kyle nämlich halb herum, verlagerte seine schlechte Laune auf einen und wirkte unterm Strich dennoch furchtbar verzweifelt.

„Sag mir verdammt noch mal nicht, was ich tun soll!"

„Du bist aber auf dem besten Weg, dir sämtliche Haare auszureißen!"

„Na und? Es sind meine Haare und sie sind eh total für'n Arsch!"

Für gewöhnlich wäre das der Zeitpunkt, sich angenervt zu verdrücken und Kyle die Möglichkeit zu geben, sein überschüssiges Aggressionspotential mitsamt seines hitzigen Temperaments versiechen zu lassen; bedauerlicherweise konnte sich der schwarzhaarige Junge aber nicht einfach davon stehlen, da die Frisur des anderen sonst lediglich noch einem gerupften Huhn gleichkäme. Und was das wiederum bedeutete, darüber war sich Kyle eindeutig nicht im Klaren.

„Laber' nicht so 'nen Scheiß! Und jetzt lass mich endlich machen...!" Obwohl sich Stan nur in äußerst seltenen Fällen dazu genötigt sah, grob zu werden, klammerte er nun die Hände in die Schultern seines Gesprächspartners und zwang diesen mit entsprechendem Krafteinsatz in die für ihn richtige Position. Deutlich war zu spüren, wie sich die Muskeln in Kyles gesamten Körper bei der Aktion anspannten und dennoch entwich diesem nicht mehr als ein pampiges „Hey!", weil er solch rabiates Vorgehen schlicht und ergreifend nicht erwartet hatte.

Der Spiegel, dank dem Stan den Gesichtsausdruck seines Freundes weiterhin im Auge behalten konnte, obwohl dieser mit dem Rücken zu ihm stand, erwies sich als äußerst praktisch im Moment. Denn kaum waren einige Sekunden in eisigem Schweigen verstrichen, schienen sich Ansätze der Reue in Kyles Mimik zu manifestieren, deren Auftakt bereits die hängenden Schultern machten, von denen man mittlerweile abgelassen hatte, um sich dem eigentlichen Feind zu widmen.

Den Mund zu einem dünnen Strich verziehend begannen die Finger damit, die klebrige Masse Zentimeter für Zentimeter aus den Locken zu pulen. Um letztere bei der Übung nicht mit auszureißen, versuchte Stan sie möglichst weit am Ansatz festzuhalten. So in etwa musste es seine Mutter immer bei seiner älteren Schwester Shelly gemacht haben, die in ihrer Kindheit stets irgendwelche ätzenden Zöpfchen getragen hatte und beim Kämmen mit Vorliebe das ganze Haus zusammenschrie. Doch selbst diese Methode des eigentlich Schmerzen vermeidenden Vorgehens ließ Kyle gelegentlich zusammenzucken und sich wehtuend auf die Unterlippe beißen. Allein das war Auslöser genug, damit sich Stan schwor, Cartman bei nächstbester Gelegenheit ein Beinchen zu stellen, sodass die gehässige Fettschwarte vor allen auf die Nase flog. Dieser Krieg, den Eric und Kyle seit Jahren führten, hatte doch nichts mehr mit freundschaftlichem Necken zu tun; rückblickend wurde einem dies zusehendst bewusster. Es mochte ja sein, dass sich immer wieder über Cartmans Gewicht lustig gemacht wurde, doch das tat jeder Mensch in South Park und es war wohl in keiner Weise mit den menschenverachtenden Sprüchen zu vergleichen, die Kyle sich im Gegenzug dazu anhören musste...

„Cartman ist so tot, wenn ich ihn erwische...! So eine Sauerei; was ist das für Kaugummi? Enthält das Sekundenkleber?" Sich selbst immer weiter in Rage redend, gelang es Stanley endlich, etliche Fäden aus dem Durcheinander von nassen Locken zu ziehen und an den Rand des Waschbeckens zu schmieren. Das Ganze kostete zusätzliche Zeit, da die gelbe Pampe sich auch schon gar nicht mehr von Stans Fingern trennen wollte, kaum dass sie diese einmal in Beschlag genommen hatten.

„Scheiße, Mann! Ich glaub, das Wasser hat's nur schlimmer gemacht..." Während man noch dabei war, eine angewiderte Grimasse zu ziehen, fiel einem erstmalig auf, wie still das eigentliche Opfer sich verhielt. Demnach kontrollierend suchten die blauen Augen den Spiegel auf, welcher die niedergeschlagene Stimmung Kyles erneut bestätigte. Dessen Aufmerksamkeit schien auf einem unsichtbaren Punkt im Waschbecken zu ruhen, indessen ein glasiger Film das grüne Augenpaar zum Glänzen brachte.

