Summary: Dies ist eine Fortsetzung zu der Fanfiction "Parallelen".
Dean und Julies Wiedersehen läuft nicht ganz wie geplant. Und auch bei
Sam gibt es einige Probleme - allerdings einer anderen Art...
Story Notes:
Disclaimer: (Danke, ) All publicly recognizable characters,
settings, etc. are the property of their respective owners. The original
characters and plot are the property of the author. The author is in no
way associated with the owners, creators, or producers of any media
franchise. No copyright infringement is intended.
Sam grinste und blickte seinen Bruder von der Seite an.
"Was ist los?", fragte Dean und wandte seinen Blick von der Straße ab.
Gerade hatten sie einen kurzen Tankstop gemacht. Nun wollten sie das
letzte Stück bis nach Boston zurücklegen, wo scheinbar ein Vampir sein
Unwesen trieb.
"Weißt du, ich bin echt stolz auf Dich.", sagte Sam und blickte ihn
weiter an.
"Was ist kaputt?"
Dean machte es wahnsinnig, wenn Sam immer so lange um den heißen Brei
herum redete.
"Du telefonierst seit 2 Wochen regelmäßig mit Julie!"
"Nein, mache ich nicht!", gab Dean patzig zurück.
"Ich weiß es. Du machst es, wenn ich in der Dusche bin, beim Essen holen
oder gerade eben, als Du sagtest Du müsstest mal. Du brauchst das nicht
vor mir zu verstecken!"
Dean schürzte die Lippen und starrte wieder auf die wenig befahrene
Straße, die sich vor ihnen noch kilometerweit ausbreitete.
"Na schön! Ich wollte nicht, dass Du Wind davon kriegst!"
"Warum nicht?"
"Weil ich so was normalerweise nicht mache, okay? Bist Du jetzt
zufrieden? Sie hatte Probleme mit dem Umzug und war nervös wegen dem
Treffen mit Bobby. Deshalb haben wir öfter telefoniert.", fragte Dean
genervt.
Sam lachte leise. "Ja, klar Dean. Und mir ist noch was aufgefallen. Du
hast es tatsächlich geschafft, in der Zwischenzeit keine anderen Frauen
aufzureißen."
Dean warf ihm einen beleidigten Blick zu. Sam trieb es eindeutig zu weit.
"Ich bin kein notgeiler Affe, der jeder Tussi hinterher steigen muss!"
Sams Lächeln wurde noch breiter.
"Und je näher das nächste Wochenende rückt, desto besser wird Deine Laune!"
"Und was zum Teufel versuchst Du mir gerade zu sagen, huh? Was sollen
diese... diese - Herrgott Sam, was willst Du von mir?", fragte Dean und
fuchtelte mit der Hand.
Diese Unterhaltung gefiel ihm nicht. Gar nicht. Und wenn Sam nicht die
Klappe halten würde, dann würde er an den Straßenrand fahren und er
konnte die letzten 300 Kilometer trampen.
"Du bist verliebt!"
"Ach, so ein Quatsch!", grummelte er und sah wieder auf die Straße.
Er war nicht verliebt. Und selbst wenn es so wäre, dann würde er es vor
Sam nicht zugeben.
"Verliebt!", stieß er leise und vorwurfsvoll hervor.
Erneut warf er Sam einen beleidigten Blick von der Seite zu, während
dieser wieder lachte und es sich auf dem Sitz bequem machte.
"Ich kann gar nicht glauben, wie viele Bücher Sie haben, Bobby!", rief
Julie, während der ältere Mann ihnen etwas zu Trinken aus der Küche holte.
Heute war ihr zweites Treffen mit ihm und sie war dieses Mal weit
weniger aufgeregt. Sie mochte Bobby jetzt schon. Er hatte eine herzliche
Art und wie er mit Begeisterung über die verschiedenen alten Schriften
und Bedeutungen von Symbolen sprach, sie immer wieder fragte ob er ihr
dies oder das erklären solle, zeigte, dass er sich wirklich gerne Zeit
für sie nahm und ihr helfen wollte.
"Das sind noch nicht alle.", antwortete er schmunzelnd als er zurück
kam. "Im Keller hab ich noch einige Regale voll."
"Die müssen ein Vermögen wert sein."
"Ja.", gab er nur zurück und setzte sich.
Obwohl sein Haus ziemlich herunter gekommen wirkte, strahlte es etwas
gemütliches und heimeliges aus.
"Und wie läuft es mit der Wohnung?", fragte Bobby.
"Gut! Heute Morgen ist endlich alles fertig geworden und ich kann in den
nächsten Tagen meine Kisten auspacken.", antwortete Julie lächelnd. "Sie
kommen doch am Samstag auch zum Essen, oder?"
"Ich bin mir nicht so sicher, ob die beiden Jungs mich sehen wollen.",
antwortete Bobby. "Ihr Dad und ich hatten eine kleine Auseinandersetzung
bei unserem letzten Treffen."
"Davon haben sie nichts erwähnt.", gab Julie zurück und blickte ihn
interessiert an. "Wo ist ihr Vater überhaupt? Was ist er für ein Mensch?"
"Kind, diese Fragen stellst Du besser nicht mir. Dean würde mir in den
Hintern treten, wenn ich hier lang und breit mit Dir über die
Familiengeschichte der Winchesters plaudere. Tut mir leid, aber das geht
nicht."
Etwas enttäuscht nahm Julie einen Schluck von ihrem Wasser, hakte aber
nicht weiter nach. Sie und Dean hatten sich bei ihren kurzen Telefonaten
meistens über Belanglosigkeiten unterhalten. Sie war jedoch gespannt, ob
er ihr bei seinem Besuch am kommenden Wochenende endlich mehr über sich
erzählen würde. Überhaupt freute sie sich sehr auf das Wiedersehen. Sie
vermisste ihn schrecklich, auch wenn er und Sam noch nicht lange weg
waren und sie mit dem Verkauf des Ladens und dem Umzug mehr als genug zu
tun gehabt hatte. Hinzu kam, dass Evie sie täglich mit Anrufen oder
e-mails bombardierte und jedes kleine Detail ihrer -wie Eve es nannte-
Beziehung wissen wollte. Julie konnte ihr aber bislang nur wenige
Antworten liefern, was bei Eve zu reichlich unnötigen Ratschlägen und
ausgefallenen Ideen führte... zumindest war es unterhaltsam zu lesen,
was Eve sich in ihrem verdrehten kleinen Kopf da alles ausdachte.
"Ich bin mir sicher, die Beiden freuen sich, Sie zu sehen. Dean hat doch
mit Ihnen telefoniert und gefragt ob ich kommen kann, oder?"
Bobby nickte.
"Na also! Samstag um sechs Uhr bei mir!"
Er lachte leise und zog dann ein bereit liegendes Buch zu ihnen hinüber.
"Also schön. Fangen wir an. Du kannst mich übrigens duzen. So alt bin
ich nun doch noch nicht."
Julie lächelte. "Okay! Danke."
"Erinnerst Du Dich an den letzten Exorzismus, den ich Dir gestern
gezeigt hatte?"
"An jedes Wort."
Sie erinnerte sich an alles, was Bobby ihr in den Büchern zeigte. Es
war, als hätte sie niemals etwas anderes in ihrem Leben getan, als
dieses Wissen in sich aufzunehmen. Je mehr sie darüber erfuhr, desto
begieriger wurde sie zu erfahren, was es auf sich hatte.
"Gut, sehr gut. Jetzt weißt Du, was er bedeutet und wozu Du ihn anwenden
kannst. Ich habe heute Morgen einen Weiteren gefunden, der sehr schnell
zum Austritt des Dämons aus einem Körper führen soll. Mal sehen, ob Du
den ebenfalls schon kennst. Danach werden wir ihn übersetzen..."
Er erklärte ihr, wie man manche Worte richtig aussprach und dann wartete
er geduldig ab, bis Julie sich den Absatz durchgelesen hatte und ob ihr
etwas davon bekannt vorkam.
Wenn sie etwas Neues in ihren Erinnerungen fand, einen Spruch oder ein
Symbol das ihr in den Sinn kam wenn sie durch einen Satz oder ein Wort
darüber stolperte, notierten sie alles in einem kleinen Buch, welches
Bobby mit einem Schutzsymbol versehen hatte. Am Abend zuvor hatte sie
gesehen, dass er dieses Buch in eine kleine Kiste legte und diese dann
in einem anderen Zimmer verstaute. Scheinbar wollte er verhindern, dass
irgend jemand - oder irgend etwas - sich der Aufzeichnungen bemächtigte.
Regungslos harrte Gienah in der Kälte aus und ließ das Haus, in dem Sie
sich aufhielt, nicht aus den Augen.
Gienah fühlte weder Kälte, noch verspürte sie den Drang sich zu bewegen.
Hunger und Durst waren schon lange aus ihrer Erinnerung verschwunden.
Das Einzige was zählte, war ihr Auftrag. Noch musste sie sich
zurückhalten, musste beobachten und berichten. Doch schon bald würde sie
endlich ihre steifen, langen Finger auf die zarte, junge Haut legen und
ihr langsam die Luft abschnüren, während sie ihr die Kehle zudrückte.
Sie würde nicht mal die Gelegenheit haben, zu schreien.
Und danach würde die Arbeit erst richtig beginnen...
"Alter, Du hast den Vampir aber verdammt schnell erledigt.", sagte Sam,
während sie ihre Sachen im Kofferraum verstauten.
Dean zuckte unbeteiligt mit den Schultern. Seit zwei Tagen waren sie in
Boston und hatten den Kerl schnell aufgespürt. Jetzt war der Job endlich
erledigt und sie konnten weiter zu Bobby fahren.
"Ich verstehe schon, Du hast es eilig.", stichelte Sam weiter.
Seit zwei Tagen musste sich Dean dieses Gerede in unregelmäßigen
Abständen anhören. So langsam ging ihm sein Bruder wirklich auf die Nerven.
"Sam, noch ein Wort und ich schwöre Dir, ich stecke Dich hier in den
Kofferraum und drehe das Radio auf, damit ich Dein Gelaber nicht mehr
hören muss!"
Sam grinste und hob die Hände. "Schon gut. Schon gut."
Dean räumte weiter den Kofferraum auf und versuchte, sich abzuregen.
"Weiß Bobby schon, dass wir erst morgen im Laufe des Tages kommen
werden?", fragte Sam.
"Wenn wir es heute bis nach Minnesota schaffen, rufe ich ihn an.",
antwortete Dean und seufzte.
Heute war Mittwoch. Sie würden also frühestens Donnerstag-Abend da sein.
Eigentlich hatte er geplant, pünktlich zum Feiertag zu erscheinen. Doch
dann war dieser verdammte Vampir dazwischen gekommen. Nun hatte Julie
das Essen bereits auf Samstag verschoben. Aber vielleicht konnte er sie
doch noch am Thanksgiving-Abend überraschen...
"Hör zu. Wir müssen in Minnesota nicht übernachten. Ich schlafe, während
Du fährst und dann wechseln wir. So werden wir schneller da sein.",
schlug Sam vor und das war das erste Vernünftige, das Dean in den
letzten Tagen von ihm zu hören bekam.
Er zog seinen Kopf unter dem Kofferraumdeckel hervor und sah ihn an.
"Das ist eine gute Idee.", sagte er und blickte ihn dankbar an.
Sam winkte ab und öffnete die Beifahrertür.
Kurz nach Acht kam Julie in ihrer neuen Wohnung an und ließ sich auf das
Sofa fallen. So lange bei Bobby zu bleiben hatte sie eigentlich gar
nicht geplant - doch sie hatte irgendwie die Zeit vergessen.
Nach einigen Minuten raffte sie sich auf und fing an, einige
Umzugskisten auszupacken. Wenn sie bis Samstag fertig werden wollte,
musste sie sich beeilen. Den Großteil hatte sie bereits in den Schränken
verstaut, doch der Wohnung fehlte definitiv noch der letzte Schliff. Sie
schaltete das Radio ein und räumte summend ihre CDs und DVDs in das
dafür vorgesehene Regal. Während sie diese sortierte, blickte sie aus
dem Fenster auf die gut beleuchtete Straße. Eine Person stand vor ihrem
Wohnhaus und sah genau in diesem Moment zu ihrem Fenster hoch. Julie
beobachtete, wie die Person nun mit gesenktem Kopf langsam weiter ging.
Wie lange sie da wohl schon gestanden haben mochte? Eine Gänsehaut kroch
ihr über den Rücken und sie verließ schnell das Zimmer.
"Gleich morgen früh wirst Du Deine Gardinen aufhängen!", sagte sie zu
sich selbst und suchte sofort nach der entsprechenden Kiste.
Gienah bog um die Ecke und platzierte sich dort, wo sie bereits die
letzten Nächte verbracht hatte. Es war töricht gewesen, sich zu
entfernen und das Mädchen direkt zu beobachten. Sie brauchte sie nicht
zu sehen um zu wissen, was in der Wohnung vorging - sie fühlte, was sie
gerade tat, konnte sie deutlich vor ihrem geistigen Auge sehen. Doch es
war zu verlockend gewesen...
Sie hatte ihre Opfer schon immer gerne betrachtet, bevor sie endlich
ihre Arbeit erledigen durfte. In freudiger Erwartung schloss sie ihre
Augen - es würde bald soweit sein. Vielleicht noch heute Nacht...
"Hey Dean, ich kann jetzt weiter fahren.", sagte Sam und rieb sich den
Schlaf aus den Augen.
"Ich bin noch fit.", antwortete dieser.
"Ach ja? Darum bin ich auch gerade von Deinem Gähnen aufgewacht."
Dean warf ihm einen Blick zu und Sam konnte deutlich sehen, wie müde er
inzwischen geworden war.
Er blickte auf seine Armbanduhr und stellte fest, dass er mehr als 4
Stunden geschlafen hatte.
"Warum hast Du mich nicht geweckt?", fragte er.
"Weil ich weiß, dass Du den Verkehr rund um Chicago hasst. Außerdem lief
es bis vor einer halben Stunde wirklich gut."
"Lass mich an der nächsten Tankstelle einen Kaffee holen und danach
setze ich mich ans Steuer, okay?"
Dean nickte. Sie hatten noch etwa sieben Stunden Fahrt vor sich und das
hätte er wirklich nicht mehr geschafft.
Wenige Meilen darauf parkte er den Impala auf dem Rastplatz einer
Tankstelle und Sam verschwand im Laden. Dean rieb sich mit Zeigefinger
und Daumen über den Nasenrücken und schloss kurz die schmerzenden Augen.
Wenn alles gut lief, würde er Julie tatsächlich heute Abend überraschen
können und er war gespannt, wie sie reagieren würde.
Er öffnete die Augen wieder, als die Fahrertür geöffnet wurde. Sam
streckte den Kopf herein.
"Rutsch rüber.", sagte er und Dean rückte zur Seite. "Hier!"
Sam stellte seinen Kaffeebecher auf das Armaturenbrett und legte ihm
eine kleine Tüte in den Schoß, welche er sofort öffnete.
"Ein Sandwich.", stellte er nüchtern fest.
"Happy Thanksgiving.", antwortete Sam und lächelte. "Das ist ein
Truthahnsandwich und dieses Ding hier... gab es gratis dazu..."
Er hob eine kleine Fahne die man an der Fensterscheibe befestigen
konnte, in die Höhe. Auf einer Seite stand der soeben von Sam genannte
Spruch und auf der anderen Seite prangte ein farbenfroher, gezeichneter
Truthahn.
"Ich glaube mir wird übel.", sagte Dean. "Schmeiß das Ding weg!"
Sam lachte. "Ich glaube, Bobby würde uns nicht ins Haus lassen, wenn er
uns damit vorfahren sieht."
Dean entwand seinem Bruder die Fahne, öffnete die Beifahrertür und warf
sie in hohem Bogen ohne ein weiteres Wort hinaus.
"Umweltverschmutzer!", rief eine Frau, die gerade ihren Wagen verlassen
hatte und ihre beiden kleinen Kinder an den Händen hielt. Eins der
Mädchen stürzte sich sofort auf die Fahne und schwenkte sie glücklich.
Die Frau blickte ihn jedoch weiterhin böse funkelnd an. Dean schlug
schnell die Tür wieder zu und sank tiefer in den Sitz.
"Fahr los!", knurrte er.
Julie hatte in dieser Nacht schlecht geschlafen. Irgend etwas
beschäftige sie, doch sie konnte es nicht genau in Worte fassen. Es
schien fast, als würde sie dieses ganze Wissen, das sie sich im Moment
aneignete nicht zur Ruhe kommen lassen. Es schien sie zu verändern, denn
immer mehr spürte sie den Drang, manche Sachen auszuprobieren von denen
sie nun wusste. Doch ein anderer Teil in ihr fürchtete sich davor, weil
sie sich noch zu wenig auskannte. Sie hatte Angst, etwas falsch zu machen.
Heute war Thanksgiving und daher würde sie Bobby erst am Samstag beim
Essen wiedersehen. Für den morgigen Tag hatte sich Ben angekündigt, der
inzwischen eine schöne Wohnung in Chicago bezogen hatte. Und Samstag
würden Sam und Dean endlich vorbei kommen. Sie lächelte und malte sich
aus, wie Dean sie wohl begrüßen würde - sie hatte sich ein hübsches
braunes Kleid gekauft und würde sich die Haare hochstecken, so wie bei
ihrem letzten Abend am Fluss. Sie seufzte leise und hielt kurz inne. Sie
wünschte, es wäre bereits Samstag.
Sich wieder auf die Realität besinnend, zog sie ihre frisch gewaschenen
Gardinen aus der Waschmaschine und begann, diese Aufzuhängen. Nun würde
sie auch gegen Blicke allzu neugieriger Nachbarn geschützt sein. Sie
fragte sich, ob vielleicht auch diese Person der Grund dafür gewesen
war, dass sie heute Nacht so wirre Träume gehabt hatte... immer wieder
hatte sie ein paar emotionslose Augen vor sich auftauchen sehen und war
mehrfach aus dem Schlaf aufgeschreckt. Vielleicht war es aber auch
einfach der ganze Stress, den sie in letzter Zeit gehabt hatte...
In ihrem Versteck wartete Gienah noch immer auf ein Zeichen, eine
Anweisung, dass sie das Mädchen endlich mitnehmen durfte. Nacht für
Nacht hoffte sie darauf, doch Er schien noch auf etwas bestimmtes zu
warten. Langsam wurde sie ungeduldig und hatte sich zu weit in ihren
Geist vorgewagt, hatte ihre Träume durchstreift. Bei ihrem heutigen
Bericht würde sie fragen, wann es endlich soweit war...
"Wo sind wir?", fragte Dean, während er seinen verspannten Rücken
durchstreckte und eine bequemere Position suchte.
"Hinter Minneapolis, noch 80 Meilen bis Fargo.", teilte Sam ihm mit.
"Warum hast Du mich so lange schlafen lassen?"
"Weil Du es nötig hattest, Mann.", antwortete er und schaltete das Radio
ein.
"Ich fahre das letzte Stück.", sagte Dean verschlafen. "Wie spät ist es?"
"Nicht, dass Du keine Armbanduhr hättest - aber ich gebe Dir gerne die
gewünschten Auskünfte.", sagte Sam. "Es ist kurz nach drei Uhr am
Nachmittag. Das Wetter ist schön, wir haben ziemlich viel Verkehr
aufgrund des Feiertags und ich schätze, wir werden so gegen sechs bei
Bobby ankommen."
Sam sah im Augenwinkel, wie ein kurzes Lächeln Deans Lippen umspielte,
als er die prognostizierte Ankunftszeit hörte.
"Ich brauch´ ´nen Kaffee.", war jedoch alles, was Dean darauf erwiderte
und dann lehnte er seinen Kopf gegen die Fensterscheibe.
"Dean, los! Zeig, dass Du Dich freust, dass wir es heute noch zu Julie
schaffen!", flachste Sam weiter und blickte Dean von der Seite an.
Dieser wandte sich ihm nun endlich zu und zog die Augenbrauen hoch.
"Hast Du was geraucht?"
Sam lachte. "Nein!"
"Dann würde ich Dir empfehlen, dass Du jetzt mal wieder den Rand hälst."
"Ich freu mich doch nur für Dich! Und vor uns liegt ein langes
Wochenende ohne Job. Keiner von uns ist verletzt und wir können einfach
mal entspannen... wie lange hatten wir das schon nicht mehr?"
"Ist ziemlich lange her.", sagte Dean.
"Weißt Du noch, dieses eine Thanksgiving das wir in diesem schäbigen
Motel verbracht haben? Du warst ungefähr 13 und hast versucht, das
Essen, das Dad uns besorgt hatte, im Backofen warm zu machen!", er
lachte leise. "Nur, dass der Behälter für die Mikrowelle gedacht war!"
"Da war aber keine Mikrowelle in dem verdammten Zimmer!", antwortete
Dean und grinste. "Und ich hab wie immer die Beschreibung auf der
Verpackung nicht gelesen."
"Dad hätte uns nach seiner Rückkehr am liebsten gelyncht, glaube ich. Er
musste 2 Stunden die Reste des verschmorten Plastiks aus dem Backofen
kratzen und dazu noch etwas für den kaputten Tisch hinlegen, auf den Du
die Reste geschmissen hattest. Die hatten sich in den Tisch gebrannt!"
"Und Du hast mir den ganzen Abend die Ohren voll gejammert, dass wir nun
verhungern müssten!"
"Daran erinnere ich mich nicht mehr.", gab Sam kichernd zu. "Aber Dein
Gesicht kann ich noch heute vor mir sehen, als Du den Fehler bemerkt hast."
Dean lächelte und sein Blick driftete einen Moment ins Nichts.
"Wäre toll, wenn Dad auch hier wäre, nicht?", fragte er dann und Sam
warf ihm einen Blick zu.
Natürlich, Dean würde sich wünschen mit ihrem Vater Thanksgiving zu
feiern - doch Sam... er müsste erst einmal das Wiedersehen mit ihm
überstehen...
"Wir finden ihn, Dean."
Sein Bruder nickte und setzte dann wieder ein Lächeln auf, das jedoch
nicht bis zu den Augen reichte - eine von Dean oft verwandte Geste,
welche Sam sofort durchschaute.
