Oneshot Sammlung
Endgültig
Es war anders diesmal. Diesmal war sie wirklich tot und vielleicht war das der Grund dafür, dass es sich eben nun so anders anfühlte. Endgültiger. Ja, das war es wohl, dachte Bonnie Bennett, während sie mit einem melancholischen Lächeln auf den Lippen zu der Ansammlung von Menschen sah.
Menschen die sie geliebt hatte.
Die junge Frau stand etwas versteckt hinter einem Baum, gute zwanzig Meter von der Prozedur entfernt, sie konnte mitansehen wie Caroline sich an Tylers Schulter ausweinte und Elena sich in Damons Arme flüchtete. Es war ein so verdammt langer Weg bis zu diesem Augenblick gewesen, Silas war tot, Stefan befreit und ihre Freunde...nun ja, sie waren irgendwie glücklich, auch wenn das momentan sicher nicht so aussah. Jeremy stand am Nächsten zu dem großen Loch in der Erde, in dem ihr toter Körper vor wenigen Minuten verschwunden war, sie hoffte das er ihre Anwesenheit nicht bemerken würde. In den letzten Monaten war der Bennett nämlich etwas klar geworden, sie konnte so nicht weiter machen. Sie musste endlich einen Schlussstrich ziehen. Ihre Grams wusste nun mal was das Beste war, dachte Bonnie bei sich, wurde jedoch von ihren eigenen Gedanken unterbrochen als sie ein Kribbeln im Rücken zu spüren begann. Ein untrügliches Zeichen für geisterhafte Gesellschaft. Die junge Tote weigerte sich allerdings stur dem Neuankömmling auch nur mit der kleinsten Geste Aufmerksamkeit zukommen zulassen. Er tat das ständig.
Ein leises Seufzen entrann ungewollt den Lippen der Dunkelhaarigen, wenn es einen nicht traurig machte seine eigene Beerdigung zu verfolgen, hatte man wohl was falsch gemacht. Nachdem die Grabrede gehalten und die meisten Bekannten bereits den Rückweg vom Friedhof angetreten waren, blieben nur noch ihre engsten Freunde. Sie musste wohl sagen, ihre ehemals besten Freunde, auch wenn das ein grausamer und schwerer Gedanke war. Erst als Elena wenige Minuten später laut aufschluchzend zusammenbrach – sie musste von Caroline und Damon gestützt werden – meldete er sich zu Wort. Sie erwiderte nichts, aber still für sich hatte Bonnie schon die ganze Zeit gerätselt wann er denn endlich etwas sagen würde. Er war nie wegen seiner ruhigen oder höflichen Art bekannt gewesen und die Bennett hatte in den letzten Wochen auf der anderen Seite festgestellt, das sein nun endgültig totes Dasein rein gar nichts daran geändert hatte.
Old habbits die hard.
Nun war es also seine Stimme, die sie in ihre neue Realität zurückholte, sie warf keinen Blick über die Schulter und hielt stur an ihren Freunden fest, die dabei waren eine völlig aufgelöste Elena Gilbert zum Wagen zu schaffen.
„Arme Elena, es muss so hart für sie sein selbst auf der Beerdigung ihrer besten Freundin die ganze Aufmerksamkeit zu kriegen. Ich mein, bist du nicht gerade gestorben, hast du nicht dein ganzes Leben, deine ganze Zukunft geopfert? Warum kümmern sich also jetzt alle um sie – schon wieder?"
Kaum da Caroline und die Anderen aus ihrem Sichtfeld verschwunden waren, wandte die tote Hexe sich nun doch ihrer neuen Gesellschaft zu. Stur verschränkte die Dunkelhaarige allerdings ihre Arme, als sie den Neuankömmling in Augenschein nahm. Sie wollte ihm unmissverständlich zeigen, das sie ihn hier nicht haben wollte. Und auch sonst nirgends. Heute trug er eine schwarze Lederjacke, blaue Jeans, dunkle Sportschuhe und wenn sich ihre Augen nicht irrten, eine Sonnenbrille im Tshirtkragen? Kopfschüttelnd ließ die junge Frau ihre grünen Augen langsam wieder an der Gestalt hoch wandern, bis sie auf Braun stießen, das ihr ziemlich amüsiert entgegen funkelte.
