Ich war ganz aufgeregt! Es war der erste Schultag meines zweiten Highschooljahres, was bedeutete, dass es wieder viele neue Möglichkeiten, neue Schüler und neue Clubmitglieder gab! Ich selbst war im Theater-Club und uns mangelte es, wie mir gesagt wurde, jedes Jahr an männlichen Mitgliedern, weil die meisten Kerle der dämlichen Meinung waren, dass nur schwule Typen Theater spielen würden. Was für Idioten. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Ich persönlich fand Kerle, die Theater spielten, einfach nur genial! Ich meine, was ist denn besser, als ein Künstler, der sich in alle möglichen Leute und Situationen hineinversetzen konnte? Außerdem kannte man als Schauspieler im Theater viele gute alte Theaterstücke, was bedeutete, dass man sehr gebildet war! Oh, ich himmle Kerle an, die gebildet sind! Aber leider ist unser Star-Schauspieler seit diesem Jahr nicht mehr in unserer Theatergruppe, da er letztes Jahr seinen Abschluss gemacht hat… Traurig, er sah so unfassbar gut aus und war auch noch so toll im Schauspielern!
Seufzend setzte ich mich in Bewegung zu unserem Clubraum, oder besser gesagt zu unserer Clubhalle, da wir einen der größten Räume in der Schule für unseren Theaterclub zur Verfügung hatten. Ältere Mitglieder haben mir letztes Jahr erzählt, dass wir erst seit fünf Jahren eine fest aufgebaute Bühne in diesem Raum hatten, davor mussten die Clubmitglieder sie vor einer Vorstellung immer selbst aufbauen und nachher wieder abbauen.
Als ich die Tür öffnete, begrüßte mich Naruto lautstark. „Sachi-chan!", rief er, „Hallo! Ich freue mich, dass du dieses Jahr auch wieder in unserem Club bist!" Er grinste mich breit an, kam zu mir und nahm mich in die Arme. Naruto liebte, wie alle in diesem Club, Körperkontakt, was fürs Theaterspielen aber wirklich nützlich war, immerhin ging es beim Schauspielen ja viel um Kontakt, ob verbal oder physisch.
„Hallo, Naruto-kun! Ich freue mich auch, euch alle wieder zu sehen und wieder in diesem Club sein zu dürfen! Wie sieht's aus? Wann rekrutieren wir neue Mitglieder?", ich grinste meine Freunde an. Heute sollte der Tag sein, an dem wir uns bei den Erstklässlern nach Frischfleisch umsahen und hoffentlich ein paar Fische an Land ziehen würden!
„Wir sollten uns schon mal die Zettel schnappen und raus auf den Hof gehen! Nicht, dass die anderen Clubs uns die Leute vor der Nase wegschnappen!", Suki nahm einen Stapel Papier und drückte jedem von uns noch jeweils einen in die Hand, „Auf ins Gefecht!"
Hoch motiviert machten wir uns zum Hof auf und suchten dort nach unserem Platz, unserem Tisch, an dem drei von uns sitzen und Leute anwerben würden, wobei alle anderen herumlaufen und Erstklässler direkt ansprechen würden. Hoffentlich würde unsere Ausbeute dieses Jahr besser, als in dem vergangenen. Ich war eine von vier Mädchen gewesen, die dem Club beigetreten waren, aber zwei der Mädchen haben nach wenigen Wochen den Club wieder verlassen. Und neu hinzugekommene Jungs hatten wir letztes Jahr nicht, was wirklich schade war. Aber wir gaben alle die Hoffnung nicht auf, dass es dieses Jahr anders werden würde! Ja, dieses Jahr würden wir sicher mehr Mitglieder bekommen und auch Jungs!
„Sie kommen, haltet euch bereit!", Suki sah zu mir und Tsuyoshi herüber. Wir drei saßen am Tisch und redeten mit Leuten, die auf uns zukamen, vermerkten ihre Namen und Klassen und hofften auf das Beste.
Die Zeit verging wie im Flug, wir konnten einige Namen von Interessenten aufschreiben, manche lehnten jedoch ab vermerkt zu werden. Seufzend blickte ich zur Uhr. Noch fünf Minuten, dann wäre all das hier vorbei und wir konnten nach Hause gehen. Ich sah noch auf unsere Zettel und ließ den Kopf sinken. Wir hatten sieben Namen, mehr nicht… Ob uns das reichen würde…?
