Summary: Diese Fanfic spielt zeitlich in der ersten Staffel, nach der
Folge "Something Wicked".
Während Dean und Sam einen Dämon jagen, wendet sich das Blatt und sie
werden selbst zum Ziel...
Story Notes:
Disclaimer: (Danke, ) All publicly recognizable characters,
settings, etc. are the property of their respective owners. The original
characters and plot are the property of the author. The author is in no
way associated with the owners, creators, or producers of any media
franchise. No copyright infringement is intended.
Kontrolle
Seit zwei Stunden verfolgte Sahara den schwarzen Wagen vor sich in
sicherem Abstand. Es hatte einige Tage gedauert bis sie realisiert
hatte, dass zunächst sie es gewesen war, die gejagt wurde, doch die
beiden Brüder waren zu vorschnell gewesen, hatten sich verraten. Jetzt
galt es, sie im Auge zu behalten.
Sie drückte aufs Gas als sie bemerkte, dass auch der Impala
beschleunigte. Das Spiel hatte begonnen... sie fuhren das nächste
Krankenhaus an.
"Dean!", rief Sam aufgeregt, griff nach rechts und fühlte die Temperatur
seines Bruders. "Jetzt komm schon!"
Seit Stunden waren sie in dieser gottverlassenen Gegend unterwegs - hier
gab es nichts, nur Bäume und er war sicher, dass er sich verfahren
hatte. Er hatte keine Ahnung, wie weit es noch bis zur nächsten Stadt
war. Inzwischen war es Nacht geworden und bis auf die Scheinwerfer von
den wenigen entgegenkommenden Fahrzeugen, hatte er kein Zeichen von
Zivilisation entdecken können und komplett die Orientierung verloren. Es
kam ihm vor, als würde die Straße nie enden, sie schien keine Kurven und
keine Orientierungspunkte zu haben. Alles raste nur noch an ihm vorbei,
genau wie die Zeit, die unerbittlich verstrich und Dean von Minute zu
Minute schlechter aussehen ließ.
Es war eine Stunde her, als Dean ausgestiegen war um sich die Beine zu
vertreten, eine Stunde seit er erwähnt hatte, dass es ihm nicht gut gehe
- Sam wusste sofort, dass es ihm in diesem Fall wirklich schlecht gehen
musste. Er beschwerte sich nie. Vor ihm versuchte er immer den großen,
starken Bruder zu spielen.
Mit Entsetzen hatte er dann gesehen, wie Dean einfach die Beine
wegknickten, er auf dem regenassen Boden neben dem Impala landete und
zitternd liegen blieb. Sam war sofort bei ihm gewesen, hatte ihm
geholfen zurück in den Wagen zu kommen - alles ging so furchtbar
schnell. Nur Minuten später war sein Bruder nur noch ein Häufchen Elend
gewesen, hatte sich und zitternd auf dem Beifahrersitz eingerollt und im
Fieberwahn vor sich hin gemurmelt...
Und vor genau 12 Minuten hatte sein Bruder das Bewusstsein verloren.
Sam schluckte und trat das Gaspedal nun vollends durch.
Was immer Dean auch hatte, es ergriff zu schnell Besitz von ihm. Zu oft
hatte er ihn schon krank erlebt - oder verletzt - doch selbst dann hatte
er immer versucht, alles herunter zu spielen. Ja, in solchen Situationen
war grantig und schlecht gelaunt, aber er ließ sich nie hängen. Doch was
jetzt mit ihm passierte, ließ Sam in Panik verfallen.
Schnell warf er noch einmal einen Blick auf ihn. Schweißperlen standen
ihm auf der Oberlippe und der Stirn - seine Wangen glühten rot. Das
Zittern hatte aufgehört und nun saß er einfach nur noch still, die Augen
geschlossen, den Kopf gegen die Scheibe gelehnt...
Sam blinzelte und zwang sich, wieder auf die Straße zu sehen. Er musste
ein Krankenhaus finden - und das schnell!
Sahara hielt einen sicheren Abstand zu dem Fahrzeug. Sie durfte sich
jetzt nicht verraten. Zu viel Zeit hatte sie investiert, um die Beiden
nicht aus den Augen zu verlieren. Seit dem letzten Tankstop hatte sie
ihr Ziel erreicht, den Vorteil in der Hand: Ein einfacher Kaffeebecher,
sorglos in den Müll geworfen, hatte ihr die DNS von einem der Brüder
geliefert. Jetzt war es ein Leichtes ihn zu kontrollieren, ihnen zu
folgen, ihnen Angst einzujagen...
Der menschliche Körper war nach Saharas Maßstäben einfach gebaut. Sie
wusste wie sie Menschen Schmerzen zufügen konnte, wie sie sie krank oder
wahnsinnige machte, wie sie sie kontrollierte - und das, ohne sie
umzubringen. Sie konnte wochenlang oder jahrelang ihre Spielchen mit
jemandem treiben, wenn sie den Menschen nicht leid wurde - denn eines
hatte sie schließlich: Zeit.
Obwohl Sahara nur ein Dämon niedriger Ranghöhe war, wusste sie ihre
Fähigkeiten gut einzusetzen. Ihre außergewöhnliche Gabe hatte sie schon
oft vor der Hölle bewahrt, hatte ihr bei Auseinandersetzungen mit
höheren Dämonen gedient.
Und Menschen? Menschen waren nicht mehr als Spielzeuge in ihren Händen.
Und diese Beiden waren jung und unerfahren - mit ihnen würde sie viel
Freude haben...
Sam atmete auf, als er endlich ein Schild entdeckte, das einen Ort in
wenigen Kilometern Entfernung auswies. Er hoffte, dass es dort ein
Krankenhaus oder zumindest einen ortsansässigen Arzt geben würde. Wenig
später passierte er das Ortsschild - nur knapp 1000 Einwohner.
Angestrengt blickte er sich um und durchfuhr langsam die Hauptstraße.
Dann endlich entdeckte er ein Schild, das auf eine Arztpraxis hinwies.
Schnell fuhr er an den Straßenrand und stellte den Motor ab.
"Ich bin gleich zurück.", sagte er zu Dean, der noch immer regungslos
auf dem Beifahrersitz saß. "Ich hole Hilfe."
Schnell überquerte er die menschenleere Straße und öffnete die Tür zur
Arztpraxis. Es war ein altes Gebäude, das schon bessere Tage gesehen
hatte und die Einrichtung ließ seine Hoffnungen auch nicht gerade in die
Höhe schnellen - doch es musste genügen.
Mit schnellen Schritten erreichte er einen Tresen hinter dem eine ältere
Dame gerade ihre Sachen packte - scheinbar war sie dabei, die Praxis für
heute zu schließen.
"M´am, entschuldigen Sie, ich brauche Ihre Hilfe.", sagte Sam aufgeregt.
"Mein Bruder ist sehr krank."
Sie blickte ihn mitfühlend an. "Junge, beruhigen Sie sich. Was ist denn
passiert?"
"Er hat auf einmal sehr hohes Fieber, ich glaube, ich habe Angst, dass
er...", Sam brachte den Rest des Satzes nicht über die Lippen.
Die Frau nickte. "Ich rufe Doktor Mertens und dann werden wir uns Ihren
Bruder mal ansehen."
Sie ging in einen Nebenraum und schloss die Tür hinter sich. Sam blieb
mit klopfendem Herzen unsicher im Raum stehen und wischte sich die
schweißnassen Hände an seiner Jeans ab. Er wandte seinen Blick zu der
Tür als diese sich wieder öffente und die Frau, gefolgt von einem
älteren Mann in einem weißen Kittel, heraustraten.
"Roberta sagte mir gerade, dass es hier einen Notfall gibt?", fragte der
Arzt.
"Ja.", antwortete Sam und nickte. "Würden Sie bitte mit mir nach draußen
kommen, Sir? Doktor. Bitte, ich weiß nicht was mit ihm los ist."
Dr. Mertens kam näher. Er hatte weißes, kurzes Haar und trug einen
Vollbart. Obwohl er mindestens zwei Köpfe kleiner als Sam war, legte er
ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
"Ganz ruhig, mein Sohn. Wir werden uns die Sache anschauen. Bringen Sie
mich zu ihrem Bruder."
Sam nickte erneut. Die Stimme des Arztes beruhigte ihn tatsächlich und
er strahlte etwas aus, das ihn denken ließ, dass es sich um einen
erfahrenen Mediziner handelte.
Schnell ging er voraus und führte ihn über die Straße zum Impala.
Roberta folgte ihnen ebenfalls.
Sahara stellte den Wagen nicht weit von dem der beiden Brüder ab. Der
jüngere der Beiden hatte gerade die Arztpraxis betreten und den anderen
allein gelassen.
Sie stieg aus und ging langsam zu dem schwarzen Auto, wo sie den Älteren
kurz darauf entdeckte. Wie vermutet hatte er bereits das Bewusstsein
verloren. Er hatte den Kopf gegen die Scheibe gelehnt und war vollkommen
hilflos. Zu gerne hätte sie ihn in diesem Moment mitgenommen - doch ihr
Plan sah anders aus, sie wollte noch eine Weile mit dem Jüngeren spielen
und vor allem wollte sie dabei sein. Sie nahm ein kleines Messer aus
ihrer Jackentasche und zog es sich über die Handfläche. Dann griff sie
in die andere Tasche und zog ein Tuch heraus, das sie um die Hand wickelte.
Sahara wusste genau, wie sie den Körper, den sie gerade besetzt hatte,
am besten zur Geltung brachte. Die junge Frau war ihr sofort ins Auge
gefallen, als sie vor einem Jahr diesen Kerl in Ohio fertig machte. Sie
hatte sie in einem Restaurant entdeckt, wo sie bedient hatte. Stets
freundlich und gut gelaunt, hatte sie etwas unschuldiges ausgestrahlt,
was ihr bisher zu vielen Vorteilen verholfen hatte. Wer konnte einem
hilflosen, hübschen Mädchen schon einen Wunsch abschlagen? Das Gesicht
wie das einer Porzellanpuppe, die Haut blass und strahlend. Dunkle,
halblange Locken. Sie war perfekt.
Es war ein Kinderspiel gewesen, sie nach der Arbeit abzupassen und sie
zu besetzen. Seitdem verlief alles zu Saharas vollster Zufriedenheit.
Zumindest, bis die Brüder aufgetaucht waren - doch sie hatten sowieso
keine Chance gegen sie. Sie wussten noch nicht einmal, wie sie aussah.
Und genau das würde sie jetzt ausnutzen.
Sie warf einen Blick hinüber zu dem Gebäude in dem sich die Arztpraxis
befand - noch kein Zeichen von ihm. Sehr gut. Dann öffnete sie die
Beifahrertür. Der Körper des jungen Mannes rutschte zur Seite und sie
griff stützend nach seiner Schulter und seinem Kopf. Die Hitze, die er
ausstrahlte tat gut unter ihren Fingern, er brannte...
Sie lächelte und schloss für einen Augenblick genüsslich die Augen, als
sie sich einiger seiner neueren Erinnerungen bemächtigte. Ja - das würde
interessant werden.
Sam trat durch die Tür nach draußen ins Freie und sah sofort, dass
jemand an der Beifahrertür stand.
"Hey!", rief er aufgebracht und rannte über die Straße. "Was machen Sie da?"
Eine junge, ausgesprochen hübsche Frau blickte ihn erschrocken an.
"Es... es tut mir leid. Ich kam hier vorbei weil ich zum Doktor wollte,
da bemerkte ich den Mann hier. Er schien mir Hilfe zu brauchen."
Sam sah nun, dass Sie Dean augenscheinlich tatsächlich nur hatte helfen
wollen und versuchte seine Aufregung zu drosseln.
"Danke.", sagte er, nun etwas ruhiger. "Aber deswegen bin ich auch hier.
Ich habe den Doktor geholt."
Dr. Mertens hatte nun ebenfalls die Straße überquert und umrundete den
Wagen.
"Junge Frau, weswegen wollten Sie mich aufsuchen?", fragte er, während
er Deans Kopf in beide Hände nahm und ihn eingehend betrachtete.
"Oh, ich kann warten.", sagte sie, während sie Sam unsicher anblickte.
"Ich bin gerade hierher gezogen und habe mich beim Auspacken der Kartons
böse geschnitten. Aber kümmern Sie sich bitte erst um ihn!"
Der Arzt nickte. "Wir sollten ihn schnell rein bringen. Los, mein Junge,
helfen Sie mir. Roberta, kümmern Sie sich bitte um die junge Dame."
Schnell kam Sam dem Doktor zu Hilfe und zusammen trugen sie Dean in die
Arztpraxis. Sie brachten ihn in einen kleinen Behandlungsraum, wo der
Arzt Sam anwies, ihn auf einer Untersuchungsliege abzulegen.
"Seit wann ist er schon in diesem Zustand?", fragte er.
"Vor etwa eineinhalb Stunden sagte er, es ginge ihm nicht gut. Danach
stieg das Fieber sehr schnell an.", antwortete Sam, während er Dean
keine Sekunde aus den Augen ließ.
Der Doktor warf ihm einen Blick zu. "Ist er vielleicht von einer
Schlange gebissen worden? Von etwas gestochen? Wo waren Sie unterwegs?"
Sam schüttelte den Kopf. "Nein... nicht dass ich wüsste. Wir waren nur
mit dem Wagen unterwegs."
"Sehr merkwürdig.", murmelte Dr. Mertens. "Ich werde ihn mir zunächst
genauer ansehen und ihm dann etwas verabreichen, das fiebersenkend
wirkt. Gehen Sie bitte nach draußen und füllen Sie einige Formulare aus."
"Ich will bei ihm bleiben.", sagte Sam.
"Geben Sie mir ein paar Minuten, damit ich ihn mir ansehen kann - ich
will nur sichergehen, dass er nicht gebissen wurde. Danach können Sie
wiederkommen, ok?", antwortete der Doktor geduldig und ruhig.
Sam zögerte, doch dann nickte er und ging nach draußen.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte blieb Sam für einen
Augenblick stehen und atmete tief durch. Die ganze Aufregung setzte ihm
ganz schön zu. Dann setzte er sich wieder in Bewegung und entdeckte
Roberta, die sich gerade die Wunde der jungen Frau ansah.
"Ja, das wird der Doktor wohl nähen müssen.", sagte die ältere Dame und
drehte sich dann zu Sam um. "Oh, schon wieder hier?", fragte sie dann.
"Der Doktor hat mich rausgeschickt. Ich soll einige Formulare ausfüllen."
Roberta schmunzelte. "Dr. Mertens mag es nicht, wenn er beim Erstellen
seiner Diagnose gestört wird - er ist oft ein wenig eigen. Hat sich im
Laufe der Jahre so entwickelt."
Sam zog die Stirn kraus. "Wie viele Jahre arbeiten Sie denn schon hier?"
"Vierzig Jahre.", antwortete sie. "Glauben Sie mir, er wird Ihren Bruder
wieder gesund machen. Alle Leute im Umkreis vertrauen ihm. Er hat die
meisten von ihnen schon auf die Welt geholt."
Sam nickte und blickte sich noch einmal in dem Raum um - er kam sich vor
wie in einem dieser Filme die einen sentimental werden ließen, die an
die gute alte Zeit erinnerten.
Er blickte auf, als Roberta plötzlich mit einem Klemmbrett und einem
einseitigen Forumlar vor ihm stand.
"Hier, das sollte schnell gehen - und dann nichts wie rein mit Ihnen.",
sagte sie mit einem Augenzwinkern.
Sam setzte sich auf den nächsten freien Stuhl neben der jungen Frau.
"Tut mir leid, dass Sie wegen uns warten müssen.", sagte er, während er
begann, die Seite auszufüllen.
"Ach, so schlimm ist das nicht.", antwortete sie und lächelte ihn an.
"Hauptsache ihrem Freund geht es bald wieder gut. Was ist denn mit ihm los?"
"Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.", antwortete Sam. "Aber ich hoffe,
der Doc findet es heraus."
Er ließ die Mine zurück in den Kugelschreiber klicken und stand dann auf.
"Entschuldigung, aber ich muss da wieder rein - wir sehen uns sicher
noch.", sagte er zu ihr.
"Ja, sicher! Ich bin übrigens Susan."
Er lächelte kurz. "Sam."
Dann gab er Roberta das Klemmbrett in die Hand und diese winkte ihn
schon weiter zur Tür.
Sahara blickte dem Jungen hinterher. Er schien nett zu sein. Zu
Seinesgleichen.
Wenn er ahnen würde, was da im Wartezimmer, nur wenige Meter entfernt
von ihm und seinem Bruder saß, wäre er nicht mehr so freundlich. Aber er
wusste es nicht.
Sie lächelte still und betrachtete die alte Dame, die fleißig die Daten
die Sam hastig auf das Formular gekritzelt hatte, in einen alten
Computer übertrug.
Langsam stand sie auf und ging zum Tresen hinüber.
"Das hier ist wirklich ein schöner Ort.", sagte sie.
Roberta blickte auf und lächelte freundlich. "Nett, dass Sie das sagen,
Liebes. Ich hoffe Sie werden sich hier wohlfühlen."
"Oh ja - da bin ich mir ganz sicher.", sie konnte einen kurzen Blick auf
das Formular werfen.
Patient: David Hartman - die Jungs benutzten also Decknamen. Sie grinste
und blickte hinüber zum Behandlungszimmer. Sie konnte die Hitze des
älteren Bruders noch immer in ihren Fingerspitzen spüren. Er war ein
Kämpfer und sie dachte darüber nach, den Einsatz eventuell zu erhöhen.