"Weißt Du noch, als wir die Thanksgiving-Deko dieses alten Ehepaars in
Brand gesteckt haben? Ich glaube, es waren die Besitzer dieser Pension
in der wir...", begann Dean nun zu erzählen und Sam hörte ihm mit
gemischten Gefühlen aufmerksam zu, während er den Wagen immer weiter
Richtung Bismarck steuerte.
"Jungs!"
"Hey Bobby!", sagte Sam und grinste. Dean stand hinter ihm und nickte
dem älteren Mann zu.
"Kommt rein!", er hielt ihnen die Tür auf und beide traten über die
Schwelle. "Ich hatte erst Samstag mit euch gerechnet und mich ganz schön
über Deinen Anruf gewundert, Dean."
Er führte sie in die Küche, wo die Brüder am Tisch platz nahmen - einer
der wenigen Orte, wo sich keine Bücher türmten und man nicht erst etwas
wegräumen musste, um einen Sitzplatz zu finden.
"Bier?", fragte er.
"Für mich nicht.", antwortete Dean und erntete dafür einen erstaunten
Blick von Bobby und von seinem Bruder. "Ich muss noch mal weg."
Sam grinste und lehnte sich lässig im Stuhl zurück. "Wir wollen Dich
nicht aufhalten, Mann."
"Wo willst Du noch hin?", fragte Bobby und stellte nun lediglich 2 Bier
auf dem Tisch ab.
Dean fuhr sich nervös über die Lippen.
"Ich will Julie besuchen.", antwortete er dann kleinlaut. "Sie rechnet
erst Samstag mit uns und ich will sie überraschen."
Bobby blickte ihn interessiert an.
"Bahnt sich da was zwischen euch an?", fragte er und zwinkerte ihm zu.
"Sie ist ein echt klasse Mädchen, Dean!"
Dieser biss sich auf die Unterlippe und blickte Sam an, der zufrieden
lächelte. Zumindest hielt er seinen Mund und erzählte Bobby nicht
sofort, was los war - doch das würde er mit Sicherheit tun, wenn er
gleich das Haus verlassen würde. Er hasste solche Situationen... er
hätte Sam rauslassen und sofort weiterfahren sollen! Aber das wäre
unhöflich gewesen.
Hörbar stieß er die Luft aus seinen Lungen und stand auf.
"Ich fahre dann! Wir sehen uns später."
Schnell verließ er das Haus und ging die Stufen der Veranda hinunter.
Kurz vor dem Impala stoppte er - hatte er gerade ein Geräusch
wahrgenommen? Er lauschte noch einen Augenblick, dann trottete Bobbys
Hund Rumsfeld um die Ecke und setzte sich hechelnd auf den Boden.
"Na, Kleiner?", rief Dean ihm zu und stieg dann in den Impala.
Bewegungslos beobachtete Eli, wie sich der Jäger in seinen Wagen setzte
und endlich los fuhr. Nach all den Tagen die er nun schon hier wartete,
hatte der alte Hund es aufgegeben, ihn anzuknurren oder angreifen zu
wollen. Eli hätte den Köter mühelos erledigen können, doch er durfte
keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Düster blickte er dem alten,
schwarzen Wagen hinterher als dieser vom Grundstück raste und er
beobachtete, wie sich der aufgewirbelte Staub langsam wieder legte. Wenn
alles lief wie vermutet, würde Gienah ihm heute die Nachricht bringen,
die er hören wollte - und dann würden sie endlich beginnen können.
Julie hatte an diesem Tag ein gutes Stück Arbeit geschafft - sie hatte
alle wichtigen Kisten ausgeräumt, die Dekorationen vorgenommen und eine
riesige Einkaufsliste für den nächsten Tag geschrieben, damit sie gleich
am Morgen los gehen und alles besorgen konnte, was sie für das Essen am
Samstag benötigen würde. Sie hoffte, dass alle ihre geplanten Gerichte
mögen würden, denn sie hatte vor, sich so richtig auszutoben.
Gerade wollte sie im Bad noch etwas Wäsche aufhängen, als es klingelte.
Sie fluchte leise und warf einen Blick in den Spiegel - zerzauste Haare,
schlabberige Klamotten. Auf Besuch war sie heute nicht eingestellt und
sie überlegte kurz, erst gar nicht zu öffnen. Aber vielleicht war es
Bobby? Er war schließlich der Einzige hier, der ihre neue Adresse kannte
und es könnte etwas Wichtiges sein.
Also strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und ging zur Eingangstür.
Schnell warf sie einen Blick durch den Spion und erstarrte.
Dean!
Sie lehnte sich mit dem Rücken zur Tür und zog ein Grimasse. Er war
hier! Jetzt! Wie sie aussah! Doch dann breitete sich ein Lächeln ihrem
Gesicht aus und in ihrem Bauch tobten tausende Schmetterlinge - er war
hier, um sie zu überraschen! Schnell drehte sie sich um und öffnete die Tür.
"Was machst Du denn hier?", rief sie und umarmte ihn stürmisch.
Er lachte leise und hielt sie fest, bis sie sich etwas zurücklehnte und
ihn anblickte.
"Ich dachte, ich überrasche Dich.", antwortete er und strich ihr eine
Strähne aus der Stirn. "Happy Thanksgiving!"
"Dir auch!", antwortete sie und küsste ihn. "Die Überraschung ist Dir
gelungen."
Sie hielt ihn weiterhin fest umschlungen und schloss ihre Augen. Am
liebsten würde sie ihn nie wieder loslassen.
"Bittest Du mich nicht rein?", fragte er mit einem verschmitzten Lächeln.
"Doch, natürlich!", sagte Julie und löste die Umarmung.
Schnell ging sie voraus und hob ihm die Tür auf. Er trat ein und blickte
sich kurz um. Dann drehte er sich wieder zu ihr.
"Ist Ben schon da?", fragte er und heftete seinen Blick an ihr fest.
"Kommt morgen. Wir sind alleine."
Julie lehnte sich gegen die Wand und war gerade nicht zu ganzen Sätzen
fähig. Ihr Atem ging unweigerlich schneller, ihr Herz raste - sie konnte
die Spannung zwischen ihnen deutlich spüren. Und dieser Blick! Wenn er
sie mit seinen grünen Augen weiter so ansah...
"Gut!", sagte Dean, machte plötzlich einen Schritt auf sie zu, presste
sie mit seinem Körper gegen die Wand, vergrub seine Hände in ihrem Haar
und küsste sie stürmisch.
Ihre Knie wurden weich und sie legte ihre Arme um seinen Nacken, während
er nun ihren Hals mit Küssen bedeckte.
"Wo ist Dein Schlafzimmer?", fragte er atemlos.
"Hinten links.", hauchte sie und schloss die Augen.
Sie spürte, wie er sie hochhob und in das Zimmer trug, genoss das
Gefühl, als seine starken Arme sie scheinbar mühelos und vorsichtig auf
dem Bett niederließen. Sofort war er über ihr und küsste sie erneut,
während seine Hände langsam von ihren Handgelenken abwärts wanderten und
er ihr schließlich das T-Shirt über den Kopf zog. Seine Berührungen auf
ihrer nackten Haut sandten einen wohligen Schauer durch ihren Körper und
sie seufzte auf. Sie war glücklich - glücklich ihn endlich so nah bei
sich zu spüren...
Gienah lächelte und machte sich auf den Weg zu Eli - heute hatte sie
endlich etwas Neues zu berichten und sie hoffte, dass dies die Nachricht
war, auf die er wartete.
"Noch ein Bier, Sam?", fragte Bobby.
"Nein, danke.", gab dieser zurück und hob noch nicht mal den Kopf,
während er in eines von Bobbys Büchern vertieft war. "Unfassbar! Sag
mal, diese magischen Verse, funktionieren die?"
"Wenn Du eine Hexe oder ein Magier bist wahrscheinlich schon.",
antwortete Bobby und warf einen Blick auf die Seite, die Sam gerade
aufgeschlagen hatte. "Ich fürchte, eure Freundin Julie hat auch so
einiges davon in ihrem hübschen Kopf."
Sam blickte überrascht auf. "Was?"
"Wir haben schon so einige Dinge aufgeschrieben und nicht alles, was sie
in ihrem Gedächtnis hat, ist dämonischen Ursprungs."
"Was meinst Du?"
"Symbole, Banne, magische Verse, Zauberformeln, Exorzismen - Junge,
dieser Dämon hat ihr ganz schön was aufgeladen wenn Du mich fragst. Muss
ein ziemlich hohes Tier in der Unterwelt gewesen sein."
Sam schluckte. "Und kann sie es anwenden?"
"So weit sind wir noch nicht. Ich will das alles erst mal katalogisieren
und ihr erklären, womit sie es zu tun hat. Danach werden wir sehen, ob
sie von dem Dämon auch irgend welche Fähigkeiten geerbt hat."
"Wie hält sie sich bis jetzt? Als sie das alles herausgefunden hat, war
sie zwischenzeitlich ganz schön fertig."
"Sie hält sich gut, wenn man bedenkt, dass sie erst vor kurzem erfahren
hat, was dieser Dreckskerl ihr und ihrem Bruder angetan hat..."
Sam seufzte leise bei dem nur allzu deutlichen Vergleich zu seiner
Familiengeschichte und Bobby blickte ihn mit sanften Augen an.
"Komm Junge, heute ist Thanksgiving. Lass uns über alte Zeiten reden und
uns den Bauch vollschlagen!"
Mit geschlossenen Augen lag Dean auf dem Rücken und hielt Julie in
seinen Armen. Sie hatte ihren Kopf auf seiner Brust abgelegt und strich
mit einem Finger sanft über eine Narbe - die Verletzung war schon seit
Jahren verheilt, aber Dean wusste noch genau, wovon sie stammte.
"Das war wunderschön.", sagte Julie leise und er spürte, wie sie den
Kopf hob.
"Mhm.", gab er zufrieden zurück und öffnete nun die Augen, um sie anzusehen.
"Ich könnte hier ewig so mit Dir liegen bleiben."
Er lächelte und strich ihr die vorwitzige Strähne zurück, die ihr
ständig in die Stirn fiel.
"Wir haben noch viel Zeit an diesem Wochenende.", sagte er. "Außer, Du
willst einen neuen Rekord aufstellen."
Er drehte sich, so dass er nun erneut auf ihr lag, stützte die Hände
neben ihrem Oberkörper ab und blickte sie herausfordernd an, während ein
freches Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Sie kicherte, zog ihn sanft
zu sich hinunter und küsste ihn.
"Du bist verrückt!", sagte sie und er lachte leise über ihre geröteten
Wangen. Darüber, wie sie auf ihre Unterlippe biss und ihn sichtlich
glücklich anblickte. "Lass uns morgen genau hier weitermachen.",
murmelte sie dann und seufzte. "Ich brauche dringend eine Dusche."
Er rollte sich von ihr und legte sich auf den Rücken während er
beobachtete, wie sie nach ihrer Tagesdecke griff, aus dem Bett stieg und
es umrundete. Schnell setzte er sich auf und erwischte ihre Hand, kurz
bevor sie in Richtung der Tür abbog. Er zog sie zurück in seine Arme und
ließ sich wieder auf die Matratze fallen, so dass sie sich nun erneut
auf ihm liegend wiederfand.
"Dean!", rief sie lachend und wollte sich aus seiner Umklammerung lösen,
doch er grinste nur und hielt sie weiter fest umschlungen.
"Du brauchst keine Dusche.", sagte er. "Es sei denn, ich darf mitkommen."
Sie ließ ihrem Kopf neben seinem Gesicht auf die Kissen sinken.
"Okay.", flüsterte sie in sein Ohr und er wandte sich ihr zu, um sie
erneut zu küssen...
Julie befand sich im Schlafzimmer um sich etwas anzuziehen, während Dean
in der Küche beschäftigt war. Mit einem T-Shirt und Jogginghose
bekleidet tapste sie barfuß zurück ins Bad, um sich die noch tropfnassen
Haare trocken zu rubbeln. In Erinnerungen an die wunderbaren letzten
Stunden versunken kehrte sie zurück in die Küche, aus der der Duft von
frischem Kaffee zog und sie anlockte.
Dann erstarrte sie - Dean saß mit geschlossenen Augen am Küchentisch,
sein Kinn war auf seine Brust gesunken, während seine Hände noch immer
die Tasse mit dem frischen, dampfenden Kaffee umschlossen. Direkt hinter
ihm stand ein Mann mit langen Haaren der seinen Blick nicht von ihm nahm
und leise etwas flüsterte.
Sie schoss herum, als sie eine Bewegung hinter sich hörte. Erschrocken
riss sie die Augen auf. Direkt vor ihr stand eine unheimlich aussehende
Frau - sie wirkte fast unmenschlich... die graue Haut spannte sich
glänzend über die ausgeprägten Wangenknochen ihres ausgemergelten
Gesichts. Ihre Glieder schienen viel zu lang und die eingefallenen Augen
blickten sie verlangend an.
Noch bevor sie reagieren konnte, stürzte sie sich auf Julie und riss sie
zu Boden, wo sie hart mit dem Hinterkopf aufschlug. Knochige, kalte
Finger legten sich um ihren Hals und drückten unbarmherzig zu.
In Panik umklammerte sie die Handgelenke der Frau und versuchte sie weg
zu ziehen, doch es war unmöglich. Nach Luft ringend nahm sie noch wahr,
wie der Mann mit den langen Haaren sich über sie beugte und erneut etwas
flüsterte.
Dann verschwamm ihre Sicht und nur Sekunden später verlor sie das
Bewusstsein.
"Du kannst jetzt loslassen.", sagte Eli und blickte Gienah kalt an.
Diese löste sich nur widerstrebend von dem Mädchen und platzierte sich
nun neben dem Jäger, der bewusstlos am Tisch saß. Eli beobachtete, wie
sie die Kaffeetasse aus seinen Händen nahm und mit ihren Fingern umschloss.
"Du wirst den Kaffee sowieso nicht schmecken können.", sagte er
emotionslos und ging nun hinüber zum Küchentisch, wo er unter die
Tischplatte griff und ein dort befestigtes kleines Päckchen löste,
welches er in eine umgehängte Tasche steckte. Danach ging er weiter zur
Küchentür und zog ein weiteres Päckchen vom Türrahmen. Dieses ließ er
ebenfalls in der Tasche verschwinden.
"Hilf mir nun, sie hier wegzuschaffen.", herrschte er sie an und sie
gehorchte.
Zitternd kam Julie wieder zu sich. Sie schlug hektisch atmend die Augen
auf. Um sie herum herrschte Dunkelheit und es war kalt - unglaublich
kalt. Ihr Hals schmerzte und sie spürte einen Knebel in ihrem Mund.
Dünne Seile schnitten sich schmerzhaft in ihre Handgelenke, die hinter
ihrem Rücken zusammen gebunden waren. Sie lag auf dem eisigen Boden,
ihre Beine ebenfalls fest zusammen gebunden.
Mit einiger Mühe setzte sie sich auf und versuchte, die Fesseln um ihre
Handgelenke zu lockern, doch je mehr sie sie bewegte, desto weiter
schnitten sie sich in ihre Haut.
Ein helles Licht wurde plötzlich eingeschaltet, blendete sie und sie
schloss die Augen. Sie hörte, wie eine Tür aufgeschlossen wurde und wie
jemand herein trat. Blinzelnd versuchte sie, etwas zu erkennen.
Sie befand sich in einem kleinen, fensterlosen runden Raum. Ihr
gegenüber befand sich die Tür, vor der der Mann stand, welcher sie und
Dean in der Küche überrascht hatte.
"Dean!", schoss ihr durch den Kopf und sie blickte sich um. Er war nicht
hier! Wo war er? Ging es ihm gut?
Der Mann näherte sich und sah sie mit schief gelegtem Kopf an.
"Es wurde Zeit, dass Du endlich wach wirst.", sagte er. Seine Stimme war
tief und klang kalt und emotionslos. "Ich bin Eli. Ich werde derjenige
sein der entscheidet, was hier passiert. Ich rate Dir, Dich gut mit mir
zu stellen, denn mein Meister ist ein noch viel grausamerer
Verhandlungspartner als ich."
Julie schluckte und versuchte, ihre panische Atmung unter Kontrolle zu
bekommen. Das Tuch in ihrem Mund machte es schwer, genügend Luft zu
bekommen.
"Du wirst Dich fragen, warum Du hier bist und warum Du noch am Leben
bist.", sprach er weiter, während er vor ihr auf und ab ging. "Nun...
der einzige Grund dafür ist, dass Du uns nützlich sein kannst."
Julie blickte verängstigt zu ihm hoch. Was war er? Ein Dämon?
"In Deinem Kopf verbirgt sich etwas, das wir haben wollen. Etwas, das
seit Jahrhunderten als verloren galt. Wenn die Zeit gekommen ist, werde
ich Dich danach fragen. Und Du solltest mir dann besser antworten."
Mit diesem Satz öffnete er die Tür und das Licht wurde wieder ausgeschaltet.
Mit pochendem Herzen, vollkommen verwirrt und verängstigt blieb Julie
erneut in der Dunkelheit und Kälte zurück.
Sam ging unruhig in Bobbys Wohnzimmer auf und ab.
"Junge, Du machst mich ganz wahnsinnig!", sagte dieser und blickte ihn
besorgt an. "Dann ruf schon an!"
Sam warf erneut einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war bereits elf Uhr
am Vormittag und Dean hatte sich nicht gemeldet. Er hatte natürlich
nicht mit seiner Rückkehr in der Nacht gerechnet da ihm vollkommen klar
gewesen war, dass Dean die Nacht bei Julie verbringen würde - aber so
langsam machte er sich Sorgen.
Mit einem Seufzen zog er sein Handy aus der Hosentasche und drückte die
Kurzwahltaste für Deans Telefonnummer. Es klingelte. Ungeduldig lief er
zu einem Sessel und setzte sich. Es klingelte noch immer - aber er nahm
nicht ab. Als sich die Mailbox letztendlich meldete, steckte er das
Handy wieder weg und stand auf.
"Er geht nicht ans Telefon. Da stimmt was nicht!", sagte er und konnte
die Nervosität in seiner Stimme nicht länger unterdrücken. "Ich muss
sofort zu Julie fahren. Kriege ich Dein Auto?"
"Ich fahre.", gab Bobby zurück und gemeinsam verließen sie das Haus.
Nur wenige Minuten später erreichen sie Julies Wohnung und betätigten
die Klingel an der Eingangstür des Hauses. Nichts.
Sam drückte gegen die Tür und atmete erleichtert auf, als diese sich
öffnen ließ. Schnell stiegen sie die Treppen bis zum obersten Stockwerk
hoch und Bobby klopfte gegen Julies Tür. Erneut nichts.
Sam blickte sich um und versicherte sich, dass niemand in der Nähe war,
bevor er in seine Jackentasche griff und die kleine Tasche mit den
Dietrichen herausnahm. Kurz darauf hatte er das Türschloss geknackt und
sie traten mit gezogenen Waffen in die Wohnung.
"Dean?", rief Sam. "Julie?"
Sie horchten einen Moment, doch auch jetzt erhielten sie kein Zeichen,
dass jemand hier war. Jedoch waren auch keine Spuren für einen Einbruch
oder einen Kampf zu sehen.
"Vielleicht sind sie gemeinsam frühstücken gegangen?", schlug Bobby vor
und lief weiter in die Wohnung hinein.
"Dean hätte angerufen.", antwortete Sam und erreichte die Tür zur Küche.
Sofort entdeckte er seinen Bruder, der zusammengesunken am Küchentisch
saß, eine gefüllte Kaffeetasse stand nicht weit von ihm entfernt auf der
Tischplatte.
"Dean!", schnell lief er zu ihm.
Er sah aus, als würde er schlafen... oder war er bewusstlos? Sam fühlte
seinen Puls. Er war da, gleichmäßig und kräftig. Nichts deutete auf
einen Kampf hin. Was war hier nur los?
"Ich sehe nach, ob Julie irgendwo ist!", sagte Bobby, der die ganze Zeit
hinter Sam gestanden hatte.
"Dean, wach auf!", sagte Sam aufgeregt und rüttelte sanft an dessen
Schulter, doch er reagierte nicht.
Sam versuchte es nun etwas fester, dann kehrte Bobby zurück.
"Sie ist nicht hier.", informierte er Sam.
"Ich kriege ihn nicht wach!", rief Sam besorgt. "Was zum Teufel ist hier
los, Bobby?"
Der ältere Mann trat näher an ihn heran und fühlte nun ebenfalls Deans
Puls und legte den Handrücken auf seine Stirn.
"Kein Fieber... keine sichtbare Verletzung - ich habe keine Ahnung, Junge."
"Bringen wir ihn rüber ins Wohnzimmer und legen ihn hin.", schlug Sam
vor und zog den Stuhl auf dem Dean saß vorsichtig etwas zurück und griff
ihm unter die Arme.
Bobby packte seine Füße und gemeinsam trugen sie ihn zu der Couch im
gegenüber liegenden Zimmer.
"Wir sollten ihn in ein Krankenhaus bringen und ordentlich untersuchen
lassen.", schlug Bobby vor doch Sam schüttelte den Kopf und tastete
Deans Kopf auf Verletzungen oder Schwellungen ab - er suchte nach irgend
etwas das hätte erklären können, warum er nicht aufwachte. Tränen traten
in seine Augen und er fühlte Panik aufsteigen, weil er nicht wusste, was
er tun sollte.
In diesem Moment klopfte es an der Tür und die beiden Männer schreckten auf.
"Ich gehe.", sagte Bobby. "Halte Deine Waffe bereit, wir wissen nicht,
was hier gespielt wird."
Sam nickte und wandte sich dann wieder Dean zu.
Bobby ging langsam zur Eingangstür und blickte durch den Spion. Dann zog
er verwundert die Augenbrauen hoch und öffnete.
"Maya! Was tust Du hier?", fragte er und ließ sie eintreten.
"Ich muss mit Dir sprechen! Sofort!", sagte sie in ernstem Tonfall,
während sie den Flur entlang lief.
"Wie hast Du mich hier gefunden?"
Sie drehte sich ihm zu. "Ich wusste, dass ihr hier sein würdet."
Bobby blickte sie beeindruckt an. "Du wirst immer besser, Kleines."
Sie lächelte kurz, doch dann wurde ihr Ausdruck wieder ernst. "Ihr müsst
hier weg! Und zwar schnell."
Verwirrt hob Bobby eine Augenbraue. "Was ist hier los, Maya?"