„Hallo, ich würde gerne meinen Namen auf die Liste setzen lassen", vernahm ich plötzlich eine tiefe Stimme. Moment… Sie gehörte einem Jungen! Der erste Junge heute, der das sagte! Ich sah auf und erblickte einen schwarzen Haarschopf. Irgendwoher kannte ich den doch…
„Hi, ja, natürlich! Sag mir nur, wie du heißt, dann schreib ich dich sofort auf!", ich lächelte ihn freundlich an. Ich sollte auf keinen Fall neue Kundschaft verscheuchen, das wäre alles andere als gut für uns, vor allem, wenn es sich hier um einen Typen handelte, der nebenbei gesagt auch noch wirklich gut aussah!
Er sah mich erst etwas verdutzt an, ehe er leicht lächelte. „Sasuke Uchiha, ich gehe ins dritte Jahr", seine Stimme war tief und weich. Ich war mir sicher, ich hatte den Namen und die Stimme schon irgendwo einmal gehört, wusste beim besten Willen aber nicht mehr wo.
„Alles klar! Wir würden uns sehr freuen, dich in unserem Club willkommen zu heißen!", ich neigte meinen Kopf nach vorne, dann sah ich wieder zu ihm auf. „Hier hast du das Infoblatt und hier noch einen kleinen Flyer. Komm doch bitte nächste Woche Freitag in diesen Raum, wenn du dem Club beitreten willst!"
Er nahm die Zettel, die ich ihm hinhielt und nickte. „Danke sehr. Ich weiß eure Freundlichkeit zu schätzen. Dann vielleicht bis nächste Woche", er hob zum Abschied die Hand und verschwand wieder in der Menge. Zufrieden seufzend setzte ich seinen Namen auf die Liste.
„Oh mein Gott", kam es tonlos von Suki.
Ich wandte mich ihr zu. „Was ist denn los?"
Sie und Tsuyoshi sahen mich mit großen Augen an. „Wusstest du wirklich nicht, wer das ist oder hast du nur der Form halber nach seinem Namen gefragt?", Tsuyoshi blinzelte mich verwirrt an.
„Ich… äh… wusste es wirklich nicht. Woher denn? Er sagte doch gerade, dass er aus dem dritten Jahr ist. Ich bin im zweiten…", ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf. Hatte ich irgendwas unfassbar Wichtiges verpasst?
„Das ist Sa-su-ke U-chi-ha!", Suki sah mich an, als hätte sie einen Elefanten vor sich, dem sie gerade versuchte, das Sprechen beizubringen, „Er ist der absolut heißeste Kerl an unserer Schule! Jedes Mädchen träumt davon mit ihm zu reden! Keine rechnet damit, dass es jemals passiert und dann sahnst du auch noch ein Lächeln von ihm ab?! Ich kann's nicht fassen! Und er überlegt jetzt auch noch ernsthaft unserem Club beizutreten? Wie kommen wir wohl zu der Ehre?"
Ich musste blinzeln, ich kam gerade überhaupt nicht damit klar, was mir Suki gerade erzählt hatte. Wie, er war ein totaler Mädchenschwarm? War es so außergewöhnlich, dass er auch nur so ein kleines Lächeln zeigte? War es so komisch, dass er mit jemandem sprach?
„Ich hab ihn hergeschickt", Naruto gesellte sich zu uns an den Tisch, „Ich bin ihm über den Weg gelaufen, hab gefragt, ob er schon in einem Club sei und als er nein gesagt hat, hab ich ihn gefragt, ob er nicht unserem Club beitreten will, weil wir so gut wie keine Männer mehr haben. Er ist kurz darauf losgegangen, um sich einschreiben zu lassen."
Sukis Augen schienen nur noch aus Herzen zu bestehen. „Oh, danke, Naruto-kun! Du hast uns unseren einzigen Kerl heute angeworben und dann noch so einen guten…! Ich kann es nicht fassen!", sie seufzte zufrieden, „Das müssen wir feiern! Gehen wir doch mit dem ganzen Club heute Ramen essen! Was sagt ihr dazu?"