„Nichts für das du dich schämen müsstest Bennett, so tot sind wir auch wieder nicht."
„Ich wünschte aber du wärst,..Kol."
Er nahm ihr die barsche Antwort nicht übel, das konnte die Hexe mittlerweile anhand der Mimik des Urvampirs sagen und das war die eigentliche Tatsache die sie in Beunruhigung versetzte. Seit ihrem tot und dem wieder errichten des Schleiers zwischen den Welten, hatte der Mikaelson sie jeden Tag aufgesucht. Er hatte ihr bedauerlicherweise den Tipp gegeben das Stefan sich mehr Seewasser gönnte als es für einen Vampir gut war und sie hasste diese Tatsache wirklich. Es blieb allerdings Fakt und auch wenn sie niemals höflich zu Kol war – nicht einmal nachdem sie mit Hilfe von Jeremy und ihren Freunden den jüngeren Salvatore befreit hatten – zeigte dieser kein bisschen Groll. Natürlich bezweifelte Bonnie das jede Sekunde in der sie mit dem Braunhaarigen alleine war, doch es kam nicht wie sie befürchtet hatte.
„Autsch, wie rücksichtslos.", erwiderte er lediglich schmunzelnd und sie hasste ihn dafür, während sie mit schnippischem Ton erwiderte: „Habe ich von dir und deiner Familie gelernt."
Doch statt auf ihre Äußerung in irgendeiner, groben Weise zu reagieren, schmunzelte ihr Gegenüber lediglich weiter und sie stöhnte innerlich. Sie bekam den Jahrhunderte alten Vampir einfach nicht zu einer Reaktion.
„Du solltest vielleicht noch zu dir nach Hause, ich könnte mir vorstellen sie werden dort gleich einige lustige Geschichten zum Besten geben."
Ein weiterer Punkt den die junge Frau extrem an ihrem Gegenüber hasste war diese heuchlerische Gelassenheit die dieser ihr zu zeigen bereit war. Sie hatte einen ganz anderen Kol Mikaelson kennengelernt und so gern die junge Frau manchmal wollte, konnte sie nicht vergessen.
„Was willst du von mir? Ich habe noch eine Verabredung."
Obwohl sie selbstverständlich nicht angenommen hätte er würde sie einfach gehen lassen, war sie doch über die schnelle Reaktion des Vampirs verwundert. Eine Hand hatte sich bereits um ihren rechten Oberarm gelegt, da hatte sie es noch nicht einmal vollbracht sich auf dem Absatz umzudrehen.
„Du solltest damit aufhören, er kann es nicht ändern. Ihr quält euch Beide und der kleine Gilbert bleibt zu schwach um das Selbe für dich zu tun, was du für ihn getan hast."
Sie wollte etwas sagen, Bonnie öffnete sogar empört den Mund, doch als nach der ersten Sekunde nichts hinauskam, schloss sie ihn peinlich berührt wieder. Sie war froh das der Urvampir dies ausnahmsweise Kommentarlos vorüberziehen ließ. Er fuhr fort: „Eigentlich, wenn man so will, gilt das für beide Gilberts. Überleg doch mal, was hat denn Elena jemals für dich gemacht, im Gegenzug für dein Leben das du geopfert hast, muss das schon eine große Gegenleistung sein."
Nun brachte die junge Frau doch eine Erwiderung zustande.
„Das ist das größte Problem bei euch Vampiren, ihr wertet alles. Ich bemesse meine Freundschaften nicht in Gefallen und ich mag den Gedanken nicht das es eines Tages soweit kommen könnte. Ihr habt keine Freundschaften, was ihr habt sind Allianzen. Elena mag nicht ihr Leben für mich riskiert haben aber als ein kleines Mädchen vollkommen allein war und keiner etwas mit ihr zu tun haben wollte, war sie da und das ist alles was für mich zählt."
Für einen Moment schwiegen sie beide und wenn Kol seinen Griff nicht weiter beibehalten hätte, dann wäre die Vermutung für sie nahe gewesen er wäre von ihren Worten überwältigt. So jedoch blieben sie starr auf ihrer Position, bis der Urvampir endlich etwas sagte.
