Titel: Wolf wider Willen
Autoren: Diese Geschichte ist in Zusammenarbeit mit einer Freundin aus einem RPG-Forum entstanden. Dort spiele ich Fenrir und sie...nun...Morana.
Beschreibung: Fenrir Greyback wollte immer ein Werwolf werden. Morana Caldwell, seine Freundin aus Schulzeiten, hingegen ist sich noch nicht sicher. Und der kleine Remus Lupin ist sich ganz sicher, dass er bestimmt nie ein Werwolf werden will. Doch für alle drei kommt es anders als gedacht.
Disclaimer: Die handelnden Figuren stammen zum Teil ursprünglich aus der Feder von J.K. Rowling. Wir haben an ihnen keinerlei Rechte welcher Art auch immer. Diese FF ist frei erfunden und zudem vollkommen unkommerziell. Danke.

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"Und als er an den Brunnen kam und sich über das Wasser bückte und trinken wollte, da zogen ihn die schweren Steine hinein, und er musste jämmerlich ersaufen. Als die sieben Geißlein das sahen, kamen sie eilig herbeigelaufen und riefen laut: 'Der Wolf ist tot! Der Wolf ist tot!' Und sie fassten einander an den Händen und tanzten mit ihrer Mutter vor Freude um den Brunnen herum."

Mit einem feinen Lächeln auf den Lippen schloss Edward Lupin das abgegriffene Märchenbuch seiner Frau. Er würde nie verstehen, was Remus an diesem Buch fand, das voller abstruser Muggelmärchen war. Aber Alice hatte darauf bestanden, dass es eine gute Tradition wäre, Kindern aus diesem Buch vorzulesen und es war kaum an Edward, dies in Frage zu stellen. Schaden würde es Remus auf alle Fälle wohl kaum.

"Papa?" Der kleine Junge in seinem blau gestreiften Schlafanzug stützte in einer kindlichen Geste seinen Kopf in die Hände. Er saß im Schneidersitz im Bett, halb von der Decke umschlossen und hatte aufmerksam jedem Wort seines Vaters gelauscht, obwohl er den Text schon auswendig kennen musste. "Warum ist der Wolf so dumm?"

Edward Lupin zog eine Augenbraue hoch. "Wieso?", wollte er ein wenig ratlos wissen. "Wieso ist der Wolf dumm?"

"Na, weil er nicht merkt, dass er Steine im Bauch hat", sagte der Kleine und wirkte in seiner Ernsthaftigkeit kindlich unschuldig. "Wenn die Mama Geiß ihn aufgeschnitten hat, hat er doch auch ein Aua am Bauch und da, wo er zugenäht ist, einen Schlitz."

"Nun..." Kindliche Logik war manchmal einfach unbegreiflich. Edward wollte im ersten Impuls damit kontern, dass es doch nur ein Märchen war, aber Remus sah das wohl anders. Mit zweieinhalb verstand man auch noch nicht so wirklich den Unterschied zwischen einem Märchen und der Realität. Jedenfalls hatte Edward das Gefühl, dass sich Remus nicht wundern würde, wenn sie in der Winkelgasse am Sonntag Rotkäppchen begegnen würden.

"Er ist halt einfach nicht besonders klug", sagte Edward und legte das Buch beiseite. Seine Hand strich Remus über die dünnen braunen Haare, die dem Jungen leicht in die Stirn fielen. Sie waren schon wieder zu lang. Alice würde sie wohl schneiden müssen.

"Papa? Sind alle Wölfe dumm?" Remus ließ nicht locker. Er wusste aus Erfahrung, dass er das Schlafengehen hinauszögern konnte, wenn er nur oft genug fragte. überhaupt half die Verzögerungstaktik bei solchen Dingen: trödeln, wenn man den Schlafanzug anziehen musste, oder noch einen Saft haben wollen, oder mit dem Wasser planschen beim Zähneputzen. Es gab viele Möglichkeiten.

"Ich denke mal, jeder Wolf ist anders", sagte Edward. Er seufzte. "So, aber jetzt wird geschlafen."

Remus zog einen Schmollmund. "Och, nö."

"Och doch." Edward beugte sich vor und gab seinem Sohn einen Gutenacht-Kuss. "Schlaf schön, mein Großer, und träum was Schönes."

Edward Lupin erhob sich und nahm das Buch mit nach draußen. Er ließ seinem Sohn das Schlummerlicht, eine kleine magische blaue Flamme in einem Glas, auf dem Nachttisch stehen. "Gute Nacht, Remus."

Das Oberlicht verlöschte. Die Tür zum Kinderzimmer schloss sich. Schatten, geworfen von Bäumen draußen vor dem Fenster, tanzten über die Wand.

Der Junge rutschte tiefer ins Bett und sah mit großen Augen auf die schwarzen Blätter, die im Wind über die Wand seines Zimmers tanzten. Seine Hände spielten mit der Bettdecke. Er konnte die Schritte seines Vaters hören, welche die Stufen hinunter gingen. Die Treppe knarrte dabei leise.

Remus drehte sich zur Seite und gähnte. Er sah auf die Spielzeuge, die ordentlich im Regal standen. Ein Stoffhase winkte und hielt sich kichernd die Hand vor die aufgenähte Nase. Remus gluckste. Er drehte sich zur anderen Seite und stemmte sich mit dem Füßen gegen die Wand. Eine Wolke zog am Mond vorbei. Er war noch nicht ganz voll und rund. Es fehlte noch ein kleines Stück. Es war nicht viel.

Remus drehte sich wieder auf den Rücken und sah zu den schwarzen Blättern an der gegenüberliegenden Wand. Er sah gegen die Wand und blinzelte. An der Wand saß ein schwarzer Mann auf einem Ast. Remus machte große Augen. Der Wind bewegte die Blätter. Der Mann saß auf dem Ast in der Hocke. Mit einer Hand fasste er gegen den Stamm, um sich abzustützen. Er war nicht mehr als ein schwarzer Schatten. Blätter wehten im Wind. Dann barst das Fenster.