Roberta riss sie aus ihren Gedanken. "Ach, Liebes, da Sie gerade hier
sind, haben Sie eine Versicherungskarte für mich?"
Sie zog eine Brieftasche aus ihrer Hose und gab Roberta die Karte.
Diese warf einen kurzen Blick darauf. "Danke, Miss Walker."
Sam klopfte an die Tür des Behandlungszimmers und trat kurz darauf ein.
Dr. Mertens war gerade dabei, eine Spritze aufzuziehen.
"Das ging aber schnell mit dem Formular.", sagte er und grinste ihm
verschmitzt zu.
"Was ist das?", fragte Sam und kam näher.
"Ein fiebersenkendes Mittel, wie ich schon sagte. Ich habe mir seine
Arme und Beine, sowie den Oberkörper angesehen. Nichts. Seine Lungen und
Bronchien sind frei und sein Blutdruck stabil."
"Das ist gut, oder?"
Der Arzt nickte. "Wissen Sie, dass der Körper Ihres Bruders ziemlich
viele verheilte Verletzungen aufweist?"
Sam fuhr sich nervös über die Lippen. "Er ist Polizist und war schon in
ein paar üble Dinge verwickelt.", antwortete er dann schnell.
"Ja, das ist wirklich ein harter Job.", sagte der Doktor, während er
Deans Armbeuge desinfizierte und dann die Injektion vornahm. "Das sollte
erst einmal das Schlimmste verhindern. Seine Temperatur liegt momentan
bei 41,3 °C, ich würde vorschlagen, dass wir ihn rüber in ein Bett
bringen, sobald ich die Hand dieses Mädchens versorgt habe. Bleiben Sie
bei ihm. Rufen Sie mich, sobald sich an seinem Zustand etwas ändert."
Sam nickte. "Danke."
Der ältere Mann trat auf ihn zu. "Danken Sie mir erst, wenn er wieder
auf den Beinen ist. Und Sie sehen zu, dass Sie ein wenig zur Ruhe
kommen. Ich lasse Ihnen von Roberta später etwas zu Essen besorgen und
einen Kaffee. Okay?"
Sam wusste nicht, was er darauf erwidern sollte und blickte den Doktor
nur dankbar an. Dann ging dieser hinaus, um sich um Susan zu kümmern.
Sam saß nun schon einige Minuten neben der Behandlungsliege und wartete
darauf, dass der Arzt zurück kam. Dean hatte sich noch immer nicht
gerührt, aber seine Atmung ging gleichmäßig und ruhig, sodass er
zumindest hoffte, dass dies ein gutes Zeichen war.
Er stand von dem kleinen Hocker auf, den der Doktor zuvor benutzt hatte
und fuhr sich nervös durchs Haar. Was zum Henker war nur los mit Dean?
Er dachte darüber nach, was sie an diesem Tag getan hatten, wie sich
Dean den Tag über verhalten hatte.
Sie waren am frühen Morgen aufgebrochen, da sie die Spur des Dämons, den
sie verfolgt hatten, verloren hatten. Da der Dämon jedoch in den Tagen
in denen sie ihm gefolgt waren meist westlich gezogen war, wollten sie
in die nächstgrößere Stadt fahren und dort abwarten, ob sich erneut ein
Vorfall ereignete.
Unruhig ging Sam auf und ab.
Im Motel war Dean ein Morgenmuffel gewesen - wie so oft vor seinem
ersten Kaffee. Danach waren sie im Diner frühstücken und Dean hatte
einen Berg Pfannkuchen mit Ahornsirup und mindestens drei Tassen Kaffee
verdrückt. Da war er noch vollkommen gesund gewesen...
Den restlichen Tag hatten sie dann größtenteils im Wagen verbracht, bis
auf wenige Stops an Tankstellen. Sam ging noch einmal die Minuten durch,
bevor Dean an den Straßenrand gefahren war, den Motor abgestellt hatte
und kurz darauf zusammenbrach. Still geworden war er schon nach dem
letzten Tankstop - er hatte das Radio ausgeschaltet und das Fenster ein
Stück herunter gekurbelt. Was konnte also an dieser Tankstelle passiert
sein? Er selbst hatte zwei Kaffees und eine Tüte M&Ms besorgt, während
Dean den Impala vollgetankt hatte. Die M&Ms lagen noch auf dem Rücksitz
des Wagens - er selbst hatte auch von dem Kaffee getrunken. Sam seufzte
und setzte sich wieder auf den Hocker.
"Ich komme nicht darauf, Dean. Es wird Zeit dass Du aufwachst und mir
hilfst.", murmelte er leise und strich Dean kurz über das schweißnasse Haar.
Er legte seine Hand auf Deans Wange und seine Stirn - das Fieber schien
noch immer sehr hoch zu sein. Im hinteren Teil des Raums entdeckte er
ein Waschbecken und ging hinüber. Links von dem Becken hing ein kleiner
Handtuchspender, aus dem er einige Tücher herauszog, mit kaltem Wasser
tränkte und diese dann auf Deans Stirn legte. Unruhig blickte er zur Tür
- wo blieb nur der Arzt?
Sahara bemühte sich, so gut wie möglich das nette Mädchen von Nebenan zu
spielen, während der Arzt die Hand behandelte. Sie saß in dem kleinen
Raum direkt neben dem, in dem die beiden Brüder sich jetzt aufhielten.
Sie konnte sich deutlich ausmalen, wie viele Sorgen sich der Jüngere
gerade machen musste - solche Fieberattacken konnten einem aber auch
Angst einjagen. Heute Nacht würde sie zulassen, dass sein Körper sich
etwas erholte, aber morgen würde sie erst so richtig loslegen.
"Miss Walker, was ist denn so Interessantes da drüben?", fragte der Arzt
und sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den alten Mann.
"Oh, nichts.", sagte sie schnell.
"Ah, ich weiß - der junge Mann scheint Ihnen zu gefallen. Vielleicht
können Sie ihn ein wenig von seinen Sorgen ablenken, wenn Sie morgen zur
Kontrolle wiederkommen?", fragte er und lachte leise.
Sahara lächelte. "Ja, vielleicht."
"Nun, ich bin gleich fertig hier - ich würde sagen, wir sehen uns morgen
Nachmittag gegen 12 Uhr. Bringen Sie dem Jungen ruhig etwas
Selbstgekochtes mit, wir Männer mögen so etwas.", sagte er vollkommen
ruhig, so als würde er mit ihr übers Wetter reden.
"Sie sind schon ein ungewöhnlicher Arzt, Dr. Mertens.", sagte Sahara.
"Sie werden doch nicht versuchen, uns zu verkuppeln, oder?"
Er lächelte sie an und zwinkerte ihr zu. "Ich habe schon so einige
Hochzeiten hier im Ort zu verantworten."
Sahara lachte kurz. Dieser Mensch gefiel ihr.
"So, da bin ich wieder.", sagte Dr. Mertens als er den Raum wieder betrat.
Sam stand von dem Hocker auf und ging auf die andere Seite der Liege.
"Hat sich etwas verändert?", fragte der Doktor.
"Nichts."
"Ich messe noch mal seine Temperatur."
Er griff nach einem Ohrthermometer und innerhalb weniger Sekunden konnte
er das Ergebnis ablesen.
"40,9 - na also, die Injektion scheint zu wirken. Ich würde sagen wir
bringen ihn nach drüben und ich lege ihm noch eine Infusion."
Sam kam dem älteren Mann zu Hilfe, als dieser die Bremsen der
Behandlungsliege löste und begann, diese auf die Tür zu zu schieben.
"Sie glauben also, dass es ihm bald besser geht?", fragte Sam, während
sie auf den Flur hinaus traten.
"Das wird sich im Laufe der Nacht zeigen. Ich wohne hier im Haus, gleich
ein Stockwerk über diesem. Rufen Sie mich, egal um welche Uhrzeit, wenn
etwas passiert."
"Okay.", antwortete Sam.
Sie rollten die Liege in ein Zimmer, in dem je rechts und links ein Bett
stand und legten Dean in eines davon. Dann hörten sie ein Klopfen an der
Eingangstür.
"Oh, das ist Roberta, sie hat Ihnen was zu Essen besorgt. Würden Sie die
Tür öffnen? Der Schlüssel steckt."
Sam nickte und ging zur Eingangstür der Praxis, wo er Roberta schon
durch die Glastüren erkennen konnte. Schnell drehte er den Schlüssel und
ließ sie herein.
"Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen.", sagte er und warf das
erste Mal einen Blick auf die Uhr seit er hier angekommen war. Es war
schon weit nach Neun. "Tut mir sehr leid, dass Sie wegen mir so lange
arbeiten müssen."
"Ach, Paperlapap - ich bin vielleicht alt, aber noch immer ziemlich fit.
Ich gehe nie vor Mitternacht schlafen!", antwortete Roberta, ging an ihm
vorbei und steuerte das Zimmer an, in dem der Arzt Dean gerade die
Infusion gelegt hatte.
Sam blickte ihr beeindruckt hinterher und folgte ihr. Am Ende des Raums
stand ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen und sie platzierte den
Kaffeebecher und die Tüte darauf.
"So, jetzt sehen Sie erst mal zu, dass Sie selbst wieder zu Kräften
kommen. Ein so großer, junger Mann wie Sie braucht jede Menge zu Essen,
nicht wahr?"
Sam zwang sich zu einem kurzen Lachen und setzte sich auf das freie
Bett. Er brachte es nicht übers Herz der alten Lady zu sagen, dass ihm
der Kopf jetzt ganz und gar nicht nach Essen stand.
"Ich habe hier zwei Sandwiches und eine Tüte Chips für Sie geholt. Ich
hoffe, Sie mögen das?"
"Das ist großartig, danke!", sagte Sam, stand wieder auf und ging zu ihr
hinüber.
Roberta lächelte. "Schön!"
Dann wandte sie sich an den Doktor. "Tom, ich werde jetzt nach Hause
gehen. Rufen Sie mich, wenn ich heute Nacht gebraucht werde."
Der Arzt nickte, während er gerade dabei war Deans Bronchien noch einmal
abzuhören.
"Gute Nacht, Berta.", rief er und wandte sich dann Sam zu.
"Also, es sieht ganz gut aus. Die Temperatur scheint zu fallen. Ich
bringe Ihnen noch eine Schüssel mit kaltem Wasser und Tücher - und wie
gesagt, rufen Sie mich jederzeit, wenn sich an seinem Zustand etwas ändert."
"Vielen Dank, Doktor.", sagte Sam. "Für alles hier."
Der ältere Mann winkte nur ab und ging nach draußen, um die Tür erneut
zu verschließen und das Wasser für Dean zu holen.
Müde blickte Sam auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach drei Uhr am
Morgen und er wünschte sich, er hätte seinen Laptop aus dem Wagen geholt
und ihn mit hier rein genommen, damit er jetzt selbst im Internet nach
einer Erklärung für Deans Fieber suchen konnte.
Dean hatte vor etwa zwei Stunden begonnen im Fieberschlaf zu murmeln und
sich unruhig hin und her zu drehen. Bis auf einige Wortfetzen, die meist
seinen Namen beinhalteten, hatte er jedoch nicht ausmachen können, was
seinen Bruder so sehr beschäftigte und wovon er träumte.
Dr. Mertens war zwischenzeitlich nochmal gekommen um nach Dean zu sehen
und hatte ihm die Infusionsnadel aus der Hand entfernt. Seine Temperatur
war inzwischen auf knapp unter 40 Grad gesunken.
Er stand auf und blickte aus dem Fenster. Auf der anderen Straßenseite
parkte der Impala und der Regen prasselte unaufhörlich auf das Dach.
"Sammy?"
Sofort drehte Sam sich vom Fenster weg. Hatte Dean gerade seinen Namen
gerufen? Er lief zu dessen Bett. Sein Bruder blickte ihn mit glasigen
Augen müde an.
"Dean?"
"Es tut mir so leid, Sammy.", sagte Dean schläfrig.
Sam setzte sich wieder auf den Stuhl, sah ihm in die Augen und
schüttelte leicht den Kopf. "Was, was tut Dir leid?"
"Ich hätte auf Dich aufpassen müssen! Dad ist so wütend auf mich!",
murmelte Dean und Sam konnte sehen, wie Tränen in seine Augen traten.
"Dad ist nicht hier, Dean. Es ist alles in Ordnung. Es ist nichts
passiert.", redete er ruhig auf ihn ein und nahm seine Hand.
"Dad hat gesagt, ich darf Dich nicht allein lassen und ich habs getan...
ich habs getan.", Dean drückte seine Hand, schloss die Augen und drehte
sich zur Seite. Dann schlief er wieder ein, mit dem Rücken zu Sam.
Dieser seufzte und zog vorsichtig seine Hand aus Deans Umklammerung. Nun
wusste er, was Dean quälte. Er hatte sich scheinbar noch immer nicht
verziehen, dass er die Shtriga damals nicht erwischt hatte und obwohl
sie das Ding nun in Fitchburg erledigt hatten, konnte er die Erinnerung
an das Vorgefallene nicht auslöschen. Sam wünschte, er könnte ihm
helfen. Aber er konnte nur hier warten und bei ihm bleiben. Das war
alles, was er ihm im Moment geben konnte...
Sahara saß in ihrem Wagen und beobachtete das schwach erleuchtete
Fenster, an dem Sekunden zuvor noch Sam gestanden hatte.
Sie spürte, dass es dem Älteren langsam besser ging. Aber zu schnell
würde sie ihn nicht wieder auf die Beine kommen lassen.
Eine weitere Stunde verstrich in der Dean sich unruhig umherwälzte. Dann
schlug er plötzlich die Augen auf und sah sich im Raum um.
"Dean?", fragte Sam leise.
Es war möglich, dass er wieder phantasierte... Nach einem Moment fand
Deans Blick jedoch den von Sam und er lächelte erleichtert.
"Sammy, was ist los? Du siehst aus wie 3 Tage Regenwetter.", sagte Dean
mit kratziger Stimme.
"Ja? Schau Dich mal an!", gab Sam zurück. "Wie fühlst Du Dich?"
"Müde.", antwortete Dean leise. "Wo sind wir hier?"
"Keine Ahnung, irgend ein Kaff in Kentucky."
Sam und stand auf. "Ich hole Dir Wasser, Du musst am Verdursten sein!"
Dean nickte leicht und schloss wieder seine Augen.
"Nicht wieder einschlafen, hörst Du?", Sam lief schnell nach draußen, wo
er einen Wasserspender entdeckt hatte und kehrte kurz darauf mit einem
Becher zurück.
Dean versuchte sich aufzusetzen, doch Sam erkannte, welche Mühe er dabei
hatte und half ihm. Dann gab er Dean den Becher in die Hand, welchen
dieser zitternd an den Mund führte. Sam unterstützte ihn beim Trinken,
wofür er einen echten Dean-Blick erntete, doch insgeheim wusste er, dass
sein Bruder dankbar für seine Hilfe war.
"Hey Sam?", fragte Dean dann.
"Ja?"
"Ist das eine Chipstüte da hinten auf dem Tisch?"
Sam grinste. "Ja."
"Kriege ich was davon?"
"Nein.", antwortete er. "Aber Du kannst eins von den Sandwiches haben.
Du brauchst jetzt was Nahrhafteres als Chips."
Dean brummte und verkroch sich wieder unter der Decke. "Du bist
schlimmer als Dad."
Sam lachte und fühlte sich einfach unheimlich erleichtert. Es gab nichts
Schöneres für ihn in diesem Moment, als dass sein Bruder wach war und
auch noch Appetit hatte. Er kannte Dean - und Hunger war ein mehr als
gutes Zeichen.
Er stand auf und brachte die beiden Sandwiches ans Bett. Er nahm eines
davon in die Hand, entfernte die Folie und gab es Dean, der einen Bissen
davon nahm und lustlos darauf herum kaute.
"Was ist eigentlich passiert?", fragte er.
"Du bist umgekippt und hattest ziemlich hohes Fieber.", antwortete Sam.
"Ich bin umgekippt?", fragte Dean und nahm einen weiteren Bissen.
"Ja! Ich hab mir verdammt noch mal Sorgen gemacht. Hast du Dich in den
Stunden davor schon schlecht gefühlt?"
Dean schüttelte den Kopf und schloss dann gleich die Augen.
"Kopfschmerzen?", fragte Sam.
"Unglaubliche Kopfschmerzen."
"Soll ich den Arzt rufen?"
"Nein, mir geht es gut, Sammy.", antwortete Dean. "Was ist, isst Du nichts?"
Sam lächelte. "Du sollst aufhören, Dir über mich Sorgen zu machen und
wieder gesund werden, Alter!"
"Halt die Klappe und iss.", gab Dean zurück.
Schweigend aßen sie beide ihre Sandwiches und Sam holte Dean nochmals
einen Becher Wasser, bevor dieser wieder einschlief.
Dean war am Morgen noch einige Male kurz wach gewesen. Dr. Mertens hatte
ihm geraten, sich zu schonen und sich gründlich auszuschlafen, was er zu
Sams Erleichterung scheinbar beherzigte, denn noch befand er sich im
Bett und schlief tief und fest.