"Ich erkläre Dir alles später. Aber jetzt muss ich Dean helfen."
Sam blickte verwundert auf, als Bobby den Raum wieder betrat. Ihm folgte
das hübscheste Mädchen, das er seit langem gesehen hatte. Sie war klein
und zierlich, hatte einen leicht dunkleren Teint und volle seidige
Locken. Zu seinem Erstaunen besaß sie blaue, wunderschöne Augen.
"Sam, das ist Maya."
Maya machte keine Anstalten ihn zu begrüßen, sondern ging sofort zu Dean
und legte ihre Hand auf seinen Arm.
"Wie ich befürchtet hatte.", sagte sie und wandte sich wieder an Bobby.
Sam beobachtete verwirrt die Szene.
"Was ist hier los?", fragte er.
"Das ist ein Zauber - ohne die richtigen Worte hättet ihr ihn nicht
wieder wach bekommen.", gab sie zurück und sah ihn endlich an. "Ich muss
einen Gegenzauber aussprechen."
Sam warf Bobby einen erstaunten Blick zu. Seit wann verkehrte er mit
jemandem, der sich mit Hexerei und Magie auskannte? Und woher kannte sie
Deans und Julies Namen? War sie eine Hexe? Wie hatte sie sie gefunden?
"Sam, hör auf so viele Fragen zu stellen!", sagte Maya plötzlich und
blickte ihn kurz an. "Ich muss mich jetzt auf Deinen Bruder konzentrieren.
Sam schluckte - konnte sie Gedanken lesen? Erneut erntete er einen Blick
aus ihren schönen Augen und er konnte sehen, wie sie kurz lächelte,
bevor sie sich nun über Dean beugte.
Leise flüsterte sie etwas in einer Sprache, die er nicht verstehen
konnte. Nach dem letzten Satz nahm sie ihre Hand von seinem Arm und trat
einen Schritt zurück.
Endlich schlug Dean die Augen auf und blickte sich um.
"Was machst Du denn hier?", fragte er in Sams Richtung und setzte sich
auf. "Ich... wo ist Julie?"
"Woran erinnerst Du Dich?", fragte Sam.
"Ich saß am Küchentisch und habe gewartet, dass sie endlich aus dem Bad
kommt!", antwortete er. "Was ist hier los und wer ist das?"
Dean ließ seinen Blick hinüber zu Maya wandern und sah dann Sam wieder
erwartungsvoll an.
"Wir können später über alles reden, aber ihr müsst hier weg! Alle!",
sagte diese nun. "Bobby, sie werden Dein Haus bereits wegen des Buches
durchsucht haben, während ihr weg wart!"
"Was?", rief dieser.
"Ich hoffe, Du hast die Aufzeichnungen von Julie gut verwahrt. In Deinem
Haus sollten wir trotz allem sicher sein, Du hast einige Bereiche
bereits geschützt und ich übernehme die restlichen Vorkehrungen."
"Was ist hier los?", fragte Dean erneut und dieses Mal schwang Wut in
seiner Stimme mit. "Wo ist Julie?"
"Sie wurde entführt.", antwortete Maya kurz und knapp.
"Von wem?"
"Meine Güte! Ihr Winchesters! Ich habe Missouri bereits gesagt, dass
euer Vater ein sturer Kerl ist und Du scheinst genau nach ihm zu kommen!"
Dean stand auf, ging auf sie zu und blickte sie wütend an. "Ich will
Antworten, und zwar sofort!"
"Julie wurde von einem Hexer entführt. Ich weiß, dass da noch mehr Leute
dahinter stecken. Sie wollen etwas, das in ihrem Gedächtnis verborgen
ist und Du kannst von Glück reden, dass Du noch lebst!"
"Wo ist sie? Gehörst Du zu denen?", Dean packte ihren Arm.
"Dean, lass sie los!", schaltete sich nun Bobby ein. "Sie ist ein
Medium! Sie ist hier, um uns zu helfen!"
Sie funkelte ihn wütend an. "Mit diesen Leuten ist nicht zu scherzen.
Ich nehme an, sie haben Dich zu einem bestimmten Zweck am Leben gelassen
und wenn ihr hier bleibt, bist Du ihnen schutzlos ausgeliefert. Denn
glaub mir, sie werden nicht gegangen sein, ohne Dir irgend einen Fluch
aufzuerlegen."
Er schluckte und ließ ihren Arm los. Er war wütend und verstand rein gar
nichts von dem, was hier vorging und was dieses Mädchen ihm erzählte. Er
wollte nur eines: Julie finden und sie in Sicherheit wissen.
"Gehen wir!", sagte Bobby.
Dean warf Sam erneut einen Blick zu. Dieser schüttelte fragend den Kopf
und wartete, bis er zu ihm hinüber kam.
"Es tut mir leid.", sagte Sam, während sie Bobby und Maya aus der
Wohnung folgten.
"Ich erinnere mich an keinen Einbrecher, Hexer oder was auch immer!",
presste Dean leise hervor.
"Wir haben Dich am Küchentisch sitzend gefunden. Du warst bewusstlos.
Mehr wissen wir auch noch nicht. Sofort nachdem wir hier angekommen
waren, ist sie hier aufgetaucht."
"Sie ist mir unheimlich."
"Sie kennt Missouri und Bobby vertraut ihr. Vielleicht kann sie uns
wirklich helfen.", sagte er leise.
Dean seufzte und hoffte, dass sein Bruder recht hatte.
Julie wusste nicht, wie lange sie schon in der Dunkelheit saß. So
langsam spürte sie ihre Finger nicht mehr, ihre Füße und Zehen waren
längst taub von der Kälte. Sie wünschte, sie würde Schuhe und eine Jacke
tragen, doch sicher würden diese sie inzwischen auch nicht mehr wärmen
können. Kein Geräusch drang in diesen Raum und sie fragte sich, wie
lange sie noch hier ausharren sollte. Sie hatte keine Ahnung, was genau
Eli von ihr wissen wollte und fragte sich, wer dieser Meister sein
sollte, von dem er gesprochen hatte.
Doch noch viel größere Gedanken und Sorgen machte sie sich um Dean. Sie
hatte keine Ahnung, ob er noch am Leben war, ob er vielleicht auch
irgendwo in der Kälte und in Dunkelheit saß oder schlimmer, vielleicht
gefoltert wurde. Noch immer sah sie ihn vor ihrem geistigen Auge
bewusstlos am Küchentisch sitzen, Eli hinter ihm, wie er seine kalten
Augen auf ihn gerichtet hatte. Was hatte dieser Kerl getan? Etwa einen
Fluch oder Bann ausgesprochen?
Zu gerne wüsste sie, mit was sie es hier zu tun hatte - vielleicht
konnte sie dann etwas tun? Hier rauskommen mit einem der Sprüche, die
sie mit Bobby bereits übersetzt hatte? Oder würde ihr auch dieses Mal
einfallen, welche Worte sie aussprechen musste, wenn es nötig wurde - so
wie bei dem Dämon, den sie getötet hatte? Doch dazu musste sie erst
einmal die Gelegenheit bekommen, zu sprechen...
In Bobbys Haus angekommen stellte sich heraus, dass Maya recht gehabt
hatte. Man hatte das Haus durchsucht - jedoch hatten sich die
Eindringlinge hauptsächlich auf das Zimmer konzentriert, wo das Buch mit
Julies Aufzeichnungen versteckt war.
Sie alle standen im Zimmer und beobachteten, wie Bobby in den
Schutzkreis schritt, den er auf den Boden gezeichnet und mit einem
Teppich bedeckt hatte. Er rückte ein Regal zur Seite. Dahinter befand
sich eine kleine Klappe die in der Wand eingelassen war. Diese war
ebenfalls mit einem magischen Schutzsymbol versehen. Schnell öffnete er
diese und griff in die Vertiefung in der Wand. Er zog eine kleine Kiste
heraus und öffnete das Schloss mit einem kleinen Schlüssel, den er an
einem Band um seinem Hals trug.
"Verdammt viele Schutzvorkehrungen, Bobby.", murmelte Dean.
"Hoffen wir, dass sie genützt haben.", antwortete er und zog den Deckel
hoch. "Es ist noch da!"
"Ihr habt heute mehr als ein Mal Glück gehabt.", sagte Maya. "Bleibt
innerhalb dieses Schutzkreises, während ich das Haus sicher mache! Habt
ihr verstanden?"
Bobby nickte und Maya ging ohne ein weiteres Wort hinaus, um einige
Schutzzauber an den wichtigsten Stellen des Grundstücks auszusprechen.
Außerdem zeichnete sie Schutssymbole über die Fenster und Türen.
"Bobby, wer zum Teufel ist sie?", fragte Dean und nahm Bobby das Buch
aus der Hand.
Er hielt es einen Augenblick gedankenverloren in seinen Händen, bevor er
es aufschlug und beeindruckt die Aufzeichnungen betrachtete, die Julie
zusammen mit Bobby bereits zusammengetragen hatte.
"Sie ist, wie schon gesagt, ein sehr starkes Medium.", antwortete Bobby
nun und blickte Dean und Sam ernst an. "Missouri hat sie vor einigen
Jahren unter ihre Fittiche genommen und ihr geholfen ihre Fähigkeiten
unter Kontrolle zu bekommen. Glaubt mir, sie ist wirklich zu
eindrucksvollen Dingen fähig. Sie will uns helfen, glaubt mir. Wenn wir
es tatsächlich mit Hexenzauber zu tun haben, dann weiß sie, was zu tun ist!"
"Ist sie eine Hexe?", fragte Sam.
"Junge, sie ist so einiges und ich glaube das Schicksal hat sich einen
ganz schönen Scherz erlaubt. Bis Missouri sich ihr angenommen hatte ist
sie durch die Hölle gegangen, weil niemand eine Ahnung hatte, was mit
ihr los war. Das Mädchen hat Vorahnungen, liest Deine Gedanken und hat
so einige Tricks drauf, um die wir alle sie beneiden würden!"
"Und woher weiß sie alles so genau?", misstrauisch blickte Dean aus dem
Fenster und beobachtete sie.
"Keine Ahnung, wie sie das macht! Frag sie am besten selbst! Leute wie
sie geben ihre Geheimnisse nicht gerne Preis. Mir hat sie allerdings
schon ein paar Mal aus der Patsche geholfen und viele der wirklich guten
Bücher habe ich durch sie gefunden."
Sam blickte ebenfalls durchs Fenster und konnte nicht anders, als mit
Bewunderung ihr hübsches Gesicht zu betrachten, wie die Sonne Schatten
auf ihre Haut warf und ihre Haare im Wind wehten...
Dann blickte sie auf und sah ihn direkt an. Aus ihrem Gesichtsausdruck
konnte er nicht erkennen, was sie gerade dachte.
Er senkte den Blick und drehte sich um. Natürlich! Sie konnte Gedanken
lesen - wie dumm war er eigentlich? Sich über sich selbst ärgernd fuhr
er sich durch die Haare und schloss die Augen. Wie konnte er auch in so
einer Situation anfangen zu träumen? Seine Gedanken durften nicht
abschweifen! Nein, er musste sachlich bleiben. Er öffnete die Augen nun
wieder und erkannte, dass Dean und Bobby mit fragenden Gesichtern vor
ihm standen.
"Es ist alles in Ordnung!", sagte er schnell.
"Warum hast Du dann einen knallroten Kopf?", fragte Dean.
"Kreislaufprobleme.", gab er zurück und räusperte sich. "Also - wenn sie
endlich fertig ist mit ihren Schutzvorrichtungen werden wir sie fragen
ob sie weiß, wo Julie hingebracht wurde und was für einen Fluch die Dir
auferlegt haben sollen!"
Eli sah von seinen Aufzeichnungen auf, als Gienah den Raum betrat.
"Hast Du es?", fragte er ohne Umschweife.
"Es war zu gut geschützt. Wir konnten es nicht finden.", antwortete sie.
"Dann wird es Zeit, dass ich die Antworten aus ihr heraushole."
Er stand auf und warf Gienah einen strafenden Blick zu. Sie hatte ihn
erneut enttäuscht und sein Meister würde nicht mehr lange auf ihre
Dienste zählen, wenn sie noch weitere Fehler machte.
Maya kam zurück in den Raum.
"Das Haus ist nun geschützt.", sagte sie. "Ich werde jetzt eure Fragen
beantworten."
Sie beobachtete, wie Sam ihrem Blick auswich und den Kopf gesenkt hielt,
scheinbar deutlich bemüht, nicht wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich zu
lenken oder etwas Falsches zu denken. Fast musste sie lachen - er benahm
sich wie ein eingeschüchterter Junge. Dabei wusste sie mit solchen
Gedanken umzugehen. Er war nicht der Einzige, der sie so ansah. Aber er
war einer der Wenigen, die sie gewähren ließ.
Sie griff nach Bobbys Arm, als dieser an ihr vorbei ging, um den Raum zu
verlassen.
"Warte, ich muss unter vier Augen mit Dir sprechen.", sagte sie und
Bobby stoppte.
"Du machst Dir große Sorgen, nicht wahr?", fragte Maya. "Um sie alle."
"Ja.", gab er mit trockener Kehle zu. "Ich kenne sie, seit sie als
kleine Racker meine Bücherregale ausgeräumt haben, um raufzuklettern...
und Julie - sie hat keine Ahnung von diesen Dingen - wie soll sie da die
richtigen Entscheidungen treffen?"
"Sie wird es überstehen, sie ist stark. Und Du wirst das Richtige tun,
das weiß ich. Zweifle nicht an Dir.", antwortete sie.
Bobby sah sie beeindruckt an. "Ich werde nie verstehen, wie Du das machst."
"Ich habe bei der Besten gelernt.", gab Maya zurück und lächelte ihn
warmherzig an.
"Wie geht es unserer Missouri eigentlich?", fragte Bobby.
"Es geht ihr gut, wenn sich nicht gerade ihr Ischias zurück meldet. Und
vor ihrer scharfen Zunge solltest Du Dich hüten - es wird von Jahr zu
Jahr schlimmer!"
Bobby lachte leise und wurde dann wieder ernst. Maya schien seine Sorge
zu spüren und legte ihre Hand nun sachte auf seinen Oberarm.
"Ich werde mein Möglichstes tun, um euch zu helfen.", sagte sie.
Er nickte. "Danke."
Sam und Dean saßen am Küchentisch und warteten bis Maya zusammen mit
Bobby zu ihnen kam. Dean hatte den Kopf in seine Hände gestützt und
wurde fast wahnsinnig vor Sorge. Er machte sich Vorwürfe. Wie hatte er
sich einfach so überrumpeln lassen können! Sie hatten sie mitgenommen,
ohne dass er etwas davon wusste oder mitbekommen hatte! Am liebsten
würde er einigen dieser Mistkerle die Köpfe abreißen - wenn er nur
wüsste, wo er anfangen sollte!
Er wusste, dass Sam sich Sorgen um ihn machte, denn er spürte förmlich
seinen Blick auf sich. Er ließ die Hände auf den Tisch sinken und sah
ihn an.
"Warum ist uns nicht ein einziges Mal eine Pause gegönnt?", fragte er,
ohne wirklich eine Antwort von Sam zu erwarten weil er wusste, dass er
ihm keine würde geben können.
Wie erwartet, war die einzige Reaktion von Sam ein mitfühlender Blick.
Dann betrat Maya die Küche und er lehnte sich im Stuhl zurück.
"Also, kannst Du mir sagen, wo Julie ist?", fragte Dean gerade heraus.
"Ich weiß nicht, wo sie sie hingebracht haben, tut mir leid.",
antwortete Maya und setzte sich. "Dieser Hexer hat seinen Unterschlupf
ebenfalls gut geschützt und hält ihn im Verborgenen. Aber sie lebt, das
spüre ich."
Verzweiflung und Wut bahnten sich erneut ihren Weg nach oben und Dean
seufzte.
"Woher weißt Du, dass ein Hexer sie entführt hat und was sie von ihr
wollen?", fragte er einen Augenblick später.
"Ich hatte eine Vision in der ich gesehen habe, wie sie in Julies
Wohnung gekommen sind und euch überrascht haben. Leider konnte ich nicht
rechtzeitig hier sein."
"Ich erinnere mich an nichts davon. Wie ist das möglich?"
"Ich nehme an, dass sie zuvor bereits in der Wohnung waren und etwas
versteckt haben. Damit konnten sie Dich und Julie schnell außer Gefecht
setzen."
Sam und Bobby hörten aufmerksam zu, während Dean langsam immer blasser
wurde.
"Und Julie? Weißt Du, was sie mit ihr gemacht haben?"
"Ich fühle nur, dass sie große Angst hat. Und es ist sehr kalt da wo sie
ist..."
Deans Hände, die noch immer auf der Tischplatte lagen, ballten sich zu
Fäusten und er schluckte, bevor er weiter sprach.
"Woher wusstest Du, dass sie nach dem Buch suchen würden und was sie von
Julie wollen?"
"Ich weiß es einfach.", gab sie zurück.
"Kannst Du mir nicht ein einziges Mal eine anständige Antwort geben?",
fragte er und seine Stimme zitterte vor Anspannung.
Er spürte Sams Hand auf seiner Schulter, wagte aber nicht, ihn in diesem
Augenblick anzusehen. Statt dessen suchte er den Blick von Maya.
"Ich habe nicht alle Antworten, Dean!", antwortete sie. "Was ich sehe
sind auch nur Bruchstücke. Ich muss sie zusammensetzen und deuten.
Manchmal sind es nur Emotionen oder Gedankenfetzen. Ich verspreche Dir,
ich werde euch alle Informationen geben, die ich habe."
Er nickte und zwang sich, seine Hände wieder zu entspannen. Seufzend zog
er die Arme vom Tisch und stand auf.
"Dean!", sagte Sam leise.
"Ich bin gleich zurück.", sagte er und verließ den Raum.
Sam blickte ihm hinterher und war kurz davor, aufzuspringen und ihm
nachzulaufen, als er eine Hand auf der Seinen spürte. Verwirrt blickte
er zu Maya.
"Lass ihm ein paar Minuten."
Er schluckte schwer und zwang sich, seine Hand nicht wegzuziehen und
ihrem Blick standzuhalten.
"Weißt Du etwas über den Fluch den er über Dean ausgesprochen hat?",
fragte er und war seltsam erleichtert, als sie selbst nun ihre Hand weg
nahm.
"Ich vermute, dass sie die Gelegenheit nicht haben verstreichen lassen.
Was ich von diesem Hexer empfange lässt mich annehmen, dass er extrem
mächtig und unbarmherzig ist. Er ist von Wut und Hass zerfressen, aber
ich weiß noch nicht wieso."
"Ich frage mich, warum sie Dean nicht mitgenommen haben.", sagte Bobby.
"Wahrscheinlich brauchen sie ihn noch."
Sam schluckte schwer. Er hatte Angst um Dean - sie kannten sich mit
Hexenzauber nicht besonders gut aus. Das war nicht gerade ihr Gebiet.
"Was für einen Gegenstand meintest Du, den sie in der Wohnung versteckt
haben könnten?", fragte er dann.
"Kommt immer darauf an - es gibt verschiedene Arten jemandem einen Fluch
mithilfe eines Gegenstands aufzuerlegen. Vor Jahrtausenden benutzten die
Menschen Fluchtafeln oder Puppen, die ihre Opfer darstellen sollten."
"So etwas wie Voodoo?", fragte Bobby.
"Es ist ähnlich - jedenfalls hat er, solange er diesen Gegenstand in
seinem Besitz behält, die Kontrolle über die verfluchte Person. Ich weiß
noch nicht, was er getan hat, aber ich fürchte wir werden es bald
herausfinden."
"Wie kann man den Fluch brechen? Ist er in diesem Haus nun nicht geschützt?"
"Solange er sich hier aufhält sollte der Fluch abgeschwächt werden, aber
da er vor meinem Schutzzauber ausgesprochen wurde, kann ich ihn nicht
ganz aufhalten.", antwortete sie.
"Und wie werden wir den Fluch los?", wiederholte Sam seine Frage.
"Indem man den Gegenstand vernichtet oder die Person tötet, die ihn
ausgesprochen hat."
Sam seufzte - das war ja wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen!
"Ich werde euch helfen, Sam.", sagte Maya und blickte ihn aufmunternd an.
"Liest Du wieder meine Gedanken?", fragte er und lächelte schief.
"Kannst Du alles... hören, was wir denken?"
Sie lächelte. "Da würde ich wohl verrückt werde, oder?"
"Wahrscheinlich."
"Ich empfange nur die Gedanken einer Person, auf die ich mich
konzentriere - oder wie vorhin in Deinem Fall, die Gedanken einer
Person, die sich auf mich konzentriert."
Sam spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht schoss und Maya kicherte
leise, während Bobby die Augenbrauen hob und die Beiden fragend anblickte.
"Es ist okay. Du musst Dich deswegen nicht schämen, Sam.", flüsterte
Maya und zwinkerte Bobby zu.
Eli betätigte den Lichtschalter und öffnete die Tür zu der Kammer, in
der er das Mädchen festhielt. Geblendet von der plötzlichen Helligkeit
schloss sie die Augen und kauerte an der hinteren Wand, die am weitesten
von der Tür entfernt lag. Wie klein und zerbrechlich sie wirkte.
Sie blinzelte und nach einem Moment sah sie ihn verängstigt an. Er kam
näher und blickte überheblich auf sie herab. Nach dem Tod des Dämons
durch ihre Hand hatten sie gewusst, dass sie diejenige war, die sie
gesucht hatten. Doch sie hatte gezeigt, dass sie gefährlich sein konnte.
Aus diesem Grund hatte er einige Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen.
Langsam beugte er sich zu ihr hinunter.
Julie ließ Eli nicht eine Sekunde aus den Augen, als er immer näher kam
und seinen Kopf schließlich ganz nahe an ihr Ohr brachte.
"Ich werde den Knebel jetzt entfernen - aber vorher möchte ich, dass Du
noch etwas weißt.", sagte er leise.
Sie drehte den Kopf und sah ihn an. Was hatte er vor?
"Fühle!", flüsterte er und sie zuckte im gleichen Augenblick zusammen,
als fremde Emotionen wie ein Blitz durch ihren Köprer schossen.
Sie schluckte und spürte, wie ihr Herz anfing zu rasen. Hektisch atmend
versuchte sie, die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Was war das? Sie
fühlte Wut, Sorge, Angst...