„Es muss gut sein wenn man zu diesem Kreis von Personen gehört."
Mehr sagte er nicht und ließ sie plötzlich los. Das Kribbeln welches seine Berührung erzeugte verblasste mit jeder Sekunde mehr – da der Halt sich gelöst hatte. Ein wenig überfordert, starrte die junge Hexe in die braunen Augen ihres Gegenübers und sie verstand plötzlich. Sie verstand, dass das was ihn stets hierher zu ihr führte Hoffnung war. Eventuell Hoffnung darauf das sie doch noch einen Weg für sie beide zurück ins Leben finden würde, aber mehr noch, die Hoffnung auf etwas Neues, etwas Anderes.
„Du hast versucht mich zu töten.", wisperte sie geschockt, nicht verhindern könnend das ihre Stimme vor Entsetzen zitterte.
„Du hast dabei geholfen mich zu töten, für etwas dass das einzig Richtige war. Ich habe versucht die Auferstehung des größten Bösen zu verhindern und ihr habt dafür mein Leben beendet.", erwiderte er lediglich, seine Stimme ohne Emotion, als spräche er von einer lang zurückliegenden Erinnerung.
Und sie musste ihm zustimmen, sie musste sich zugestehen das der tote Vampir vor ihr recht hatte. Er war auf der richtigen Seite gewesen, in diesem Szenario war er der Gute gewesen, auch wenn seine Methoden mörderische Tendenzen zeigten. Am Ende hatte der Mikaelson recht behalten und sie erinnerte sich zu gut an seinen Gesichtsausdruck als er ihre Leiche entdeckte. Er hatte auch mehr vom Leben gewollt. Natürlich hatte er schon einige Jahrzehnte zum Leben gehabt aber ein Jahrhundert lang war er in einen dunklen Sarg gesperrt, das Leben war praktisch an ihm vorbeigezogen und kaum das er seine Freiheit erhielt, wurde eben dieses beendet. Es machte ihn nicht zu einem Unschuldigen, weiß Gott nicht, er hatte schreckliche Dinge getan aber es machte ihn zumindest ebenso zu einem Opfer wie sie. Er reihte sich praktisch einfach nur in eine lange Schlange von Opfern durch das Übernatürliche um Mystic Falls.
„Es tut mir Leid."
Kaum das die Worte ihre Lippen verließen, war Bonnie gelähmt vor Schock und Scham – sie konnte nicht glauben was sie da gesagt hatte – ehe sie sich ihren jetzigen Zustand zunutze machte und sich direkt vor einem perplexen Urvampir in Luft auflöste.
Die Bennett wusste nicht wie sie auf den Gedanken gekommen war, doch ein Teil von ihr hatte angenommen in ihrem alten Haus sicher zu sein. Zumindest erklärte die Dunkelhaarige sich so die Tatsache das sie sich plötzlich in ihrem alten Kinderzimmer wiederfand. Alles sah noch so aus wie zuvor, nichts hatte sich bewegt, sogar das Buch Herzenhören, lag halb aufgeschlagen auf ihrem Nachtisch. Sie hatte es nicht geschafft es komplett durchzulesen, sie hatte es dort einfach als Erinnerung liegenlassen. Die letzten Monate waren zu hektisch gewesen und selber kannte sie den Roman schon in und auswendig, da sie ihn davor schon fünfmal verschlungen hatte. Eine Geschichte von der Liebe, die einen so bewegte, das man am Ende des Buches die Liebe neu für sich definierte. Und egal wie oft sie die Worte schon gelesen, die Handlung schon erfasst hatte, das Gefühl am Ende blieb das gleiche. Gerade als sie versuchen wollte nach diesem zu greifen, öffnete sich ohne Vorankündigung die Tür. Nur für einen Herzschlag lang wollte Bonnie den Mund öffnen und sich lauthals über die Unhöflichkeit beschweren, einfach so in ihr Zimmer einzudringen, doch dann sah sie in die Augen ihres Vaters. Seine dunklen Augen dagegen, sahen sie nicht, sie sahen direkt durch sie hindurch, aber die Traurigkeit darin war fähig sie zu lähmen.