Sam hatte, nachdem der Doktor Entwarnung für Deans Zustand gegeben
hatte, endlich seinen Laptop aus dem Wagen geholt und war gerade dabei
sich über den Ort in dem sie sich befanden zu informieren und die Route
nach Louisville herauszuschreiben, wo sie als nächstes hinfahren wollten.
Wenig später klappte er den Laptop zu und setzte sich wieder zu Dean ans
Bett. Er war unglaublich müde...
Kurz darauf übermannte ihn der Schlaf.
Eine Fabrikhalle, kalter, staubiger Boden - er und Dean liegen
bewusstlos auf dem Rücken, eine dunkle Gestalt mit einem Messer kommt
näher - die Gestalt kniet sich vor Dean und setzt das Messer an seine
Kehle...
"Sam!"
Er schreckte hoch und blickte sich verwirrt um. Dann realisierte er,
dass Roberta neben ihm stand und ihn an der Schulter rüttelte.
"Junge! Sie hatten einen furchtbaren Albtraum! Ist alles in Ordnung?",
fragte sie besorgt, während er versuchte, seine Atmung unter Kontrolle
zu bringen.
Er nickte und hielt sich den schmerzenden Kopf.
"Ja.", presste er hervor.
"Soll ich Dr. Mertens rufen?", fragte sie, während sie ihm eine Hand auf
seinen Arm legte.
Er schüttelte den Kopf. "Nein - es war nur ein Albtraum."
Von unten herauf blickte er sie an und lächelte schwach.
Dann sah er, dass noch jemand an der Tür stand. Susan.
Sie blickte ihn ebenfalls erschrocken an.
"Susan!", rief Sam und stand auf. "Was machen Sie denn hier?"
"Ich dachte, Sie könnten ein kleines Mittagessen vertragen.", antwortete
sie unsicher. "Aber wenn es ein schlechter Zeitpunkt ist..."
"Miss Walker ist extra hierher gekommen um sich um Sie zu kümmern.",
schaltete sich nun Roberta ein, als sie Sams gestressten
Gesichtsausdruck bemerkte.
Sam versuchte, die Dinge in seinem Kopf zu ordnen. Was er eben gerade
gesehen hatte war kein Albtraum gewesen, er hatte eine Vision gehabt -
und zwar die von Deans und seinem Tod. Aber wann sollte das sein und wo
war diese Fabrikhalle?
Er schluckte und sah hinüber zu Susan, die immer noch abwartend in der
Tür stand.
"Tut mir leid, ich bin gerade total durcheinander.", sagte er.
"Na, dann ist ein stärkendes Mahl doch gerade richtig!", rief Roberta
aufmunternd, nahm Susans Hand und führte sie zu dem kleinen Tisch, der
im Raum stand.
Susan lächelte Sam zu, als sie hinter Roberta her gezogen wurde.
Sam wollte nicht unhöflich sein, stand auf und folgte den Beiden.
"Ich habe zwar nicht selbst gekocht, weil mein Herd in der neuen Wohnung
noch nicht angeschlossen ist - aber ich hoffe Sie mögen scharfes
Hühnerfleisch mit Reis vom Chinesen?"
Seine Züge entspannten sich etwas. "Das ist perfekt."
"Ich bin dann mal weg, meine Mittagspause machen...", sagte Roberta in
einem Singsang und verließ schmunzelnd den Raum.
"Wie geht es Ihrem Bruder?", fragte Susan, als sie alleine waren.
Vorsichtig nahm sie seinen Laptop vom Tisch und legte ihn auf dem
kleinen Nachttisch an Deans Bett ab.
"Oh, es geht ihm schon viel besser. Danke.", antwortete Sam und blickte
hinüber zu Dean. Zu gerne hätte er ihm von der Vision erzählt - aber
Dean schlief weiterhin tief und fest.
Susan stellte mitgebrachten Kaffee auf den Tisch. Dann öffnete sie eine
Plastiktüte und platzierte 2 Behälter mit dem Essen sowie 2 Dosen Cola
auf dem Tisch. Sam griff nach dem Stuhl der an Deans Bett stand und trug
ihn zum Tisch, während Susan sich bereits auf den zweiten Stuhl gesetzt
hatte und die Behälter mit dem Essen öffnete. Es duftete wirklich
fantastisch und erst jetzt bemerkte Sam, welchen Hunger er hatte.
Susan reichte ihm eine Gabel. Als sie ihre Hand zurückzog, kippte sie
versehentlich einen der beiden Becher mit Kaffee um.
Der Inhalt ergoss sich sofort über Sams Hose und dieser sprang vom Stuhl
auf.
"Au! Verdammt!", rief er und griff nach der einen Serviette, die auf dem
Tisch lag.
"Das tut mir leid!", sagte Susan und blickte ihn entschuldigend an. "Wie
ungeschickt von mir!"
Sam biss die Zähne zusammen. Der Kaffee war furchtbar heiß gewesen. Er
brauchte dringend kaltes Wasser.
"Das macht nichts.", presste er hervor. "Ich bin sofort zurück."
Schnell lief er hinaus und steuerte die kleine Toilette an, die zu der
Arztpraxis gehörte.
Sahara lächelte, als sie Sam hinterherblickte und beobachtete, wie er
den Raum verließ. Dann ging sie hinüber zu Deans Bett.
Sam hatte nicht bemerkt, dass Dean momentan nicht schlief, sondern
längst wieder bewusstlos war - und jetzt, da sie alleine war, konnte sie
zum nächsten Schlag ausholen.
Mit reichlich nasser Hose verließ Sam den kleinen Toilettenraum. Er war
fast wieder an Deans Zimmer angelangt, als er einen Schrei von Susan hörte.
Sam stürmte zu dem Raum und riss entsetzt die Augen auf, als er sah, was
gerade vor sich ging.
Dean bäumte sich unter Schmerzen auf und rang nach Luft, während Susan
seine Schultern festhielt und versuchte, ihn zu beruhigen.
Sie warf ihm einen verzweifelten Blick zu.
"Sam, ruf schnell den Arzt!"
Sam machte auf dem Absatz kehrt und lief zum Tresen.
"Roberta?", rief er.
Dann fiel ihm ein, dass Roberta etwas von Mittagspause gesagt hatte -
sie war nicht hier!
So schnell er konnte, rannte er die Treppe nach oben und hämmerte gegen
Dr. Mertens Wohnungstür.
Sahara hielt Dean noch einen Augenblick fest, dann ließ sie seine
Schultern los, er sackte auf die Matratze zurück und rang weiter nach
Luft, während ihn Krämpfe schüttelten.
Sie lächelte. Oh ja, er war wirklich ein Kämpfer...
Es dauerte nicht lange und Dr. Mertens öffnete die Tür.
"Sam? Was ist los?", fragte er.
"Mein Bruder, er hat Schmerzen! Bitte kommen Sie schnell!"
Sam lief wieder los und Dr. Mertens folgte ihm die Treppe hinunter, so
schnell es sein fortgeschrittenes Alter erlaubte.
Sam war bereits wieder am Zimmer angekommen und lief zu Deans Bett.
Susan stand geschockt daneben.
Dean wurde von Krämpfen geschüttelt und musste fürchterliche Schmerzen
haben, denn immer wieder griff er sich an den Bauch und stöhnte auf.
Sam ließ sich auf die Knie fallen und legte seine Hand auf Deans
Brustkorb. Er erschrak, als er spürte, wie schnell das Herz seines
Bruders pochte.
Dr. Mertens kam hinzu und überprüfte Deans Temperatur.
"Das ist ein Fieberkrampf.", sagte er. "Seit wann hat David wieder so
eine hohe Temperatur?"
"Ich weiß es nicht.", antwortete Sam außer Atem, irritiert von dem Namen
den der Arzt für Dean benutzte. "Ich weiß es nicht..."
Dr. Mertens verließ den Raum.
Sam bemerkte, wie Susan näher trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
Eine Fabrikhalle, er und Dean liegen bewusstlos auf dem Boden, eine
dunkle Gestalt nähert sich mit einem Messer...
So schnell das Bild gekommen war, so schnell war es auch wieder weg.
Sam zuckte zusammen und starrte Susan geschockt an.
"Was ist los, Sam?", fragte sie ruhig.
Sam hielt die Luft an - War sie für all das hier verantwortlich? Wer
oder was war sie?
Er schluckte und blickte nervös zu Dean, um sich nicht durch seine
Reaktion zu verraten.
"Ich glaube... es ist besser wenn...", stammelte er.
"Ist schon okay. Ich gehe besser.", antwortete sie verständnisvoll und
drückte nochmals seine Schulter, bevor sie den Raum verließ.
Sahara verließ die Arztpraxis und kostete diesen Moment voll aus. Sam
Winchester ahnte noch nicht einmal, dass sie für all das verantwortlich
war. Wie verwirrt und verletzlich er gewirkt hatte - fast zu gut um wahr
zu sein. Genau so hatte sie alles geplant. Und sie wusste, wie sie ihn
noch weiter ins Unglück treiben konnte. Den Erinnerungen von Dean hatte
sie entnommen, wie viel die Brüder füreinander empfanden, wie eng sie
miteinander verbunden waren. Wenn sie mit Dean fertig sein würde, wäre
auch Sam am Ende. Dann wäre sein Leben die Hölle...
Sie lachte und ging zurück zu ihrem Wagen.
Dr. Mertens kehrte zurück und injizierte Dean etwas, das ihn innerhalb
von Sekunden ruhiger werden ließ.
Sam atmete erleichtert auf, setzte sich auf das freie Bett und stützte
den Kopf in seinen Händen ab.
Das war ein Albtraum! Susan musste etwas mit dem Ganzen zu tun haben!
Die Vision, Deans erneuter Fieberanfall - sie war die ganze Zeit hier
gewesen, seit er Dean hierher gebracht hatte. Und er? Er hatte ihn mit
Susan allein gelassen! Wie hatte er nur so etwas tun können?
"Sam?", Dr. Mertens setzte sich neben ihn.
Sam hob seinen Kopf ein Stück und blickte den älteren Mann an.
"Ich glaube, wir müssen David in ein Krankenhaus bringen. Dieser
plötzliche Rückfall gibt mir sehr zu denken. Ich kann hier wohl doch
nicht genug ausrichten. Es müssen Bluttests durchgeführt werden und er
sollte unter ständiger Beobachtung stehen."
Sam schluckte. "Sieht es so schlecht aus?"
"Ich will nur Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Ich werde alles tun, um das
Fieber wieder zu senken und fordere einen Krankenwagen an. Er sollte in
einer halben Stunde hier sein."
Sam nickte und zog sich dann den Stuhl wieder an Deans Bett. Dr. Mertens
verließ den Raum.
Dann kam Sam eine Idee. Er nahm sich sein Laptop und öffnete eine Seite,
die er unter seinen Favoriten gespeichert hatte. Kurz darauf blickte er
gebannt auf den Bildschirm.
Susan Walker - vermisst
Schnell klickte er auf den Namen und las weiter. Susan Walker, 25 Jahre
aus Ohio, wurde wurde vor fast einem Jahr als vermisst gemeldet! Dann
öffnete sich ein Bild der vermissten Person - es war tatsächlich die
Susan, die gerade gegangen war.
Nervös fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht - war das möglich? War
Susan vielleicht besessen? War das der Dämon, den er und Dean gejagt
hatten und spielte er nun ein Spiel mit ihnen?
Wut keimte in ihm auf - dieses verdammte Ding hatte das alles seinem
Bruder angetan! Er musste ihn aufhalten!
Angespannt blickte Sam sich um, während er die Arztpraxis verließ. Er
wollte nicht riskieren, dass der Dämon noch irgendwo hier herumlungerte
und sich eventuell nochmals an Dean vergriff.
Er ging nach draußen und überquerte so unauffällig wie möglich die
Straße. Er war sich sicher, dass sie ihn in diesem Moment beobachtete.
Schnell öffnete er den Kofferraum des Impala und griff nach Deans
Tasche. Er warf einen kurzen Blick hinein. Der Kanister mit dem Salz und
eine kleine Flasche mit Weihwasser befanden sich bereits darin und er
steckte noch einige Bücher, die sich im hinteren Teil des Kofferraums
befanden, in die Tasche. Dann verschloss er den Kofferraumdeckel und
beeilte sich, wieder in das Gebäude zu kommen.
Zurück in Deans Zimmer angekommen, warf er die Tasche auf das leere Bett
und zog eins der Bücher heraus. Er hatte nur wenige Tage zuvor etwas
gelesen, das Dean vielleicht helfen konnte...
Während er suchte, kam Dr. Mertens zurück.
"Der Krankenwagen kommt in etwa 25 Minuten.", sagte er und warf einen
Blick auf die Tasche und das Buch. "Was ist das?"
"Oh - ich habe nur unsere Sachen geholt für den Fall, dass ich im
Krankenwagen mitfahren kann.", antwortete Sam. "Das ist Davids
Lieblingsbuch."
Eine lahme Lüge die noch lahmer wurde, als Dr. Mertens sich den Titel ansah.
"Geister und Dämonen des Mittelalters"
"Aha...", er nickte langsam und Sam bemühte sich um ein entschuldigendes
Lächeln. "Er steht auf alte Horrorfilme und Romane und so ein Zeug."
"Wie auch immer - ich bin drüben und fülle den Bericht für den
weiterbehandelnden Arzt aus. Haben Sie ein Auge auf ihn und rufen Sie
mich, falls er wieder krampft."
Sam nickte. "Natürlich."
Der Arzt verließ den Raum und Sam stieß erleichtert etwas Luft aus. Er
hasste es, sich irgendwelche Lügen auszudenken.
Dann widmete er sich wieder dem Buch. Er blätterte etwas darin herum bis
er die Seite fand, die er gesucht hatte.
"Okay, Dean.", sagte Sam während er seinen Bruder ernst anblickte. "Ich
habe hier vielleicht etwas."
Er setzte sich auf die Bettkante und atmete tief durch.
"Ich habe etwas gefunden, in einem alten Buch über Exorzismen. Damit
kann man einen dämonischen Einfluss unterbrechen. Ich weiß nicht ob es
funktioniert..."
Er kaute kurz auf seinen Fingernägeln bevor er weiter sprach. "Was, wenn
sie etwas bemerkt und ich Dir damit schade?"
Besorgt betrachtete er Deans Gesicht, das in diesem Moment viel jünger
als sonst wirkte. Seine Wangen waren erneut gerötet und seine Haare
schon wieder schweißnass.
Sam fuhr sich mit der Hand über die müden Augen.
"Ich muss es versuchen.", murmelte er, stand auf, nahm den Kanister mit
dem Salz und schloss die Tür. Er streute eine Bahn Salz aus - dann
streute er eine weitere Bahn auf die Fensterbank. Danach nahm er das
Buch in die Hand und begann zu lesen.
Sahara spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Verbindung zu dem
Menschen wurde schwächer!
Wütend stieg sie aus dem Wagen und stieß einen Schrei aus, als sie den
Kontakt zu ihm ganz verlor.
Wie hatte das passieren können? Was hatte Sam getan? Sie hätte ihn
aufhalten sollen, als er an den Wagen gegangen war! Sie war zu einfältig
gewesen, hatte sich in Sicherheit geglaubt!
Außer sich lief sie einige Schritte auf die Klinik zu, doch dann blieb
sie stehen - wenn er wusste was sie war, war es zu gefährlich sich auf
sein Terrain zu begeben...
"Na schön.", sagte sie zu sich selbst. "Dann müssen wir die Spielregeln
eben ändern, Du hast es so gewollt."
Sam las den letzten Satz des Exorzismus und klappte das Buch zu.
Angespannt beobachtete er Deans Gesicht. Es hatte sich nichts verändert.
Angst stieg in ihm hoch - hatte es nicht funktioniert und der Dämon in
Susan würde ihm nun noch schrecklichere Dinge antun?
Dann jedoch öffnete Dean den Mund und atmete tief durch. Einen
Augenblick später flatterten seine Augenlider und er drehte den Kopf zur
Seite.
"Dean?", fragte Sam und legte vorsichtig eine Hand auf dessen Arm.
"Hörst Du mich?"
"Weiterschlafen...", murmelte Dean und Sams Herz machte einen Sprung.
Er war wieder bei sich! Sam lächelte erleichtert und konnte fast nicht
glauben, dass der Spruch funktioniert hatte.
"Du kannst jetzt nicht weiterschlafen.", sagte er und strich ihm einige
Haare aus der Stirn. "Komm schon, Du musst aufwachen."
Doch Dean öffnete nur für einen kurzen Augenblick die Augen, nur um sie
gleich darauf wieder zu schließen.
Sam seufzte und lief zum Fenster.
Zum Impala konnten sie auf keinen Fall gehen, der Dämon würde sie
aufhalten - oder Schlimmeres.
Er entdeckte einen alten Honda auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Das Zimmer lag zum Glück im Erdgeschoss, sie würden also problemlos nach
draußen gelangen. Aber zunächst musste er Dean auf die Beine bekommen...
Er ging zurück zum Bett. Sam fragte sich, ob vielleicht das
krampflösende Mittel dafür sorgte, dass Dean nicht richtig zu sich kam.
Er griff seine Schulter und rüttelte.
"Wir müssen hier weg.", wiederholte er eindringlich.
Dean schlug die Augen auf. "Sam?"
"Ja, genau, Sam.", antwortete er mit der Geduld eines Engels, warf die
Bettdecke zur Seite, schob einen Arm unter Deans Kopf und griff ihm
unter die Arme, um ihn ein Stück hochzuziehen. Sobald Dean eine sitzende
Position erreicht hatte, setzte er sich hinter ihn, sodass er nicht
wieder umkippen konnte.