„Ich krieg' das schon wieder hin, keine Sorge, Kyle..." Symbolisch streifte Stan abermals Kaugummireste am Waschbeckenrand ab und versuchte, sowohl aufmunternd zu klingen als auch den Ansatz eines Lächelns hervorzukramen. Beides schien nicht bis zu seinem Freund durchzudringen und in der Erinnerung passierten Szenen der Vergangenheit Revue. Szenen, in denen der Schulfotograf alle Kinder knipste und jedes Jahr aufs Neue von Kyle verlangte, er möge doch seine Mütze abziehen, um „natürlich" oder „normal" zu wirken. Szenen, in denen einige Mädchen darüber tratschten, wie unattraktiv sie rotes Haar fanden und das nicht unbedingt unbeabsichtigt in einer Lautstärke, die auch zwei Reihen weiter erlaubte, jede Silbe zu verstehen. Szenen, in denen Kyle bei einem übernachtete und seine Mütze erst auszog, wenn man das Licht zum Schlafengehen gelöscht hatte. Szenen, von denen es viel zu viele gab... Dabei waren es bloß Haare!

Unbewusst erlaubte sich Stan die feine Struktur der einzelnen Löckchen zu ertasten, derweilen er erneute Fäden entfernte und gleichzeitig erstmalig den Geruch des anderen Jungen zwischen dem sterilen Putzmittelgestank der Toiletten aufspüren konnte. Eventuell boten andere Leute Kyle tatsächlich Grund genug, seine Haare zu hassen; eventuell hätte man ihm einmal etwas Positives entgegenbringen sollen diesbezüglich, was mehr war als ein lapidar dahergesagtes „So schlimm sind sie doch nicht.". Doch in Anbetracht des übereifrigen Herzschlages in der eigenen Brust hatte sich Stan einfach nicht getraut; ebenso wenig wie er sich traute, seinem Freund zu nahe zu kommen oder diesen auffällig lange anzuschauen. Denn gäbe man diesem inneren Drängen einfach nach, könnte man sich so schnell verraten. Und eine Freundschaft, in der der eine in den anderen verschossen war, war so ziemlich das Kompliziertes in Stanleys abstruser Gedankenwelt. Selbst jetzt wusste der Schwarzhaarige nicht mal, wie es überhaupt jemals so weit kommen konnte. Schließlich war er in der Grundschule sogar viele Monate mit Wendy zusammen und am Boden zerstört, als diese ihn von einem Tag auf den anderen abschoss. Kyle hatte einem zu jenem Zeitpunkt gesagt, man müsse sich zusammenreißen, denn das Leben würde weitergehen. Danach hatte man sich mit ihm gestritten und irgendwann erkannt, dass er recht hatte.

Mit keinem anderen Menschen hatte man so viel durchgemacht wie mit dem besten Freund; für niemand anderen würde man so viel tun und niemand anderes hatte einen jemals so verzweifelt weinen lassen, als man glaubte, ihn im Alter von acht Jahren zu verlieren. Die Hilflosigkeit und Leere, die ein Leben ohne Kyle beinhaltete, war einem seither zusehendst deutlicher geworden. Und genau deswegen war es unmöglich von den Bedürfnissen zu sprechen, die in Stans Magen paddelten wie kleine Bötchen auf einem weiten See: das Bedürfnis, Kyle immer nahe zu sein; das Bedürfnis, ihn zu berühren; das Bedürfnis, ihn zu küssen; das Bedürfnis, ihm alles zu sagen; das Bedürfnis, für ihn dieselbe Bedeutung zu haben;...

Doch all diese Bedürfnisse durften niemals ans Tageslicht kommen; andernfalls würde Kyle bestimmt auf Distanz gehen und das konnte man definitiv nicht ertragen. Dann war es doch besser, jeden Morgen im Bus ein paar lausige Minuten Schlaf nachzuholen und seine Schulter als Kissenersatz missbrauchen zu dürfen. Es war auch besser, mit ihm ewig lange Videospiele zu zocken, anstatt sich den Graus auszumalen, welcher Kyles Miene dominieren würde, sofern er von der heimlichen Schwärmerei erfuhr. Theoretisch hatte Stan sehr viel; die Wahrheit würde ihm hingegen auf brutale Art all jenes einfach unter den Füßen wegziehen und ihn in ein bodenloses Loch fallen lassen...

„Brauchst du doch 'ne Schere?"

Die Frage riss einen aus den Überlegungen und ließ entsprechend aufschauen; der Spiegel konfrontierte einen mit dem traurigen und doch tapferen Lächeln des anderen Jungen. „Ich dachte nur, weil du nicht weitermachst..."

„Äh, nein-nein. Geht schon." Hastig widmete sich Stan wieder mit ganzem Einsatz seiner eigentlichen Aufgabe, spürte eine erniedrigende Röte auf seinen Wangen brennen wie mit Benzin genährtes Feuer und befürchtete, jetzt sogar unter zitternden Fingern zu leiden. Was zum Teufel hatte er vorhin gemacht? Hatte er tatenlos einfach nur dagestanden und Kyle angestarrt? So wie er es gelegentlich heimlich beim Fernsehen tat und letztlich kaum etwas vom Programm mitbekam?