„Dad.", flüsterte sie, sich vollstens darüber bewusst das Rudy Hopkins sie nicht hören konnte.
Er ließ seinen schweren Blick durch den Raum schweifen, machte zwei Schritte weiter hinein und erstarrte plötzlich. Sie konnte sehen wie die linke Hand ihres Vaters, die auf der Türklinke ruhte, zu zittern begann. Es dauerte nur ein Blinzeln und unter stockendem Murmeln hastete er wieder aus dem Raum.
„Ich kann das nicht, ...ich kann das nicht."
Dann war sie erneut allein. Und so fühlte sie sich nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch...völlig allein. Die Kindheitserinnerungen wurden zu mehr als das, sie bekamen etwas höhnisches, verachtendes und Bonnie konnte den Anblick kaum noch ertragen. Sie hatte all die Zeit versucht zu verdrängen, was anscheinend jeder außer ihr bereits dachte, ihr Leben, sie hatte es einfach weggeworfen. Natürlich verdiente Jeremy Gilbert zu leben, viele der Leute die gestorben waren verdienten es, aber sie hatte das Gleichgewicht der Natur durch ihren Egoismus zerstört. Die Bennett seufzte schwer und ließ sich ganz langsam auf ihr Bett sinken, sie verdiente den Schmerz den ihr dieses Zimmer zufügte, jede Sekunde darin war eine Rückzahlung für eine Rechnung die sie ganz alleine zu Stande gebracht hatte. Obwohl ihre Eltern weiß Gott nicht die Besten der Welt waren, tat es der jungen Frau mehr als nur Leid. Der Sommer war fast vorbei und alle schienen so geschockt von ihrem Tod, das sogar sie selbst für eine ganze Weile der Hoffnung nachgab, es könnte sich ja vielleicht noch ändern. Töricht. Ihre Grams hatte selbstverständlich recht behalten und es hatte die junge Hexe ja auch nur ein paar zusätzliche Monate gebraucht, um es ebenso einzusehen. Bonnie Bennett war endgültig tot.
Nachdem sie sich etwas gefasst hatte, machte sie sich auf den Weg ins Erdgeschoss um nach ihrem Vater zu sehen. Die Dunkelhaarige konnte den Anblick des aufgelösten Gesichtes einfach nicht vergessen. Schon auf dem Treppenabsatz war es ihr möglich die zahlreichen Stimmen zu hören, die sich im unteren Stockwerk verschiedenes zuflüsterten, es erinnerte leicht an einen vollen Bienenstock. Das unterschiedliche, zahlreiche Summen wird irgendwann zu einem Einzigen. Schon auf der Schwelle zum Wohnzimmer konnte Bonnie Elena entdecken, die umkreist von ihren Tanten und Onkeln saß, laut weinend und Trost von ihrer Familie bekam. Obwohl es wahrscheinlich nicht überraschend sein sollte ihre beste Freundin hier zusehen, war sie von dem sich ihr bietenden Bild trotzdem kurz wie vor den Kopf gestoßen. Die Worte Kols klangen noch in ihren Ohren nach und zum ersten Mal überhaupt sah Bonnie tatsächlich was der Mikaelson meinte. Es war ihr eigener Vater der nun auch hinüber ging und einer untröstlichen Gilbert einen Arm um die Schultern legte. Rudy Hopkins umarmte Elena Gilbert. Für einen Augenblick schien die Welt für Bonnie Bennett stehenzubleiben, während sie mit weiten Augen hinüber zu der Szene sah. Ihr ganzes Leben hatte sie das gewollt, ihr Vater zu Hause, Sicherheit in seinen Armen finden und nun...nun bekam all das ihre Freundin. Wie aus dem Nichts kam da plötzlich diese Wut und selbst geschockt von sich, musste die junge Hexe mitansehen wie die Musikanlage auf einmal verrückt zu spielen begann. Die CD kam ins Stocken, wiederholte immer wieder das Wort Verräter und allen Anwesenden schien diese Begebenheit eine Gänsehaut zu bereiten. Gerade als Bonnie Jeremy bemerkte, der ins Zimmer geeilt kam, löste sich sich erneut in Luft auf.
