Zweifellos
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Es ist nicht Angst und auch keine Furcht, die uns zueinander führte, keine gemeinsamen Interessen und auch nicht die unterschiedlichen Fronten, an denen wir kämpfen. Es ist nicht Lust und auch nicht Keuschheit.
Niemand sollte weinen, niemand sollte lachen. Wer zuviel lacht, ist albern, wer zuviel weint, ist schwach. Zuviel Sonne verbrennt dich, zu viel Schnee vereist dich. Zuviel von allem tötet dich.
Niemand sollte zuviel hassen. Hass tötet nicht nur dich.
Was passiert, wenn man zuviel liebt? Ich meine nicht dieses krankhafte Besessen-sein, das ist keine Liebe.
Was passiert aber bei zuviel ehrlicher Liebe?
Ist es dann auch tödlich?
Ironie. Ist es nicht pure Ironie, wenn ich noch eben davon schreibe, dass zuviel von allem tötet und danach in Frage stelle, ob zuviel von ehrlicher Liebe überhaupt töten kann? Ich bin primitiv. Ich bin ein Mensch. Ich weine, ich lache, ich verbrenne mich und ich friere auch. Ich hasse.
Und ich liebe.
Ich liebe eindeutig und zweifelsfrei. Ich liebe voller Ehrlichkeit. Meine Liebe ist klar wie kaltes Wasser aus den tiefsten Quellen dieser Erde, so rein wie die Seele eines Neugeborenen und so voller Ehrfurcht vor dem Herzen meines Gegenübers.
Es gibt nur zwei Fehler. Der eine klingt so unbedeutend, der andere unglaublich dramatisierend. In Verbindung gebracht klingt es leider sehr klischeehaft.
Ich liebe zu viel.
Ich liebe das Falsche.
Wie kann man ausgerechnet zuviel vom Falschen lieben? Wie kann man überhaupt etwas Falsches lieben? Ist diese Liebe nicht richtig ab dem Moment, ab dem man den ersten Tropfen an Liebe auf der Zunge spürt, das erste Zittern im Herzen feststellt? Ist es dann immer noch falsch?
Es ist nicht unser Schicksal, zusammen zu sein. Wir sind nicht dafür bestimmt gewesen, uns jemals zu berühren. Und doch tun wir es.
Und plötzlich entsteht Magie.
Und die mächtigste, überirdischste, unendlichste Liebe unserer Zeit.
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Kapitel 1
Es gibt Menschen, wenn man sie sieht, denkt man sofort an Quidditch und das nicht nur wegen der Statur dieser Person. Sucher sollten kleiner als die restliche Mannschaft sein, kleiner, flinker, schneller. Hüter sollten etwas größer sein, etwas breiter. Sie sollten gute Reflexe haben. Das heißt, von der Statur allein könnte man nicht sagen, ob die Person vor dir nun Quidditch spielte oder leitete oder richtete.
Hermine konnte es aber in Rons Gesicht sehen, sie wusste nicht, warum. Wenn sie ihn ansah, bildete sich vor ihren Augen ein Klatscher. Komisch, ausgerechnet ein Klatscher. Sie fand ihre Gedanken ziemlich lustig.
„Ron, wenn ich an dich denke, sehe ich einen Klatscher."
Hermine strich mit den Fingerspitzen über das Pergament. Rau und trocken, nicht das Pergament, sondern ihre Finger. Das Kerzenlicht würde in einigen Minuten erloschen sein. Sie schloss die Augen, atmete tief und lange durch. Sie war müde, unglaublich müde. Der Hocker, auf dem sie saß, war wahrscheinlich nicht so bequem, wie es ihr in diesem Augenblick vorkam. Nicht, dass das ihr etwas ausmachte.
