Ich war hoffnungslos verloren. Wirklich. Ich hatte bis jetzt nie verstanden warum jeder kleine Kinder so süß und knuffig fand, aber wenn ich jetzt diesen unschuldigen, fröhlichen und lieben Blick von ihr sah, konnte ich es komplett nachvollziehen. Ihre großen, braunen Augen verstärkten diese Wirkung noch. Besonders wenn sie mich so wie in diesem Moment ansah. „Edwaaaad! Kannst du mich tragen?", fragte sie. Ich wollte nein sagen, da ich angst hatte ihr weh zu tun, wenn ich sie aus versehen zu fest hielt, aber ich konnte diesem Blick einfach nicht widerstehen. Also kniete ich mich wieder vor sie. Das reichte schon und sie warf sich praktisch in meine Arme. Wäre ich ein Mensch, wäre ich wahrscheinlich erstickt, so fest hielt sie sich an meinem Hals fest. Ich hob sie hoch und trug sie aus dem Auto zu unserem und jetzt auch ihrem zu Hause.

Flashback

Ich kam grade von der Jagd zurück nach Hause, als ich Alice's Gedanken hörte. Und was ich hörte schockte mich. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um ihre geistige Gesundheit. Sie wollte ein menschliches Kind adoptieren? Und wieso machte sie schon Pläne für ein Kinderzimmer! War ihr denn nicht klar wie gefährlich das für das Kind war! Oder uns, da wir unser Geheimnis wohl kaum vor einem kleinen Kind, das auch noch bei uns wohnte, behalten konnten. War sie sich darüber im Klaren, was sie für ein Risiko eingehen wollte? Ich konnte ja den Drang von ihr, Rosalie und Esme, dass sie Kinder haben wollten nachvollziehen, aber ging das nicht etwas zu weit?

Kurz darauf nahm ich dann die Gedanken von allen anderen wahr. Anscheinend war die Adoption schon beschlossene Sache. Wieso wurde ich nicht mit in die Diskussion einbezogen? Ich musste zugeben, dass ich leicht sauer war. Ich trat ins Wohnzimmer und sah jeden einzelnen von ihnen strafend an. Ich war sauer und sie sollten es wissen. Wieso wurde so etwas wichtiges beschlossen, wenn ich als einziger nicht da war? „Adoption?", fragte ich. „Ja!", fing Alice sofort an, „Rosalie, Esme und ich haben ehrlich gesagt schon länger darüber nachgedacht, jedenfalls immer dann, wenn du nicht da warst, und grade eben wieder und diesmal haben wir aber entschieden mit euch Männern darüber zu reden, weil wir wirklich, wirklich, wirklich ein kleines Kind in unserem kleinen Haushalt vermissen, also das heißt Esme hat mit Carlisle, Rosalie mit Emmett und ich habe mit Jasper darüber geredet und alle sind einverstanden und wir wollten dich fragen, wenn du wieder hier warst, aber ich konnte mich einfach nicht davon abhalten darüber nachzudenken, also..." „Alice. Schon okay. Ich hab's verstanden. Und alle sind dafür?" Als jeder nickte äußerte ich meine Bedenken. „Wäre das nicht ein bisschen...unvorsichtig?"

Carlisle antwortete mir. „Darüber haben wir auch schon nachgedacht. Wenn wir alles richtig machen, und das Kind richtig erziehen, wird es unser Geheimnis schon nicht verraten. Und die Sache mit den Volturi... Aro schuldet mir noch einen Gefallen. Ich denke es ist an der Zeit, dass ich ihn einlöse." Ich war fassungslos. Aber mir fiel kein Gegenargument mehr ein. Genaugenommen hatte ich nichts gegen Kinder. Ich konnte nur nie viel mit ihnen anfangen bzw. ich war mir sicher, dass ich komplett unfähig war mit ihnen umzugehen. Aber das war wohl allein mein Problem. Also stimmte ich zu.