Selbst durch das durchnässte T-Shirt konnte Sam die Hitze spüren, die
noch immer in Deans Körper brannte und er fluchte, dass er ihn aus dem
Bett in die Kälte zerren musste.
"Was machst Du da?", hörte er plötzlich erneut Deans Stimme und Sam
lehnte sich etwas weiter nach vorne während er Deans Schultern weiter
stützte, um ihn ansehen zu können.
"Ich muss Dich hier raus schaffen.", antwortete er.
"Verdammt Sam, ich fühle mich, als hätte mich ein Lastwagen überrollt.",
sagte Dean und fasste sich an die Stirn. "Warum tut mir mein ganzer
Körper weh?"
"Du hattest einen Fieberkrampf. Ich vermute, daher kommen die Schmerzen.
Hör zu Dean, ich weiß es geht Dir nicht gut, aber wir müssen hier
verschwinden. Ich glaube der Dämon den wir verfolgt haben ist hier und
ist verantwortlich für Deinen Zustand. Kannst Du sitzen, sodass ich
Deine Hose holen kann?"
Dean starrte müde vor sich hin.
"Was?", fragte er nach einer gefühlten Ewigkeit und Sam vermutete, dass
er kein Wort von dem verstanden hatte, was er ihm gerade erklärt hatte.
"Okay... Wir müssen hier weg - die wollen Dich ins Krankenhaus schaffen,
ein Krankenwagen ist bereits unterwegs und wahrscheinlich ist ein Dämon
hinter uns her!"
"Ich... ich will in kein Krankenhaus.", antwortete Dean schläfrig,
stützte sich zumindest aber soweit ab, dass Sam aufstehen konnte.
"Ich weiß!", er griff nach Deans Jeans, die am Fußende des freien Bettes
lag und setzte sich wieder neben ihn. "Kannst Du die anziehen? Schaffst
Du das?"
Dean blickte ihn genervt von der Seite an, während er ihm die Jeans aus
der Hand nahm. Langsam und umständlich begann er, in die Hosenbeine zu
schlüpfen.
Sam stand auf und packte ihre restlichen Sachen ein. Dabei warf er immer
wieder einen Blick auf Dean.
Sam seufzte. Sein Bruder war nur ein Schatten seiner selbst. Seine
Gesichtszüge wirkten eingefallen und er sah so unglaublich müde aus...
Seine gesamte Körperhaltung verriet, dass er im Augenblick einfach keine
Kraft hatte. Gerade stand Dean auf, um die Hose das letzte Stück
hochzuziehen und schwankte dabei bedrohlich. Mit einem Schritt war Sam
bei ihm und stützte ihn.
"Gut - hör zu, wir müssen durch das Fenster abhauen. Ich werde Dir helfen."
Anstatt wie erwartet dagegen zu protestieren, nickte Dean nur und
stützte sich auf Sam.
Langsam ging er mit ihm zu dem Stuhl, der vor dem Fenster stand und ließ
ihn darauf ab. Er schob den Tisch zur Seite und öffnete das Fenster.
Zuletzt steckte er seinen Laptop in die Laptoptasche und hängte sie sich
um. Die Tasche mit ihren übrigen Sachen ließ er aus dem Fenster fallen.
Dann nahm er Deans Arm, legte ihn sich um die Schultern und zog ihn
wieder auf die Beine.
"Setz Dich auf die Fensterbank.", sagte er und kletterte selbst nach
draußen. Von dort zog er Dean über den Fenstersims.
Gemeinsam schafften sie es zu dem alten Auto.
"Was ist mit dem Impala?", fragte Dean.
"Den holen wir später!", gab Sam zurück und zog an dem Griff, um die
Beifahrertür zu öffnen - der Honda war nicht verschlossen. "Ich hab ja
auch mal Glück!", murmelte er und half Dean auf den Sitz. Danach warf er
ihre Sachen auf die Rückbank, nahm auf dem Fahrersitz Platz und begann
damit, den Wagen kurz zu schließen.
Sahara wartete, doch nichts geschah. Was hatten diese kleinen, nutzlosen
Menschen jetzt vor? Dann sah sie, wie ein Wagen mit hoher
Geschwindigkeit aus der Straße hinter der Praxis schoss und sie wusste
genau, dass sie es waren!
Wütend blickte sie dem Honda hinterher - sie konnten ihr nicht
entkommen. Sie würde sie finden auf die eine, oder andere Weise...
Sahara betrat die Räume der Arztpraxis und lief auf das Zimmer zu, in
dem Dean zuvor gelegen hatte. Sie drückte die Türklinke herunter, doch
sie konnte die Tür nicht öffnen.
Fluchend stemmte sie sich dagegen und entdeckte dann etwas auf dem Boden
- Salz musste hinter der Tür ausgestreut worden sein! Dieser Mistkerl
hatte sie ausgesperrt!
Sie drehte sich um, als sie Geräusche hinter sich hörte und entdeckte
Roberta - sie war gerade aus ihrer Pause zurück gekehrt.
"Miss, Walker! Ist alles in Ordnung, Liebes?", fragte sie.
Sahara lächelte, als ihr eine Idee kam und die alte Dame schrie auf, als
sie plötzlich in schwarze, glänzende Augen blickte...
Sam fuhr auf direktem Weg aus Bloomfield, der kleinen Stadt in der sie
gelandet waren, heraus. Er nahm die Bundesstraße in Richtung Taylorsville.
Dean war nach nur wenigen Minuten wieder eingeschlafen und Sam wollte
ihn so schnell wie möglich wieder ins Bett stecken. Dann würde er sehen,
wie es weiterging. Es dauerte eine Weile, doch dann entdeckte er ein
ziemlich heruntergekommenes Motel nur wenige Meilen hinter Taylorsville.
Dr. Mertens kam aus seinem Zimmer gelaufen, als er Robertas Schrei hörte.
Sahara warf ihn mit einer Handbewegung gegen die nächste Wand, wo er
bewusstlos liegen blieb.
Roberta klammerte sich zitternd an ihre Handtasche, während Sahara auf
sie zukam und sie grob am Arm packte.
"Wir sind gleich da.", sagte Sam, als er Dean in das Motelzimmer brachte
und ihn sich auf das Bett setzen ließ.
Er blickte ihn prüfend an und drückte ihm eine offene Wasserflasche in
die Hand, die er beim Anmelden des Zimmers gekauft hatte.
Dean nahm begierig einen großen Schluck.
"Wie fühlst Du Dich?"
"Besser.", antwortete Dean und stellte die Flasche auf den Nachttisch
neben dem Bett. "Hast Du vorhin etwas von einem Dämon gesagt?"
Sam nickte. "Sie hat dafür gesorgt, dass Du krank wurdest. Ich erkläre
Dir gleich alles, aber jetzt leg Dich hin."
"Ich fühle mich gut."
"Ja - so siehst du auch aus! Hinlegen, sofort!"
Man konnte deutlich sehen wie es in Deans Kopf arbeitete als er nach
einer weiteren Ausrede suchte, doch dann gab er auf, brummte nur kurz
und streifte sich die Schuhe von den Füßen. Dann kroch er unter die
Decke, wo er auf dem Bauch liegen blieb.
"Also, was ist noch mal passiert, Sam?"
"Gleich!", rief dieser und nahm den Kanister mit Salz aus der Tasche.
Er streute großzügig einen Halbkreis vor die Eingangstür des
Motelzimmers und vor das Fenster. Dann verschwand er im Badezimmer.
Dean hörte, wie Sam anscheinend auch Salz vor das Fenster im Bad streute
und dann das Wasser aufdrehte.
Müde ließ er den Kopf auf das Kissen sinken. Für einen Augenblick kühlte
der Kissenbezug seine heiße Wange, doch dann kehrte die Hitze des
Fiebers wieder zurück.
Er hatte unbeschreibliche Kopfschmerzen und den schlimmsten Muskelkater
seines Lebens - im gesamten Körper.
Was war nur mit ihm los gewesen und wie hatte Sam es geschafft, ihn
wieder auf die Beine zu bekommen?
An die letzten Stunden hatte er so gut wie keine Erinnerung und er
konnte nicht genau sagen, was Realität gewesen war oder was davon er nur
geträumt hatte.
"Wir brauchen dringend mehr Salz.", sagte Sam, als er zurückkam.
Dean hob ein Stück den Kopf und sah, dass sein Bruder neben dem Bett
stand und ein nasses Tuch in der Hand hielt.
"Los, dreh Dich um.", sagte er und setzte sich auf die Bettkante.
Dean tat, was sein Bruder gesagt hatte und Sam legte ihm das kalte Tuch
auf die Stirn. Er schloss die Augen - das fühlte sich jetzt wirklich gut an.
"Also Sam, was ist passiert?"
Während Sam ihm von den Vorkomnissen erzählte die sich seit seinem
Zusammenbruch zugetragen hatte, stieg eine ungeheure Wut in ihm auf.
"Dieses Miststück!", stieß er hervor. "Wir sollten sofort los und sie
kaltmachen!"
"Wenn sie uns mal nicht vorher findet...", antwortete Sam leise.
"Lass sie ruhig kommen!"
Sam lächelte schwach bei den Worten seines Bruders, der noch längst
nicht in der Lage war, es zurzeit mit einem Dämon aufzunehmen.
Aber seine Reaktionen zeigten ihm, dass er sich auf dem Weg der
Besserung befand und das war unheimlich erleichternd für ihn...
Eine Stunde warteten sie nun schon, ob der Dämon ihnen gefolgt war.
Dean schien es nach und nach immer besser zu gehen und schließlich stand
er auf, um eine Dusche zu nehmen.
Sam stand am Fenster und blickte nach draußen. Langsam dämmerte es und
er spürte den Schlafmangel der letzten Nacht nun deutlich.
Er schreckte zusammen, als sein Mobiltelefon klingelte. Schnell nahm er
es in die Hand und blickte auf das Display. Die Nummer die angezeigt
wurde, kannte er nicht. Er nahm ab.
"Hallo?"
"Sam.", sofort erkannte er Susans Stimme.
"Woher hast Du diese Nummer?"
"Von dem Formular das Du beim Arzt ausgefüllt hast.", antwortete sie kalt.
Sam schluckte. "Was hast Du mit Dr. Mertens und Roberta gemacht."
Er hörte, wie sie lachte.
"Der Doktor hatte Glück, dass er bereits einen Krankenwagen gerufen
hatte. Du hättest sie nicht alleine lassen dürfen, Sammy. Wie wird Dean
reagieren wenn er erfährt, dass Du vielleicht für den Tod eines alten
Mannes verantwortlich bist? Weißt Du, Dean stellt sehr hohe
Anforderungen an sich. Ich bin erstaunt, wie sehr ihm manche Dinge zu
schaffen machen. Redet er manchmal mit Dir darüber, Sammy? Darüber, wie
er über die Dinge denkt, die Du ihm an den Kopf geknallt hast?"
"Du wirst ihm nicht noch einmal so nahe kommen, um in seinem Kopf wühlen
zu können! Du dreckiger Dämon!"
"Oh - das trifft mich aber, Sam.", antwortete sie gespielt
beleidigt."Ich dachte, ich gefalle Dir? Magst Du meine offene Art nicht?"
Er schwieg, also sprach Susan weiter:
"Ich habe hier jemanden, der Dir guten Tag sagen will."
Sam hielt die Luft an.
"Hier... hier ist Roberta.", hörte er die zitternde Stimme der alten Dame.
"Roberta! Sind Sie in Ordnung?", fragte er aufgeregt.
Er hörte, wie die alte Dame am anderen Ende der Leitung schluchzte, dann
wurde ihr scheinbar das Telefon wieder entrissen.
"Hör mir jetzt genau zu.", sagte Susan, "In 30 Minuten will ich euch in
der alten Destille am Ortsrand von Bloomfield sehen. Wenn ihr nicht
pünktlich da seid, mache ich die nette alte Lady kalt. Und komm nicht
auf die Idee, alleine hier aufzukreuzen, Sam. Ich will, dass Du Dean
mitbringst, hast Du mich verstanden?"
Sam öffnete den Mund um zu antworten, doch Susan hatte bereits aufgelegt.
Sahara klappte das Handy zu und blickte hinunter auf Roberta, die in
einer Ecke der alten Fabrikhalle auf dem Boden kauerte.
Leise sprach die alte Dame vor sich hin und hielt den Blick gesenkt.
"Hör auf zu beten!", herrschte Sahara sie an. "Oder glaubst Du
tatsächlich, ein Engel wird vom Himmel steigen, um Dich zu retten?"
Roberta verstummte sofort und blickte sie mit Tränen in den Augen an.
"Schon besser."
Sahara wusste, dass die Brüder kommen würden. Weder Sam noch Dean würden
es sich verzeihen können, wenn sie die alte Dame im Stich ließen...
Sam warf sein Handy auf den Tisch und lief zur Badezimmertür. Mit der
flachen Hand schlug er dagegen.
"Dean! Beeil Dich!"
Nur wenige Sekunden später öffnete sein Bruder mit Boxershorts und
T-Shirt bekleidet die Tür.
"Was ist los?", fragte er besorgt als er ihn sah. "Sam, Du bist ja ganz
blass! Ist dieses Miststück aufgetaucht?"
Er lief zum Fenster und blickte nach draußen.
"Sie hat angerufen.", antwortete Sam und Dean drehte sich zu ihm um.
"Woher..."
"Von dem Patientenformular in der Arztpraxis.", schnitt Sam ihm das Wort
ab. "Sie hat Dr. Mertens verletzt und Roberta mitgenommen. Wir sollen in
30 Minuten zurück in Bloomfield sein, sonst tötet sie sie. Wir sollen zu
einer alten Fabrik kommen."
"Dann los!", rief Dean und griff nach seiner Jeans.
Sam schluckte schwer und blickte ihn an. Seine größte Angst hatte er ihm
noch nicht mitgeteilt...
Zu alldem kam, dass er Dean nicht mitnehmen wollte. Auch wenn dieser
sich momentan größte Mühe gab ihn zu überzeugen, dass es ihm wieder gut
ginge, so wusste er doch, dass er noch immer geschwächt war.
"Dean, ich habe Dir vorhin nicht alles erzählt.", sagte Sam leise und
blickte seinen Bruder müde an.
"Was ist los?"
"Ich sagte Dir, ich hätte etwas gespürt als Susan mich berührt hat und
habe dann vermutet, dass Sie ein Dämon ist."
Dean nickte. "Also, was? Was ist los?"
Sam setzte sich auf eins der Betten. "Ich hatte kurz zuvor eine Vision."
Dean knurrte, setzte sich Sam gegenüber und ließ ihn nicht mehr aus den
Augen. "Warum erzählst Du mir nichts davon? Huh?"
"Weil ich gesehen habe, wie jemand Dich tötet.", antwortete er und wich
Deans Blick aus.
Sahara beobachtete gebannt den Eingang der Fabrikhalle. Draußen zogen
sich dunkle Wolken zusammen und dicke Regentropfen prasselten auf den Boden.
Sie drehte das kleine, goldene Messer in ihrer Hand. Alles war bereit -
noch heute würden Sam und Dean Winchester sterben...
Dean blinzelte einige Male, stand dann ohne ein weiteres Wort auf und
zog sich seine Jeans an.
"Alter, was machst Du da?", fragte Sam überrascht und blickte ihn mit
offenem Mund an.
"Diese Schlampe hat schon mehr als ein Mal versucht mich umzubringen.
Sie wird es auch dieses Mal nicht schaffen!"
Sam sprang auf.
"Dean! Ich hatte eine Vision in der Dir jemand die Kehle aufschlitzt!",
rief er wild gestikulierend. "Außerdem bist Du krank! Verdammt, wir
laufen ihr doch direkt in die Arme!"
Er sah, wie Dean kurz zögerte und schluckte. Dann griff dieser nach
seiner Jacke und blickte ihn entschlossen an.
"Ich werde nicht hierbleiben. Und wenn diese Roberta nicht sterben soll,
haben wir keine Wahl, oder?", fragte er.
Sam fuhr sich mit der Hand durch die Haare. "Nein, wir haben keine Wahl."
"Dann lass uns keine Zeit verschwenden und den Impala holen.",
antwortete Dean. "Auf dem Weg dorthin erzählst Du mir alles über diese
Vision und den Anruf."
Sam blickte wütend zu Boden und ballte die Hände zu Fäusten. Er
wünschte, er hätte eine andere Lösung - doch die gab es nicht.
Dean ging nach draußen auf den alten Honda zu. Sam war nur wenige
Schritte hinter ihm und er vermied es, ihn in diesem Augenblick anzusehen.
Er wollte es ihm gegenüber nicht zugeben, aber Fakt war, dass er
körperlich am Ende war. Jede Bewegung schmerzte und war eine Überwindung
für ihn, sein Kopf pochte und seine Glieder waren schwer wie Blei. Das
Fieber hatte zwar nachgelassen, aber die Dusche hatte nicht die erhoffte
Wirkung gehabt seine Schmerzen etwas zu lindern und ihn wacher zu machen.
Dennoch durfte er Sam nicht alleine diesem Dämon gegenüber treten
lassen. Genausowenig wie sie für das Menschenleben der alten Lady
verantwortlich sein durften. Sie konnten sie nicht ihrem Schicksal
überlassen...