Sie stützte sich mit den Händen auf den Holztisch, versuchte, sich auf die Beine zu stellen. Es war abartig, wie sich ihr Körper anfühlte. Wie ihre zu schwachen Beine fast nachgaben, als sie das Gewicht ihres Körpers tragen mussten. Sie war eine Hexe und trotzdem gab es nichts, womit man Müdigkeit wegzaubern konnte.
Das große Fenster, das sich bis zur hohen Decke streckte, stand nur einen Spalt breit offen, dennoch wehte eine kühle Brise durch das dunkle Zimmer. Die Flamme von der so gut wie ausgebrannten Kerze tanzte mit dem Wind den Walzer, die Schatten, die die steinernen Wände des Zimmers überdeckten, schwangen hin und her.
Braune Augen schweiften in die Ferne, aus dem Zimmer, aus dem Fenster, weit weg über die Berge, die das Mädchen in der Dunkelheit des Abends nur noch schwer erkennen konnte. Es war nicht so, dass sie trauerte, vielmehr wollte Hermine eigentlich draußen sein. So wie die Flammen tanzten, wollte sie über die Wälder gleiten und im Himmel tanzen.
Hermine war kein Kind des Trauerns. Und auch nicht des betrübt seins.
Die kleine Flamme gab nach einem letzten Tanz seinen letzten Atemzug. Hermine gewöhnte sich sehr schnell an die Dunkelheit. Sie wollte ins Bett und nirgendwo sonst hin.
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„Nun denn, ich danke Ihnen vielmals, Miss Booth, für die ausführliche Erklärung der Hausaufgaben. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass Sie einige Fehler gemacht haben. Schon allein durch die falsche Interpretation einer der Zahlen kann man die gesamte Wahrsagung verfälschen. Ich möchte Ihnen sehr ans Herz legen, sich unbedingt nicht nur auf die Erledigung Ihrer Hausaufgaben zu konzentrieren, sondern sie auch mit einer gewissen Präzision zu bewältigen. Die besonderen Werte…"
Hogwartsschüler in ihren schwarzen Roben saßen verteilt im Klassenzimmer. Professor Vektor erzählte viel an diesem Tag. Hermine stellte fest, dass die Laune der Dozentin anscheinend gut war. Und Hermines war nicht gut. Eigentlich. Das fünfte Jahr war bis jetzt nicht so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Hermine seufzte und sah auf ihre magische Armbanduhr. Noch zwei Minuten, dann musste sie in die große Halle, Ginny würde dort auf sie warten. Sie hatte versprochen, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen. Hermine wurde kurz vor dem Ende der Stunde hellhörig und blickte von ihren Notizen noch einmal auf.
„…und mir überlegen, was wir als Nächstes machen. In unserer nächsten Stunde, könnt ihr gespannt darauf sein, was ich mir für euch überlegt habe. Die Stunde ist beendet."
Der Geräuschpegel der Klasse schoss schlagartig in die Höhe, als die Schüler anfingen, ihre Schultaschen zu packen und aus dem Raum zu marschieren. Hermine tat es den meisten gleich, schwang ihre fertig gepackte Tasche über ihre Schultern und sackte fast unter dem Gewicht ein.
Es war Montag. Ein trüber, regnerischer Montag. Nicht, dass das Hermine etwas ausmachte, sie verbrachte so oder so ihre Zeit in der Bibliothek. Draußen gab es nichts zu sehen, keine Freunde, mit denen sie sich unterhalten konnte oder das Zaubern üben konnte. Kein Harry, kein Ron, mit denen sie in ihrem Gemeinschaftsraum Zeit verbringen und ihnen beim Zauberschachspielen zusehen konnte. Es war ein tristes Schuljahr.
Die große Halle war voll, es war Mittagszeit. Hermine ließ ihre Augen in der Halle umherwandern. Sie fühlte sich alleingelassen. Trotz dieser Menschenmenge, in der sie sich befand, war sie die einsamste Person auf der Welt.
„Hermine, hier!"