Langsam bekam ihr Zustand einen praktischen Nutzen.
Auch wenn diese kleine Tatsache nur milde über gewisse, tödliche Aspekte hinweg tröstete. Es war ihr frisches Grab das sie als nächstes sah, die Erde auf dem Rechteck war heller und lockerer als drumherum und eine Weile starrte sie einfach nur dorthin, ohne sich einen einzigen Gedanken zu machen. Die Wut war längst wieder verschwunden und nun fühlte die Bennett gar nichts mehr, wenn sie in sich hinein horchte, empfing sie dort nur Leere. Ein grausamer Gedanke aber Bonnie war darüber beinahe erleichtert. All die Angst, all der Schmerz den sie zu ihren Lebzeiten hatte ertragen müssen war nun fort und das war doch gut oder?
„Du musstest irgendwann dort ankommen."
„Wo?", fragte sie, ohne sich umzudrehen und ohne ihm zu zeigen wie sehr sein plötzliches Auftauchen sie erschreckt hatte. Diesmal musste er zu Fuß gekommen sein, sonst hätte das Kribbeln sie vorgewarnt.
„An dem Punkt an dem dir alles zu viel wird, auch ein Geist kann unter einer zu schweren Last zusammenbrechen, weißt du?", erklärte er, seine Stimme samtig.
„Und welche Last wäre das?" Bonnie weigerte sich weiterhin dem toten Original zuzuwenden, doch sie schenkte ihm mit den Ohren ihre volle Aufmerksamkeit, sie wollte wirklich wissen was der junge Mann ihr zu sagen hatte.
„In deinem Fall? Die ganze Welt. Nun ja, vielleicht auch nur ganz Mystic Falls. Deine Kräfte haben dir das Gefühl gegeben das du verantwortlich für alle bist, du hast gedacht diese Macht die man dir als Geburtsrecht gab, hätte dich dazu verpflichtet eine Art Hüter aller zu werden aber du bist ein siebzehnjähriges Mädchen gewesen und niemand hätte dich wegen deiner Magie ausnutzen dürfen. Ganz besonders Elena Gilbert und die Salvatore Brüder hätten es besser wissen müssen."
Sie wollte das nicht hören und wandte sich deshalb mit kaltem Gesichtsausdruck zu ihm herum, er war auch nicht ganz unschuldig und er wollte am Ende doch auch nur das eine. Bonnie glaubte endlich zu verstehen warum Kol Mikaelson immer wieder bei ihr auftauchte.
„Ich werde niemals zurück auf die andere Seite gehen, ich bleibe tot und kein Zauber oder andere Macht wird das ändern. Du kannst also aufhören so zu tun als würde mein Seelenheil dich auch nur in irgendeiner Weise interessieren. Außerdem, ich habe dich nie um deinen Rat gebeten, ja nicht einmal um deine Gesellschaft. Also verschwinde endlich und lass mich in Ruhe trauern!" Hatte sie am Anfang hart und unerbittlich begonnen, war ihre Stimme zum Ende hin laut und hysterisch geworden. Heute war ihr Leben endgültig zu Ende gegangen, konnte man ihr nicht wenigstens diesen einen Tag Ruhe gönnen?
„Komm mit." War alles was der Braunhaarige erwiderte als er seine Hand nach ihr ausstreckte, die Handfläche einladend und offen nach oben gerichtet. Die junge Frau sah auf eben jene, offene Handfläche, als wäre sie das achte Weltwunder. Die ganze Hysterie war mit einem Schlag verschwunden, wie eine Seifenblase zerplatzt. Die Szene ließ sie sich zurückerinnern, es war nicht das erste Mal das der tote Vampir ihr die Hand ausstreckte, beim letzten Mal hatte sie diese allerdings ausgeschlagen. Unbewusst schluckte Bonnie den aufkommenden Kloß wieder hinunter und sah weiter zwischen der dargebotenen Hand und den braunen Augen hin und her. Sie war zerrissen. Ihr Gegenüber schien darin keinerlei Problem zu sehen, er verharrte still in seiner Position und verdeutlichte ihr damit das die Wahl vollkommen ihr überlassen blieb. Die Dunkelhaarige nahm genau diese Tatsache am Ende als Anstoß, um ihre Hand tatsächlich in die Seine zu legen und dann verschwanden sie zusammen. Es machte den Eindruck es wäre Jahre her, das man sie tatsächlich und echt eine Entscheidung hatte treffen lassen, ganz gleich wie genial oder dumm sie auch ausfallen würde.