Esme, Carlisle und ich fuhren dann auch sofort nachdem ich mich umgezogen hatte zum nächsten Kinderheim. Ich fand das zwar ein bisschen plötzlich, aber im Moment hörte ja sowieso keiner auf mich. Ich fragte mich nur, warum ich unbedingt mitkommen musste. Das Kinderheim sah ziemlich runtergekommen aus. Auch wenn ich nicht unbedingt dafür war, ein Kind zu adoptieren, tat es mir Leid, dass wir doch nicht alle mit nach Hause nehmen konnten. Von innen sah das Gebäude genauso runtergekommen aus wie von außen. Carlisle dachte auch schon daran zu spenden. Carlisle und Esme kümmerten sich um alles Mögliche, um was man sich eben beim ersten Besuch im Kinderheim kümmern musste, während ich die Kinder beim spielen beobachtete.

Mir fiel ein kleines Mädchen auf. Sie konnte nicht älter als vier sein und trotzdem saß sie alleine mit ihrem Teddy auf dem Schoß in der Ecke und sah aus dem Fenster. Die Kleine sah unglaublich traurig aus. So deprimiert zu sein konnte für so ein kleines Kind bestimmt nicht gesund sein. Ich hörte, wie sich andere, etwas ältere Kinder über sie lustig machten und sie offen beleidigten. Aus irgendeinem Grund machte mich das ziemlich wütend. Ich machte ein paar Geräusche, als ich weiter in den Raum trat und hatte sofort die Aufmerksamkeit von allen, auch von dem Mädchen am Fenster. In dem Moment fiel mir wieder ein, dass ich eigentlich gar nicht mit Kindern umgehen konnte.

„Sind Sie hier um einen von uns zu adoptieren?", fragte einer von denen, die das Mädchen mit dem Teddy geärgert haben. 'Warum sonst', dachte ich mir. „Ja, das bin ich." Das Mädchen sah wieder desinteressiert aus dem Fenster. Das wunderte mich etwas. Wollte nicht normalerweise jeder aus dem Heim raus? Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass ich ihre Gedanken nicht lesen konnte. Ich zwang mich, nicht in diesem Moment darüber nachzudenken, und konzentrierte mich auf die Gedanken der anderen Kinder. Die meisten hofften, dass sie die Auserwählten wären, aber es gab auch ein paar Kinder, die sich trotz allem Gedanken um das Mädchen machten. Ich konnte ihnen entnehmen, dass sie sie gruselig fanden, größtenteils weil sie sie nicht verstanden und weil sie anscheinend nie mit irgendwem spielte wollte, wann sie gefragt wurde und immer alleine war. Außerdem fanden sie ihre ganze Art komisch, also behandelten sie sie wie einen Freak. 'Passt doch zu uns", dachte ich.

Ich ging auf das Mädchen zu und hockte mich vor sie. Sie sah mich mit großen, braunen Augen an. „Hey, darf ich mich zu dir setzen?", fragte ich. Ich hoffte ich machte mich gerade nicht zum Affen – das war schließlich Emmetts Aufgabe. Sie nickte schüchtern und sah mich sogar etwas misstrauisch an. „Wie heißt du denn?" „...Bella", sagte sie so leise, dass ich sie nicht gehört hätte, wenn ich ein Mensch wäre. „Bella?", fragte ich nach. Das war doch ein etwas ungewöhnlicher Name. Die Kleine wurde rot. Wie knuffig. „Also...eigentlich Isabella...aber ich mag Bella mehr", erklärte sie. „Aha. Und wie alt bist du, Bella?" Ich wusste, dass wir Vampire unterbewusst Angst bei Menschen auslösten, weshalb ich versuchte meinen Blick so sanft wie möglich zu machen. „Drei...ähm...vier..." Huh? Wieso musste sie sich denn korrigieren? Sie konnte anscheinend meinen Blick gut deuten, was ich ziemlich verwunderlich fand, und erklärte, dass sie gestern Geburtstag hatte. Ich wünschte ich alles Gute nachträglich. Daraufhin sah sie mich verwundert an, so als hätte ihr kein anderer gratuliert.