„Autsch!" Der Klagelaut ertönte kongruent zu dem erfolgreichen Zupfen am Kaugummiballen, welchen Stan mit halbherzigem Stolz daraufhin präsentierte.

„Sorry, Alter, aber das Schlimmste hast du jetzt hinter dir." Abermals aufbauend wurden noch einige gelbe Überreste aus den Locken entfernt und diese dann für gerettet eingestuft. Der dicke Kaugummiflatschen auf dem Waschbeckenrand verriet durch seine alleinige Größe mindestens ein halbes Päckchen zu umfassen, was die Vermutung, Cartman habe die gesamte Aktion geplant, bestätigte.

„Jetzt riechst du nur noch nach tropischem Früchtemix... und Cartmans abartigem Mundgeruch..." Letzteres hätte man sich all zu gerne verkniffen, strich jedoch abschließend noch einmal über die trotz Feuchtigkeit noch immer voluminöse Haarpracht und grinste versöhnend. Jedoch kam sich Stan wie eingefroren vor, als er bemerkte, wie der andere Junge ungläubig den Kopf drehte, um den Erfolg im Spiegel zu betrachten, und sich anschließend ganz herumwandte, sodass man sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand. Die demnach wie aus dem Nichts durch einen strömende Nervosität sorgte dafür, dass die Pupillen unbeholfen sprangen: von Kyles Augen auf den Fußboden, von seinen Haaren auf seine Lippen und wieder zurück zu seinen Augen. Doch wahrlich beklemmend war neben der Gewissheit, von Neuem knallrot anzulaufen, das schwüle Luftgemisch, welches sich aus dem ausgestoßenen Atem beider Jungen zusammensetzte und von dem Stan sich erdrückt fühlte. Die Hitzeteilchen schienen all die Bedürfnisse, die er stets in sich einsperrte, mit voller Energie lospreschen zu lassen; aus dem eben noch in den Fingern liegenden Zittern war ein Zucken geworden und doch konnte es nicht auffällig genug sein, um von Kyle entdeckt zu werden.

Dieser leckte mit der Zungenspitze einmal über seine trockenen Lippen, schien plötzlich nicht minder schüchtern und linste verstohlen zwischen dem gelben Kaugummirest und seinem Gegenüber hin und her.

„Danke... Kannst du mir vielleicht noch 'nen Gefallen tun, Stan?"

„Alles, was du willst." Für die eigenartige Euphorie hätte man sich noch während des Sprechens gerne selbst geohrfeigt, unterließ es allerdings, um seltsame Kommentare und Blicke zu vermeiden. Stattdessen hoben sich Kyles Mundwinkel ein Stückchen, als dieser deutlich zufrieden über die positive Resonanz fortfuhr.

„Kannst du mir meinen Rucksack nachher vorbei bringen? Ich geh nach Hause, ich brauch 'ne vernünftige Haarwäsche und so..."

Mit Hilfe eines Nickens bestätigte Stan, um nicht wieder einen höchst dämlich klingenden Satz auszustoßen und verlagerte unbemerkt sein Gewicht von einem Bein aufs andere. Nach dem Spektakel hätte man selbst auch keine sonderlich große Lust mehr auf die Schule und die Aussicht, nach Unterrichtende den Rest des Tages mit dem besten Freund zu verbringen, ließ selig schmunzeln.

„Okay, bis später."

Die Stimme wirkte nach wie vor deprimiert, weswegen Stan unüberlegt doch noch etwas nachschob:

„Glaub mir, deine Haare sind nun echt nicht sooo schlimm."

Es war ein Fehler; es war ein Fehler diese Worte zu benutzen und es war erst recht ein Fehler, ihnen die routinierte Betonung einer Beiläufigkeit zu geben. Kyle war mit der Türklinke in der Hand stehen geblieben, scannte einen mit Hilfe eines Blicks über die Schulter und rümpfte letzten Endes seine Nase auf eine für ihn typische Weise. Eine Weise, die deutlich machte, nicht verarscht werden zu wollen.

„Vielen Dank auch, Stan!"

Die Tür schwang wuchtig in ihren Angeln, kaum dass der Rothaarige sie passierte und somit aus dem Sichtfeld seines Freundes verschwand. Was war man nur für ein Idiot?

Den Kopf hängen lassend stützte sich Stanley auf das Waschbecken und bemitleidete sich selbst, während er sich zur gleichen Zeit verfluchte. Wie konnte er nur schon wieder mit diesem Standartspruch ankommen? Was waren das für beschissene Gefühle, deretwegen er beinahe durchdrehte, wenn er dem jüdischen Jungen so nahe kam? Vielleicht ahnte dieser ja auch schon, was man für ihn empfand – oder woher rührte diese drückende Atmosphäre zwischen ihnen, als ihre Gesichter vor knapp zwei Minuten bloß noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren?

Verdrießlich fixierte man den Kaugummi und beneidete das Ding sogar glatt darum, im wahrsten Sinne des Wortes an Kyle geklebt zu haben.

Ende des 1. Kapitels