Als sie sich wieder manifestierten, brauchte die Bennett einige Sekunden um zu erkennen wo sie war, Kol hatte sie beide ein ganzes Stück in den Wald gebracht und noch während sie die leise Musik hörte, erkannte sie den alten Lockwood Teil, in dem Tyler sich früher immer verwandelt hatte.
„Was?", fragte sie verwirrt und sah zurück über ihre Schulter.
Auf den Lippen des Vampirs haftete nun ein arroganter, wenn nicht sogar verachtender Ausdruck. Als er seinen Mund öffnete, fühlte die junge Hexe sich einen Moment lang an Damon Salvatore erinnerte, bei ihm hatte sie auch immer gewusst wann er etwas wirklich gemeines sagen würde.
„Ich bin nicht dein Babysitter Hexe, ich bin nicht dafür da um dir das Leben nach dem Tod zu versüßen, krieg endlich die Kurve und kümmere dich um deine echten Freunde."
Damit war er auch schon verschwunden. Sie dagegen blieb sprachlos zurück. Erst als ein neues Lied angestimmt wurde, konnte Bonnie sich endlich von der nun leeren Stelle loseisen und stolperte durch die Büsche auf die kleine Ruine zu. Ein Lagerfeuer brannte und erhellte alles im Umkreis von 15 Metern, ein kleiner Musikplayer spielte anscheinend Lieder von ihre Hitlist und sie war auf einen Schlag von dem Anblick zu Tränen gerührt. Da saßen sie, Matt, Caroline, Tyler und selbst Stefan. Eng um das Feuer gescharrt, lachend und in Carolines Fall weinend, während sie sich Geschichten von ihr erzählten und eine Flasche Bourbon herumreichten. Die Bennett kannte sich eigentlich nicht sonderlich mit Alkohol aus aber wenn sich die junge Frau nicht irrte, meinte sie am Etikett zu erkennen das es eine von Damons teureren Flaschen war. Der würde begeistert sein, vor allem da sie der Anlass war. Als hätte ihre beste Freundin ihre Überlegungen gehört, begann sie halb auflachend zu sprechen. Obwohl sie ein Vampir war, fand Bonnie das ihre Freundin schon einen guten Schwips zu haben schien.
„Na Leute, ...ich weiß nicht. Wie teuer soll der Fusel laut Damon nochmal sein? Schmeckt auch nicht viel besser als das billige Zeug."
„Ich weiß nicht was du hast, ich trink es gern. Würde mich wohl Jahre brauchen um eine Flasche kaufen zu können.", erklärte Matt grinsend und zog der Blonden einfach besagtes Gesöff aus den Händen, sie schenkte ihm zwar kurzzeitig einen bösen Blick, brach dann jedoch in Gelächter aus.
„Wo du recht hast.", stimmte sie ihm zu.
„Unglaublich das es mal wir Vier sein würden,... hätte ich nie gedacht.", offenbarte Tyler irgendwann aus heiterem Himmel und als wie auf ein Zeichen die eh schon leise Musik aus dem Hintergrund verstummte, sahen alle ein wenig betroffen zu Boden. Bonnie mochte das nicht, sie liebte den Anblick ihrer lachenden, glücklichen Freunde. Entschlossen verpasste sie dem Player einen Stoß mit ihrer Magie und dieser begann etwas stockend von ganz vorne mit ihrer Liste.
Alle vier warfen dem Gerät einen irritierten und Gespenster suchenden Blick zu, ehe es Stefan war der ganz langsam anfing zu Schmunzeln und die Flasche zu heben. Bonnie wusste, er verstand.