Ich versuchte das Thema zu wechseln. „Wer ist das denn?", fragte ich und deutete auf ihren Teddy. „Das ist Teddy. Er tröstet mich immer, wenn mich wieder jemand geärgert hat", erklärte sie und lächelte das erste Mal seitdem ich sie gesehen hatte. Ich wollte sie grade weiter ausfragen, als sie den Spieß plötzlich umdrehte. „Wie heißt du eigentlich?", fragte sie auf einmal. Sie war wohl etwas mutiger geworden. Das war gut. „Stimmt. Wie unhöflich von mir. Ich bin Edward", stellte ich mich vor und nickte leicht mit dem Kopf, so wie man das eben zur Begrüßung macht. Sie kicherte daraufhin. „Edwad? Das ist ja ein lustiger Name. Ich mag ihn." Aus irgendeinem Grund konnte ich ihr einfach nicht böse sein. Und dass sie meinen Namen ein bisschen falsch aussprach übersah ich auch einfach mal. „Wie alt bist du, Edwad?" „Ich bin 17." Ich musste grinsen. Versuchte die Kleine etwa grade mir nachzumachen? „Edwad? Weißt du was?", flüsterte sie. Ich antwortete daraufhin auch flüsternd. „Nein, was denn?" „Ich mag dich!", sagte sie und wurde ein bisschen rot um die Nase. Ich hatte es irgendwie im Gefühl, dass sie diesen Satz nicht oft sagte. Ich lachte leise. „Ich dich auch", antwortete ich. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich mit einer 4-jährigen so gut verstehen würde.

„Edward!" Ich sah zu Carlisle und Esme, die mich amüsiert beobachteten. Oops, das war mir gar nicht aufgefallen. Ich grinste etwas verlegen. Eigentlich war es ja meine Aufgabe in den Gedanken von anderen Ausschau zu halten, ob uns jemand verdächtigte. Irgendwie hatte ich das für einen kurzen Moment vergessen. „Willst du uns vielleicht jemanden vorstellen?", grinste Carlisle und kam mit Esme auf mich zu. Ich stellte mich automatisch hin. Grade als ich anfangen wollte zu reden, spürte ich etwas an meinem Bein. Bella hat sich halb hinter mir versteckt und hielt sich an meiner Hose fest, als sie jetzt wieder schüchtern zu meinen „Eltern" hinaufblickte. Ich musste grinsen. „Carlisle, Esme, darf ich vorstellen, das ist Bella", sagt ich. Darauf ging ich zur Seite, so dass sie Bella auch sehen konnten. Allerdings stellte sie sich schnell wieder hinter mich. Ich lachte leicht und hockte mich wieder zu ihr. „Bella? Das sind meine Eltern Carlisle und Esme. Es würde mich sehr freuen, wenn du ihnen „hallo" sagen würdest", erklärte ich. Sie sah mich sehr unsicher an, nickte aber.

Ich dachte mir, sie würde sich unwohl fühlen, wenn sie zu uns allen hoch gucken müsste oder wir uns alle bücken müssten, also hob ich sie einfach kurzerhand hoch. Sie quiekte kurz, wahrscheinlich weil sie nicht damit gerechnet hatte, aber sie protestierte nicht. „Hallo", sagte sie und winkte kurz dabei. „Hallo, Bella. Es freut uns sehr dich kennen zu lernen", sagte Esme. Bella wurde daraufhin wieder rot und drückte sich etwas näher an mich, was mich doch ziemlich verwunderte. Sie schien sich doch ziemlich wohl bei mir zu fühlen. Ich hätte es in meiner ganzen Existenz nie für möglich gehalten, dass sich ein kleines Kind mal bei mir wohlfühlen würde. Irgendwie freute mich das aber.

Die Entscheidung, wen wir adoptieren würden, stand also schon mal fest.

Es dauerte auch nicht lange, bis alles Mögliche geklärt war und wir Bella sofort mit nach Hause nahmen. Ich vollständiger Name lautete jetzt Isabella Marie Cullen.

flashback ende