Eli beobachtete ihre Reaktion mit einem zufriedenen Lächeln.
"Was Du jetzt wahrnimmst, sind die Emotionen des Jägers - des Mannes,
mit dem Du Dich vereint hast."
Tränen traten in ihre Augen, denn wenn das wirklich Deans Gefühle waren,
so war er in einem furchtbaren Gemütszustand.
"Du fühlst, was gerade in ihm vorgeht - er tut das ebenso.", sagte Eli.
"Ich habe eure Körper miteinander verbunden. Wenn ich ihm Schmerzen
zufüge, wirst Du das ebenfalls spüren."
Julie presste die Zähne auf das Tuch, als ein heftiger Schmerz ihre
Eingeweide durchbohrte. Ihre eigene Überraschung und Angst vermischte
sich mit der fremden Verzweiflung und dem Schock, den Dean gerade
durchleben musste...
"Ich weiß, dass das verwirrend für Dich sein muss.", sagte Maya, doch
dann schreckte sie plötzlich auf.
"Was ist?", fragte Sam.
"Der Fluch!", rief sie und sprang auf.
Im nächsten Augenblick hörten sie auch schon einen schmerzerfüllten
Schrei aus dem Wohnzimmer. Sam stand ebenfalls auf und eilte Maya nach.
Dean lag zusammengekrümmt auf dem Boden des Wohnzimmers und hielt sich
die Arme vor den Magen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und er rang
nach Luft.
Maya kniete sich neben ihn und legte ihm beide Hände auf den Arm,
während Dean die Augen geschlossen hielt und am ganzen Körper vor
Anstrengung und Schmerz zitterte.
"Ich hatte recht.", sagte Maya und warf Sam einen besorgten Blick zu.
Dean entspannte sich plötzlich - die Schmerzattacke schien nachzulassen.
"Dean!", Sam hatte die Szene bisher wie erstarrt beobachtet, doch nun
stürzte er zu seinem Bruder und kniete sich neben ihn. "Dean, sag etwas!"
Dieser schien total abwesend und blickte sich ungewöhnlich ängstlich um.
"Dean!", versuchte Sam es erneut und dann endlich fand der Blick seines
Bruders den Seinen.
"Sammy! Irgend etwas stimmt hier nicht!", presste er hervor.
Sam schluckte und fuhr Dean über das plötzlich verschwitzte Haar und
wusste nicht, was er sagen sollte.
"Dean, hast Du mit Julie geschlafen?", hörten sie nun beide Mayas Stimme
und Dean wagte es, sich aus seiner verkrümmten Haltung zu lösen und sich
zu ihr umzudrehen.
"Ich wüsste nicht, was Dich das angeht.", sagte er schnippisch.
"Also ja.", sagte sie und erntete einen vernichtenden Blick von Dean.
"Hör auf meine Gedanken zu lesen!", presste er hervor und setzte sich auf.
"Dean - Der Fluch ist wirksam geworden!", sagte Maya. "Dieser Kerl hat
nur darauf gewartet, dass ihr euch vereint - also im Klartext: Bis ihr
Sex hattet. Er hat einen Bindezauber über euch ausgesprochen!"
"Wie bitte?", fragte Dean und blinzelte.
"Spürst Du etwas Ungewöhnliches in Dir?"
Dean schluckte und schien einen Moment in sich hinein zu horchen. "Ja."
"Fremde Gefühle?"
Er nickte. Angst, Sorge, Verzweiflung - es war schwer zu deuten, was da
auf ihn einströmte - und zu alldem kam noch dieser Schmerz den er gerade
gespürt hatte und der ihn sofort in die Knie gezwungen hatte.
"Das sind Julies Gefühle.", sagte Maya und Dean klappte der Unterkiefer
herunter.
"So etwas ist nicht möglich.", gab er zurück.
"So unmöglich wie die Tatsache, dass Du innerhalb von Sekunden zu Boden
gehst und Dich vor Schmerzen windest, wenn der Hexer das will?", fragte sie.
Dean schluckte.
"Die Attacke wäre außerhalb des Hauses noch viel schlimmer gewesen.",
sprach sie weiter. "Ich hoffe, dass auch Julie von den Schutzzaubern
profitiert."
"Was meinst Du?", fragte Sam.
"Sie spürt diesen Schmerz ebenso wie Dean."
Julies Atem beruhigte sich nur langsam, als sie Schmerzen nachließen.
Eli stand noch immer vor ihr und beobachtete sie wie ein Versuchsobjekt,
kalt und emotionslos. Nun ging er vor ihr in die Hocke, während sie
versuchte, sich von ihm zurückzuziehen und sich gegen die Wand presste.
"Wenn Du auch nur einen einzigen Versuch machst, mich oder meine Leute
mit einem Spruch außer Gefecht zu setzen, dann wird das furchtbare
Schmerzen für Dich und Deinen Freund bedeuten. Das gerade eben war noch
gar nichts! Ich kann euch beide innerhalb weniger Sekunden töten und ihr
würdet genau spüren, wie die Lebensgeister des jeweils anderen
erlischen. Hast Du das verstanden?"
Sie erschauderte und spürte Übelkeit aufsteigen... war Dean ebenfalls
hier in der Nähe?
"Hast Du mich verstanden?", wiederholte Eli und sie nickte schnell.
"Du stellst keine Fragen und wirst mir wahrheitsgemäß antworten."
Sie nickte erneut und hoffte, dass sie ihm die Fragen überhaupt
beantworten konnte.
Eli richtete sich auf und zog ihren Kopf etwas nach vorne. Die Berührung
jagte ihr erneut einen kalten Schauer über den Rücken, aber sie spürte,
wie er den Knoten an ihrem Hinterkopf öffnete und das Tuch entfernte.
Sie schluckte und fuhr sich über die trockenen Lippen, während er einige
Schritte zurückwich.
"Was hast Du bereits in dem Buch notiert, das sich in dem Haus von Bobby
Singer befindet?"
"Einige Exorzismen und Schutzsymbole.", antwortete sie mit heiserer Stimme.
Die Kälte hier brachte sie fast um und sie wünschte sich nichts
sehnlicher als einen Schluck Wasser, um ihre schmerzende und trockene
Kehle zu befeuchten.
"Waren auch Zaubersprüche darunter?"
"Ja."
"Ich brauche einen ganz bestimmten Transferzauber. Er ist sehr alt und
wurde lange Zeit nicht mehr angewendet, weil seine Formel in
Vergessenheit geriet. Der Dämon den Du getötet hast und der dieses
Wissen in Dir hinterlegt hat, hatte jedoch noch Kenntnis darüber. Ich
will, dass Du mir alle Zaubersprüche, Flüche und Banne aufschreibst, an
die Du Dich erinnern kannst. Je älter, desto wertvoller sind sie für mich."
"Aber so funktioniert das nicht!", sagte Julie. "Ich kenne von den
meisten Dingen noch nicht einmal die Bedeutung oder die Sprache."
Sie zuckte zusammen, als sie erneut ein kurzer, heißer Schmerz
durchfuhr, der jedoch schnell wieder nachließ.
"Ich war noch nicht fertig! Ich sagte nicht, dass Du das alleine tun
sollst!", antwortete er wütend. "Meine Gefährtin Gienah wird Dir helfen.
Sie kennt sich mit allem bestens aus. Aber ich warne Dich - sie hat ihre
Menschlichkeit vor langer Zeit abgelegt und wird nicht zögern, Dir etwas
anzutun wenn Du nicht tust, was sie von Dir verlangt. Versuche nicht,
sie zu überrumpeln - es würde schreckliche Folgen für Dich und Deinen
Freund nach sich ziehen."
"Okay.", Julie nickte erneut.
Eli näherte sich ihr und begann, die Fußfesseln zu lösen.
"Wenn Gienah mir etwas Positives berichtet, werde ich Dir Wasser und
etwas zu Essen bringen lassen.", sagte er und ging dann hinaus.
Das Licht wurde wieder gelöscht.
Julie streckte die schmerzenden Beine aus und zog dann die kalten Zehen
unter die langen Hosenbeine der Jogginghose.
Noch immer spürte sie den Schmerz, den Eli ihr zugefügt hatte und sie
war sich bewusst, dass auch Dean ihn gefühlt hatte, denn sie fühlte auch
weiterhin, was in ihm vorging. Es kam ihr bereits nach diesen wenigen
Minuten vor wie Folter, seine momentanen Emotionen in sich zu spüren.
Dean war weit aufgewühlter als er es jemals zeigen würde. Sie spürte
seine Angst, Sorge, Verwirrung, wie er mit Selbstvorwürfen kämpfte und
sich einer unbändigen Wut entgegen sah, die jedoch nur in Frustration
gipfelte.
Sie vermutete, dass sie selbst ein gutes Stück zu seinem Gefühlschaos
beitrug. Wenn er tatsächlich auch ihre Emotionen spürte, so war es für
ihn auch nicht leicht, diese zu verarbeiten. Sie versuchte, sich zu
beruhigen - doch sie konnte nicht bei dem Gedanken, was ihr noch bevor
stand.
Wer war diese Gienah und war sie ebenso unbarmherzig und kühl wie Eli?
Was, wenn sie ihr nicht die Antworten liefern konnte, die sie erwartete?
Was würde Eli dann tun?
Eli ging hinüber zu Gienah. Einst war sie eine wunderschöne, weise Hexe
gewesen - seine Frau. Doch nachdem sie ihre Künste dem Bösen
verschrieben hatte und er sie von den Toten zurückgeholt hatte, war sie
ein völlig anderes Wesen geworden. Jemand, der ihm im Laufe der Jahre
immer mehr und mehr zur Last wurde. Er hatte seine Frau schon vor langer
Zeit verloren...
"Sie wird kooperieren.", sagte er und sie lächelte böse.
"Ich kann sie befragen?"
"Du wirst mit ihr alles aufzeichnen, an das sie sich erinnert. Gib mir
Bescheid, wenn ihr den Zauber gefunden habt, dann werde ich mit Akrab
sprechen und das weitere Vorgehen erfragen."
"Sie weiß nicht, was ich bin, oder?"
"Sie wird Dir nichts anhaben können. Sollte sie einen Versuch wagen,
werde ich sie umgehend dafür bestrafen."
Gienah lächelte erneut und wandte sich der Tür zu.
"Denke daran, dass sie noch ein gewöhnlicher Mensch ist. Irgendwann wird
sie müde werden."
"Bis es soweit ist, werde ich die Antwort haben.", antwortete Gienah und
öffnete die Tür.
Sam saß im Wohnzimmer, während Maya und Bobby in den Keller gegangen
waren um nachzusehen, ob sie dort irgend etwas Nützliches finden
konnten, um einen mächtigeren Schutzzauber um dieses Haus zu errichten.
Immer wieder blickte Sam hinüber zu Dean, der mit versteinerter Mine auf
einem Stuhl saß und seine Hände anstarrte. Nur hin und wieder zuckte er
leicht zusammen, gerade eben heftiger als zuvor.
"Dean, rede mit mir, bitte.", sagte Sam sanft.
Sein Bruder blickte ihn an und er konnte erkennen wie er gerade mit sich
kämpfen musste, um nicht preiszugeben, was in ihm vorging.
"Sollen wir lieber nach oben gehen? Willst Du Dich hinlegen?", fragte Sam.
"Ich will mich nicht hinlegen!", fuhr Dean ihn an. "Ich will, dass wir
diesen Scheißkerl endlich suchen und Julie da wegholen!"
Sam sah, wie er schwer schluckte und seine Augen schloss.
Er konnte nur ahnen, wie es in Dean gerade aussehen musste, was er
fühlte. Julie hatte mit Sicherheit große Angst und diese übertrug sich
automatisch auf ihn. Sam seufzte, stand auf und ging ans Fenster. Wie
gerne würde er einen Teil der Last auf sich nehmen...
"Tut mir leid.", hörte er Dean dann sagen und er drehte sich zu ihm um.
"Diese verdammten Gefühle machen mich fertig und ich schaffe es nicht,
sie auszublenden. Dieser Dreckskerl hat ihr gerade wieder weh getan und
ich kann nichts dagegen machen. Ich kann hier nicht sitzen und warten,
während er ihr solche Angst einjagt! Ich brauche endlich einen Hinweis
von Maya, um sie zu suchen!"
Sam ging um den Stuhl herum. "Du kannst das Haus nicht verlassen, Dean.
Wenn diese Angriffe da draußen wirklich noch schlimmer sind als hier
drinnen, wie willst du das aushalten?"
"Das ist mir egal!", gab er wütend zurück. "Ich werde nicht hier
herumsitzen und nichts tun!"
"Wir werden sehen, was Maya tun kann, okay?"
Dean sah zu ihm hoch.
"Julie liebt mich, das fühle ich.", sagte er leise und Sam erkannte
Tränen in seinen Augen.
Sam und ging in die Hocke, um Dean etwas näher zu sein, doch dieser fuhr
sich schnell mit der Hand über die Augen und lächelte schief.
"Gott, ich führe mich auf wie eine Frau! Das ist so peinlich!", sagte
Dean dann und Sam konnte ein kurzes Grinsen nicht unterdrücken.
"Das ist nur der weibliche Einfluss dem Du im Moment unterliegst.",
antwortete er und klopfte ihm mit der flachen Hand sanft aufs Knie.
"Sobald wir den Fluch unwirksam machen, bist Du wieder der Alte!"
Dean nickte.
"Hey, wer von uns ist jetzt eigentlich die Schlampe, mhm?", fragte Sam.
"Du natürlich!", gab er zurück und ein Lächeln umspielte kurz seine Lippen.
Julie hielt die Luft an, als das Licht wieder eingeschaltet wurde und
sie hörte, dass die Tür geöffnet wurde. Sie erschrak, als sie sah wer
den Raum betrat. Es war die Frau, die sie in der Küche angegriffen und
gewürgt hatte. Das war also Gienah...
Neid, aber auch Abscheu lagen in ihrem Blick als sie sich Julie näherte.
Ihre langen Finger umklammerten ihren Oberarm, grob zog sie sie auf die
Beine und zerrte sie aus dem Raum. Dort befand sich ein weiteres
fensterloses Zimmer, in dem ein Tisch und zwei Stühle standen. Eli war
nicht hier. Sie brachte sie zu einem der Stühle.
"Setz Dich hin!", befahl sie mit rauchiger, tiefer Stimme und Julie tat,
was sie ihr befohlen hatte.
Gienah entfernte das Seil um ihre Handgelenke und endlich konnte Julie
ihre Arme nach vorne nehmen. Ihre Schultern schmerzten, sie rieb sich
vorsichtig über die geröteten Gelenke und bewegte die steifen und kalten
Finger. Gienah nahm auf dem anderen Stuhl platz und schob ihr einen
Stapel Blätter und einen Stift hinüber.
"Fang an!"
Julie wagte kaum zu sprechen, aber sie musste ihr irgend wann mitteilen,
dass sie keine Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollte, was Eli von
ihr verlangt hatte. Aber zunächst fing sie an, einen der Sprüche
aufzuschreiben, die sie bereits mit Bobby besprochen und übersetzt
hatte. Es war ein harmloser Schutzzauber, um sich fremden Blicken zu
entziehen.
In ihrem Innern, irgendwo im Hintergrund, spürte sie noch immer Deans
Emotionen und das machte es schwer, sich zu konzentrieren. Scheinbar
versuchte er gerade zur Ruhe zu kommen, doch irgend etwas machte ihm
Angst... es war eine andere Art der Angst als die, die sie zuvor von ihm
empfangen hatte. Nicht die Sorge um sie oder um sein eigenes Leben -
nein, da war etwas Anderes...
"Du sollst mich nicht hinhalten!", herrschte Gienah sie an und sie wurde
aus ihren Gedanken zurück in die Realität gerissen. Diese hatte die
ersten Sätze gelesen und zog das Blatt nun vom Tisch. "Erinnere Dich an
ältere Sprüche!"
"In welcher Sprache? Was ist der Inhalt dieses Spruches? Ich habe doch
keine Ahnung, was ihr sucht!", rief Julie verzweifelt.
Gienah stand auf und packte ihr Handgelenk.
"Wärst du nicht so blöd gewesen, Dir dieses Symbol in die Hand zu
ritzen, müsste all das hier nicht sein! Ich müsste nicht meine Zeit mit
Dir verschwenden! Aber so wird das hier Stunden dauern! Also streng Dich
an! Der Zauber ist in Althochdeutsch niedergeschrieben worden!"
Julie schluckte. Althochdeutsch! Wie sollte das aussehen? Sie dachte
nach und versuchte etwas in den Erinnerungen des Dämons zu finden, das
ihr noch unbekannter vorkam, als die lateinischen Verse. Sie hatte in
den wenigen Tagen mit Bobby nicht genug herausfinden und lernen können,
um genau zu bestimmen, nach was sie suchen sollte. Also begann sie, den
erstbesten Vers niederzuschreiben, der ihr von den Schriftzeichen her
fremd vorkam...
Maya und Bobby kehrten wieder zurück nach oben und Dean blickte sie
erwartungsvoll an.
"Nichts. Tut mir leid, Junge - Du wirst noch ein Weilchen durchhalten
müssen.", sagte Bobby.
Dean nickte, stand wortlos auf und verließ den Raum. Er hörte, wie Sam
weiter mit Bobby sprach, doch je weiter er sich entfernte, desto leiser
wurden ihre Stimmen. Schnell ging er weiter in die Küche und stellte
sich ans Küchenfenster.
Das hier war mit Abstand das Verrückteste, das er jemals erlebt hatte.
Es war verwirrend und unangenehm, so intensiv fremde Gefühle zu
verspüren und zu wissen, dass sie von der Person kamen, die ihm so viel
bedeutete. Er atmete tief durch.
Die Erkenntnis, dass Julie ihn wirklich liebte, ihre Liebe tatsächlich
zu spüren, hatte ihm eine kleine Panikattacke beschert - er war sich
nicht sicher, ob er dieser Liebe gerecht wurde, ob er sie verdient hatte...
Er selbst empfand viel für sie, aber war es bereits Liebe?
Sofort keimten Vorwürfe auf - würde sie seine Zweifel spüren? Würde sie
sich von ihm abwenden? Und würde sie fühlen, was er in all den Jahren so
verzweifelt versucht hatte zu verdrängen und zu verbergen? Die Trauer um
seine Mutter, die Angst um seinen verschwundenen Vater? Die ständige
Sorge um Sammy...
Er wollte nicht, dass sie erfuhr, wie es tatsächlich in seinem Inneren
aussah.
Er drehte sich um als er hörte, wie jemand die Küche betrat.
Maya sah Dean an der Spüle stehen. Er blickte hinaus in den Garten und
hielt die Kante der Arbeitsplatte so fest umklammert, dass seine Knöchel
weiß hervorstachen. Leicht verspürte sie das Gefühlschaos, das er gerade
durchlebte, aber sie unterdrückte die Neugierde in seine Gedanken
einzutauchen.
"Bist du hier, um schon wieder in meinem Kopf rumzuwühlen?", fragte er
gereizt.
"Ich lese Deine Gedanken nicht, keine Angst.", antwortete sie. "Ich
wollte nur sehen, ob du okay bist."
"Jemand könnte den Emotionschip jetzt wieder ausschalten.", gab er zurück.
Sie zog die Augenbrauen hoch. "Was?"
Er winkte ab. "Ach, vergiss es."
Vor ihrem geistigen Auge blitzte eine Szene auf, wie eine jüngere
Version von Dean sich mit Sam eine Serie im Fernsehen ansah - er schien
total gelangweilt, während Sam aufgeregt ein Kissen umklammerte und ganz
vertieft schien.
Sie lächelte schief.
"Ich dachte, Du bleibst aus meinem Kopf draußen!", sagte Dean, der sie
über seine Schulter hinweg anblickte und sich nun umdrehte.
"Tut mir leid, manchmal kann ich nichts dagegen machen.", gab sie zurück
und lächelte schief. "Du kannst Sam nicht wirklich etwas abschlagen,
oder? Du hast Dir echt mit ihm Star Trek angesehen?"
"Er wollte unbedingt, dass ich mir das mit ihm ansehe. Keine Ahnung,
warum er das so faszinierend fand.", erklärte Dean.
"Du hast Dich furchtbar gelangweilt."
"Das ist nichts für mich."
Sie betrachtete ihn einen Moment. Sein erster Eindruck hatte sie
vielleicht getäuscht. Er war stur - und stolz, aber er würde wirklich
alles für seine Familie tun, selbst wenn er dafür seine eigenen
Bedürfnisse in den Hintergrund stellen musste.
Sie seufzte leise und warf einen Blick zurück auf Sam, der sich im
Zimmer über den Flur noch immer mit Bobby unterhielt.
"Hör zu Dean. Ich hatte eine Idee, wollte Sam und Bobby aber nicht
beunruhigen. Ich würde die Aktivierung des Fluchs und Deine momentane
Verbindung zu Julie gerne nutzen, um vielleicht mehr über ihren
Aufenthaltsort herauszufinden.", sie klang weniger überzeugend, als sie
sich das vorgenommen hatte.
"Aber?", fragte er, als er ihre Unsicherheit scheinbar bemerkte.
"Ich habe das noch nie gemacht. Es könnte gefährlich sein..."
Dean hob interessiert die Augenbrauen.
"Was könnte passieren?", fragte er.
"Der Hexer könnte bemerken, dass ich euch helfe und Dich und Julie dafür
bestrafen. Außerdem müsste ich ebenfalls einen Verbindungszauber zu Dir
herstellen - wenn er Wind davon bekommt, bin ich ihm währenddessen
ebenfalls schutzlos ausgeliefert."
Dean dachte kurz nach. Wenn sie es versuchten, würde er also Julie und
Maya ebenso in Gefahr bringen. Aber sie war bereit es zu tun und was
blieb ihnen für eine Wahl? Sie würden Julie niemals finden, ohne irgend
einen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort.
Er spürte, dass Julie derzeit unter großem Stress stehen musste und in
ihrer Angst schwang ein gutes Stück Frustration mit - irgend etwas ging
dort vor.
Nein, er musste handeln, er konnte diesen Zustand nicht weiter andauern
lassen.
"Bist Du bereit, es zu riskieren?", fragte er und blickte Maya fest in
die Augen.
"Ja. Ich würde es zu versuchen.", gab sie zurück.
Dean nickte. "Ich ebenfalls."