Ginnys helle Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Als sie sich umdrehte, konnte sie sehen, wie die Rothaarige lächelnd und winkend auf sie zukam.
„Ginny, wie lief es in Zaubertränke?"
„Dank dir lief es super! Ich hab auf alles geachtet, was du mir gesagt hast. Am Ende hatte ich dann wirklich ein total gutes Gefühl bei der Sache. Vielen Dank noch mal, Hermine, du rettest mir wirklich das Leben."
Ginny umarmte die Ältere und auf Hermines Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Nein, Hermine war nicht allein, Hermine hatte die quicklebendige Ginny. Und sie musste ihr noch viel beibringen.
„Ich bin stolz auf dich, Ginny, gehen wir in die Bibliothek?"
„Ja…", Ginny blickte auf den Boden, ihre Freude wich ihrer Bedrückung und Hermine wusste genau, warum, denn Ginny fehlten zwei gewisse Personen sehr, genauso wie ihr selbst auch. Aber sie wusste auch, dass sie in diesem Moment nichts dagegen tun konnte.
„Na dann, komm'."
Hermine nahm ihre Hand und lächelte. Es sollte bald wieder gut sein, besser werden. Sie wusste, dass das alles bald ein Ende haben würde. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Harry und Ron zurück wären und bis dahin blieb den beiden Zurückgebliebenen nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen. Ginny hob wieder ihren Kopf, als Hermine ihre Hand leicht drückte und als sie in ihre Augen sah, keimte die Hoffnung wieder auf. Ihr Lächeln kam auf ihr Gesicht zurück.
„Geh du schon mal vor, ich werde kurz etwas essen, ich hab so Hunger. Ich komme dann gleich nach, okay?"
„Natürlich. Bis dann."
„Bis dann."
Als die Jüngere ihren Weg zum Tisch der Gryffindors aufsuchte, kehrte Hermine um und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Es war schön, mit Ginny zu lernen und es machte ihr ziemlich viel Spaß, Lehrerin zu spielen. Noch viel mehr Spaß machte es ihr aber, Harry und Ron zu korrigieren. Und noch viel mehr, Ron eine Standpauke zu halten.
Die Wände der Gänge erdrückten Hermine manchmal. Manchmal kam ihr das riesige Hogwarts so klein vor, sie wollte tatsächlich manchmal einfach nur weg, einfach nur ausbrechen und doch blieb sie hier, in den sicheren Mauern der Zauberschule.
Als sie in der großen Bibliothek ankam, nickte Hermine der bebrillten Hexe Madame Pince zu und ging schnurstracks in die Tiefen des Bücher-Labyrinths. Relativ hinten im großen Raum, hatten Hermine und Ginny ihren Stammplatz und trafen sich dort. Als sie ankam, schüttelte sie ihre Tasche von ihren Schultern ab und ließ sich auf einem der geräumigen Holzstühle nieder.
Es war normal, dass sich niemand um die Mittagszeit in der Bibliothek befand. Umso mehr überraschte sie es, als sie plötzlich Schritte vernahm, die sich ihr näherten. Noch überraschter, besser gesagt verwirrter, war sie, als sie hinter den Regalen blonde Haare sah.
Malfoy.
Der letzte Mensch, den sie in diesem und auch in allen anderen Momenten in ihrem Leben sehen wollte. Angespannt schnaufte Hermine leise und sank ein wenig tiefer in ihren Stuhl. Malfoy lief hastig, ohne Umwege und auch ohne sie zu bemerken, an ihr vorbei. Die Braunhaarige war noch verwirrter, als sie hörte, wie er nach einigen Schritten stehen blieb und im nächsten Gang anfing, auf und abzulaufen. Sie hörte, wie seine Kleidung raschelte und seine Hände anscheinend nach einem Buch suchten.
Was für ein Buch suchte Malfoy um diese ungewöhnliche Zeit in der Bibliothek?