„Auf dich Bonnie, du wirst immer eine von uns sein und obwohl du weiß Gott besseres verdient hättest, bin ich einfach nur froh dich gekannt zu haben. Du hast mehr Courage als Wesen die dreimal so alt sind wie du, mich eingeschlossen.", sagte er und nahm einen großen Schluck.
Sie ging ganz dicht an den Vampir heran, während dieser den Bourbon weiterreichte, wenn ihre Lage es nicht verhindert hätte, dann hätte der Salvatore ihre beiden Hände die sie ihm Trost spendend auf die Schultern legte, gespürt. „Du bist einer der mutigsten und stärksten Vampire die ich kenne und ganz gleich was passiert ist und was noch passieren wird, ich bin froh dich kennengelernt zu haben.", sie hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, da nahm Tyler die Aussage von Stefan auf und fuhr fort.
„Auf dich Bennett, du warst die Art von Frau vor der Mann sich fürchten musste, wenn er es nicht wirklich wert war." Seine Äußerung brachte alle zum Lachen, einschließlich Benannte selbst, die dem Dunkelhaarigen eine spielerische Kopfnuss gab, die er eh nicht spüren konnte.
„Du hattest meinen Respekt schon Tyler, für alles durch das du gehen musstest und für die Liebe die du für Caroline empfindest. Du wirst ihn niemals verlieren.", flüsterte sie und obwohl sie sich bewusst war das dies ganz gewiss nicht nötig war, kam es ihr so vor als wäre es das doch. Um die Einzigartigkeit des Augenblickes nicht zu zerstören. Nie in ihrem Leben hatte sie je so einen Moment erlebt. Die Bäume rauschten, das Feuer knisterte und im Hintergrund spielte ein widerlich trauriges Lied, von dem die junge Frau nun bereute es auf ihre Playlist getan zu haben. Ironie. Der Augenblick war einfach nur grausam kitschig, alle waren in Trauer um sie und sagten all diese netten Dinge, die aus ihrer Sicht weit übertrieben waren aber gleichzeitig war es auch wunderschön. In all den Jahren als sie noch lebte, hatte sie sich nie so geliebt gefühlt und als Matt mit der Runde fortfuhr, standen ihr bereits die Tränen in den Augen.
„Auf dich Bon, auf ein Mädchen das mehr war, als die Meisten auch nur zu träumen wagen würden und das von all ihren Qualitäten, kaum eine Ahnung hatte. Ich vermisse dich...jeden Tag."
Sie umarmte den Blonden ganz fest. Es war als würde eine Art Schutzschild über seiner Haut schlummern, das eine echte Berührung verhinderte. Doch ihr genügte der Glaube daran, als sie in sein Ohr flüsterte. „Ich vermisse dich auch Matt, mehr als du ahnst. Du wirst immer etwas ganz besonderes sein, für mich, aber auch für jeden Anderen den du in dein Leben lässt. Pass gut auf dich und die Anderen auf, versprichst du mir das?", ihre Stimme kam ins Stocken als die Trauer überhand nahm, doch sie wartete trotzdem für einige Sekunden sehnsüchtig auf eine Antwort. Natürlich kam keine, denn der Donovan konnte selbstverständlich nichts von dem Hören was sie ihm gesagt hatte aber trotzdem glaubte die Dunkelhaarige fest daran das ein tiefer, verborgener Teil jede Silbe vernommen hatte.
Es musste einfach so sein.
Als die Flasche schließlich Caroline erreichte zitterten deren Hände und Bonnie war fast ein wenig erstaunt als sie bei einem Blick an sich hinunter feststellen musste, das es bei ihr nicht anders aussah. Angespannt wartete sie auf die Worte ihrer Freundin.
„Au..f...-", begann sie, doch nahm sie sofort die Flasche wieder runter und starrte abwesend in das Feuer. Erst nach einigen Sekunden legte sich ein grimmiger Gesichtsausdruck auf ihre schönen Konturen und als sie auf die Füße sprang, stolperte die Bennett erschrocken einen Schritt zurück.
Überrascht und verwirrt sah die Hexe mit an wie ihre Freundin aufgeregt wie ein wildes Tier um das Feuer pirschte und ihre Hände immer mehr zusammenballte, bis ein leises Knirschen der Flasche zu hören war.