Suma hapt heptidun,
suma clubodun
umbi cuoniouuidi:
insprinc haptbandun,
inuar uigandun.
Gienah las die Worte leise, während sie mit dem Blatt das Julie kurz
zuvor benutzt hatte, langsam auf und ab ging.
"Das ist gut!", sagte sie und blickte sie an. "Ein Spruch, um sich aus
Gefangenschaft zu befreien. Aber noch nicht das, was wir brauchen. Etwas
in dieser Art musst Du noch im Gedächtnis haben, also streng Dich an!"
Julie schluckte. Inzwischen war sie so erschöpft, dass sie kaum noch die
Augen offen halten konnte. Ein pochender Kopfschmerz hatte sich
ausgebreitet und sie hatte unglaublichen Durst.
Gienah hingegen schien nicht müde zu werden oder sie auch nur eine
Sekunde aus den Augen zu lassen. Julie fragte sich, was sie eigentlich
war. Sie vermutete, dass sie ein Dämon war, aber warum steckte sie in
diesem furchteinflößend aussehenden Körper? Oder war sie ein anderes Wesen?
"Glotz mich nicht an, sondern schreib weiter!", herrschte diese sie an.
Julie senkte schnell den Kopf und schrieb den ersten Satz eines Spruches
auf, der ihr zuvor schon einmal kurz ins Gedächtnis gekommen war. Sie
war sich nur nicht sicher gewesen, ob es ein althochdeutscher Vers war.
Sie fragte sich, wo Eli sich wohl aufhalten mochte? Wenn Gienah
tatsächlich ein Dämon war, konnte sie sie überwältigen, womöglich sogar
töten - aber dann? Gegen Eli konnte sie nichts ausrichten, er war ein
Mensch und durch den Fluch würde sie nicht nur ihr Leben, sondern auch
das von Dean gefährden...
Mit pochendem Herzen folgte Maya Dean leise die Treppe hinauf. Sam und
Bobby befanden sich noch immer im Wohnzimmer und hatten nichts von dem
mitbekommen, was sie in der Küche besprochen hatten.
Dean öffnete die Tür zu dem Zimmer, in dem sie schon als Kinder immer
übernachtet hatten und schloss diese leise wieder, nachdem Maya
eingetreten war.
"Also, was müssen wir tun?", fragte er.
Maya legte ihre mitgebrachte Tasche auf eines der beiden Betten und
setzte sich daneben.
"Ich werde zunächst durch einen Spruch versuchen, direkt in Deinen Geist
einzudringen. Danach werde ich mich auf die Verbindung, die der Hexer zu
Julie aufrecht erhält, konzentrieren und versuchen, diese
zurückzuverfolgen. Vielleicht bekomme ich eine ungefähre Ahnung von dem
Ort, wo sich Julie aufhält. Eventuell empfange ich auch ein Bild. Wie
gesagt, ich habe das noch nie getan. Ich muss vorsichtig sein, dass er
nicht bemerkt was vor sich geht, darum darf Julie nichts davon bemerken
und auch Du musst versuchen, ruhig zu bleiben."
"Was, wenn er etwas bemerkt?"
"Dann werden wir es zu spüren bekommen.", antwortete Maya und begann, in
der Tasche zu kramen.
Er schluckte und zögerte, bevor er weiter sprach. "Du wirst also alles
mitbekommen, was ich fühle, meine Gedanken?"
Sie blickte auf und nickte. "Es gehört schon ein gutes Stück Vertrauen
dazu, Dean. Willst Du es wirklich tun? Nachdem ich den Zauber
ausgesprochen habe, können wir nicht mehr zurück, sonst würde er es
sofort bemerken."
Er seufzte. "Ich will es tun."
Maya konzentrierte sich wieder auf den Inhalt ihrer Tasche. Kurz darauf
zog sie ein kleines schwarzes Buch hervor und blätterte darin herum. Als
sie die gesuchte Seite gefunden hatte legte sie es mit den beschriebenen
Seiten aufs Bett und zog kurz darauf ein Amulett aus der Tasche.
"Hier.", sie gab es Dean in die Hand. "Halte es fest, solange es dauert.
Es wird helfen, meine Kraft auf Dich zu übertragen."
Dean umklammerte den kleinen Anhänger.
"Das hier ist wirklich verrückt...", murmelte er und setzte sich auf das
gegenüber stehende Bett.
"Hexenmagie ist real, Dean.", sagte Maya. "Es kommt nur darauf an, ob
man sich der guten oder der schlechten Seite zuwendet."
"Und Du?", fragte er. "Bist Du eine Hexe?"
Sie zögerte kurz - normalerweise gab sie keine Erklärung über ihre
Fähigkeiten. Doch Dean war im Begriff, ihr ebenfalls Einblick in sein
Innerstes zu geben, also hielt sie es nur für fair, ihm über zumindest
einen Bereich die Wahrheit zu sagen.
"Ich verfüge über die Fähigkeit, Zauberkraft anzuwenden. Ich kenne viele
Elemente der weißen Magie und praktiziere sie - wenn Du es so nennen
willst, dann bin ich eine Hexe. Ich würde mich aber nicht als eine
bezeichnen.", sie lächelte schief. "Ich habe empathische Fähigkeiten und
empfange wie Du weißt die Gedanken anderer Menschen... und das ist nur
ein Teil meiner verrückten Talente."
"Wow!", sagte Dean beeindruckt. "Ganz schön viel Kram, den Du da mit Dir
rumschleppst."
Sie lachte kurz und nahm das kleine Buch in ihre Hände. "So könnte man
es ausdrücken."
Julie zuckte erschrocken zusammen, als Gienah ihr das Blatt wegzog, auf
das sie gerade den letzten Satz eines weiteren Spruchs geschrieben hatte.
Schnell las sie die Sätze und blickte Julie kurz an, dann las sie erneut
und ihre Mine erhellte sich sichtbar. Sie drehte den Kopf und sah zu der
Tür, die sich am Ende des Zimmers befand. Als sich nichts tat ging sie
hinüber und öffnete sie.
Angespannt blieb Julie sitzen und beobachtete Gienah. Scheinbar
erwartete sie, dass Eli zu ihr kam. Doch er schien nicht hier zu sein.
In dem Raum hinter dieser Tür sah sie Tageslicht durch ein Fenster
scheinen - wenn Eli nicht hier war, vielleicht konnte sie dann doch
entkommen? Wenn sie und Dean sich weit genug von ihm entfernten, sich
zunächst in einem der mächtigen Schutzkreise die sie kannte aufhalten
würden, vielleicht würde der Fluch ihnen dann nichts mehr anhaben
können? Sie musste Dean nur schnell finden...
Ihr Atem ging schneller als sie sah, dass Gienah die Tür wieder schloss
und zum Tisch zurück kam. Was sollte sie tun? War das jetzt gerade
vielleicht ihre Chance, zu fliehen? Musste sie es nicht zumindest versuchen?
Als Gienah hinter den Stuhl trat und ihre Handgelenke packte, um sie
wieder zu fesseln flüsterte sie schnell ein Wort - sie wusste, wenn
Gienah nun zurückweichen würde, dann könnte sie sie mit nur einem
weiteren Satz bewegungsunfähig machen.
"Christo!"
Gienah wich nicht zurück.
Statt dessen war sie mit einer unglaublich schnellen, fließenden
Bewegung direkt vor ihr und schlug ihr so hart ins Gesicht, dass der
Stuhl kippte und sie auf dem Boden landete.
"Du kleine Schlampe!", schrieh Gienah, war sofort über ihr und drehte
sie auf den Rücken. "Ich bin kein Dämon!"
Julie nahm die Arme hoch und versuchte sich zu schützen, als Gienah
nochmals ausholte und ihr zum zweiten Mal ins Gesicht schlug.
"Das war der letzte Fehler, den Du jemals gemacht hast! Wenn Eli zurück
kommt, wird er Dich zerquetschen wie eine Fliege!"
Erneut legte Gienah ihre Hände um ihren Hals und flüsterte etwas. Ein
stechender Schmerz durchfuhr Julies Oberkörper und ihre Kehle. Nur
Sekunden später ließ Gienah wieder los, zog sie auf die Beine, öffnete
die Tür zu dem Zimmer in dem sie vorher festgehalten wurde und stieß sie
grob hinein.
Julie fiel auf die Knie und bremste den Fall mit ihren Handflächen ab.
Die Tür wurde wieder zugeschlagen und somit umhüllte sie wieder die
Dunkelheit. Ihr Kopf und ihre rechte Gesichtshälfte schmerzten, ganz zu
schweigen von ihrem Hals, der sich anfühlte, als würde er innnerlich in
Flammen stehen.
Das Schloss wurde verriegelt und sie blieb zitternd auf dem Boden
kauernd zurück...
"Wo sind die Beiden nur abgeblieben?", fragte Sam plötzlich und stand auf.
"Ich glaube, gerade waren sie noch in der Küche.", antwortete Bobby.
"Ich weiß.", antwortete er. "Dean?", rief er nun etwas lauter.
Er und Bobby horchten, doch es kam keine Anwort. Besorgt runzelte Sam
die Stirn und lief in die Küche. Dean und Maya waren nicht dort.
"Vielleicht sind sie nach draußen gegangen oder nach oben...", Bobby
ließ seinen Blick durch die übrige Wohnung schweifen.
"Warum sollten sie nach oben gehen?"
Sams Handy klingelte in diesem Augenblick und er zog es aus seiner
Hosentasche. Nach einem kurzen Blick aufs Display nahm er ab.
"Ben!", sagte er.
"Sam! Ich bin bei Julies Wohnung, aber sie ist nicht hier! Weißt Du wo
sie steckt?", fragte dieser.
Sam schluckte. Natürlich - für morgen hatte Julie das Thanksgiving-Essen
geplant und Ben dazu eingeladen.
"Es ist etwas passiert. Ich erkläre Dir alles, wenn Du hier bist. Kennst
Du Bobby Singers Adresse?"
"Ja. Julie hat sie mir vor einigen Tagen durchgegeben."
"Komm so schnell Du kannst. Lass Dich nicht aufhalten und sprich mit
niemandem, hörst Du?"
"Was ist passiert?", fragte Ben besorgt.
"Komm einfach her."
Sam legte auf und steckte das Handy wieder in die Tasche.
"Das war Julies Bruder.", informierte er Bobby. "Weißt Du, ob sie noch
weitere Personen zum Essen eingeladen hat?"
"Nicht dass ich wüsste.", antwortete er. "Was willst du dem Jungen
erzählen?"
"Die Wahrheit, was sonst?"
Maya hielt zusammen mit Dean das Amulett fest umschlossen in ihrer Hand
und wollte gerade anfangen den Zauber laut auszusprechen, als sie eine
starke Welle von Emotionen von Deans Seite her verspürte.
Dieser sog einen Augenblick später hörbar die Luft ein und zuckte
zusammen. Kurz darauf fasste er sich mit der freien Hand an den Hals und
sein Atem beschleunigte sich rapide.
"Dean!", rief sie und platzierte sich vor ihm. Mit beiden Händen packte
sie seine Schultern. "Was passiert da?"
Mit schmerzverzerrtem Gesicht öffnete er einen Spalt weit die Augen und
blickte sie an. Er zitterte leicht und kleine Schweißperlen bildeten
sich auf seiner Oberlippe.
"Das war keine Attacke des Hexers, oder?", hakte Maya nach.
Dean schüttelte den Kopf und schluckte schwer.
"Verdammt!", stieß er dann heiser hervor. "Sie hat Schmerzen. Und mein
Hals fühlt sich an, als würde er glühen! Irgend etwas geht dort vor
sich! Wir müssen uns beeilen und sie da weg holen!"
Maya sah, wie Tränen in seine Augen traten und er stand schnell auf und
platzierte sich mit dem Rücken zu ihr am Fenster.
"Wir werden es schaffen.", sagte Maya.
Er drehte sich zu ihr um und setzte sich wieder auf das Bett.
"Fang an!"
Eli kehrte ins Haus zurück und fuhr zusammen, als Gienah um die Ecke bog
und ihm den Weg abschnitt.
"Was ist passiert?", fragte er.
"Wo warst Du?", kam sofort die Gegenfrage.
"Ich habe Akrab über die Fortschritte hier informiert.", antwortete er.
Sie stieß wütend die Luft aus. "Fortschritte!"
"Was ist passiert?", wiederholte er seine Frage und packte ihre Hand,
die ein beschriebenes Blatt hielt.
Schnell entwand er es ihr und las den Vers, der darauf niedergeschrieben
war. Erstaunt blickte er Gienah an.
"Ja, ich habe den Zauber!", sagte sie. "Aber dieses kleine Miststück hat
versucht herauszufinden, ob ich ein Dämon bin!"
Elis Nasenflügel begannen, vor Wut zu beben und er blickte zu der Tür,
die in den Vorraum der Kammer führte, wo sie das Mädchen festhielten.
Hatte er ihr nicht deutlich zu verstehen gegeben was er tun würde, wenn
sie versuchte einen seiner Leute zu hintergehen?
"Wir haben, was wir wollten und Du sagtest, Du würdest sie bestrafen
wenn sie etwas versucht.", zischte Gienah. "Lass mich sie töten."
Hätte er nicht Akrabs Anweisungen, würde er ihrer Bitte sofort
nachkommen. Aber sein Meister hatte ihm klare und deutliche Befehle
gegeben. Dennoch kannte er seine Frau - sie hatte sie mit Sicherheit
nicht unversehrt davonkommen lassen.
"Was hast Du getan?"
Gienah lächelte zufrieden...
Erneut hielten Dean und Maya das Amulett fest umschlossen. Dean saß mit
geschlossenen Augen neben ihr, während sie den Spruch aus dem kleinen
Buch ablas und sich auf seinen Geist und seine Gefühle konzentrierte.
Es dauerte nicht einmal bis zum letzten Satz, als sie die Verbindung zu
ihm spürte. Viele verschiedene Emotionen strömten auf sie ein und sie
schloss ebenfalls ihre Augen, um sich voll und ganz auf sein Innerstes
zu konzentrieren und einzuordnen, welche davon Julie gehörten -
irritiert stellte sie fest, dass Dean sich scheinbar fest auf einen
Songtext und dessen Melodie konzentrierte.
Sie atmete tief durch, als sie eine panische Angst, die von Julie
ausgehen musste, verspürte und öffnete sich ihr voll und ganz. Sie
stellte sich vor, sie würde mit ihr verschmelzen...
Langsam hörte die Welt auf sich zu drehen und Julie wagte es, sich etwas
weiter aufzurichten. Der Schmerz in ihrem Hals hatte etwas nachgelassen
und das Pochen in ihrem Ohr und Kiefer hatten nun die Führung des
momentanen Schmerzpegels übernommen.
Sie streckte die ebenfalls schmerzenden Knie durch und setzte sich nach
hinten. Sie hatte einen furchtbaren Fehler gemacht... Eli würde sie und
Dean mit Sicherheit töten.
"Du bist so dumm!", wollte sie zu sich selbst sagen, doch dann bemerkte
sie, dass kein einziger Laut aus ihrer Kehle drang.
Erschrocken fasste sie sich an den Hals und versuchte erneut, einen Ton
von sich zu geben - doch nichts geschah.
Ihr Herz begann wieder zu rasen - was hatte Gienah getan?
"Hinter dem Haus sind sie nicht!", sagte Bobby und schloss die Tür.
"Der Impala steht ebenfalls. Ich sehe oben nach!"
Sam stieg die Treppen hinauf und steuerte als erstes das Zimmer an, in
dem er letzte Nacht geschlafen hatte. Er öffnete die Tür und stoppte als
er die Szene die sich ihm bot, erblickte.
Maya und Dean saßen mit geschlossenen Augen auf einem der beiden Betten
und hielten beide eine goldene Kette in ihren Händen. Auf Mayas Schoß
lag ein kleines schwarzes Buch und keiner der Beiden schien seine
Ankunft zu bemerken.
Wut keimte in Sam auf - warum hatte Dean ihm nichts gesagt? Was taten
die beiden da?
Er schluckte als ihm klar wurde, dass Dean ihm deshalb nichts gesagt
haben musste, weil es etwas Gefährliches war - und weil er es ihm
auszreden versucht hätte.
Mit klopfendem Herzen setzte er sich auf das freie Bett und beobachtete
die beiden angespannt.
Dean bemühte sich, seine Konzentration einzig dem Songtext von "Bad Moon
Rising" zu widmen, doch er spürte, dass Maya ebenfalls in seinem Kopf
war - viel merkwürdiger konnte dieser Tag auf keinen Fall mehr werden.
Seine Gedanken schweiften ab zu Sam - wie würde er reagieren, wenn er
von ihrem kleinen Selbstversuch hier erfuhr?
Dann wollte er sich wieder auf einen Songtext konzentrieren - doch noch
bevor er sich für ein weiteres Lied entschieden hatte blitzte kurz ein
Bild vor ihm auf.
Verdammt, was war das gewesen? Eine Wand? Eine Tür? Er konzentrierte
sich nun auf diese Vision, die nur Sekundenbruchteile gedauert hatte und
dann sah er das Bild erneut, diesmal länger und deutlicher.
Gienah blickte ihren Ehemann zufrieden an.
"Ich habe einen sehr alten Zauber angewandt. Eine Freundin von mir hat
ihn vor langer Zeit an mich weiter gegeben."
"Und was hast Du getan?", wiederholte Eli seine Frage, dieses Mal mit
mehr Nachdruck.
"Ihr die Stimme genommen.", gab Gienah zurück.
Eli seufzte auf. Er hasste es, wenn Gienah diese selbsterfundenen Zauber
anwandte - bereits mehr als ein Mal hatten sie sie nicht mehr rückgängig
machen können. Wenn dies der Fall war und Akrab davon erfuhr, würde er
sie beide töten.
"Kennst Du den Gegenzauber?", fragte er angespannt.
Sie blickte ihn vorwurfsvoll an. "Selbstverständlich kenne ich den
Gegenzauber!"
"Du wirst ihn mir beibringen. Akrab will, dass ich sie zu ihm bringe,
falls der Zauber nicht von mir ausgesprochen werden kann."
"Du bist wohl mehr als mächtig genug, diesen Zauber anzuwenden!",
antwortete Gienah.
Er sah sie kalt an. "Ich bin nicht so mächtig, wie sie."
Dann ging er zur Tür und öffnete sie.
Julie kämpfte sich auf die Beine, als sich die Tür öffnete. Sie rechnete
fest damit, dass Eli gekommen war um sie umzubringen. Er platzierte sich
genau vor ihr und sie zwang sich, seinem Blick nicht auszuweichen.
"Ich hatte Dich gewarnt, Deine Fähigkeit gegen uns einzusetzen!", rief
er und kam noch ein Stück weiter auf sie zu.
Julies Blick wanderte hinüber zu Gienah, die ebenfalls den Raum betreten
hatte. Sie blieb neben der Tür stehen und blickte sie düster an.
"Du hast mich enttäuscht!", sagte Eli und sie lenkte ihre Aufmerksamkeit
wieder zurück auf ihn.
Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt und sie spürte, wie ihr Körper
leicht zitterte. Doch die Angst, die sie die ganze Zeit beherrscht
hatte, wich langsam einer immer stärker werdenden Wut. Sie hatte ihm
niemals irgend ein Versprechen gegeben oder je ihre Kooperation
zugesagt. Alles, was sie bisher getan hatte war passiert, weil er sie
dazu gezwungen hatte. Und jetzt, da er hatte wonach er gesucht hatte,
würde er sie und Dean töten.
Gienah hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Stimme nicht mehr benutzen
konnte, aber sie konnte noch immer erhobenen Hauptes sterben. Sie
streckte ihren Rücken durch und blickte Eli weiterhin fest in die Augen.
"Was soll das werden?", rief Gienah und Eli fing an zu lachen.
"Dein lächerlicher Stolz wird Dich nicht retten.", sagte er. "Und wenn
ich Dich töte, wirst Du um die Erlösung betteln!"
Er hob die Hand und Julie spürte, wie sie eine Energiewelle erfasste,
die sie von den Beinen riss. Nur Sekundenbruchteile später krachte sie
gegen die Wand und der Schmerz, den sie zuvor schon einmal gefühlt
hatte, durchströmte sie erneut.
Sie sank auf die Knie und fiel dann auf die Seite, als er einen weiteren
Stoß durch sie jagte. Dann fing sich wieder alles an zu drehen und sie
versank in tiefer Dunkelheit.
Maya hatte das Meiste, was gerade bei Julie vor sich ging, beobachtet.
Nun sah sie, wie der Hexer die Hand hob. Ihr stockte der Atem, als sie
die Intensität des Schmerzes spürte, der nun auf sie überging. Die
Verbindung zu Dean wurde abrupt unterbrochen und sie fiel unweigerlich
nach vorne. Sie landete auf ihren Knien und schnappte nach Luft, während
der Schmerz langsam nachließ.
Erst jetzt öffnete sie die Augen und sah, was vor sich ging.
Sam befand sich bei ihnen im Raum. Dean war zur Seite gekippt, das
Gesicht schmerzverzerrt, die Beine angezogen, und seine Arme presste er
wie bei der ersten Schmerzattacke auf seinen Magen. Sein Atem ging in
kurzen, flachen Stößen.
"Dean!", hörte sie Sam panisch ausrufen und sie kämpfte sich wieder auf
die Beine.
Als sie ihm zu Hilfe kommen wollte, blickte dieser sie nur wütend an und
schob sie weg.
"Lass die Finger von ihm!", fuhr er sie an.
Erschrocken wich sie einige Schritte zurück und konnte nicht verhindern,
dass seine intensiven Gedanken und Gefühle zu ihr durchdrangen.
Es ist gleich vorbei! Es ist gleich vorbei! Der Schmerz wird nachlassen!
Sams immer wiederkehrendes Mantra berührte Maya tief und sie wagte es,
nochmals näher zu kommen.
"Ich will helfen, Sam.", sagte sie sanft.
"Ich sehe, was Deine Hilfe bringt!", gab er zurück. "Warum zum Teufel
habt ihr das getan? Was ist passiert?"
"Das hat nichts mit dem zu tun, was wir getan haben! Der Hexer hat Julie
für einen furchtbaren Fehler bestraft!"
Deans Glieder entspannten sich plötzlich und Sam fühlte seinen Puls,
überprüfte seine Atmung.
Wach auf! Komm schon, wach auf! Verdammt, Dean!