„Ramen sagst du?", Narutos Augen begannen zu leuchten, „Ich bin sowas von dabei!"
Tsuyoshi nickte und auch ich willigte ein. Anschließend suchten wir unsere weiteren Clubmitglieder, um ihnen Bescheid zu geben, dass wir noch alle gemeinsam Essen gehen würden. Fröhlich und zufrieden machten wir uns, nachdem wir unsere Sachen aus unserem Clubraum geholt hatten, auf zu Narutos liebsten Laden für Ramen. Wir setzten uns zusammen, bestellten, redeten über die Schüler, die sich nun bei uns eingetragen hatten, aßen und planten, was wir wohl aufführen könnten.
„Da wir jemanden wie Sasuke Uchiha dabei haben, können wir doch ein Märchen oder so aufführen? Mit einem Prinzen oder so!", Suki nickte vor sich hin, in stummem Einverständnis mit sich selbst.
„Oder aber wir spielen etwas von Schiller oder Goethe? Das sind meine absoluten Lieblingsautoren!"
„Nein, spielen wir doch lieber etwas Modernes!"
„Ich will aber etwas Altes!"
„Frühe Moderne?"
„Oder schreiben wir lieber etwas selbst?"
„Wir könnten auch eine Collage machen!"
„Halt, halt, halt!", Tsuyoshi wedelte wild mit den Armen. „Wenn alle so durcheinander reden und wir überhaupt nicht die einzelnen Vorschläge besprechen oder aufschreiben, wie sollen wir dann den Überblick behalten und überhaupt zu einem Ergebnis kommen?"
Alle murmelten in leiser Zustimmung. Gut, dass Tsuyoshi den Überblick behalten konnte und alle wieder auf den Boden der Tatsachen verfrachtet hat. Wir wussten ja noch nicht einmal, wie viele Leute überhaupt mitspielen würden in diesem Jahr, da wäre es einfach nur Unsinn, würden wir jetzt schon ein Stück aussuchen, auch wenn natürlich jeder schon ein Stück im Kopf hatte, das er gerne auf unserer Bühne sehen würde…
„Gut, dann sollte jeder von uns einmal bis nächste Woche Freitag zwei Stücke aufschreiben, die er gerne spielen möchte. Eines für mehr Leute, eines für weniger. Eins mit einer weiblichen Protagonistin und eins mit einem männlichen. Damit wir eine tolle Auswahl haben. Natürlich müsst ihr nicht viele und wenige Leute berücksichtigen und dann noch weiblich und männlich. Ein Kriterium reicht! Oder ihr nehmt ein klassisches und ein modernes Stück? Das ist ganz euch überlassen! Damit würde ich sagen, schließen wir diese Runde ab und gehen nach Hause! Gute Nacht!", Suki nickte uns allen zu, stand dann auf und verließ den Laden, wir anderen taten es ihr gleich.
Ich spazierte nun durch die angenehme Nachtluft nach Hause und dachte über Stücke nach, die ich gerne einmal inszenieren würde… So etwas wie ‚Kabale und Liebe' von Schiller oder Goethes ‚Faust' wären interessant. Oder vielleicht doch etwas anderes? ‚Penthesilea' von Kleist vielleicht? Aber ‚Alice im Wunderland', das würde mich auch reizen. Allein die Möglichkeiten der Darstellung…! Hm, oder doch Büchners ‚Woyzeck'? Oder wie wäre es mit ‚Othello' von Shakespeare?
Ich schüttelte den Kopf, zu viele Gedanken befanden sich gerade in meinem Gehirn und schwirrten wie verrückt durcheinander. Nein, ich musste mir dieses Wochenende Zeit nehmen, um einmal ordentlich über alles drüber schauen zu können und eine Vorauswahl zu treffen und dann meine zwei Lieblingsstücke herauszusuchen. Ich freute mich schon richtig darauf, meine Dramensammlung durchzugehen und mir etwas Tolles herauszusuchen! Genau, ich wusste jetzt endlich, was ich dieses Wochenende zu tun haben würde! Bücher wälzen und eine Liste machen!
Freudig lief ich meinen restlichen Weg nach Hause. Ich war mir sicher, dass dieses Schuljahr ein richtig tolles werden würde!