"Ich fahre!", hörte er Sams Stimme hinter sich und drehte sich um.
"Na schön, Sammy.", antwortete er. "Aber den Impala fahre ich."
Es dauerte gute 15 Minuten, bis sie am Impala angekommen waren. Schnell
suchten sie einige Dinge zusammen, die ihnen eventuell nützlich sein
konnten - doch beide wussten, dass sie einem Dämon in solch einem Fall
nicht wirklich etwas entgegen setzen konnten - jedoch sprach es keiner
von beiden aus.
"Wo ist diese Brennerei?", fragte Dean.
"Ich bin daran vorbeigekommen als ich Dich hierher gebracht habe. Es ist
nicht mehr weit.", gab Sam einsilbig zurück.
"Hast du das Weihwasser?", fragte Dean.
Er nickte und stellte ihm eine Gegenfrage: "Hast Du das Ersatzpaket Salz
in die Tasche gesteckt?"
"Ja."
"Dean, ich-"
"Uns wird nichts passieren.", unterbrach dieser ihn. "Bis jetzt haben
wir doch alles geschafft, oder?"
Sam blickte ihn an und entdeckte er eine Spur von Unsicherheit in dem
Gesicht seines Bruders.
"Lass uns fahren.", antwortete er nur und öffnete die Beifahrertür.
Den restlichen kurzen Weg verbrachten sie schweigend. Jeder hing seinen
eigenen Gedanken nach und als die Fabrik vor ihnen auftauchte, spürte
Sam einen Stich in der Magengegend.
Dean stellte den Motor ab und blieb noch einen Augenblick sitzen.
"Fertig?", fragte er.
Sam nickte und sie stiegen aus.
Sahara hörte den Motor des Impala schon von Weitem und lächelte
zufrieden. Die Jungs waren pünktlich, das musste man ihnen lassen. Sie
warf noch einmal einen Blick auf Roberta, die sie mit ihrer Kraft am
Boden hielt. Die alte Lady war inzwischen ziemlich still geworden und
hatte sich vielleicht mit ihrem Schicksal abgefunden.
Langsam lief Sahara auf den Eingang zu und trat hinter eine der vielen
Säulen, die den Raum unterteilten.
Sam hielt die kleine Flasche mit Weihwasser fest umklammert während er
Dean, der mit gezogener Waffe voraus ging, folgte. Als sie die Halle
betraten blickte er sich erschrocken um - es war der selbe Raum, den er
in seiner Vision gesehen hatte. Eine dicke Staubschicht bedeckte den
Boden und mehrere Betonsäulen waren im ganzen Raum verteilt. Dann
entdeckte er Roberta.
Dean warf ihm einen Blick zu und deutete ihm an still zu sein, während
sie auf Roberta zuliefen. Sam ging vor ihr in die Hocke.
"Sind Sie okay?", flüsterte er.
"Sie ist hier!", antwortete Roberta völlig verstört.
Er und Dean wirbelten herum, als sie Schritte hinter sich vernahmen und
im nächsten Augenblick spürte er wie er nach hinten gedrückt wurde und
landete an der Wand. Dean erging es ebenso. Seine Waffe fiel laut
klirrend zu Boden. Er selbst umklammerte noch immer die Flasche mit dem
Weihwasser, doch er konnte sich nicht rühren...
"Sam und Dean Winchester.", sagte Sahara und seufzte zufrieden. "Wie
schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid."
Sie schritt von Einem zum Anderen. Keiner von ihnen ließ sie aus den Augen.
"Was hast Du jetzt vor, Susan?", fragte Sam und sie ging näher zu ihm
hinüber.
"Mein Name ist nicht Susan.", antwortete sie und streichelte mit ihren
Fingerspitzen über seine Lippen.
"Ach ja? Und wie sollen wir Dich Missgeburt aus der Hölle nennen?",
fragte Dean.
Sie lächelte und sah zu ihm hinüber, während sie jedoch vor Sam stehen
blieb.
"Du bist ja richtig vorlaut, Dean! Vielleicht hätte ich mir etwas
Anderes für Dich ausdenken sollen, anstatt Dich winselnd in ein Bett zu
verfrachten."
"Tu Dir keinen Zwang an, Schlampe.", gab er zurück.
"Hmh. Weißt Du, Dean, das Problem ist, dass ich genau weiß, welches
Spiel Du hier spielst. Du willst, dass ich meine Aufmerksamkeit von Sam
ablenke. Nimmst das Risiko und den Schmerz lieber auf Dich in der
Hoffnung, dass der kleine, hilflose Sammy davon kommt. Aber ich habe
eine Neuigkeit für Dich - wir spielen hier schon lange keine Spiele
mehr. Sam wird heute sterben, genau wie Du. Du kannst ihm gerne dabei
zusehen."
Sie sah, wie er begann zu zittern und trat nun etwas näher.
"Oder willst Du mich etwa darum bitten, der Erste zu sein?"
Angespannt blickte er sie mit seinen grünen Augen an und versuchte
vergebens, von der Wand loszukommen. Dann sah er hinüber zu Sam.
Sahara legte ihm einige Finger unters Kinn und zwang ihn, sie wieder
anzusehen.
"Du bist plötzlich so still geworden - was ist, kannst Du die
Entscheidung nicht treffen? Du hast Daddy versprochen, Sammy immer zu
beschützen, aber das kannst Du nicht. Du hast versagt, Dean."
Sie spürte, wie er immer stärker zitterte und schließlich zur Seite
blickte. Das war es! Sie hatte ihn da, wo sie ihn haben wollte.
"Hör auf!", rief Sam schließlich und mit einem Schritt war sie zurück
bei ihm.
"Ja, Sam?"
"Wenn Du uns töten willst, dann tu es und hör auf mit diesem dummen
Geschwätz.", presste er hervor.
"Aber das ist doch gerade das Schöne daran!", rief Sahara.
Sie griff nach der Flasche mit Weihwasser, entwand sie seinem Griff und
warf sie in die nächste Ecke.
"Also Sam, willst Du mir nicht erzählen wie Du herausgefunden hast, dass
ich bin, was ich bin?"
"Nein."
Sie lachte.
"Jungs, es macht wirklich Spass mit euch, hat euch das schon einmal
jemand gesagt? Aber ich muss auch sagen, so langsam werde ich müde und
wir sollten die Sache etwas Beschleunigen."
Mit einer Handbewegung schleuderte sie Sam durch den Raum. Er stieß
gegen einen der Pfeiler und sackte bewegungslos zu Boden.
"Du verdammtes Miststück!", hörte Sie Dean rufen und ging näher an ihn
heran.
Während er sie wütend anfunkelte, zog sie das Messer aus der Tasche.
"Also Dean - Du oder er?"
Sam schlug hart auf dem Boden auf und in seinem Kopf pochte ein
unglaublicher Schmerz. Er lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken,
unfähig seine Augen zu öffnen oder sich zu bewegen.
Wie durch Watte hörte er den Dämon die Frage stellen - "Du oder er?"
Er stöhnte auf, als er die Antwort seines Bruders vernahm.
"Ich."
Erneut versuchte er sich aufzusetzen, doch alles drehte sich und sein
Körper wollte ihm einfach nicht gehorchen. Er hörte, wie der Dämon
lachte und wie Dean aufstöhnte, als er ebenfalls auf dem Boden aufschlug.
Gleich neben sich hörte er Schritte und ihm wurde bewusst, dass er sich
in der Szene seiner Vision befand.
Übelkeit stieg in ihm hoch und er spürte, wie er wegdriftete. Das Letzte
was er wahr nahm bevor er ohnmächtig wurde, war eine tiefe, männliche
Stimme.
"Was glaubst Du, was Du hier tust?"
Sahara hatte sich über Dean, der nicht weit von Sam entfernt bewusstlos
vor ihr lag, gebeugt.
Ihr Messer hatte sie soeben an seine Kehle gesetzt, als sie die Stimme
hinter sich hörte.
Sie schoss herum. Hier sollte niemand außer ihr sein! Dieser Platz war
zu abgeschieden!
Sie erkannte sofort, dass es sich nicht um einen Menschen handelte,
stand auf und trat einen Schritt auf den Dämon zu.
"Ich habe Dich etwas gefragt.", sagte er mit fester Stimme.
"Ich wüsste nicht, was Dich das angeht.", antwortete Sahara und blickte
den Kerl auffordernd an.
Er hatte sich einen attraktiven Körper ausgesucht, das musste sie ihm
lassen. Groß, schlank, muskulös - gutaussehend.
"Diese Beiden", er wies mit dem Kopf auf Sam und Dean. "gehören nicht Dir."
"Ach, und wem gehören Sie dann?"
"Meinem Vater."
Sahara lachte kurz. "Wieso sollte ich Dir das glauben? Warum kommt er
dann nicht selbst und schickt ihr Dich vor, um die Drecksarbeit zu tun?"
Die Augen des Mannes, den der Dämon besetzt hatte, färbten sich schwarz,
doch für einen Moment konnte sie einen gelblichen Schimmer darin erkennen.
Sahara wurde schlagartig bewusst, mit wem Sie es hier zu tun hatte.
"Er hat es nicht nötig, sich mit niedrigem Fußvolk abzugeben.",
antwortete er, während er auf sie zu kam.
"Was ist so Besonders an den Beiden, dass jemand wie ihr euch für sie
interessiert?", fragte Sahara nun mit wirklichem Interesse.
"Du bist nicht in der Position Fragen zu stellen.", antwortete er. "Und
ich würde Dir raten, das was uns gehört, nicht noch einmal anzufassen."
Sahara funkelte ihn wütend an.
Sie hatte die Beiden hierher gebracht - sie waren ihre Beute. Und jetzt
sollte sie sie ihm einfach überlassen?
"Ich könnte Dir helfen, sie zu erledigen.", sagte sie, während ihre
Augen sich schwarz färbten.
"Die Beiden haben noch ihre Rolle zu spielen. Aber jetzt ist nicht der
Zeitpunkt dafür. Außerdem wird sich bald jemand anderes um sie kümmern."
Sahara lächelte. "Wer, Deine Mutter? Erzähl mal, was hat eure Familie
angestellt, dass es euch alle in die Hölle verschlagen hat?"
"Pass auf, wie Du mit mir redest.", antwortete er wütend und packte ihr
Handgelenk. "Wage es nicht, uns bei unserem Plan in die Quere zu kommen!"
"Du willst sie doch nicht etwa laufen lassen?", rief Sahara überrascht.
"Das kann nicht Dein Ernst sein!"
"Ich würde Dir raten, Dich nicht mit mir anzulegen. Glaub mir, Du willst
mich nicht als Feind - schon gar nicht dort unten."
Sie blickte ihn einen Moment lang trotzig an, doch dann siegte die
Vernunft in ihr und das Schwarz verschwand aus ihren Augen.
Sie lebte schon lange unter den Menschen, doch ihre Zeit in der Hölle
würde sie niemals vergessen - und sie wollte auf keinen Fall dorthin zurück.
"Na schön.", sagte sie. "Ich werde gehen."
Er ließ ihre Hand los und sie ging auf den Ausgang der Höhle zu.
"Ach!", rief ihr der Dämon hinterher und sie drehte sich noch einmal um.
"Eins habe ich noch vergessen."
Sie sah, wie er seine Hand hob.
Im gleichen Augenblick spürte sie, wie sie den Kontakt zu ihrem
Wirtskörper verlor und nach draußen gedrängt wurde.
Erschrocken versuchte sie sich dagegen zu wehren, doch es war zwecklos -
er war zu stark.
Sie verließ den Körper, der leblos unter ihr zusammenbrach.
Der Dämon griff nach ihr, griff in die Wolke aus schwarzem Rauch und
Sahara spürte, wie ihr etwas genommen wurde.
Dann zog er seine Hand zurück und sie drängte zurück in den Körper, doch
es fühlte sich anders an. Sie war schwach, fühlte sich krank...
Benommen blieb sie liegen.
"Was hast Du getan?", fragte sie leise.
"Nimm, was ich Dir gelassen habe und sieh zu, dass Du verschwindest.",
war alles, was er antwortete.
Sie kämpfte sich auf die Beine und lief so schnell sie konnte nach draußen.
Algol wartete, bis dieses Nichts sich endlich aus dem Staub gemacht
hatte. Er hatte sie ihrer Fähigkeiten beraubt und sie den seinen
hinzugefügt - wenigstens dafür war sie zu gebrauchen gewesen.
Dann wandte er sich den beiden Brüdern zu.
Während er auf sie zuschritt, warf er einen Blick auf die alte Frau, die
halb wahnsinnig vor Angst in ihrer Ecke kauerte. Sie hatte zu viel gesehen.
Mit einer Handbewegung beendete er ihr Leben und beobachtete dann, wie
ihre Seele nach oben schwebte und schließlich verschwand. Ein
glückliches Schicksal, das ihm niemals vergönnt gewesen war.
Er richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf die Winchesters. Wie er
diese beiden hasste. Nur zu gerne würde er ihrem Dasein ebenfalls ein
Ende bereiten, aber er musste seinem Vater gehorchen. Seine Schwester
würde die beiden in eine Falle locken und so würden sie endlich an John
Winchester und den Colt kommen.
Ohne ihnen ein weiteres Haar zu krümmen, verließ er die alte Fabrik.
Sam zuckte zusammen, als der stechende Schmerz erneut durch seinen
Schädel fuhr. Was war passiert, woher kamen diese Schmerzen?
Dann kam die Erinnerung zurück und er riss die Augen auf - Dean!
Mühsam setzte er sich auf und versuchte, das Pochen in seinem Kopf zu
ignorieren. Bunte Sterne tanzten vor seinem Auge und er blinzelte. Wo
war Susan? Wer war noch dazu gekommen?
Endlich konnte er seine Umgebung erkennen. Fahles Mondlicht tauchte
alles in ein unheimliches Licht und warf dunkle Schatten an die Wände.
Dann sah er seinen Bruder nicht weit von ihm am Boden liegen. Er kämpfte
sich auf die Knie und kroch zu ihm hinüber. Er entdeckte Blut an Deans
Hals und erstarrte.
"Nein!", flüsterte er, robbte näher und beugte sich hinunter - ein
kleiner Schnitt! Es war nur ein kleiner Schnitt!
Erleichtert atmete er auf und fühlte Deans Puls. Da war er! Gleichmäßig
und kräftig.
Sam setzte sich hin und zog Dean ein Stück zu sich heran. Während er ihn
in den Armen hielt, fiel sein Blick auf Roberta. Er erkannte sofort,
dass sie tot war.
"Oh nein.", sagte er zu sich selbst und blickte sich um.
Was war hier nur los gewesen? Er erinnerte sich an eine männliche
Stimme... das konnte er sich nicht eingebildet haben.
Und der Dämon? Susan hätte sie niemals gehen lassen...
Er spürte, wie Dean sich regte und beugte sich etwas nach vorne um zu
sehen, ob er bereits die Augen geöffnet hatte. Die Bewegung sendete
erneut einen stechenden Schmerz durch seinen Kopf, doch er biss die
Zähne zusammen.
"Dean?"
Einen Moment später blickten ihn die grünen Augen müde an.
"Was ist hier los, Sammy?", fragte Dean und stemmte seine Hände auf den
Boden, um sich aufzusetzen.
"Woah, langsam.", sagte Sam als er sah, welche Mühe es ihm bereitete.
Dean sah sich um. "Wo ist diese Schlampe hin?"
"Verschwunden, jedenfalls sieht es ganz danach aus."
Dean entdeckte nun ebenfalls Roberta und seufzte leise.
"Es war alles umsonst.", sagte er und blickte Sam traurig an. "Sie ist
tot. Der Dämon verschwunden."
"Ich weiß nicht was hier los war, aber kurz bevor ich ohnmächtig wurde,
habe ich eine Stimme gehört. Es ist jemand hier gewesen, da bin ich mir
sicher."
"Muss wohl unser Schutzengel gewesen sein."
"Wir müssen herausfinden, was vorgefallen ist. Aber zuerst musst Du Dich
ausruhen."
Dean schüttelte den Kopf.
"Sherlock, sobald ich es schaffe aufzustehen, können wir mit der Suche
anfangen, okay?"
Sahara hatte es fast bis zu ihrem Wagen geschafft - doch kurz vorher
waren ihr die Beine weg geknickt und sie spürte wie Susan versuchte die
Oberhand zu gewinnen.
Was hatte dieser verdammte Dreckskerl nur mit ihr gemacht? Noch nie
hatte sie sich so schwach gefühlt und so viel Mühe gehabt, einen fremden
Körper unter Kontrolle zu halten.
Sie hatte gesehen, wie der andere Dämon sich in seinen Wagen gesetzt
hatte und weggefahren war.
Jetzt musste sie es schaffen hier zu verschwinden, bevor die beiden
Brüder wieder zu sich kamen. Und sie brauchte einen neuen Körper...
Dean gab sich größte Mühe den neuen Schmerz in seinem Rücken, für den
dieses Drecksweib ebenfalls verantwortlich war, zu ignorieren und
kämpfte sich auf die Knie. Seine Muskeln und Gelenke schrien auf, als er
sein Gewicht auf sein rechtes Bein verlagerte doch schließlich kam er
auf die Beine und er grinste Sam schief an.
In der nächsten Sekunde kam jedoch der Schwindel und er trat
unwillkürlich einen Schritt nach vorne und spürte, wie er mit Sam
kollidierte, der ihn in diesem Moment auffing.