Sam und sie wandten sich zur Tür, als diese plötzlich geöffnet wurde und
Bobby zusammen mit Ben dastand.
"Was ist hier los?", fragte Bobby und eilte ebenfalls hinüber zu Dean.
Auch er überzeugte sich schnell von Deans Vitalzeichen und warf Sam
einen besorgten Blick zu.
"Wir haben versucht, Julies Aufenthaltsort herauszufinden.", antwortete
Maya. "Während der Verbindung kam der Hexer dazu."
"Warum habt ihr mir nicht gesagt, was hier gespielt wird?", fragte Sam,
noch immer wütend.
Sie seufzte. "Weil Du Dich auf jeden Fall dagegen ausgesprochen hättest.
Dean wollte nicht, dass Du Dir unnötige Sorgen machst."
Er richtete seinen wütenden und verzweifelten Blick nun wieder auf Dean
und griff nach dessen lebloser Hand. Du hättest es mir sagen müssen!
Warum entscheidest Du die Dinge immer über meinen Kopf hinweg?
"Hast Du etwas herausfinden können?", fragte Bobby.
"Ich habe den Raum gesehen, wo sie festgehalten wird.", antwortete Maya.
"Leute, was ist hier los? Wo ist Julie?", unterbrach Ben nun aufgebracht
die Unterhaltung und blickte erwartungsvoll in die Runde.
Bobby zog Ben mit sich aus dem Zimmer um ihm zu erklären, was
vorgefallen war, während Sam und Maya zurückblieben.
Sam hatte Deans Beine inzwischen auf das Bett gehievt und sich auf die
Bettkante gesetzt, während Maya unsicher in einiger Entfernung stehen
geblieben war und ihn ansah. Er war wütend auf sie, aber er wusste auch,
dass sie nur versucht hatte zu helfen.
"Also, was hast Du gesehen?", fragte er. "Was hat dieser Dreckskerl
gemacht?"
"Wir müssen Bobby fragen ob es hier in der Nähe Gebäude gibt, die einen
Turm oder Ähnliches haben - Julie ist in einem runden, kleinen Zimmer.
Der Hexer hat etwas davon gesagt, dass Julie ihre Fähigkeiten gegen
einen seiner Leute eingesetzt hat und hat sie deshalb bestraft. Als er
den Schmerz durch sie und Dean schickte, wurde die Verbindung unterbrochen."
Sam seufzte. Er konnte Dean nicht in diesem Zustand zurücklassen! Und
Maya? Sollte er sie mitnehmen oder mit Bobby alleine dort hin fahren?
"Ich werde mitkommen.", nahm sie ihm die Antwort ab und er warf ihr
einen mahnenden Blick zu, weil sie schon wieder seine Gedanken gelesen
hatte.
"Ich hab nur meinen Namen gehört.", sagte sie entschuldigend und hob die
Hände. "Wenn ihr dem Hexer über den Weg lauft, habt ihr besser jemanden
dabei, der sich zu wehren weiß, oder?"
Eli verriegelte die Tür und ging zurück zum Tisch, wo er das Papier mit
dem Zauberspruch abgelegt hatte.
"Ich werde zu ihm gehen. Du wirst auf sie aufpassen bis ich zurück bin.
Wenn der Spruch funktioniert hat, können wir sie beseitigen."
"Du wirst es schaffen, das weiß ich.", sagte Gienah.
"Tu nichts, bevor ich zurück bin."
Er stieg die Treppen hoch, die aus der alten Villa führten und begab
sich in seinen Wagen, einen alten schwarzen Phantom, den er über alles
verehrte und den noch nicht einmal Gienah anfassen durfte.
Zielstrebig lenkte er den den Oldtimer aus der Stadt und erreichte kurz
darauf sein Ziel - ein imposantes Haus das in den 20-er Jahren errichtet
worden sein musste.
Einer von Akrabs Gehilfen öffnete ihm die Tür und er durchquerte die
geräumige Eingangshalle, bis er dessen Arbeitszimmer erreichte.
"Eli - so schnell zurück?", fragte Akrab und erhob sich von seinem
Sessel, der hinter einem riesigen Mahagonischreibtisch stand.
"Wir haben gefunden, wonach wir suchten."
Akrab, ein gutaussehender Mann Anfang 40, näherte sich und nahm Eli das
Blatt aus der Hand, welches er ihm hinhielt. Langsam und sorgfältig las
er die Zeilen.
"Das hast Du gut gemacht.", sagte er. "Nach all den Jahrhunderten werden
wir es nun doch noch vollenden."
"Darauf habe ich gewartet.", sagte Eli und verbeugte sich leicht. "Dafür
habt ihr mich die ganze Zeit am Leben erhalten."
"Du hast mir immer gute Dienste geleistet und dafür habe ich Dir die Dir
zustehenden Kräfte übertragen. Aber nun wird sich zeigen, ob Deine Kraft
ausreicht."
Er nickte einem weiteren Mann zu, der an der Eingangstür stand und
dieser eilte hinaus.
"Ist das Mädchen noch am Leben?", fragte Akrab.
"Meine Gefährtin passt auf sie auf. Sie ist sicher versteckt."
"Und die Jäger die sich in der Stadt aufhalten, werden sie nicht finden?"
"Nein, Herr."
"Ich will, dass Du mir sämtliche Informationen bringst, die in ihrem
Gedächtnis gespeichert sind bevor Du sie tötest, Eli."
"Ich dachte, ihr wollt nur diesen einen Zauber?"
"Es wäre Verschwendung den Rest den Algieba vor ihrem Tod in ihr
verwahrt hat, nicht aus ihr herauszuholen, oder?", gab Akrab zurück und
lächelte. "Du wirst sie noch eine Weile am Leben erhalten müssen."
"Wie ihr wollt."
Eli folgte ihm zum Schreibtisch und nahm auf einem der freien Stühle
Platz, die dort bereit standen.
"Es gibt einige alte Villen am Stadtrand, die vielleicht einen Raum wie
den, den Du gesehen hast, haben. Aber wie willst Du das richtige Haus
herausfinden?"
Bobby war mit Ben in das Zimmer zurückgekehrt und sie überlegten, wie
sie weiter vorgehen sollten. Er hatte ihm inzwischen alles erklärt und
Ben war mehr als geschockt über das, was er erfahren hatte.
"Ich werde es spüren.", antwortete Maya. "Er wird das Haus mit Zaubern
geschützt haben. Wir sollten keine Zeit verlieren. Weitere Angriffe
durch den Hexer werden Julie und Dean nicht mehr so leicht wegstecken."
"Ben, Du wirst auf ihn aufpassen, während wir weg sind?", fragte Sam.
Er nickte. "Bitte bringt Julie wieder zurück."
"Wir werden alles versuchen. Das Leben meines Bruders hängt ebenfalls
davon ab.", antwortete Sam.
"Fahren wir!", rief Bobby und ging voraus.
Sam ließ Dean nur ungerne zurück, aber er hoffte, dass sie zusammen mit
Maya das Haus ausfindig machen und den Fluch unterbrechen konnten. An
der Tür angekommen warf er noch einmal einen Blick zurück auf seinen
viel zu blassen Bruder und nickte Ben leicht zu, dann ging er ebenfalls
die Treppe nach unten, wo ihn Bobby und Maya bereits erwarteten.
"Der Hexer hatte noch jemanden bei sich, eine Frau. Sie sah sehr
merkwürdig aus...", sagte Maya, als sie nach draußen gingen.
"Was meinst Du?", fragte Bobby.
"Ich kann es nicht genau sagen... ihre Züge waren ausgemergelt, alles an
ihr schien irgendwie eingefallen und leblos. Ihre Haut war wie Papier
und gräulich."
"Klingt nicht gut... Wir werden wohl alles an Utensilien mitnehmen
müssen, was der Kofferraum hergibt. Ihr habt doch alles dabei, oder Sam?
Machete? Armbrust? Weihwasser?"
Maya blickte ihn mit großen Augen an.
"Wofür das denn alles?", fragte sie.
"Man weiß nie, wem man begegnet, Schätzchen.", antwortete Bobby und
öffnete die Hintertür des Impala.
Sam hatte bereits Platz genommen und wartete, bis die beiden
eingestiegen waren. Sein und Mayas Blick trafen sich kurz, als sie sich
angeschnallt hatte und er wandte den Kopf schnell wieder nach vorne und
startete den Motor.
"Also, Bobby -", sagte er, um den peinlichen Moment zu überbrücken, "wo
müssen wir entlang?"
"Fahr ans nördliche Ende der Stadt."
Die ersten Minuten verliefen schweigend und Sam ging noch einmal alles
durch, was er über Hexen und schwarze Magie wusste. Er fragte sich, ob
Maya sich gegen diesen Kerl zur Wehr setzen konnte und hoffte, dass ihr
Eindringen in dessen Haus nicht noch weitere Schmerzen oder Schlimmeres
für Dean und Julie zurfolge haben würde.
Er sah nochmals kurz hinüber zu Maya, die ungewohnt still aus dem
Fenster blickte.
"Alles in Ordnung?", fragte er.
"Ja, klar!", gab sie schnell zurück und lächelte.
Er kannte diese Art von Reaktion nur zu gut und hob die Augenbrauen.
"Hast Du Angst?"
"Nein! Wie kommst Du denn darauf? Ich habe alles unter Kontrolle!"
Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Warst Du schon mal bei so
etwas dabei?"
"Nicht wirklich."
"Es könnte ziemlich brutal werden.", sagte er.
"Ich sagte doch ich würde mitkommen! Und es ist alles in Ordnung, Sam!",
antwortete sie leicht gereizt. "Und Du Bobby, hör auf, ständig an
geköpfte Vampire und Blut von Toten zu denken, das ist ja widerlich!",
fügte sie entsetzt hinzu.
Sie vernahmen ein leises Lachen vom Rücksitz und auch Sam sah leicht
amüsiert über seine Schulter nach hinten.
"Er geht doch nur unsere Möglichkeiten durch.", sagte er.
Maya warf ihm einen bösen Blick zu und rutschte etwas tiefer auf dem
Ledersitz hinunter, was zurfolge hatte, dass der Saum ihres Pullovers
einen kleinen Teil ihres Rückens freigab. Sam blieb dieses Detail
natürlich nicht verborgen und kurz huschte sein Blick über ihre glatte
Haut. Sofort wurde ihm jedoch bewusst, dass seine Gedanken in diesem
Wagen keinesfalls ungehört bleiben würden und sah schnell wieder auf die
Straße. Verlegen kratzte er sich im Nacken, als er jedoch einige
Sekunden später wieder nach rechts sah, entdeckte er ein breites Grinsen
auf Mayas Gesicht...
Eli drehte sich um als der Gehilfe in Akrabs Arbeitszimmer zurückkehrte.
"Es ist soweit.", sagte dieser und Akrab erhob sich.
"Gehen wir in den Keller."
Eli folgte ihm die breite Marmortreppe hinunter. Ein Weg, den er schon
viele Male zuvor gegangen war. Nachdem sie einen langen Flur durchquert
hatten, schritten sie durch eine bereits offen stehende Tür. Ein großer,
leerer Raum wartete dort. In dessen Mitte stand ein Mann, der die beiden
angespannt anblickte.
"Thuban, mein Freund!", sagte Akrab und ging näher. "Heute ist es
endlich soweit."
"Hat Dein speichelleckender Magier also endlich einen Weg gefunden, mich
zu töten, was?", gab dieser zurück und lief an den Rand der
Teufelsfalle, die ihn gefangen hielt.
Der Körper den Thuban besetzt hatte, war schwer misshandelt worden und
es schien, also könne er sich nur mit letzter Kraft aufrecht erhalten
und seinem Gegner somit angemessen entgegen treten.
"Wir werden sehen.", antwortete Akrab gutgelaunt. "Eli, fang an."
Dieser griff nach einem bereitstehenden Eimer roter Farbe und begann ein
Symbol auf den Boden zu zeichnen.
"Oh, komm schon Akrab!", rief Thuban, als er das Symbol nach einiger
Zeit erkennen konnte."Wie oft hast Du schon versucht, mein Wissen und
meine Kräfte auf Dich zu übertragen? Es wird nicht funktionieren! Finde
Dich damit ab, dass ich Dich vernichte, sobald ich hier raus komme oder
schicke mich mit all meinem kostbaren Können zurück in die Hölle, damit
ich endlich meine Ruhe vor Dir habe!"
Die Dämonen tauschten einen langen Blick aus, doch dann lachte Akrab laut.
"Dieses Mal wird es funktionieren! Und Du wirst aufhören, zu existieren!"
Der Impala fuhr nun schon zum zweiten Mal durch die gleiche Straße. Maya
hielt die Augen geschlossen, um einen Hinweis zu erhaschen welches der
alten Häuser in diesem Gebiet das Richtige war.
Plötzlich schreckte sie auf und legte ihre Hand auf Sams Arm.
"Hier, warte!", sie betrachtete das Haus, welches tatsächlich einen
runden, kleinen Turm an der linken Hausseite hatte.
"Bist Du Dir sicher?", fragte er.
Sie schloss nochmals kurz die Augen und nickte dann. "Ja, das ist es!"
Sam fuhr ein Stück weiter und stellte den Wagen außer Sichtweite ab. Er
und Bobby packten alles was sie für notwendig erachteten in die Taschen,
die immer im Kofferraum bereit lagen.
Maya hingegen hatte nur ihren kleinen Beutel umgehängt und holte nun das
Amulett heraus, das sie bereits benutzt hatte, um mit Dean die
Verbindung herzustellen.
Wortlos liefen Sam und Bobby los, steuerten die Gärten der alten Häuser
an und Maya beeilte sich, ihnen hinterher zu kommen. Sie war nervös -
einem so mächtigen Hexer war sie noch nie persönlich entgegen getreten
und sie hoffte, dass sie den Beiden tatsächlich eine Hilfe sein konnte.
Sie erreichten das Gebäude und näherten sich der Hintertür. In wenigen
Sekunden hatte Sam das Schloss geknackt und sie betraten mit gezogenen
Waffen eine imposante Bibliothek, die Bobby und Sam ehrfürchtige Blicke
entlockte.
Maya spürte deutlich die dunkle Energie, die von diesem Haus ausging.
Hier musste der Magier schon viele Jahre seine Zauber praktizieren. Sie
wunderte sich, dass das Eindringen für sie so einfach gewesen war...
rechnete der Hexer nicht damit, dass sich jemand Zutritt verschaffen
konnte? Sie schloss kurz die Augen und ließ ihren Geist umher wandern -
er hatte das Haus geschützt, aber nicht gegen ihre Art, sondern gegen
dämonische Kräfte. Sie schluckte und folgte den beiden Männern in den
nächsten Raum.
"Kannst Du Julie irgendwo spüren?", fragte Bobby flüsternd.
"Ich glaube, da ist jemand im Keller, aber es ist nicht Julie. Ich
glaube es ist die Frau, die ich bei ihm gesehen habe!"
Sam nickte und ging voraus.
Am Fuß der Kellertreppe befand sich eine dicke Holztür, an der zwei
kleine Beutel von einem rostigen Nagel baumelten.
"Was ist das?", fragte er und streckte die Hand danach aus.
"Fass´ sie nicht an!", zischte Bobby.
"Das sind Hexbeutel!", flüsterte Maya. "Damit hält er den Fluch
aufrecht. Wir müssen sie später mitnehmen und vernichten. Aber jetzt
darfst Du sie nicht berühren - er würde es bemerken."
"Wir werden sie verbrennen, sobald wir Julie gefunden und hier
rausgeholt haben.", fügte Bobby hinzu.
Sam nickte und drückte nun vorsichtig die Türklinke herunter. Die Tür
schien nicht verschlossen zu sein, also stieß er sie auf. Schnell hob er
die Waffe, als er eine Bewegung im dahinter befindlichen Raum wahrnahm.
"Oh Scheiße!", entfuhr es Bobby, als er die Frau erblickte, die wütend
auf sie zustürmte.
Als Dean die Augen aufschlug, blickte er zunächst in ein ihm unbekanntes
Gesicht. Er blinzelte mehrmals. Als sich seine Sicht endlich klärte,
erkannte er Ben.
Schnell richtete er sich auf und stöhnte auf, als seine von den Krämpfen
in Mitleidenschaft gezogenen Muskeln rebellierten, einen unangenehmen
Schmerz aussandten und ihn wieder zurücksinken ließen. In seinem Kopf
drehte sich alles...
"Dean, bist Du okay?", fragte Ben nun und hob ihm ein Glas Wasser hin.
Dean griff dankbar danach und trank begierig einige Schlucke, bis sein
trockener Hals sich wieder besser anfühlte.
"Ben, was machst Du hier?", fragte er und versuchte den Schwindel zu
ignorieren. Müde blickte er Ben an.
Irgend etwas war anders.. er fühlte im Moment rein gar nichts, das von
Julie ausging und das machte ihm Sorgen.
"Julie hat mich eingeladen, schon vergessen? Und dann komme ich hier an,
sie ist nicht zu Hause und ich erfahre, dass sie von einem Hexer
entführt wurde!", antwortete dieser aufgeregt.
Dean konnte nachvollziehen, wie Ben sich gerade fühlen musste und sah
ihn mitfühlend an, während wieder Vorwürfe in ihm aufkeimten, weil er
nichts gegen den Überfall hatte tun können.
"Es tut mir leid.", sagte er und fuhr sich übers Gesicht. Dann sah er
sich im Raum um. "Wo sind die anderen?"
Dean und wagte einen zweiten Versuch, sich aufzusetzen. Er stützte sich
mit einer Hand ab und presste die Andere gegen seine pochende Schläfe.
"Als ich hier ankam hat Bobby mir alles erzählt - sie sind mit dieser
Maya losgezogen, um Julie zu suchen."
Dean riss die Augen auf.
"Wie bitte? Wo sind sie hin?", fragte er.
"Keine Ahnung, sie sagten nur, dass ich hierbleiben und auf Dich
aufpassen soll..."
"Und Du hast sie einfach gehen lassen? Verdammt!", rief er aufgebracht
und zog die Beine über die Bettkante. "Jetzt sag mir nicht, sie haben
meinen Wagen genommen!"
"Ich befürchte ja..."
"Alter! Wir zwei müssen dringend an unserer Kommunikation arbeiten! Ich
sollte dabei sein! Was, wenn Sam etwas passiert? Oder Julie? Wir sollten
beide dabei sein!"
Ben schien von Deans Ausbruch völlig überrascht und sah ihn abwartend an.
Dean dachte darüber nach was er gesehen hatte, bevor ihn dieser Schmerz
ausgeschaltet hatte. Einen Raum... einen runden Raum mit einer Tür. Wo
konnte sich so etwas befinden?
"Hast Du denn gar nichts mitbekommen?", fragte er.
"Bobby hat etwas von alten Villen am Stadtrand erzählt.", antwortete
Ben. "Was willst Du tun?"
"Rumfahren und den Impala suchen, was sonst! Und dann mache ich diesen
Scheißkerl fertig!"
...thu biguol en era haptbandun
ben zi bena,
bluot zi bluoda
lid zi geliden
sose gelimida sin., schloss Eli schwer atmend den Zauber.
Er hatte sich mit all seiner Macht dahinter gestellt, doch er wusste,
dass es nicht funktioniert hatte. Mit zitternder Hand ließ er das
beschriebene Blatt sinken und blickte hinüber zu Akrab, der ihn
herablassend ansah.
Thuban, der bis an den hinteren Rand der Teufelsfalle zurückgetreten
war, atmete hörbar durch.
"Scheint ganz so, als wäre heute doch nicht Dein Tag gekommen. Nicht
wahr, alter Freund?", wandte er sich an Akrab.
Dieser reagierte nicht auf die Sticheleien des anderen Dämons, sondern
kam wütend auf Eli zu.
"Folge mir!", raunte er ihm zu und sie verließen den Raum.
"Herr, es tut mir leid. Ich war mir sicher, dass ich es schaffen würde."
"Was Du vermutest und wozu Du imstande bist, das sind zwei verschiedene
Dinge wie wir gerade gesehen haben! Ich hatte große Stücke in Dich
gesetzt, Eli und Dir viele Freiheiten gelassen. Ich habe Dich mit
Möglichkeiten überhäuft und Dir Deine Frau zurückgegeben!"
"Ich kann das Mädchen dazu bekommen, den Zauber anzuwenden! Sie wird
gehorchen, dafür werde ich sorgen!", antwortete Eli.
Die tiefschwarzen Augen des Dämons funkelten ihn einen Moment lang an
und dann streckte er seine Hand aus.
"Gib mir Deinen Anhänger."
Eli schluckte. Er wusste, dass Versagen von Akrab erbarmungslos bestraft
wurde. Und Gienah war ihm schon lange in Dorn im Auge, da sie im Laufe
der Zeit mehr als einen Fehler begangen hatte. Er wollte sie nicht
verlieren, auch wenn das Leben mit ihr nicht mehr das Gleiche wie früher
gewesen war - doch er musste ihm gehorchen.
Und wenn seine Bestrafung also war, dass Gienahs Leben beendet werden
sollte, so würde er es hinnehmen. Er griff nach der kleinen Ampulle, die
er seit mehr als 150 Jahren um den Hals trug und händigte sie Akrab
wortlos aus.
"Herr, sie ist eine begabte Hexe. Wollt ihr wirklich ihre Fähigkeiten
vergeuden?", fragte er und bemühte sich um eine feste Stimme.
Bobby hob reflexartig die Waffe, als die Frau auf sie losstürmte. Doch
sie war verdammt schnell und stürzte sich auf Maya, die durch den
unerwarteten Angriff nach hinten umkippte und auf dem Boden landete.
"Eine Hexe! Eine verdammte weiße Hexe!", schrie die Frau und riss an
Mayas Haaren, die laut aufschrie.
Sam packte die Angreiferin und zog sie mit aller Kraft von ihr herunter,
stieß sie ein Stück zurück und im nächsten Augenblick hatte Bobby schon
seine Waffe abgefeuert.
Die Kugel durchdrang zielgenau ihr Herz, doch sie zuckte noch nicht
einmal mit der Wimper und stürzte sich nun auf Sam, der sie mit einem
gekonnten Schlag abwehrte. Der Schlag schien sie nicht zu kümmern und
erneut nahm sie Anlauf. Sie verpasste ihm im Gegenzug einen Schlag in
die Magengegend, was Sam unweigerlich ein paar Schritte nach hinten
schickte und ihn nach vorne kippen ließ. Nach Luft ringend blickte er
auf und sah, wie die Frau Bobby heftig gegen die Wand warf...