„Caroline?", fragte Tyler und der jungen Frau kam es so vor als hätte der Dunkelhaarige ihr direkt aus der Seele gesprochen, sie verstand nicht was auf einmal in die Blonde gefahren war.
„Das ist nicht richtig! Ich kann nicht einen Tost auf sie aussprechen, wenn ich doch eigentlich so wütend auf sie bin. Wie lange haben wir darauf gewartet endlich aus Mystic Falls raus zu kommen, wir wollten zusammen aufs College, uns ein Zimmer teilen und jede Menge Unsinn machen. Sie hatte es von uns allen am Meisten verdient und ich kann nicht fassen das sie all das einfach weggeworfen hat. Einfach vergessen hat das sie mich hier zurücklassen würde, wenn sie Jeremy zurück bringt und dabei stirbt."
Bonnie konnte die Tränen sehen die ihre beste Freundin um sie vergoss und es tat ihr im Herzen leid, sie konnte ihr so vieles nicht mehr sagen, so vieles nicht mehr tun. Obwohl es sinnlos war umarmte sie die Blonde, ergriff ihr Gesicht, küsste ihre Wange und verhärtete die Umarmung noch einmal. Es tat ihr so unendlich Leid, sie hatte das niemandem antun wollen, ganz bestimmt nicht.
„Es ist okay wütend auf mich zu sein Care. Du bist meine beste Freundin, wenn einer wütend sein darf, dann du. Es tut mir Leid das ich mit dir nicht aufs College kann und das du ab nun durch all die Abenteuer die noch kommen ohne mich musst aber ich werde immer ein Auge auf dich haben Forbes und ich werde nicht zulassen das irgendwer oder irgendetwas dir wehtut. Das verspreche ich dir.", wisperte sie stumm weinend ins Ohr der blonden Vampirin, die einfach nur noch still da stand.
Als sie plötzlich etwas sagte, war es Bonnie als hätte Caroline wirklich ihre Worte gehört, obwohl es eher ein Zufall war. Der Gedanke gefiel ihr trotzdem.
„Ich liebe dich Bonnie."
Erst als Tyler, Stefan und Matt aufstanden um Caroline in eine riesige Gruppenumarmung zu holen, schaffte die Dunkelhaarige es endlich loszulassen und damit war nicht nur ihre momentane Lage, sondern die ganze Situation gemeint, wie sie mit einem stummen Lächeln für sich selbst erkannte. Ein mildes Kribbeln hinter ihrem Rücken brachte sie dazu aus dem Lächeln ein Grinsen zu formen.
„Du bist nicht besonders einfühlsam, das muss ich dir sagen aber deine Methode hat funktioniert, soviel will ich dir einräumen.", gab sie zu, ohne den Braunhaarigen anzusehen. Sie konnte sein Schmunzeln praktisch hören als er erwiderte: „ Jeder bekommt die Methoden die er braucht und glaub mir Bonnie, du bist kein Mädchen das die weiche Masche zu schätzen wüsste."
Leise lachend über die Dreistigkeit drehte sie sich herum und stellte sich dem Antlitz des toten Vampirs, er trug immer noch das selbe Outfit, ebenso wie das Grinsen dass sie nicht mochte.
„Wie kommst du darauf?", fragte die Bennett. Sie verschränkte zur Unterstützung noch ihre Arme vor der Brust, um ihrem Gegenüber zu signalisieren wie wenig sie von seiner Meinung eigentlich hielt.
„Weil ich dich mittlerweile kenne und du dich bei nett, doch immer fragst was das eigentlich sein soll. Ehrlich, ist das was du willst.", erklärte er, seine Stimme ruhig und tief.
„Und was wäre ehrlich?",bohrte sie nach, aus irgendeinem Grund musste Bonnie es wissen. Sie verstand es selbst nicht, bis er ihr antwortete.
Er sagte: „Das wir mehr sein können als wir jetzt sind und das auch der Tod nichts daran ändern kann."
Und sie glaubte ihm. Es war irrsinnig, es war vielleicht dumm aber in der richtigen Welt hatte sie immer nur das Richtige getan, immer nur für Andere gelebt und nun hatte sie so eine Art zweite Chance.