Ein ungutes Gefühl beschlich Hermine. Sie lehnte sich aus dem Stuhl und suchte ihn mit ihren Augen. Sie sah, wie er ein Buch nahm und öffnete, kurz darin blätterte und es wieder zurücklegte. Das wiederholte er sehr viele Male. Seine Augenbrauen zogen sich jedes Mal, wenn er ein Buch zurücklegte, zusammen und mit jedem Mal wurden die Bücher fester zugeklappt. Ihn machte es anscheinend sauer, dass er nicht fand, was er suchte.
Seinen Frust über das nicht gefundene Buch weckte ihre Neugier.
Es musste auf jeden Fall etwas Wichtiges sein, soweit war sie schon.
Aber was?
Hermine stand, ohne Krach zu machen, von ihrem Stuhl auf und schlich zu den Bücherregalen in ihrem Gang und in die Richtung, in der Malfoy sein Buch suchte. Darauf bedacht, nicht aufzufallen, fing sie an, beliebige Bücher aus dem Regal zu nehmen. Minuten verstrichen und Hermine war sich indes sicher, dass er in der Abteilung für Zaubertränke war.
Plötzlich hörten das Rascheln seiner Robe und das Klacken seiner Schuhe auf. Malfoy hatte anscheinend etwas gefunden. Hermine sah, dass seine Augen sich weiteten und er mit einer Hand ein Buch festhielt und mit der anderen etwas zum Sitzen suchte. Als er einen Hocker fand, nahm er darauf Platz, ohne auch nur einmal vom Buch aufzuschauen.
„Bin da. Was machs-"
„Pssshhht!"
Hermine drehte sich um und klatschte ihre Hand auf Ginnys Mund.
„Ginny", flüsterte sie, „Malfoy sucht da drüben in einem Buch nach einem Trank."
„Und?", flüsterte Ginny zurück, als sie die Hand der Anderen von ihrem Mund wegzog.
„Es muss etwas Wichtiges sein!"
Die Augen der Kleineren wurden größer.
„Woher weißt du das?"
„Weil er nämlich vorhin wie ein Verrückter an mir vorbeigestürmt ist und seit ich hier bin, danach sucht."
„Komisch."
„Ja."
Die beiden Hexen drehten sich wieder in die Richtung, in der Malfoy auf seinem Hocker saß und las. Offenbar hatte er sie nicht bemerkt. Und das, obwohl sie nicht wirklich leise waren. Er sah noch immer wie gebannt auf das Buch in seinen Händen.
„Was er wohl sucht?", wisperte Ginny zu Hermine.
„Keine Ahnung. Auf jeden Fall hat er gefunden, was er gesucht hat."
„Ja, sieht so aus."
Und dann sah Malfoy auf und zwar genau in Hermines Augen.
Hellgraue starrten in Braune. Sekundenlang. Eine Ewigkeit. Sein Blick verfinsterte sich abrupt und er ließ Hermine keine Sekunde aus den Augen, als er aufstand, das Buch zuklappte, an seine Brust presste und sich eilig seinen Weg nach draußen bahnte.
So wie er gekommen war, so ging er auch mit hastigen Schritten auf dem Gang entlang in Richtung Ausgang. Doch dann blieb er inmitten seines Weges stehen. Die beiden Hexen, die ihn bis dahin mit riesigen Augen verfolgt hatten, hielten den Atem, gespannt darauf, was er machen würde.
Und dann vernahmen sie seine leise und irgendwie anders als sonst klingende Stimme.
„Granger?"
„Malfoy?"
Der blonde Zauberer drehte sich auf seiner Stelle um und sah einige Sekunden lang Hermine an. Sein Gesicht spiegelte kein Hass. Da war etwas Anderes. Etwas, was Hermine in diesem Augenblick nicht ablesen konnte.
„Sei nicht immer so neugierig und" Sein Blick änderte sich erneut, wurde etwas härter „Und halte dich von mir fern."