"Gut gemacht.", presste Sam hervor, während er ihn wieder in eine
aufrechte Haltung brachte und seinen Arm festhielt. "Und jetzt fahre ich
Dich ins Krankenhaus."
"Ich sagte doch ich will in kein Krankenhaus!", gab er zurück.
Alles in ihm sträubte sich dagegen. Er hasste Krankenhäuser! Ein neuer
Vorschlag musste her - und zwar schnell, denn gegen den Dickkopf seines
Bruders konnte selbst er manchmal nichts ausrichten.
"Bring mich einfach zum Wagen. Ich ruhe mich im Motel aus.", sagte er
dann und ließ die Peinlichkeit, dass sein kleiner Bruder ihn beim Gehen
stützen musste, über sich ergehen.
Sam ging langsam mit Dean zum Impala, öffnete die Beifahrertür und
wartete bis er eingestiegen war. Dann hörte er ein Geräusch und drehte
sich um.
"Was ist?", fragte Dean.
"Ich habe etwas gehört!", antwortete er leise.
"Steig ein und lass uns abhauen!"
"Was, wenn sie noch hier sind?"
"Sam! Lass uns abhauen und später wiederkommen!"
Irritiert warf er einen Blick auf Dean - einfach Weglaufen, das war
sonst gar nicht seine Art. Aber so fertig wie Dean aussah wollte er wohl
nicht riskieren, dass er alleine auf die Suche nach dem Dämon ging. Aber
vielleicht könnten sie es auch beenden? Irgend etwas war passiert, hatte
den Dämon von ihnen abgehalten. Was, wenn er nun Antworten bekommen könnte?
Sahara konnte die beiden Brüder sehen, beobachtete, wie sie zu ihrem
Wagen zurück gingen. Sie war wütend und verwirrt. Der Kerl hatte sie
tatsächlich laufen lassen...
Sie hatte immer mehr Mühe, den Körper unter Kontrolle zu halten und
durfte sich in diesem Moment der Schwäche auf keinen Fall von den beiden
entdecken lassen.
Vorsichtig kroch sie ein Stück weiter ins Dunkel - und fluchte leise,
als sie einen Ast dabei zerbrach.
Der Kopf des jüngeren Winchesters schoss herum. Er hatte sie gehört!
Angespannt verharrte sie und wartete. Ob sie im Moment die Kraft hätte,
ihn von sich abzuhalten? Sie wusste es nicht...
Dean ließ Sam nicht aus den Augen. Er konnte sehen, welchen inneren
Kampf er in diesem Moment austrug. Er konnte nicht zulassen, nicht
verantworten, dass Sam sich ohne ihn noch einmal auf die Suche nach
diesem Ding begab.
Was gerade passiert war, grenzte bereits an ein Wunder. Niemals hätte er
geglaubt, dass sie noch einmal davon kommen würden.
Immer wieder hörte er die Worte, die dieses Miststück ihm an den Kopf
geworfen hatte - "Du hast Daddy versprochen, Sammy immer zu beschützen,
aber das kannst Du nicht. Du hast versagt, Dean."
Sie hatte Dinge in ihm aufgewühlt, Fragen die er sich selbst schon seit
Langem stellte - ja, er würde immer alles tun, um Sam zu beschützen,
würde ohne zu zögern sein eigenes Leben für seines geben. Aber wenn er
sich entscheiden musste wer zuerst sterben sollte, dann konnte es nur
eine Antwort für ihn geben...
"Du oder er?"
Er erschauderte beim Gedanken an diesen schrecklichen Moment und griff
nach Sams Hand.
"Bitte Sam, lass uns hier verschwinden."
Sam blickte verwundert an sich hinunter, scheinbar überrascht über diese
seltene Geste. Zu Deans großem Erleichtern nickte er dann, ging um den
Wagen herum, nahm auf dem Fahrersitz platz und startete den Motor.
Die Fahrt zum Motel war zu Deans Erstaunen von Sams Seite her
ungewöhnlich still verlaufen. Anstatt mit ihm über das was geschehen war
zu diskutieren, steuerte Sam konzentriert den Impala und war scheinbar
voll und ganz in Gedanken versunken.
Er selbst war momentan jedoch auch nicht auf der Höhe und wild auf
Diskussionen mit seinem Bruder, also beließ es zunächst dabei.
Am Motel angekommen fuhr Sam nicht direkt vor den Parkplatz ihres
Zimmers, sondern steuerte die Anmeldung mit angeschlossener
Einkaufsmöglichkeit an.
"Was machst Du?", fragte Dean.
"Ich will uns was zu Essen besorgen. Bleib im Wagen sitzen, ich bin
gleich zurück."
Sam stieg aus verschwand in dem Gebäude, während Dean sich für einen
Augenblick erlaubte, die Augen zu schließen und sich zurückzulehnen.
Nur wenigen Minuten später kehrte Sam zurück und fuhr den kurzen Weg zu
ihrem Zimmer.
"Was hast Du mitgebracht?", fragte Dean, während er sich auf sein Bett
setzte.
Sam kramte in der Tüte und beförderte zwei Flaschen Wasser und zwei
abgepackte belegte Brötchen heraus. Zuletzt zog er eine Tüte Chips heraus.
"Hey!", rief Dean. "Gib mir die Chips."
Sam zog die Augenbrauen hoch, warf sie ihm jedoch hinüber.
Sofort riss er die Tüte auf und atmete den würzigen Geruch der
Kalorienbombe ein.
"Genau das brauche ich jetzt!", er griff in die Tüte und schob sich
gleich mehrere Chips in den Mund.
Ihm fiel auf, dass Sam noch immer ungewöhnlich still war. Dass er sich
zuerst auf die ungesunden Kartoffelchips gestürzt hatte, hätte Sam im
Normalfall sofort mit einem blöden Spruch kommentiert.
"Alles okay, Sammy?", fragte er.
"Dean.", antwortete dieser ernst. "Ich habe gehört was Du geantwortet
hast als der Dämon Dich gefragt hat, wer von uns zuerst sterben soll."
Dean schluckte die letzten Reste in seinem Mund hinunter und legte die
Tüte zur Seite.
"Ich weiß nicht, wovon Du redest.", antwortete er. "Du warst ziemlich
weggetreten. Vielleicht-"
"Ich habe es mir nicht eingebildet!", schnitt Sam ihm das Wort ab und
sah ihn eindringlich an.
"Na schön - und was soll ich jetzt sagen?"
"Du quälst Dich schon wieder mit den Dingen die sie Dir an den Kopf
geworfen hat.", sagte Sam sanft.
"Nein, das ist nicht wahr."
"Dean - ich kenne Dich.", er lächelte kurz und sprach dann weiter.
"Alles was ich sagen will ist, dass Du Dich deswegen nicht fertig machen
darfst. Ich weiß, dass Du immer für mich da warst und dass Du auch immer
für mich da sein wirst. Ich würde niemals anders handeln."
"Das will ich doch hoffen.", gab Dean zurück und bemühte sich, ruhig zu
bleiben. Er hasste Situationen wie diese, wenn Sam ihn festnagelte und
ihn durchschaute.
Sam sprach weiter: "Wenn wir noch einmal in so eine Situation geraten,
dann musst Du Dich um Dich selbst kümmern, hörst Du? Ich komme schon klar."
Dean sah ihn einen Moment lang an und wusste nicht, was er antworten sollte.
"Ich brauche von Dir keine Standpauke über meine Prinzipien und meine
Gefühle, Sam.", gab er zurück und stand auf.
Sam ließ ihn noch immer nicht aus den Augen und er atmete tief durch.
"Ich verstehe, was Du mir sagen willst, Sam. Wirklich. Das tue ich. Aber
ich bin nun mal, wie ich bin."
Sam nickte. "Okay..."
"Ich verschwinde mal unter die Dusche.", sagte Dean.
"Klar, geh nur.", gab Sam monoton zurück.
Dean öffnete die Badezimmertür, ging hinein und lehnte sich dann von
innen dagegen. Er schloss die Augen und atmete erneut tief durch. Wie
schon so oft hatte er Sam abgeblockt. Aber er konnte nicht mit ihm über
seine Gefühle sprechen - zu oft endete es im Streit. Und er wollte jetzt
nicht streiten. Und er wollte mit Sam nicht darüber diskutieren, warum
er sich niemals anders entscheiden würde...
Dean stieg aus der Dusche. Das heiße Wasser hatte seine schmerzenden
Muskeln etwas entspannt und ihm einen etwas klareren Kopf verschafft. Er
griff nach dem Handtuch und begann, sich abzutrocknen. Sein Blick fiel
auf die Tür, wo ein Zettel lag. Daneben stand eine Flasche Mineralwasser
und die bereits geöffnete Chipstüte.
Er wickelte sich das Handtuch um die Hüften, lief auf die Tür und griff
nach der Türklinke - die Tür öffnete sich nicht. Entsetzt riss er die
Augen auf als er realisierte, dass Sam ihn eingeschlossen hatte.
Er hörte, wie dieser draußen scheinbar eilig einige Sachen zusammenpackte.
"Sam!", rief er wütend und schlug mit der Hand gegen die Tür. "Mach
sofort auf!"
Es kam keine Antwort.
"Sam! Lass mich hier raus!"
Dann hörte er, wie die Eingangstür zu ihrem Zimmer zufiel und
abgeschlossen wurde.
"Verdammter Idiot!", fluchte er und griff nach dem Zettel.
Sam blieb noch einen Moment zögernd vor der Tür ihres Motelzimmers
stehen, die er gerade mit pochendem Herzen hinter sich zugezogen hatte.
Dean würde ihn umbringen. Wahrscheinlich würde er ihm nie wieder
vertrauen... aber was hätte er tun sollen?
Er konnte Dean in seinem Zustand nicht mitnehmen und das Gespräch von
eben hatte ihm erneut gezeigt, dass Dean ihn niemals alleine gehen
lassen würde!
Er schluckte schwer und Tränen traten in seine Augen. Er tat das hier,
um Dean zu schützen - aber ob er das verstehen würde?
Dean,
ich weiß, Du wirst mir den Arsch aufreißen, aber ich muss herausfinden
was in der Fabrik vorgefallen ist. Ich kann nicht warten- und ich will
nicht, dass Du mir folgst.
Mach Dir keine Sorgen um mich.
PS: Falls ich nicht zurück komme - Ich habe dem Manager gesagt, dass die
Dusche defekt ist. Morgen kommt der Hausmeister.
Dean knüllte den Zettel wütend zusammen und biss die Zähne aufeinander.
"Mach Dir keine Sorgen um mich!", stieß er hervor. "Sam, Du blöder
Sturkopf!"
Er trat mit dem Fuß gegen die Tür und stöhnte auf, als er die Quittung
dafür bekam. Panisch sah er sich um. Das, was sich Fenster schimpfte,
war zu klein um hindurch zu klettern. Wahrscheinlich würde nicht mal
sein Kopf durch passen. Er hatte nichts in dem Raum das es ihm
ermöglichen würde, das alte Schloss zu knacken - Zahnbürsten, Zahnpasta,
zwei Rasierer und Plastikkämme - das war alles. Soweit er am Mittag
gesehen hatte, gab es hinter dem Motel nichts als Felder - zudem war es
noch spärlich belegt. Niemand würde ihn hören.
Langsam ließ er sich auf den Boden des kleinen Badezimmers sinken und
vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Wie konnte Sam ihm das nur antun?
Sam befand sich auf dem Weg zurück zur Brennerei. Bereits zwei Mal war
er kurz davor gewesen umzudrehen, zurück zu fahren und sich bei Dean zu
entschuldigen. Aber er wusste, dass es jetzt längst zu spät war um noch
vernünftig mit ihm über die ganze Sache zu sprechen. Außerdem hatte er
Angst vor Deans Reaktion auf das, was er getan hatte.
Er atmete tief durch und versuchte sich zu sagen, dass er richtig
gehandelt hatte.
Aber es fühlte sich mehr als falsch an!
Schließlich umklammerte er das Lenkrad so fest, bis seine Finger
schmerzten - Er hatte Dean vor einem Risiko bewahrt und musste sich
jetzt auf das konzentrieren, was vor ihm lag.
Sahara hatte es endlich zurück in den Wagen geschafft. Sie würde auf
schnellstem Wege in irgend ein Bauernkaff fahren und sich den Körper
eines alten, gebrechlichen Menschen oder eines Kindes aneignen - die
waren leichter zu kontrollieren als dieses Miststück hier!
Immer wieder spürte sie, wie sie für kurze Zeit die Kontrolle über Susan
verlor. Im Wagen ein gefährliches Unterfangen - sie wäre schon einige
Male beinahe von der Straße abgekommen. Zum Glück gab es zu dieser
Nachtzeit so gut wie keinen Verkehr und sie würde unbeschadet an irgend
einer kinderreichen Farm ankommen und sich jemanden Geeignetes suchen.
Sie blinzelte, als sie in der Ferne Scheinwerfer entdeckte. Als der
Wagen näher kam, traute sie ihren Augen kaum - es war die alte schwarze
Karre, die die Brüder fuhren!
Unbändiger Hass erfasste sie und obwohl sie um die Konsequenzen durch
den gelbäugigen Dämon wusste, so würde sie es nicht einfach hinnehmen,
dass diese beiden dafür verantwortlich waren, dass sie ihre restliche
Zeit auf Erden nun in einem schwächlichen Körper würde verbringen müssen!
Sie schaltete die Scheinwerfer ab, wendete und raste dem Wagen hinterher.
Dean hatte alles versucht, um aus diesem Zimmer zu kommen. Inzwischen
hatte er sich wieder angezogen und mit seinen schweren Stiefeln immer
und immer wieder gegen die Tür getreten, aber das Holz wollte einfach
nicht nachgeben. Aus was waren die Türen hier nur gemacht?
Im gesamten Raum hatte er nicht einen einzigen nützlichen Gegenstand
finden können, mit dem er die Tür hätte aufstemmen oder durchbrechen können.
Wie lange war er schon hier drinnen? Seine Armbanduhr lag draußen auf
dem Tisch - genau wie sein Handy!
Wütend stieß er einen kurzen Schrei aus und rammte mit der Schulter die
Tür. Bis auf den Schmerz, den er dafür erntete, hatte sich nichts
verändert. Er würde es doch wohl schaffen aus einem lächerlichen, alten
Badezimmer rauszukommen!
Außer Atem ging er einen Schritt zurück und fuhr sich durch die längst
trockenen, kurzen Haare. Ob es Sam gerade gut ging? Oder lag er schon
verletzt oder tot in dieser alten Fabrik? Immer wieder hörte er die
Worte von Sam in seinem Kopf -
"Wenn wir noch einmal in so eine Situation geraten, dann musst Du Dich
um Dich selbst kümmern, hörst Du? Ich komme schon klar."
Hätte er doch nur mit ihm gesprochen! Wirklich mit ihm geredet! Er
verstand nun, was Sam ihm versucht hatte zu sagen! Und er war wie so oft
weggelaufen, war ihm ausgewichen!
Tränen traten in seine Augen. Er war so wütend. Wütend auf sich selbst
aber auch wütend auf Sam weil er sich selbst in unnötige Gefahr brachte!
Er hätte ihm nicht zeigen dürfen, wie schlecht er sich in den letzten
Stunden gefühlt hatte! Hätte er sich zusammen gerissen, wäre Sam niemals
auf so eine dumme Idee gekommen! Er drehte sich zur Seite und starrte in
den Spiegel. Nein, er hätte es nicht vor Sam verbergen können, selbst
wenn er es gewollt hatte. So wie er aussah, so fühlte er sich auch.
Blass blickte ihm sein Spiegelbild entgegen, dunkle Augenringe ließen
ihn ausgemergelt und müde erscheinen.
"Verdammt!", stieß er hervor und setzte sich wieder auf den Boden. Wenn
ihr Dad ihn so sehen würde, er würde ihm einen Vortrag über Disziplin
und Sorgfalt halten. Oder würde er anders reagieren? Hätte er
Verständnis? Nein, wahrscheinlich wäre er wütend auf ihn, dass er sich
von Sam hatte austricksen lassen.
Langsam keimte in ihm auch eine Wut auf ihren Vater auf - Warum meldete
er sich nicht bei ihm? Warum ließ er ihn mit Sam alleine? Er lehnte den
Hinterkopf gegen die gekachelte Wand und schloss die Augen. Wenn er
nicht bald hier raus käme, würde er den Verstand verlieren.
Erneut war Sam in Gedanken um Dean versunken. Er schaffte es einfach
nicht, die Sache für nur zwei Minuten zu vergessen!
Plötzlich schreckte er auf, als dicht hinter ihm ein Wagen aufblendete.
Er kniff die Augen zusammen und blickte in den Rückspiegel. Im nächsten
Moment rammte der Wagen den Impala und er verstärkte den Griff um das
Lenkrad, um es nicht zu verreißen. Was war hier nur los? Wer war das?
Er trat aufs Gas und beschleunigte, doch auch der Fahrer im Wagen hinter
ihm gab Gas und setzte sich neben ihn. Im Dunkeln konnte er nicht
erkennen, um wen es sich handelte. Der Wagen fuhr ihm in die Seite und
er steuerte gegen. Das Einzige, was Sam in diesem Moment in den Kopf
schoss war, dass Dean sich unglaublich über die Schrammen am Impala
aufregen würde...