Akrab trat noch einen Schritt näher an Eli heran.
"Ich habe Dir viele weitere Lebensjahre mit ihr ermöglicht, weil Du sie
geliebt und mich angefleht hast, Deinen Fehler zu beheben. Ich habe
dafür gesorgt, dass Du ihre Seele bei Dir tragen kannst. Doch auch meine
Geduld hat Grenzen.", antwortete Akrab kalt. "Dein Versagen hat Folgen.
Wärest Du nicht der mit den bedeutenderen Fähigkeiten, würde ich Dich
töten. Aber ich brauche Dich noch. Deine Frau ist nichts weiter als eine
leblose Hülle, verrottetes Fleisch ohne die Seele, die in diesem
Behälter steckt."
Mit diesen Worten zerbrach er den kleinen Anhänger in seiner Hand und
Eli hielt den Atem an.
Sam wappnete sich gegen einen weiteren Schlag, als die Frau wieder auf
ihn zu kam. Doch mit einem Mal hielt sie inne und erstarrte.
Sie schwankte und ihre großen Augen schienen jegliches Leben zu
verlieren. Ihre Gliedmaßen erschlafften, kurz darauf sackte sie zusammen
und landete auf dem Boden.
"Eli...", war das letzte, was sie leise von sich gab, bevor sie zu Staub
zerfiel.
Fassungslos starrte Sam auf den Haufen menschlicher Überreste.
"Was für ein hässlicher Zombie!", stieß Bobby hervor, als er sich wieder
aufgerappelt hatte und näher kam.
Auch Sam richtete sich nun wieder auf und hielt sich die Hand vor den
Magen, den sie hart getroffen hatte. Dann drehte er sich um und sah,
dass Maya noch immer am Boden lag. Sofort eilte er zu ihr und beugte
sich zu ihr hinunter.
"Bist Du in Ordnung?", fragte er und legte vorsichtig eine Hand unter
ihren Nacken, um ihr in eine sitzende Position zu helfen.
Sie nickte langsam und blickte von dem Aschehaufen hinauf in Sams
besorgtes Gesicht.
"Das war ein Zombie?", fragte sie mit zitternden Lippen. "Sollten das
nicht seelenlose Wesen sein - wie konnte sie sofort erkennen, dass ich
über Hexenkräfte verfüge?"
"Keine Ahnung.", antwortete Sam. "Kannst Du aufstehen?"
Sie nickte und klammerte sich an seine Jacke, als er sie hochzog.
Verwundert bemerkte er, dass sie ihn scheinbar gar nicht mehr loslassen
wollte, sondern sie drückte sich an ihn und starrte nun wieder auf die
Asche am Boden. Beruhigend legte er ihr eine Hand auf den Rücken und
streichelte sie sanft.
"Es ist vorbei, keine Angst.", sagte er leise.
"Was ist da gerade passiert?", fragte Bobby. "Zombies sind doch
normalerweise nicht tot zu kriegen!"
Sam schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Idee... aber wir müssen weiter,
bevor der Hexer hier auch noch auftaucht!"
Sanft schob er Maya etwas von sich weg und blickte sie an.
"Kannst Du Julie hier irgendwo fühlen?"
Maya sah sich um und schüttelte den Kopf. "Dort hinten ist noch eine Tür
- sieht ganz so aus, als führt die zu dem Turm."
Den Arm noch um Mayas Schultern gelegt näherten sie sich der Tür.
Im Vorbeigehen sah Sam einige beschriebene Blätter auf dem Tisch, der in
diesem Zimmer stand. Es war eindeutig Julies Handschrift, die er zuvor
in dem Buch bei Bobby gesehen hatte.
"Julie?", rief Bobby und schlug mit der Hand gegen die Tür, die
verschlossen war.
Es kam keine Antwort und Sam sah sich um. Das war ein uraltes, massives
Eisenschloss. Wo konnte der Schlüssel sein?
"Wartet.", sagte er und ging zurück zu der Stelle, wo die Frau zu Boden
gegangen war.
Angewidert griff er nach den staubbedeckten Kleidungsstücken die sie
getragen hatte und zog sie ein Stück weg. Dann griff er in die Taschen
und fand tatsächlich den gesuchten, großen Schlüssel.
"Bingo!", rief Bobby und Sam öffnete das Schloss.
Ben beobachtete, wie Dean gefährlich schwankte, als er sich aus dem Bett
erhob.
"Bist Du Dir sicher, dass Du fit genug dafür bist?", fragte er.
"Was für ne blöde Frage!", gab Dean zurück. "Meine Muskeln müssen sich
erst mal wieder an die Anstrengung gewöhnen!"
"Ja, klar.", antwortete Ben sarkastisch und ging auf Dean zu, um ihn zu
stützen.
"Woah! Was machst Du da?", fragte dieser und streckte seine Arme aus.
"Niemand muss mir beim Laufen helfen, okay?"
Ben nahm die Hände hoch und schüttelte den Kopf. "Wie Du willst, Mann."
"Ich bin doch kein alter Mann!", grummelte Dean und ging auf die Tür zu.
Kurz vor dem Türrahmen knickten ihm die Beine weg und er landete auf den
Knien.
"Verdammt!", stieß er hervor und warf Ben einen wütenden Blick zu.
"Denkst Du nicht, dass die drei die Sache im Griff haben und wir hier
auf sie warten sollten?", fragte dieser. "Diese Schmerzanfälle scheinen
Dich doch ganz schön umgehauen zu haben."
Er kam nun doch zu Dean hinüber, griff ihm unter den Arm und zog ihn
wieder hoch.
"Nein!", sagte Dean, als er wieder stand. "Ich weiß nicht, was Dir die
Anderen erzählt haben, aber dieser Scheißkerl von Hexer hat mir und
Julie einen Fluch auferlegt! Die ganze Zeit konnte ich fühlen, was in
ihr vorging aber jetzt ist nichts mehr davon da! Nichts! Verstehst Du?
Ich kann nicht hier rumsitzen und Däumchen drehen, während alle da
draußen sind und vielleicht etwas schief läuft!"
"Du bekommst von Julie keine Signale mehr?", fragte Ben und klang das
erste Mal, seit Dean aufgewacht war, besorgt.
Dieser seufzte genervt.
"Was glaubst Du, warum ich hier notfalls rauskriechen würde? Jetzt mach
schon, hilf mir die Treppe runter. Dann fährst Du eben den Wagen!"
"Dean, es ist sowieso mein Wagen...", antwortete Ben.
"Und?" Dean zog die Augenbrauen hoch.
"Vergiss es!", gab der ältere der Beiden zurück und stützte Dean,
während sie hinunter gingen.
Das Innere des Raumes war stockdunkel, doch ein kleiner Lichtkegel fiel
hinein, als Sam die Tür vollständig öffnete. Maya entdeckte etwas weiter
hinten im Raum und betätigte den Lichtschalter, der außen neben der Tür
angebracht war.
Sofort stürmte Bobby hinein, als er Julie bewusstlos am Boden liegen
sah. Sam und Maya folgten ihm.
Julie war kreidebleich und lag zusammengerollt am Boden. Sie trug nichts
weiter als ein T-Shirt und eine dünne Jogginghose - und das bei der
Kälte hier im Keller, wie Maya feststellte.
Bobby überprüfte ihre Atmung und ihren Puls und nickte erleichtert.
"Bobby, schaff sie hier raus.", sagte Sam. "Wir nehmen die Papiere
draußen mit und verschwinden."
"Ich nehme die Hexbags.", sagte Maya. "Mein Amulett wird mich vielleicht
ein paar Minuten schützen, bevor er Wind davon bekommt."
"Kein Risiko. Verbrenn sie gleich hier.", antwortete Sam und stellte
seine Tasche ab.
Schnell zog er ein kleines Fläschchen Benzin und ein Feuerzeug heraus
und reichte es ihr. Sie ging hinaus, während Bobby Julie vorsichtig hoch
hob und Maya folgte. Sam sah sich noch einmal in dem Raum um und ging
dann zurück zu dem Tisch, packte die Blätter in seine Tasche und warf
den Schlüssel auf das alte Holz der Tischplatte.
Als er Maya und Bobby erreichte, brannten die kleinen Säckchen bereits
und nach einem Nicken von Maya liefen sie die Treppe wieder nach oben.
Eli verließ am Boden zerstört Akrabs Haus und setzte sich in seinen
Wagen. Er hatte die Bestrafung verdient - aber nun war er allein.
Seine einstige Liebe zu Gienah hatte sich mit der Zeit gewandelt, da sie
nicht mehr die Frau gewesen war, der er einst seine ewige Treue
geschworen hatte. Er hasste sich dafür, was er aus ihr gemacht hatte.
Vor langer Zeit hatte er sie aus dem Reich der Toten zurückgeholt,
nachdem sie einer schweren Krankheit erlegen war. Doch sie war als
seelenloses Wesen zurückgekehrt. Akrab hatte dafür gesorgt, dass er ihre
Seele sicher verwahrt mit sich tragen und ihr zumindest das Leben
ermöglichen konnte, das sie bis vor wenigen Minuten mit ihm geführt hatte.
Trotz all der Widrigkeiten hatte er sich nie ein Leben ohne sie
vorstellen können - und nun war es doch soweit gekommen.
Sie würde wieder in der Hölle schmoren und auch für ihn wartete bereits
ein Platz, wenn er Akrab noch einmal enttäuschen würde.
Er legte seine Hände um den Zündschlüssel um den Wagen zu starten, doch
dann zuckte er zusammen - jemand hatte die Hexbags angerührt! Er schloss
die Augen und streckte seine Kräfte nach dem Mädchen und dem Jäger aus -
doch die Verbindung war bereits getrennt worden.
"Nein!", rief er wütend und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad.
Sie würden das Mädchen befreien! Ein Umstand, den er vor Akrab unbedingt
verheimlichen musste!
Und wer immer sein Haus betreten hatte würde sich wünschen, niemals
geboren worden zu sein...
Sam folgte Bobby und Maya nach draußen. Schnell entfernten sie sich von
dem Haus und erreichten den Impala. Er half Bobby, Julie auf den
Rücksitz zu setzen und stieg dann vorne ein. Nachdem Maya Platz genommen
hatte, startete er den Motor und fuhr sofort los.
"Wir müssen so schnell wie möglich zu Bobbys Haus zurück.", sagte Maya.
"Dort sind wir sicher."
"Und der Fluch sollte jetzt unwirksam sein, nachdem diese Dinger
verbrannt sind?", fragte Sam.
"Davon gehe ich aus."
Erleichtert atmete er durch.
"Dank Dir haben wir sie gefunden.", sagte er und lächelte sie kurz an.
Sie lächelte verlegen zurück und winkte dann ab. "Ach was."
Sam warf einen Blick in den Rückspiegel. Er war froh, dass sie Julie da
raus geholt hatten, aber es machte ihm Sorgen, dass sie nicht wieder zu
sich kam, obwohl der Fluch nicht mehr auf ihr und Dean lag.
Er hoffte, dass zumindest Dean wieder wach war und die Schutzzauber um
Bobbys Haus einiges der Kraft abgeschirmt hatten, der Julie scheinbar
schutzlos ausgeliefert gewesen war.
Nachdem Ben seinen Wagen aus der Hofeinfahrt manövriert hatte, fuhren er
und Dean in Richtung Stadt.
"Ich fasse es nicht, dass Du einen Volvo fährst.", sagte Dean. "Einen
Volvo!"
"Das ist ein zuverlässiges, gut ausgestattetes Auto. Was bitte ist daran
auszusetzen?", fragte Ben gereizt.
Dean stieß verächtlich die Luft aus und blickte wieder aus dem Fenster.
Er würde nie verstehen, wie manche Menschen sich für solche Autos
entscheiden konnten, wenn sie für einen vergleichbaren Preis doch ein
viel Cooleres bekommen konnten!
Er setzte sich gerade auf, als er weiter vorne etwas entdeckte.
"Da sind sie!", sagte er und beobachtete, wie der Impala mit hoher
Geschwindigkeit auf sie zukam. "Aufblenden!", rief er, doch Ben
reagierte viel zu spät und der Wagen war bereits an ihnen vorbeigeschossen.
"Dreh um! Nun mach schon!", rief Dean und hätte Ben am liebsten aus dem
Auto gestoßen, wäre auf den Fahrersitz geklettert und wäre selbst gefahren.
Aber nein, sein Körper musste schlapp machen und verbannte ihn auf den
Beifahrersitz! Fast hätte er Ben jedoch gewürgt, als dieser in aller
Ruhe bremste, in den Rückspiegel blickte und erst dann zum Wenden
ansetzte. Dean sah ihn düster an.
"Geht´s noch langsamer?", fragte er. "Hast Du noch nie einen Wagen
während der Fahrt gewendet?"
"Weißt Du was?", entgegnete Ben. "Ich bin hier der Fahrer und ich
entscheide, wie ich mit meinem Wagen umgehe! Das ist ein Neuwagen!"
"Du strapazierst meine Nerven!", antwortete Dean.
"Ich strapaziere Deine Nerven?", Bens Auge zuckte bereits vor Nervosität
und Dean konnte nicht anders als zu grinsen.
"Okay, ich halte meinen Mund.", antwortete er dann.
Nach unendlich erscheinenden Minuten erreichten sie Bobbys Grundstück
und Dean sah erleichtert, dass Sam wohlauf schien. Er stieg gerade aus
dem Wagen und blickte auf, als er Bens Volvo in die Hofeinfahrt biegen sah.
Nachdem Ben das Auto endlich gestoppt hatte, öffnete Dean die
Beifahrertür und stieg mit einiger Anstrengung aus.
"Sammy!", rief er, während er sich an der Motorhaube abstützte. "Bist Du
okay?"
"Dean, was machst Du denn hier?", fragte dieser entsetzt. Er kam auf ihn
zu und betrachtete ihn kurz. "Du hättest im Bett bleiben sollen! Du
siehst echt scheiße aus. Warum zum Henker seid ihr uns nachgefahren?"
"Zuerst mal - Du siehst auch scheiße aus!", antwortete Dean und Sam
verzog das Gesicht. "Und ich konnte doch nicht einfach untätig rumsitzen!"
"Kann man Dich nicht mal eine Stunde alleine lassen?", Sam schüttelte
nur ungläubig den Kopf und setzte zu einem weiteren Satz an, doch Dean
richtete sich auf als er sah, wie Bobby ausstieg und Julie aus dem Wagen
hob. Er ließ die Motorhaube los und ging zu Bobby hinüber.
"Ist sie okay?", fragte er und strich ihr vorsichtig mit den
Fingerknöcheln über die Wange.
"Sie wird schon wieder.", antwortete Bobby und ging weiter. "Lasst uns
reingehen."
Unsicher blieb Dean stehen und beobachtete, wie Bobby die Stufen der
Veranda hoch ging und Julie nach drinnen brachte.
Dann spürte er Sams Hand auf seinem Arm und blickte zu ihm hoch.
"Sie sieht nicht gut aus.", sagte er leise.
"Komm, lass uns reingehen, dann erzähle ich Dir alles.", gab Sam zurück
und half ihm die Stufen hoch.
Rasend vor Wut betrat Eli sein Haus und ging zügig die Treppen die in
den Keller führten hinunter. Er entdeckte die verbrannten Hexbags und
Gienahs Überreste. Langsam näherte er sich ihnen. Einen Augenblick
verharrte er stillstehend, doch dann blickte er sich wieder um.
Die Tür zum Turm stand offen und sämtliche Unterlagen die auf dem Tisch
gelegen hatten, waren verschwunden.
Ohne zu zögern ging er in die Knie und hob eine Handvoll Staub auf,
hielt ihn in seiner Hand und flüsterte etwas. Dann öffnete er seine
Handfläche und blies den Staub in die Luft.
Ein feiner Schleier hing nun schwerelos vor ihm und nach wenigen
Sekunden zeigte sich ein Bild. Darauf erkannte er den jüngeren der
beiden Jäger, Bobby Singer und eine junge Frau.
Natürlich, es mussten sie gewesen sein - aber wie hatten sie
herausgefunden, wo er sich versteckt hielt?
Er ging etwas näher an die schwebenden Staubkörner heran und betrachtete
die junge Frau näher. Sie trug ein Amulett um ihren Hals, das er sofort
erkannte. Die Jäger hatten also die Hilfe einer Hexe erhalten...
Das Erste was Julie wahrnahm als sie wieder zu sich kam, waren
furchtbare Muskelschmerzen in ihrem gesamten Körper und heftige
Kopfschmerzen. Sie bewegte vorsichtig ihren Kopf, doch ihr Körper
protestierte heftig.
Also konzentrierte sie sich statt dessen darauf ihre Augen zu öffnen,
deren Augenlider schwer wie Blei schienen. Nach einigen Anläufen
schaffte sie es, sie einen Spalt weit zu öffnen und erkannte
verschwommen die Konturen einer Holzvertäfelung an der Wand.
Erst jetzt nahm sie wahr, dass sie auf etwas Weichem lag und dass eine
warme, schwere Decke auf ihr lag. Endlich fühlte sie wieder Wärme...
Sie blinzelte und drehte den Kopf zur anderen Seite, was einen
stechenden Kopfschmerz durch ihre Schläfe jagte, doch als sie sah wer
bei ihr am Bett saß, vergaß sie einen Augenblick die Schmerzen und
lächelte. Er war am Leben!
Dean saß schlafend, ebenfalls in eine warme Decke gehüllt, auf einem
Sessel, der so nah wie möglich ans Bett geschoben worden war. Er sah
blass aus und sie fragte sich, wie er wohl die Schmerzattacken des
Hexers überstanden hatte. Verwundert stellte sie fest, dass die
Verbindung, die sie mit Dean verbunden hatte, scheinbar getrennt worden
war. Sie blinzelte und fragte sich, was passiert war. Wie hatte man sie
gefunden und wie hatten sie den Hexer und Gienah überwältigen können?
Sie öffnete den Mund, um Deans Namen zu rufen, um ihn zu wecken - doch
erneut versagte ihre Stimme. Kein einziger Laut verließ ihre Kehle.
Zitternd griff sie sich an den Hals - das was Gienah getan hatte, schien
noch immer anzuhalten! Tränen traten in ihre Augen und sie fragte sich,
wie sie das wieder in Ordnung bringen sollte? Sie musste erfahren, was
geschehen war!
Sie streckte die Hand aus und berührte Deans Arm, der sofort
hochschreckte. Ein breites, erleichtertes Lächeln breitete sich auf
seinem Gesicht aus als er sah, dass sie wach war. Sie konnte nicht
anders, als sein Lächeln bei diesem Anblick zu erwidern.
"Hey, meine Süße!", sagte er und setzte sich sofort auf die Bettkante.
Vorsichtig nahm er ihre Hand und streichelte ihren Arm.
"Wie fühlst Du Dich?", fragte er und blickte sie besorgt an.
Julie nickte langsam und vorsichtig, da jede Bewegung ihre Kopfschmerzen
wieder verschlimmerte. Er strich ihr ein paar Haare aus dem Gesicht,
beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft.
"Ich bin so froh, dass Du wieder da bist.", sagte er, nachdem er sich
nur Zentimeter von ihr entfernt hatte. "Es tut mir so leid, dass ich
nichts tun konnte, um es zu verhindern!"
Wie gerne hätte Julie ihm gesagt, dass er keinerlei Schuld daran trug,
dass Eli sie mitgenommen hatte. Sie wollte ihm sagen, wie viel Angst sie
um ihn gehabt hatte als sie Anfangs noch nicht wusste, ob er noch lebte!
Oder wie besorgt sie war, dass er sich ebenfalls in Elis Händen befand!
Sie hatte tausend Dinge die sie ihm sagen wollte und so viele Fragen!
Erneut traten Tränen in ihre Augen. Sie legte ihm eine Hand auf die
Wange und strich mit ihren Fingern über seine Lippen. Er durfte sich
keine Vorwürfe machen!
Als er sie fragend anblickte, führte sie die Hand nun auf ihren Kehlkopf
und versuchte ihm zu verstehen zu geben, dass sie nicht antworten konnte.
Dean runzelte die Stirn und brauchte einen Moment, bis er begriff.
"Du... was ist los? Kannst Du nicht sprechen?", fragte er und richtete
sich wieder auf.
Sie nickte.
"Dieser Mistkerl!"
Er erhob sich und stürmte aus dem Zimmer.
Als Eli das Haus verließ, kam ihm etwas in den Sinn: Gienahs letzter
Zauber war noch aktiv - sie hatte nicht mehr die Gelegenheit gehabt, ihm
den Gegenzauber zu nennen.
Er fragte sich, ob dieser Tag noch schlimmer werden konnte! Nicht nur,
dass sie das Mädchen mitgenommen hatten - ohne ihre Stimme würde sie
auch nicht die Möglichkeit haben, den Zauber anzuwenden um Thubans
Fähigkeiten auf Akrab zu übertragen!
Es war an der Zeit, dass er sich etwas einfallen ließ...
"Das ist einfach unglaublich.", sagte Maya zu Sam, mit dem sie in Bobbys
Arbeitszimmer saß.
Sie gingen gerade die Unterlagen durch, die sie im Keller des Hexers
mitgenommen hatten.
"Das sind uralte Zauber - ich habe so etwas noch nie gesehen.",
fasziniert nahm sie das nächste Blatt in die Hand und las weiter. "Das
hier ist dazu da, die Wahrnehmung eines Anderen zu verwirren, so dass er
Deine Anwesenheit nicht bemerkt! Kannst Du Dir das vorstellen, Sam?"
Er lächelte über ihre Begeisterung und sah von den Unterlagen auf. Ihre
Wangen waren gerötet und die untergehende Sonne, die durch ein Fenster
in ihrem Rücken strahlte, tauchte sie in ein goldenes Licht. Jetzt in
diesem Moment erschien sie ihm einfach wunderschön. Er stützte sein Kinn
auf seine Handfläche und atmete tief durch.
"Wer weiß, was noch so alles in ihrer Erinnerung verborgen ist.", sagte er.
"Ich will unbedingt mit Missouri darüber sprechen! Bobby ist gut, aber
wenn es jemanden gibt, der sich mit Hexenzauber noch besser auskennt,
dann ist sie es! Sam, wir könnten so viel erfahren, das uns im Kampf
gegen diese Wesen da draußen helfen könnte!"