Und damit machte er wieder kehrt und ging nun endgültig aus der Bibliothek, ließ zwei verwirrte Hexen zurück.
„Was war denn das bitte?", keuchte Ginny als Erste, nachdem sie aus ihrer Starre erwachte.
„Keine Ahnung. Irgendwas stimmt nicht."
Hermine war verwirrt. Etwas sehr, sehr Wichtiges musste passiert sein. Sonst würde Malfoy sich nicht so benehmen. So anders als sonst. Komisch, seltsam und irgendwie unheimlich.
„Ich muss herausfinden, was für ein Buch das war, Ginny. Besser gesagt, was für einen Trank er sucht. Ich bin mir ziemlich sicher, der führt wieder irgendwas im Schilde."
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Dieses verdammte Schlammblut, jedes Mal kam sie ihm in die Quere, bei jeder Gelegenheit scheute sie sich nicht davor, sein Leben zur Hölle zu machen. Egal, ob im Klassenzimmer oder in seiner Freizeit. Immer war diese Klugscheißerin an Ort und Stelle, um ihn auszuspionieren oder ihn fertig zu machen. Aber so leicht würde er, Draco Malfoy, sich nicht ausspionieren und fertigmachen lassen, weder im Klassenzimmer noch in seiner Freizeit.
Draco war genervt, wollte in sein Zimmer und endlich durchlesen, was im Buch stand.
Wo war er stehen geblieben?
Ach ja, Sonnenblumenkerne.
Woher zum Teufel sollte er Sonnenblumenkerne finden? Unglaublich, dass man für diesen vermaledeiten Trank etwas brauchte, was ausgerechnet nur in der Muggelwelt wuchs. Draco schnaubte. Er hatte sich das leichter vorgestellt.
Er hatte sich alles viel leichter vorgestellt.
Einfach alles.
Alles war noch gut gewesen, bis er diesen Brief vor einer Woche bekommen hatte. Den Brief von seinem Vater. Den Brief, der, seitdem er es gelesen hatte, sein Leben zur Hölle machte. Sogar noch viel mehr als Granger, wenn das überhaupt möglich war. Er wusste, dass es irgendwann passieren würde. Irgendwann wäre die Zeit gekommen, das hatte er schon immer gewusst.
Aber er hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass es so bald passieren würde. Es war zu früh. Er war noch nicht bereit. Das konnte er fühlen und denken. Und trotzdem konnte er nichts dagegen tun. Seine Gedanken kreisten nur noch um das Eine. Nur noch um ein dunkles Mal, das auch seinen eigenen Arm bald zieren würde.
Draco ließ sich auf sein Bett fallen und schloss die Augen. Es war nicht richtig. Es war nicht richtig, was sein Vater da von ihm verlangte. Draco war unsicher, er konnte es kaum ansehen, wie sein Vater Muggel und Schlammblüter tötete oder folterte. Es war einfach nicht richtig für ihn und war auch nie richtig gewesen. Aber es musste richtig sein, wenn so eine mächtige Familie wie seine an die Rasse der Reinblüter glaubte. Es musste einfach stimmen und richtig sein.
Also beschloss er, einen Trank zu brauen, der all seine Zweifel über Bord werfen würde und seinen Glauben an die Reinblüter und du-weißt-schon-wen herstellte.
Wiederherstellte.
Dracos Gedanken schweiften ab. Ein Tag kam ihm in den Sinn. Ein Tag, den er in den Sommerferien erlebt hatte. Ein Tag, den er besser hätte nie erleben sollen. Den er hätte nie erleben wollen.
Blut, zu viel Blut und Schreie. Zu viel Blut und zu viele Schreie.
Angewidert kniff er die Augen zusammen und versuchte, an etwas anderes zu denken, als plötzlich Granger in seinem Kopf erschien.
Nein, das konnte doch alles nicht richtig sein.
Oder?