Ein weiteres Mal rammte ihn der Wagen von der Seite, dieses Mal heftiger
als zuvor. Sam verlor die Kontrolle und trat auf die Bremse. Er fühlte
noch, wie der Impala nach vorne kippte und scheinbar eine Böschung
hinunter raste, bevor ein Hindernis den Wagen abrupt abbremste und Sam
nach vorne geschleudert wurde. Er schlug mit dem Kopf auf das Lenkrad
und nach einem kurzen, heftigen Schmerz umfing ihn Dunkelheit.
Sahara bremste und brachte ihren Wagen zum Stillstand. Schnell stieg sie
aus und ging hinüber zum Impala, der im Graben einer Böschung fest hing.
Sie öffnete die Fahrertür und war enttäuscht, dass sie nur einen der
beiden Winchesters erwischt hatte: Sam.
Dann jedoch kam ihr in den Sinn, dass dieser Zufall gar nicht schlecht
war - Dean würde ein Leben ohne Sam wahrscheinlich als noch schlimmer
empfinden, als selbst zu sterben.
Sam war bewusstlos, also würde es ein Leichtes sein, ihn zu töten. Sie
griff in die dunklen Haare, zog seinen Kopf nach hinten und
konzentrierte sich auf seinen Kehlkopf. Mit ihrer Kraft würde sie ihn
zerquetschen...
Doch nichts geschah.
Verwirrt trat sie einen Schritt zurück und blickte an sich hinunter.
Dieser verdammte Dreckskerl hatte sie nicht nur geschwächt, er hatte ihr
ihre Kräfte genommen!
Ihr Blick wanderte zurück zu Sam und sie wurde von einer Welle des
Hasses überrollt.
Er und sein Bruder waren dafür verantwortlich!
Sie brauchte ihre Kräfte nicht, um ihn zu erledigen! Mit einer
fließenden Bewegung zog sie ihr goldenes Messer heraus und riss erneut
Sams Kopf nach hinten.
Dean schreckte auf, als er ein Klopfen an der Tür zu ihrem Motelzimmer
hörte und ein leises "Hausmeister!"
Schnell stand er auf und ging zur Tür.
"Ich bin hier drinnen! Öffnen Sie die Tür!", rief er, so laut er konnte
und schlug mit der flachen Hand gegen das Holz.
Stille... hatte der Mann ihn überhaupt gehört?
"Hallo?", versuchte er es erneut, doch es kam keine Antwort.
Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und trat mit der Ferse dagegen.
"So eine Scheiße!", rief er und atmete tief durch.
Dann zuckte er zusammen, als jemand von außen gegen das kleine Fenster
klopfte. Schnell lief er darauf zu und öffnete es. Er blickte in das
Gesicht eines älteren Mannes.
"Ich gesehen, dass Licht brennt. Kann ich Dusche reparieren auch
jetzt?", fragte dieser mit einem starken Akzent, den Dean nicht zuordnen
konnte.
"Die verdammte Dusche ist nicht defekt, aber ich bin hier
eingeschlossen! Können Sie bitte schnell die Tür öffnen, es ist ein
Notfall!", sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus.
Der Hausmeister blickte ihn reichlich verwirrt und fragend an.
"Kann ich Dusche reparieren jetzt?", fragte er erneut.
Dean blinzelte. Dann nickte er schnell.
"Ja! Ja! Öffnen Sie die Tür!", sagte er dann, dieses Mal mehr als
langsam und lauter als nötig.
Der Mann verschwand wieder aus seinem Blickfeld und er drehte sich zur
Tür. Nervös fuhr sich Dean mit der Hand übers Gesicht und trat mit
klopfendem Herzen wieder auf die Tür zu.
"Mach schon!", murmelte er.
Dann endlich hörte er, wie die erste Tür draußen aufgeschlossen wurde.
Danach war wieder Stille und er schlug erneut mit der Hand gegen die
Badtüre.
"Hallo? Hier bin ich!"
Endlich wurde der Schlüssel gedreht und er musste einen Schritt zurück
treten, als der Hausmeister sich herein quetschte.
"Was ist das für Dreck auf Boden?", fragte dieser.
Dean lachte kurz, mehr aus Erleichterung endlich aus diesem Badezimmer
zu kommen, als über die absurde Frage des Kerls - fragte er sich nicht,
was er eingeschlossen in seinem Motelzimmer machte?
"Salz!", antwortete er und drängte an ihm vorbei, nach draußen.
Er griff nach seiner Lederjacke und seinem Handy, ging zu seinem
Nachttisch und zog die Schublade auf. Dort lag seine Waffe, die Sam in
der Fabrik mitgenommen und hier verstaut hatte.
"Dusche kaputt?", fragte der Hausmeister während er wieder aus dem Bad
heraus kam und blickte ihn fragend an.
"Dusche nicht kaputt!", rief Dean. "Alles okay! Danke!"
Dann war er schon durch die Tür verschwunden.
Wie erwartet war der Impala weg und für einen kurzen Moment flackerte
wieder Wut in ihm auf. Sofort jedoch überwog die Sorge um Sam und er
bewegte sich auf einen alten Pickup zu. Er zog am Türgriff - der Wagen
war nicht abgeschlossen. Mit zitternden Fingern schloss er den Wagen
kurz und raste vom Parkplatz des Motels. Er wusste genau, wo er Sam
finden würde.
Sam spürte, wie ihn jemand unsanft an den Haaren riss und schlug die
Augen auf. Das Erste was er sah, war das kleine Messer, das im Mondlicht
aufblitzte. Sein Arm schoss hoch und er griff nach dem Handgelenk,
welches das Messer hielt. Erst dann wanderten seine Augen zu dem
Angreifer - es war Susan, die wütend aufschrie.
Er ignorierte den Schmerz der sich langsam in Wellen von seiner Stirn
über den gesamten Kopf ausbreitete und versuchte sich in eine bessere
Position zu bringen. Mit den Füßen fand er irgendwo Halt und stemmte
sich dem Dämon entgegen.
Sie fiel nach hinten und blieb für einen kurzen Augenblick liegen. Sam
kletterte aus dem Wagen und stützte sich kurz ab, da ihn heftiger
Schwindel erfasste.
"Du kannst mich nicht besiegen!", rief Sahara und kam wieder auf die Beine.
Sam schluckte und erwartete eine Welle dämonischer Kraft, aber sie kam
nicht. Außer Atem warf er sich auf sie und riss sie zu Boden. Mit dem
Messer erwischte sie seinen rechten Arm und er schrie auf als er spürte,
wie die Klinge in seine Haut schnitt.
Dean drückte das Gaspedal des alten Pickup bis zum Anschlag durch, aber
die alte Kiste schaffte einfach nicht mehr als 80 km/h. Er hatte sich
inzwischen schon mehrere Szenarien ausgedacht wie er Sam begegnen würde
und was er zu ihm sagen würde! Wenn es Sam gut ginge...
Sein Puls schnellte hoch, als er weiter vorne die Rücklichter eines
scheinbar verunfallten Wagens entdeckte. Dann kam er näher - es war der
Impala!
"Verdammt, Sammy!", rief er besorgt.
Dann tauchten im Scheinwerferlicht des Pickups zwei Personen auf und er
trat auf die Bremse.
Sahara verpasste Sam einen Kinnhaken der gesessen hatte und er kippte
zur Seite. Sofort war sie über ihm und presste ihm das Messer an die
Kehle. Im letzten Augenblick bekam er ihre Hand erneut zu fassen und
drückte sie hoch. Er verdrehte ihr das Handgelenk und sie schrie auf.
Das Messer schlitterte den Asphalt entlang und blieb irgendwo außer
Reichweite liegen.
Sofort holte sie aus und schlug auf sein Gesicht ein. Ihre dämonischen
Kräfte schienen nicht mehr zu wirken, aber sie war noch immer stärker
als er. Zumindest das hatte der andere Dämon ihr nicht nehmen können!
Er versuchte ihre Hände erneut zu greifen aber mit jedem Schlag den sie
ihm verpasste, wurden seine Bewegungen unkoordinierter. Sam war kurz
davor, das Bewusstsein zu verlieren. Was für eine Befriedigung es sein
würde, ihm die Kehle aufzuschlitzen!
Im Augenwinkel nahm sie Lichter wahr. Ein weiterer Wagen näherte sich!
Sie fluchte, rollte von Sam herunter und zog den halb Bewusstlosen näher
an sich heran. Inzwischen regte er sich nicht mehr. Sie legte ihm einen
Arm um den Hals und wartete. Die Scheinwerfer des Autos erhellten die
Umgebung und sie bemühte sich um einen verzweifelten Gesichtsausdruck -
für einen Außenstehenden würde die Szene wie ein normaler Unfall wirken.
Dann jedoch traute sie ihren Augen kaum als sie sah, wer aus dem Wagen
stieg...
Dean erkannte sofort, was vor sich ging und riss die Tür des Pickup auf.
Er sprang aus dem Auto und zog seine Waffe.
"Geh weg von ihm!", rief er wütend und schluckte als er Sams
Verletzungen sah.
Eine Platzwunde an der Stirn, aufgeplatzte Lippen, ein langer Schnitt am
Arm.
Der Dämon lächelte und hielt sich weiter hinter Sam versteckt.
"Ich breche ihm das Genick wenn Du nur noch einen Schritt nach vorne
machst!", rief sie.
Dean erstarrte. Er zweifelte nicht daran, dass sie ihre Drohung wahr
machen würde...
Sam spürte, wie sich der Griff um seinen Hals verstärkte und wie Susan
ihre andere Hand gegen seinen Nacken presste. Sein Kopf und sein Gesicht
schmerzten furchtbar und er war sich bewusst, was sie vorhatte. Doch er
schaffte es nicht, seine Augen zu öffnen. Sein Körper fühlte sich schwer
an und so sehr er sich auch bemühte, die Befehle die sein Gehirn
aussandte, kamen nicht an. Und er war müde... so müde...
Dann hörte er Deans Stimme. Dean war hier? Oder spielte sein Gehirn im
Streiche? Er musste es wissen...
Mit aller Willenskraft die er noch aufbringen konnte konzentrierte er
sich darauf, die Augen zu öffnen. Ein grelles Licht blendete ihn und
alles war verschwommen. Es dauerte eine kurze Weile bis seine Augen
fokussierten und dann sah er ihn - Dean stand tatsächlich vor ihm und
zielte mit der Waffe auf Susan.
Sahara ließ Dean keine Sekunde aus den Augen.
"Was glaubst Du, was Du mit Deiner Pistole gegen mich ausrichten
kannst?", fragte sie. "Deine Kugeln können mich nicht töten, schon
vergessen?"
"Nein.", antwortete er. "Aber ich kann den Körper den Du besetzt hälst
durchlöchern und dann siehst Du nicht mehr so frisch aus wie jetzt."
Sie schluckte. Im Normalfall würde sie Schusswunden nach kürzester Zeit
wegstecken, würde den Körper zusammenhalten und weitermachen - im Moment
jedoch würde sie in ihrem Zustand wahrscheinlich vollends die Kontrolle
verlieren und wäre gezwungen, ihn zu verlassen. Wenn sie dazu dann noch
in der Lage wäre...
Aber all das war diesem unwissenden Menschen nicht bewusst - wie sie
schon vermutet hatte. Jung und unerfahren.
"Falsch!", rief sie. "Schusswunden kümmern mich nicht."
"Silberkugeln schon, oder?", gab er zurück.
Sie war beeindruckt - scheinbar waren die Jungs doch nicht so
unerfahren. Sie zog Sam noch ein Stück weiter heran. Silberkugeln
töteten sie zwar nicht, aber diese Dinger fügten selbst ihr erheblichen
Schaden zu.
"Leg die Waffe weg!", forderte sie.
Dann hörte sie, wie Sam etwas murmelte.
"Ich glaube Dein Bruder versucht, Dir etwas zu sagen.", sagte sie. "Komm
schon, leg die Waffe weg!"
Dean fragte sich, warum der Dämon nicht längst seine Fähigkeiten gegen
ihn oder Sam eingesetzt hatte. Irgend etwas sagte ihm, dass er eine
Chance gegen dieses Miststück hatte... irgend etwas stimmte hier nicht.
Sam hatte inzwischen die Augen geöffnet und blickte ihn eindringlich an.
Dann formte er einen Namen mit dem Mund und Dean erkannte, was er ihm
mitteilen wollte.
"Christo!", rief er laut.
Der Dämon zuckte zusammen und ließ Sam für einen Augenblick aus seinem
Griff.
Dean sah, wie sich sein Bruder zur Seite rollte und er somit ein freies
Schussfeld hatte.
Dann drückte er ab.
Sahara spürte, wie die Kugeln eindrangen. Eine in die Schulter, eine
Weitere nur Sekundenbruchteile später in das Bein. Sie wurde nach hinten
geworfen und landete mit dem Rücken auf dem Asphalt.
Verdammt, es tat mehr weh, als sie sich jemals hätte träumen lassen. Der
fremde Körper wollte sich nicht mehr bewegen - sie schaffte es nicht
einmal, die Augen zu öffnen. Nichts... sie war gefangen...
Alles, was sie wahrnahm, waren die Geräusche von draußen und den Schmerz
der Wunden, die die Silberkugeln ihr zugefügt hatten.
Langsam wurde ihr bewusst, dass sie jetzt zurück in die Hölle geschickt
werden würde, wenn die Brüder einen Exorzismus durchführten.
Sie erschauderte...
Dean hielt zitternd seine Waffe in den Händen und wartete einen Moment.
Würde der Dämon wieder aufstehen?
Dann wagte er es, näher heran zu gehen. Außer Atem richtete er weiterhin
die Waffe auf den Körper des Mädchens, doch nichts geschah. Sie rührte
sich nicht.
Er nahm die Waffe herunter und lief dann sofort hinüber zu Sam, der
regungslos am Boden lag.
"Mein Gott, Sammy!", sagte er und kniete sich auf die Straße. Sein
Bruder blickte ihn müde an.
"Was machst Du auch für dumme Sachen!" Alles was wer im Moment fühlte,
war Erleichterung dass Sam überlebt hatte.
"Es tut mir leid.", krächzte Sam.
Dean fühlte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen und er schluckte.
"Nicht jetzt, Sammy. Ich bin nicht böse auf Dich."
Vorsichtig griff er unter Sams Arme und zog ihn weg von dem Dämon,
herunter von der Straße. Dann öffnete er den Kofferraum des Impala.
Sämtliche Sachen waren nicht mehr an ihrem Platz und es dauerte einen
Augenblick bis Dean das gefunden hatte, was er gesucht hatte.
Schnell ging er hinüber zu dem Dämon und zog einen Kreis aus Salz um ihn
herum. Dann öffnete er das Tagebuch seines Vaters und begann zu lesen...
Der Körper des Mädchens wurde von wilden Krämpfen geschüttelt und Dean
warf einen verunsicherten Blick hinüber zu Sam, der sich inzwischen
aufgesetzt hatte.
"Lies weiter.", sagte Sam. "Es ist gleich zu Ende."
Dean beendete den Exorzismus, indem er hektisch den letzten Satz las.
Schwarzer Rauch strömte aus dem Mund von Susan und verschwand im dunklen
Nachthimmel.
"Komm ja nicht zurück!", rief Dean in die Nacht hinein und ließ dann
erschöpft das Tagebuch seines Vaters sinken.
Mit klopfendem Herzen ging er auf Susan zu. Er kniete sich neben sie und
fühlte ihren Puls. Sie lebte, aber die Schusswunden bluteten heftig. Sie
musste so schnell wie möglich in ein Krankenhaus. Er stand wieder auf
und lief hinüber zu Sam.
"Hey, alles okay, Großer?", fragte er und ging vor ihm in die Hocke.
"Ist sie tot?", fragte er.
"Sie lebt. Ich bringe euch ins Krankenhaus."
Langsam zog er Sam auf die Beine und führte ihn in Richtung des alten
Pickups.
"Warte, Dean.", sagte Sam und stoppte. "Du kannst nicht mit uns Beiden
in einem Krankenhaus auftauchen. Die werden sowieso schon Fragen stellen
und die Cops benachrichtigen."
"Wir lassen uns was einfallen!", antwortete Dean.
"Und der Impala?"
Er warf einen Blick auf den Wagen und zögerte.
"Los, bring Susan ins nächste Krankenhaus. Ich rufe einen
Abschleppdienst für den Impala und komme dann nach.", schlug Sam vor.
"Nein, Du brauchst einen Arzt!", entgegnete Dean.
"Es ist okay. Mein Arm blutet schon nicht mehr. Wie willst Du das alles
sonst erklären? Nimm Susans Wagen und bring sie ins nächste Krankenhaus.
Ich komme mit dem Pickup nach!"
Dean blickte Sam nachdenklich an. Wie schaffte er es, trotz seines
Zustands so überzeugend zu argumentieren? Er wollte Sam nicht
hierlassen, aber er hatte recht, den Impala konnten sie auch nicht
einfach im Graben hängen lassen - außerdem versuchte Sam ihm erneut zu
sagen, dass er allein klar kommen würde.
"Dean! Los!", drängte Sam.
Er unterdrückten ein Seufzen und nickte statt dessen.
"Hast Du Dein Handy?", fragte er.
Sam zog es aus seiner Jackentasche und hob es hoch.
"Ruf mich sofort an, wenn Du losfährst, dann sage ich Dir in welchem
Krankenhaus Du mich findest. Und pass auf Dich auf."
"Okay."
"Und Sam?"
"Ja?"
"Keine Dummheiten, keine Extratour zur Fabrik. Ich komme morgen mit Dir,
hörst Du?"
"Schon klar."
Er ging zurück zu Susan, hob sie vorsichtig vom Boden hoch und trug sie
hinüber zu dem Wagen den der Dämon benutzt hatte. Nachdem er die Tür
geöffnet hatte, legte er sie auf die Rückbank und blickte dann noch
einmal hinüber zu Sam, der bereits mit jemandem vom Automobilclub
sprach, bevor er einstieg, den Wagen wendete und los fuhr.
Sam legte auf und blickte den Rücklichtern von Susans Wagen hinterher.
Wie zum Henker war Dean eigentlich aus dem Badezimmer raus gekommen?
Er fühlte sich noch immer schlecht wegen dem, was er getan hatte. Trotz
allem hatte sein Bruder ihm erneut das Leben gerettet und hatte ihm noch
nicht einmal einen Vorwurf gemacht.
Nicht wegen seiner Aktion und auch nicht wegen dem Wagen.
Er seufzte, denn jetzt fühlte er sich noch schlechter. Langsam ging er
hinüber zum Impala. In einer halben Stunde würde der Abschleppdienst
aufkreuzen. Im Kofferraum suchte er nach einer Taschenlampe, holte den
Wagenschlüssel und verschloss den Kofferraum. Niemand sollte sehen, was
sich darin befand.
Dann lief er hinüber zu den Salzkreis, den Dean gezogen hatte. Zum Glück
war nur wenig von Susans Blut auf der Straße zu sehen. Als er begann,
mit dem Fuß das Salz zu verwischen, setzte heftiger Regen ein.
"Sehr gut.", murmelte er.
Der Abschleppdienst sollte nicht erfahren, was hier wirklich vorgefallen
war. Sam würde behaupten, dass er den Impala in den Graben gesetzt und
versucht hatte, ihn mit dem Pickup rauszuziehen. Hoffentlich waren die
Schäden nicht zu groß. Es musste Dean sowieso schon jetzt das Herz
brechen, den Wagen so zu sehen.
Als sein Gesicht vom Regen nass war wischte er sich mit dem Ärmel das
Blut ab. Danach ging er hinüber zu dem Pickup, setzte sich hinein und
wartete.
Dean hatte endlich ein Krankenhaus gefunden und Susan wurde bereits
operiert. Er hatte die Ärzte und die Polizei mit einer blöden Lüge
abgespeist und sich dann so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht,
weil sie ihm nicht recht glauben wollten.
Jetzt saß er im Wagen, in irgend einer Seitenstraße und wartete auf Sams
Anruf. Er würde Sam irgendwann später hinein schicken, um mit Susan zu
sprechen. Vielleicht konnte sie sich an etwas erinnern, das ihnen
Antworten liefern würde...
Der Regen prasselte aufs Auto und zum hundertsten Mal blickte er auf
sein Handy. Er hielt es nicht mehr länger aus und wählte Sams Nummer.
Kurz darauf nahm dieser ab.
"Wo steckst Du?", fragte er. "Wie geht´s Dir?"
"Ähm, mir geht´s gut.", antwortete Sam. "Ich bin in einer Werkstatt in
Fairfield, ich fahre jetzt gleich los."
Erleichtert atmete Dean auf. Sam klang gut, er schien halbwegs fit zu sein.
"Ich bin in Bardstown, etwa 15 Meilen westlich von Dir.", sagte er.
"Fahr´ über Coxs Creek. Das Krankenhaus siehst Du gleich nach dem
Ortseingang. Ich warte in einer Seitenstraße. Ruf einfach noch mal an,
wenn Du da bist."
"Okay.", gab Sam zurück. "Ähm, der Impala wird übrigens wieder."
Dean lächelte vor sich hin. Natürlich machte sich Sam Sorgen wegen des
Wagens, er musste ein furchtbar schlechtes Gewissen haben.
"Dir ist schon klar, dass Du die Rechnung dafür übernimmst.", antwortete
er ernst.
"Ja, natürlich.", antwortete Sam und legte schnell auf.
Er grinste. Wahrscheinlich machte Sam sich gerade in die Hosen.
Dean schreckte aus dem Schlaf hoch, als etwa eine halbe Stunde später
sein Handy klingelte. Verschlafen blickte er auf das Display und nahm
dann ab.
"Sam, bist Du schon da?"
"Ich stehe vor dem Krankenhaus.", antwortete er.
"Warte, ich komme zu Dir."
Er legte auf und stieg aus dem Wagen. Das Polizeiauto, das zuvor noch
vor dem Krankenhaus geparkt gewesen war, war endlich verschwunden. Dann
entdeckte er den Pickup, ging darauf zu und öffnete die Tür, um sich auf
den Beifahrersitz zu setzen.
"Hey Sam."
"Hey Dean."
Einen Moment herrschte Stille und Dean betrachtete Sams Gesicht im
Halbdunkel der Straßenlampen.
"Die hat Dich ja ganz schön zugerichtet.", sagte er.
"Ich werd schon wieder.", gab Sam knapp zurück und wandte sich ihm zu.
"Hör zu, es tut mir wirklich leid. Ich habe Mist gebaut! Glaub mir, so
was mache ich nie wieder!"
Dean verzog den Mund zu einem halben Grinsen. "Ich weiß, Sammy. Aber ich
habe jetzt keine Lust darüber zu reden. Ich bin müde."
"Was ist mit Susan?"
"Wird gerade operiert. Ich schätze, wir sollten morgen wiederkommen und
mit ihr reden. Besser gesagt Du. Ich stehe hier jetzt wohl ganz oben auf
der Fahndungsliste."
Sam grinste kurz. "Also zurück zum Motel?"
"Zurück zum Motel.", Dean stieg wieder aus und lief hinüber zu Susans
Wagen. Dann folgte er Sam zurück nach Bloomfield.
Den Pickup stellten sie zurück auf den ursprünglichen Parkplatz und Dean
versteckte die Drähte so, dass der Besitzer des Wagens wahrscheinlich
noch nicht einmal merken würde, dass er sich den Wagen "ausgeliehen" hatte.
Nachdem sie ihr Motelzimmer betreten hatten ging Sam sofort ins Bad, um
sich noch einmal die Wunden auszuwaschen. Dean zog als erstes den
Schlüssel zum Badezimmer von der Tür ab und steckte ihn in seine
Jackentasche. Dann streifte er sich die Schuhe von den Füßen, zog seine
Jeans aus und kletterte ins Bett. Er hörte noch nicht einmal mehr, wie
Sam aus dem Bad kam und ebenfalls ins Bett ging.
Als Dean am nächsten Morgen aufwachte roch er den frischen Kaffee schon,
bevor er die Augen aufschlug. Sam musste noch immer ein schlechtes
Gewissen haben, wenn er freiwillig Kaffee für ihn holte.
Er öffnete die Augen und blinzelte. Es musste spät sein, denn die Sonne
schien schon durch das Fenster.
"Guten Morgen.", hörte er von der Seite und drehte den Kopf.
Sam saß an dem Tisch, den Laptop geöffnet. Sein Gesicht zeigte sich in
den schönsten Farbtönen.
"Wow, Sam, Du siehst echt scheiße aus.", sagte Dean und setzte sich auf.
"Danke für das Kompliment.", gab er zurück, nahm einen der Kaffebecher
und brachte ihn zu ihm hinüber.
Dean nickte dankbar und nahm einen Schluck.
"Ähm, wir können uns in einer halben Stunde den Impala ansehen. Der
Werkstattbesitzer hat mir schon einen Kostenvoranschlag gemacht."
"Na, da bin ich aber mal gespannt.", antwortete Dean und stand auf um
ins Bad zu gehen. "Ach, übrigens, falls es Dir aufgefallen ist - ich
habe den Badschlüssel!"
"Das ist nicht lustig, Mann!"
Dean umrundete den Impala mit angespannter Mine. Die hintere Stoßstange
war zerkratzt und zerbeult, die Vordere abgefallen. Der Kühlergrill war
verbogen, der linke vordere Kotflügel und die Fahrertür eingedrückt.
Er seufzte.
"Dean...", hörte er leise hinter sich.
"Das kann man alles reparieren.", sagte er schnell.
Sein Bruder nickte. "Ich... es... ich werde... natürlich werde ich..."
Er ging näher an den sich abmühenden Sam heran.
"Hör zu, Stotter-Stanley. Es ist okay. Wie gesagt, das kann man alles
reparieren. Aber wenn Du noch einmal so eine Sache abziehst, dann
schwöre ich Dir, dann verpasse ich Dir das erste Mal in Deinem Leben
eine Tracht Prügel."
Sams Unterkiefer klappte nach unten und er verstummte.
"Naja,", fuhr Dean fort und musste grinsen. "vorausgesetzt, Du siehst
nicht gerade so scheiße aus wie heute."
Er sah, wie ein kurzes Lächeln über Sams Gesicht huschte.
"Lebst du tatsächlich in dem Irrglauben, dass Du mich noch übers Knie
legen könntest?", fragte Sam.
"Klar! Große Brüder können so was. Immer."
"Ach ja? Dafür musst Du mich aber erst mal kriegen!"
Sam lief los, drehte sich nach ein paar Schritten um und sah Dean
auffordernd an.
"Komm schon! Das ist unfair!", rief Dean.
Sein Bruder lief ihm bei Sprints mit seinen langen Beinen immer davon -
und das wusste er genau.
Sam lachte - ein lautes, herzliches Lachen das Dean schon lange nicht
mehr von ihm gehört hatte. Er lächelte.
"Das ist mein Junge.", murmelte er und rannte ihm nach.
Nachdem sie sich einen Wagen gemietet und das gestohlene Auto das der
Dämon benutzt hatte in einem abgelegenen Waldstück versteckt hatten,
bestand Dean auf ein Frühstück und sie suchten ein Diner.
"Wir müssen Robertas Leiche heute melden.", sagte Dean, während er sich
eine Gabel Rührei in den Mund schob.
"Ja, genau das richtige Thema für´s Frühstück, Mann.", antwortete Sam
und legte sein Brötchen aus der Hand.
"Ich denke ja nur darüber nach, was wir heute erledigen müssen.", gab
Dean zurück. "Du gehst ins Krankenhaus und befragst Susan. Danach fahren
wir noch mal zur Fabrik und suchen nach Hinweisen. Und morgen Nachmittag
können wir endlich den Impala holen und hier verschwinden.", er nahm
einen Bissen von seinem Toast.
Sam nippte an seinem Kaffee. "Denkst Du, sie erinnert sich an etwas?"
Dean zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich hoffe nur, dass dieser
Kerl den Wagen wieder sauber hinkriegt!"
Sam blickte Dean für einen Moment lang an und war versucht eine
Diskussion mit ihm zu starten. Doch dann hielt er sich zurück.
Eigentlich war er froh, dass Dean wieder ganz der Alte zu sein schien.
"Also, können wir dann los?", fragte Dean.
"Ja, wir können los."
Kurz darauf erreichten sie das Krankenhaus. Während Dean draußen
wartete, ging Sam hinein und gab sich an der Anmeldung als Susans Bruder
aus.
"Haben Sie Ihren Ausweis dabei?", fragte die Schwester.
Sam tat so, als würde er seine Taschen durchsuchen.
"Ich habe meine Brieftasche vergessen."
"Dann kann ich Sie nicht zu ihr lassen.", antwortete diese.
Sam beugte sich etwas nach vorne.
"Bitte, ich bin sofort in den Wagen gesprungen und hierher gefahren, als
ich von der Polizei den Anruf bekam, dass jemand mit dem Namen meiner
Schwester hier eingeliefert wurde. Sie ist seit einem Jahr verschwunden.
Bitte lassen Sie mich zu ihr. Ich will doch nur sehen, ob es ihr gut geht!"
Er konnte förmlich sehen, wie ihre Abwehr bröckelte und schließlich
tippte sie etwas in ihren Computer.
"2. Stock, Zimmer 223.", sagte sie dann.
"Danke!", sofort lief er los, nahm den Fahrstuhl nach oben und erreichte
kurz darauf Susans Zimmer.
Sie lag alleine in einem kleinen Raum, war wach und blickte aus dem
Fenster. Sam ging zum Türrahmen und klopfte. Sie zuckte zusammen und
drehte den Kopf. Als sie ihn erblickte, wurden ihre Augen groß und sie
versuchte, sich aufzusetzen.
"Bleiben Sie liegen!", sagte Sam und kam herein. "Wie geht es ihnen?"
"Ich dachte schon, ich bin verrückt.", antwortete sie und Tränen traten
in ihre Augen. "Das alles kann nicht wahr gewesen sein!"
Sam blieb unsicher am Ende des Betts stehen.
"Leider ist es wahr.", antwortete er. "Also erinnern Sie sich an mich?"
Sie nickte. "Es tut mir so leid, was ich Ihnen angetan habe."
Sam kam näher und setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand.
"Das waren nicht Sie. Machen Sie sich keine Vorwürfe."
Sie wandte den Kopf ab und eine Träne entwischte ihren Augen.
"Ich weiß, dass es schwer für Sie sein muss,", sprach Sam weiter. "aber
ich kann Ihnen versichern, dass Sie keinerlei Kontrolle über Ihr Handeln
hatten. An was erinnern Sie sich?"
"An so gut wie nichts.", antwortete sie und blickte ihn wieder an. "An
einzelne Szenen, unzusammenhängende Dinge. Ich erinnere mich nur an
einige Minuten bei dieser Fabrik - und an den Autounfall."
"Das haben Sie alles miterlebt?"
Sie nickte. "Dieses Wesen... Sie war plötzlich geschwächt und ich
versuchte mich dagegen zu wehren. Aber letztendlich hat es sie die
Oberhand gewonnen und ich musste zusehen... Ich konnte nichts dagegen
tun. Sie wollte Sie umbringen und ich hätte nichts tun können!"
Erneut wandte sie sich ab und schluchzte.
Sam legte ihr eine Hand auf den Arm und wartete einen Moment. Susan
schien schwer traumatisiert zu sein und er wollte sie nicht zu sehr
drängen, wollte keinen Fehler machen.
"Aber es geht mir gut.", sagte er dann. "Sie sind diejenige, die im
Krankenhaus gelandet ist."
Sie beruhigte sich etwas. "Ich danke Ihnen. Ihnen Beiden."
"Susan, ich muss wissen ob Sie sich daran erinnern wer in der Fabrik
dazu gekommen ist. Ich habe eine männliche Stimme gehört."
"Ich erinnere mich nur, dass jemand von der Fabrik weg ging und dieses
Ding ihn beobachtet hat. Es war ein Mann. Aber ich habe ihn nur von
hinten gesehen."
Sam seufzte. "Sonst erinnern Sie sich an nichts? Welchen Wagen hat er
gefahren? Wie alt war er ungefähr?"
"Es tut mir leid. Ich wünschte wirklich ich hätte Antworten für Sie."
Er nickte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Ist schon okay."
"Sie und Ihr... Ihr Bruder?", sie blickte ihn fragend an und Sam nickte.
"Sie wussten so viel über dieses Wesen. Haben Sie so etwas schon öfter
erlebt?"
"Leider ja.", gab Sam zurück.
"Es muss furchtbar sein so etwas zu bekämpfen.", sagte sie dann und Sam
dachte an all die Dinge, die sie schon gesehen und erlebt hatten.
"Es ist unser Job.", antwortete er und stand auf. "Ich hoffe, Sie werden
schnell wieder gesund."
Nachdem Sam sich verabschiedet hatte und auf dem Weg zurück zum Wagen
war wurde ihm klar, dass sie auch bei der Fabrik nichts finden würden.
Wer auch immer ihnen geholfen hatte, wollte nicht dass sie es erfuhren.
Er öffnete die Beifahrertür und stieg ein.
"Und?", fragte Dean.
"Nichts. Sie erinnert sich nicht.", antwortete er.
Dean seufzte und startete den Motor. Einige Minuten verbrachten sie
schweigend, während er den Weg zu der alten Brennerei einschlug.
"Wir sollten zusehen, dass wir unsere Spuren verwischen und uns dann
ruhig verhalten, bis wir den Impala holen können.", sagte Dean an.
Sam nickte, während er weiter aus dem Fenster blickte.
"Hör zu Sam, ich weiß dass Du Dir Antworten erhofft hast, aber immerhin
haben wir einen dieser Dreckskerle in die Hölle zurück geschickt. Susan
kann wieder ihr Leben leben."
"Du hast recht.", antwortete er und versuchte, sich damit abzufinden.
"Hey, weißt Du was?", fragte Dean und grinste.
"Was?"
"Ich habe vorhin ein Ortsschild gesehen und würde sagen, dass wir später
mit diesem Wagen hier eine kleine Spritztour machen sollten. Die rechnen
schließlich nicht nach Kilometern ab."
Sam blickte ihn an - ihm war klar, dass sein Bruder nur versuchte ihn
aufzumuntern.
"Also, wo willst Du hinfahren?"
"Nazareth!"
"Nazareth?"
"Ja! Komm schon! Das kann ich meiner Sammlung hinzufügen! Orte von
Rockband-Namen, die ich schon mal besucht habe!"
"Du hast was?," rief Sam. "Eine Sammlung? So langsam machst Du mir doch
ein bißchen Angst..."
Dean lachte und drehte die Musik lauter. "Du hast ja keine Ahnung!"
-ENDE-