Abrupt stand Draco auf und wollte seinen Gedanken endlich ein Schluss setzen. Er musste diesen Trank so schnell es ging brauen, sonst würde er noch lange, sehr lange keinen Schlaf finden.
Er nahm das Buch, das neben ihm auf dem Bett lag, und schlug es auf. Sonnenblumenkerne. Was zum Teufel sollten eigentlich Sonnenblumenkerne bewirken? Wütend darauf, dass er nicht wusste, woher er diese verfluchten Kerne bekommen sollte, stand er auf und ging in seinem Zimmer auf und ab. Er war der Slytherin-Prinz. Er war der Gott in seinem Haus. Das Blöde war nur, dass er weder mit Schlammblütern, noch mit Schlammblutkennern etwas am Hut hatte. Außerdem konnte er definitiv niemandem sagen, wozu er es brauchte. Er musste es auf irgendeine andere Weise beschaffen.
Wahrscheinlich war es am besten, wenn er einen kleinwüchsigen Erstklässler, am besten ein Schlammblut und am allerbesten einen aus Hufflepuff dazu zwingen würde, ihm etwas zu bringen.
Draco wollte doch eigentlich einfach nur wieder schlafen können.
Und so beschloss er, wieder in sein Bett hineinzukriechen und versuchen, zu schlafen.
Er wusste aber von vornherein, dass er das nicht schaffen würde.
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„Hey, du da!"
Nur einige Stunden nach seinem Versuch, einzuschlafen, hatte Draco beschlossen, seinen Plan sofort in die Tat umzusetzen. Er konnte nicht schlafen, nicht wenn er so wahnsinnige Gedanken hatte. Aber er brauchte Schlaf, er brauchte so dringend Schlaf.
Der Erstklässler, für den Draco sich entschieden hatte und der auf den Namen George Graham hörte, drehte sich um. Es war reiner Zufall, dass anscheinend der kleine Kerl sich in den Kerkern verlaufen hatte. Was wollte sonst ein ach so lieber Hufflepuff hier unten? Draco sah, dass sich in den Augen des Jungen Angst ausbreitete.
Volltreffer.
„J-Ja?", piepste er mit seiner hohen Stimme ihm entgegen.
„Weißt du, was Sonnenblumenkerne sind?"
„Ja."
„Du wirst mir gefälligst bis morgen eine Handvoll davon besorgen."
„Wa- warum?"
Oho, der Kleine hatte sogar noch den Mumm, nach dem Grund zu fragen. Vielleicht hätte er in Gryffindor ja doch besser reingepasst.
„Weil ich es dir verdammt noch mal sage. Was haben wir denn hier Schönes?"
Draco ging zu dem kleinen braunhaarigen Jungen und riss das Stück Pergament aus seinen Händen.
„Hey!"
Draco überflog das Papier und ignorierte den Jungen. Es waren seine Hausaufgaben und das auch noch für Zaubertränke. Draco fing an, zu grinsen.
„Hör zu, Graham. Entweder du besorgst mir bis spätestens morgen Sonnenblumenkerne oder du kriegst diese Hausaufgaben nicht mehr zurück. Und wehe ich höre, dass du ein Wort über unser Arrangement verlierst, hast du mich verstanden? Und keine Fragen. Wir treffen uns morgen um sechs Uhr hier."
Der kleine Junge hatte Tränen in den Augen. Ein Wunder, dass er nicht längst angefangen hatte, zu weinen. Eindeutig mehr Gryffindor als Hufflepuff. Als Draco merkte, wie er leicht und zittrig nickte, steckte er die Pergamentrolle des Jungen in seine Robe und ging wieder in sein Zimmer. Jetzt musste er warten, die restlichen Zutaten würde er morgen von Snapes Schrank klauen.
Er musste jetzt nur noch warten und versuchen, zu schlafen.
Kopfschmerzen. Draco hatte wirklich unglaubliche Kopfschmerzen.