"Genau das hat Dean auch gesagt."
Sie lächelte ihn begeistert an und mit einem Mal streckte sie die Hand
nach seinem Arm aus, der sein Kinn stützte. Sachte zog sie seine Hand zu
sich heran. Verwundert blickte er sie an und richtete sich auf.
"Sam.", sagte sie sanft. "Ich liebe es, wie Du mich siehst."
Er blinzelte. "Wie bitte?"
Sie stand mit einem Mal vom Stuhl auf und ging einen Schritt auf ihn zu.
Sams Atem beschleunigte sich und er sah nervös zu ihr hoch. Dann beugte
sie sich etwas hinunter und küsste ihn zuerst sanft und vorsichtig, doch
als er seine Hand auf ihren Hinterkopf legte und sie näher zu sich
heranzog spürte sie, wie sie die Leidenschaft erfasste.
Dean polterte mit schweren Schritten die Treppe hinunter und das alte
Treppengeländer ächzte gefährlich, während er sich daran abstützte als
seine Beine wieder nachzugeben drohten. Er fluchte leise und wartete
einen Moment, bis seine zitternden Muskeln sich etwas erholt hatten,
dann nahm er die letzten Stufen und lief in die Küche. Bobby war gerade
dabei, sich und Ben ein Sandwich zu machen und blickte auf.
"Ist sie wach?", fragte er und legte das Messer aus der Hand.
Dean nickte. "Wo ist Maya?"
"Was ist los? Ist alles in Ordnung?", fragte Ben.
"Dieser Hurensohn hat noch irgend einen Zauber auf sie gelegt und Maya
muss ihr helfen ihn zu brechen! So wie es aussieht, kann sie nicht
sprechen."
Bobbys Mine verfinsterte sich bei Deans Erklärung und er lief los.
"Sie sind drüben im Arbeitszimmer und gehen Julies Aufzeichnungen durch.
Komm mit!"
Ben folgte ihm sofort und Dean setzte sich ebenfalls in Bewegung.
Er verharrte zunächst im Türrahmen, als sie scheinbar gerade eine recht
intime "Unterhaltung" zwischen Sam und Maya zu stören schienen...
Die Beiden küssten sich gerade leidenschaftlich und bemerkten gar nicht,
dass jemand den Raum betreten hatte. Er hielt sich einige Sekunden
zurück, denn eigentlich wollte er seinem Bruder diesen Moment nicht
verderben, doch dann konnte er nicht anders und hustete.
Sam und Maya schreckten auf und stoben auseinander. Blitzschnell saß
Maya wieder auf ihrem Stuhl und wischte sich mit dem Handrücken über die
Lippen, während Sam Dean anstarrte.
Bobby räusperte sich, drehte sich zu Dean um und erwartete, dass er
etwas sagte.
"Ähm, tut mir leid, dass wir euch gestört haben!", sagte er schnell.
"Aber ich brauche Deine Hilfe, Maya."
"Klar, natürlich!", antwortete sie mit hochrotem Kopf. "Worum geht es?"
"Julie ist aufgewacht, aber irgend etwas stimmt nicht mit ihr."
"Sie kann nicht sprechen?", fragte Maya.
Dean blinzelte - er hasste diese Gedankenlese-Masche. Doch dann besann
er sich und nickte.
"Ich komme sofort mit.", sagte sie, warf Sam noch einmal einen
entschuldigenden Blick zu und erhob sich.
Beunruhigt wartete Julie in dem Zimmer, was geschehen würde. Was hatte
Dean vor?
Inzwischen hatte sie es geschafft, sich aufzusetzen und lehnte mit dem
Rücken an der Kopflehne des Bettes. Sie hatte das Glas und die Flasche
mit Wasser auf der kleinen Kommode neben dem Bett entdeckt und endlich
ihren brennenden Durst gestillt.
Sie hörte, wie jemand die Treppen hoch kam und kurz darauf betrat Dean
das Zimmer, gefolgt von einer hübschen, jungen Frau.
"Das ist Maya.", sagte er. "Sie hat uns geholfen, Dich zu finden."
Julie nickte ihr zu und beobachtete nervös, wie Maya sie nicht aus den
Augen ließ und langsam näher kam. Sie nahm auf dem Sessel Platz, auf dem
Dean zuvor gesessen hatte und sah ihr direkt in die Augen.
"Es tut mir leid, ich weiß, das ist alles sehr verwirrend für Dich.",
sagte sie. "Ich habe gerade versucht herauszufinden, welchen Zauber man
Dir auferlegt hat."
Julie runzelte die Stirn.
"Maya ist ein Medium.", informierte Dean sie. "Sie kann Dir sicher helfen."
"Das werden wir sehen.", gab sie zurück. "Ich kann Deine Gedanken im
Moment nicht lesen, sie sind durch irgend etwas blockiert... aber ich
fühle, was in Dir vorgeht."
Julies Blick wanderte wieder hinüber zu Dean. Wie sollte diese Frau ihr
helfen?
Dann sah sie zur Tür, als diese sich erneut öffnete. Sam, Ben und Bobby
kamen herein.
"Hey, schön Dich wieder wach zu sehen!", sagte Sam und lächelte sie
aufmunternd an.
Ben kam sofort zum Bett gelaufen und gab ihr eine unbeholfene Umarmung.
Sie lächelte ihn an und freute sich, alle wohlauf zu sehen, aber sie
spürte auch, wie mitgenommen sie von den Strapazen der Zeit bei Eli war.
Die Anwesenheit von so vielen Menschen überforderte sie in diesem Moment
einfach. Erneut suchte sie Deans Blick, er kam näher und setzte sich auf
die Bettkante.
"Alles in Ordnung?", fragte er leise.
"Sie braucht ihre Ruhe.", sagte Maya und drehte sich zu den drei anderen
Männern um. "Jungs, Julie freut sich, dass ihr hier wart, aber lasst
mich mal kurz mit ihr alleine, ja?"
"Klar!", gab Sam zurück und Bobby zwinkerte Julie kurz zu, bevor sie
alle wieder nach unten gingen.
Dankbar blickte Julie die junge Frau an und diese lächelte.
"Dean darf doch hierbleiben, oder?"
Schnell nickte sie.
"Okay, hör zu.", fuhr sie fort. "Ich kann vielleicht etwas herausfinden,
aber dazu muss ich versuchen, engeren Kontakt aufzunehmen. Bist Du damit
einverstanden?"
Lautlos seufzte Julie, doch dann nickte sie erneut.
"Gut. Du musst Dich entspannen. Schließe Deine Augen.", Maya griff nach
Julies Hand und begann, leise etwas zu flüstern.
Eli fuhr mit seinem Wagen an dem Haus von Bobby Singer vorbei. Sie waren
alle da drin... alle. Und er? Er konnte sich dem Haus nicht nähern.
Wenige Minuten zuvor hatte er es versucht, doch diese kleine Hexe hatte
sehr starke Schutzzauber um das Grundstück errichtet. Er musste sie also
dazu bringen, herauszukommen. Irgendwie...
Dean saß angespannt und schweigend auf dem Bett und beobachtete, wie
sich Julie mehr und mehr zu entspannen schien, während Mayas
Gesichtsausdruck äußerste Konzentration aufzeigte.
Nach einigen Minuten öffnete sie die Augen und auch Julie blinzelte.
"Und?", fragte er, vor Neugierde fast platzend.
"Da ist eine Blockade, die ich nicht durchdringen konnte."
Julie zeigte die Handfläche ihrer anderen Hand, wo die frischen Narben
des Symbols zu sehen waren.
"Ja, Sam hat mir schon davon erzählt. Deshalb habe ich Schwierigkeiten.
Aber Julie, ich habe gefühlt, dass da noch mehr ist."
"Mehr?", fragte Dean. "Der Dämon hat damals eine Barriere in ihrem
Gedächtnis errichtet, um zu verhindern, dass sie auf die Erinnerungen
Zugriff nehmen kann. Aber nach und nach ist trotzdem alles an die
Oberfläche gedrungen.", erklärte er.
"Ich vermute, dass noch Teile dieser Barriere bestehen."
Julie atmete hörbar durch und sah sie fragend an.
"Okay, hör mir zu, ich weiß, das ist ätzend!", fuhr Maya fort. "Wir
reden gerade über Dich, als wärst Du nicht anwesend. Tut mir leid. Ich
will nur sagen, dass ich gefühlt habe, dass Du großes Potenzial in Dir
trägst. Der Dämon, der das Wissen in Dir hinterlegt hat, hat diese Seite
in Dir unterdrückt. Er hat diese Barriere errichtet und verhindert, dass
Du entdeckst, dass Du anders bist. Er wusste wahrscheinlich nicht, wie
mächtig Deine Fähigkeiten sind. Deshalb fing die Barriere an zu bröckeln
und nach und nach kam alles an die Oberfläche. Ich bin mir sicher, dass
Du es schaffen kannst diesen Zauber der Dir auferlegt ist, zu brechen.
Du bist stark genug dazu. In Deinen Erinnerungen steckt ganz bestimmt
ein Gegenzauber der wirken wird. Aber da Du nicht reden kannst, wirst Du
den Zauber in Deinen Gedanken aussprechen müssen, verstehst Du mich?"
Julie runzelte die Stirn bei der Menge an Informationen, die sie gerade
erhielt.
"Ich weiß! Das alles wühlt Dich auf und ist schwer zu verstehen. Aber
ich kann Dir erklären, wie Du ohne Worte einen Zauber anwenden kannst.
Ich werde bei Dir bleiben und kann Dich geistig führen."
Julie schüttelte den Kopf und blickte verängstigt zu Dean, der sofort
nach ihrer Hand griff.
"Ich glaube, wir sollten eine Pause einlegen.", sagte er.
"Tut mir leid.", antwortete Maya. "Ich weiß, dass Du erschöpft und müde
bist. Ihr beide seid müde. Überleg es Dir, Julie. Ich komme später noch
mal zurück."
Sie drückte aufmunternd ihre Schulter und verließ das Zimmer.
Völlig überrumpelt von den vielen Informationen starrte Julie auf ihre
Hände, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. War es wahr, was diese
Maya da gesagt hatte? Besaß sie tatsächlich so etwas wie magische
Fähigkeiten? Sie hatte gedacht, dass nur das Wissen des Dämons ihre
rätselhaften Verhaltensweisen und Taten ausgelöst hatte - aber war da
tatsächlich noch mehr, das sie all die Jahre einfach nicht erkannt hatte
oder das wirklich unterdrückt worden war?
"Hey, Erde an Julie.", hörte sie Dean sagen und blickte auf.
Er lächelte schwach und ließ sie nicht aus den Augen.
"Ganz schön heftig, oder?", fragte er und sie nickte. "Okay, ich würde
sagen, wir unterhalten uns später noch mal über dieses Thema."
Sie zog die Augenbrauen hoch.
"Entschuldige. Ich besorge Dir später ein paar Blätter und Stifte, dann
kannst Du mich dafür beschimpfen, dass ich so gedankenlos bin.", gab er
zurück.
"Ich bin mir sicher, Du hast tausend Fragen neben den anderen tausend,
die gerade aufgekommen sind - und bis Du mir erzählen kannst, was genau
bei Dir los war, denn einiges davon habe ich ja mitbekommen, berichte
ich Dir, was hier passiert ist. Was hälst Du davon?"
Natürlich wollte sie wissen, was passiert war, wie sie sie gefunden
hatten und wie es ihm ergangen war. Sie nickte.
"Gut, dann kriegst Du jetzt einen Exklusiv-Bericht. Aber die gruseligen
Stellen werde ich auslassen, davon hatten wir heute schon genug."
Sie liebte ihn dafür, dass er jetzt, genau im richtigen Moment, die Ruhe
behielt und sie abzulenken versuchte. Es bedeutete ihr so viel, dass er
sie nicht allein ließ, denn das alles war unglaublich bedrückend. Sie
beobachtete, wie er sich hinunter beugte und die Schnürsenkel seiner
Schuhe öffnete. Diese streifte er sich von den Füßen und legte sich dann
aufs Bett neben sie. Sie rutschte etwas tiefer in die Kissen und er
legte eine Hand auf ihren Bauch, während er seinen Kopf mit der anderen
abstützte.
"Also, wo fange ich an..."
Sam erwartete Maya am Fuß der Treppe und sie konnte nicht anders, als
ihm zuzulächeln und die Hand nach ihm auszustrecken.
"Und, was ist los?", fragte er, während er ihre Finger zwischen die
seinen gleiten ließ.
"Sie braucht noch etwas Ruhe, aber ich hoffe, dass ich ihr helfen
kann.", antwortete sie. "Komm mit, hier sind eindeutig zu viele Menschen
im Haus."
Sie ging weiter und zog Sam hinter sich her. Nachdem sie die Haustüre
geöffnet hatte, setzte sie sich auf die Verandastufen.
"Sollten wir wirklich hier draußen sein?", fragte er und ließ sich neben
ihr nieder.
Inzwischen war es draußen dunkel geworden und er blickte sich suchend um.
"Sam, vergiss für einen Augenblick, was hier los ist und rede mit mir.",
antwortete sie und rutschte ein wenig näher.
Er runzelte die Stirn. "Kein guter Zeitpunkt, um sich kennen zu lernen,
was?"
"Verdammt schlechter Zeitpunkt sogar, aber warum sollte es in unseren
Leben auch mal leicht sein?"
Er lachte leise und nickte. "Da hast Du recht."
"Hör zu, ich weiß, weswegen Du nicht den ersten Schritt gewagt hast und
ich kann verstehen, wenn Du es langsam angehen willst.", brachte Maya es
direkt auf den Punkt und sah, wie sein Lächeln erstarb, er den Kopf
senkte und seine Füße anstarrte.
Das Gefühl von Schuld und Trauer griff von ihm auf sie über, sie stand
auf und ging vor ihm in die Hocke. Mit beiden Händen griff sie nach den
seinen und blickte ihm in die Augen.
"Es tut mir leid was mit Jessica geschehen ist. Und es tut mir leid,
dass ich es weiß, obwohl Du es mir nicht erzählen wolltest. Aber ich
hielt es für wichtig, Dir die Wahrheit zu sagen. Ich wünschte manchmal,
ich könnte das alles einfach abstellen und ganz normal sein. Aber so ist
es leider nicht."
"Das weiß ich.", gab er leise zurück. "Und ich hätte es Dir noch
erzählt, irgendwann."
Endlich sah er wieder hoch und zog sie etwas näher zu sich heran. Ihr
Herz pochte wie wild in ihrer Brust und sie spürte auch seine Nervosität.
"Der erste Kuss war einfacher.", sagte sie kaum hörbar und lächelte
leicht. "Da habe ich Dich einfach überrumpelt."
"Ich bin jedenfalls froh, dass Du es getan hast.", antwortete er und
küsste sie.
Sie schloss ihre Augen und ließ sich von ihm in eine noch engere
Umarmung ziehen. In seinen Armen fühlte sie sich beschützt und geborgen.
Sie wünschte sich nichts mehr, als mit ihm loszuziehen und einen
wunderschönen Abend mit ihm zu verbringen bei dem sie sich besser kennen
lernen konnten - doch das würde vorerst ein Wunschtraum bleiben müssen.
Als sie sich wieder voneinander lösten, mischte sich ihre Freude mit
einem Gefühl der Unzufriedenheit. Sie wollte, dass Sam sich unbeschwert
und glücklich fühlen konnte. Also war es an der Zeit, dass sie diesen
Hexer endlich beseitigten.
"Warum so ernst?", fragte Sam, der ihren Gesichtsausdruck betrachtet hatte.
"Ich finde, dass wir etwas Besseres verdient haben als das hier! Wir
können uns schließlich nicht ewig in diesem Haus verstecken! Wir sollten
ein ganz normales Date haben können!"
Sam grinste und schüttelte den Kopf. "Das geht Dir durch den Kopf, wenn
wir uns küssen?"
"NACHDEM wir uns geküsst haben, Sam Winchester - und ja, ich bin einfach
unglaublich!"
"Hör auf in meinen Gedanken zu lesen!", sagte er nun lachend.
"Solange Du nur nette Dinge über mich denkst, hast Du nichts zu befürchten."
"Aber es ist unfair."
"Das Leben ist hart und ungerecht, Sammy!"
"Ich heiße Sam."
"Ich weiß!", kicherte sie. "Ich wollte nur mal testen, wie Du darauf
reagierst."
"Also,", fuhr er fort und wurde wieder ernster. "was hast Du
herausgefunden?"
"Komm mit in die Küche. Wir machen den beiden Turteltäubchen da oben was
zu Essen und ich erzähle Dir alles.", sie stand auf und lief schon mal
zur Tür, während er sich schwerfällig erhob. "Komm schon, Sammy!"
Laut seufzend folgte er ihr.
Eli hatte seinen Wagen in einer Seitenstraße geparkt und lief den Weg
zum Wohnhaus des jungen Mädchens entlang. Vielleicht würde er in ihrer
Wohnung Hinweise darauf finden, wo Freunde und Verwandte von ihr
wohnten, um jemanden von ihnen herschaffen zu können und sie aus dem
Haus heraus zu bekommen.
Akrab würde sich solange gedulden müssen - auch wenn er ihn nicht gerne
warten ließ.
Wenn er das Mädchen wiederhatte, würde er sich zunächst um Gienahs
Zauber kümmern müssen. Er wusste einen sehr mächtigen Gegenzauber, der
jedoch nicht speziell für diese Art von Unterdrückung angewandt wurde.
Er hoffte einfach, dass er funktionieren würde.
Er nahm die Stufen zur Haustür und ließ seinen Blick über die
Klingelschilder gleiten. "Julie Forster" stand dort in schönen Lettern
auf dem obersten Schild - in dem Haus gab es noch 3 weitere Parteien. Ob
sie bereits mit jemandem engeren Kontakt gehabt hatte und dieser Jemand
ihm nützlich werden konnte? Nein - sie wohnte noch nicht lange genug hier...
Er fluchte leise und wollte gerade die Tür mit einem Zauber öffnen, als
ihm eine junge Frau auffiel, die vor Kälte sichtbar schlotternd in ihrem
Wagen saß und sehr ungeduldig und laut auf ihr Handy einredete, das sie
sich ans Ohr hielt. Sie hatte direkt vor dem Haus von Julie Forster
geparkt und das Fenster ein Stückchen herunter gekurbelt.
"Ich schwöre Dir, wenn Du mich nicht in 10 Minuten zurückrufst, dann
mache ich Kehrt und fahre wieder nach Hause, junge Dame! Wo steckst Du?
Ich finde das nicht witzig!", schloss Eve ihre Standpauke, die sie auf
Julies Mailbox hinterlassen hatte und legte auf.
Sie hatte ihr bereits mehrmals auf die Mailbox gesprochen, Nachrichten
geschickt und so langsam war der Akku ihres Handys erschöpft. Beleidigt
zog sie die laufende Nase hoch und seufzte.
Seit über einer Stunde wartete sie darauf, dass ihr jemand die Tür
öffnete oder Julie nach Hause kam. Wo konnte sie nur stecken?
Schließlich hatte sie sie für das morgige Essen eingeladen und Eve hatte
ihr gesagt, dass sich ihre Ankunft freitags etwas verspäten würde...
jetzt war sie nach stundenlanger Fahrt endlich hier und musste in dieser
Eiseskälte höchstwahrscheinlich erfrieren.
Sie sah, wie ein Mann die Straße überquerte und auf ihren Wagen zukam.
Schnell verriegelte sie die Türen und kurbelte das Fenster bis auf einen
klitzekleinen Spalt hoch.
"Gehen Sie weg!", rief sie.
Er lächelte freundlich.
"Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Sie sehen aus, als könnten Sie einen
warmen Kaffee gebrauchen.", sagte er.
"Alles okay! Sehr freundlich, Sie können wieder gehen!"
"Mein Name ist Eli Petterson. Ich wohne in diesem Haus da drüben.
Wollten sie dort jemanden besuchen?", fragte er weiter.
"Meine Freundin Julie kommt sicher gleich. Danke!"
Sie legte ihre Hand an den Zündschlüssel und war schon kurz davor, ihn
umzudrehen, als sie plötzlich etwas Ungewöhnliches bemerkte. Ihr Wagen
fing an zu beben und zu zittern, dann stob heißer Dampf aus dem
Motorraum und zischte laut. Eve schrie auf und presste sich in den Sitz.
"Kommen Sie besser raus da!", sagte Eli und öffnete die Tür.
Eve starrte ihn erschrocken an. Hatte sie die Türen nicht verriegelt?
Im nächsten Moment schoss seine Hand nach vorne, packte sie unerbarmlich
am Hals und drückte ihr die Kehle zu. Sie griff nach seinen Handgelenken
und sah noch, wie er leise etwas flüsterte, bevor ihr die Augen zufielen
und sie wegdriftete.
Dean betrachtete Julies entspannte Gesichtszüge, während sie tief und
fest schlief. Irgendwann während seiner Erzählungen waren ihr die Augen
zugefallen und er bemühte sich, sie nicht zu wecken. Den Großteil von
dem, was während ihrer Abwesenheit passiert war wusste sie nun also und
er selbst konnte auch gut eine Mütze Schlaf vertragen, aber tief in
seinem Innern war er so wütend, dass dieser Kerl ihr das angetan hatte,
dass er nicht zur Ruhe kommen konnte. Nur für sie hatte er sich soweit
zusammen genommen, um sie zu beruhigen und sie nach all den Strapazen
nicht noch mehr aufzuregen. Er fühlte sich machtlos und hoffte sehr,
dass Maya ihr tatsächlich helfen konnte einen Weg zu finden, diesen
Zauber zu brechen.
Erwartend blickte er zur Tür, als diese leise geöffnet wurde und Sam,
gefolgt von Maya, hereintrat. Sie trug einen Teller mit Sandwiches,
während Sam einen Block in der Hand hielt.
"Hey.", sagte Sam und stellte leise einen Stuhl ans Bett, während Maya
sich in den Sessel setzte.
"Sie ist ganz schön fertig.", antwortete Dean. "Ist das Essen für uns?"
Maya nickte und stellte den Teller auf die Kommode. "Ich bin sicher, ihr
habt Hunger?"
"Bärenhunger. Danke!"
Dean rührte die Sandwiches nicht an, sondern beäugte den Schreibblock in
Sams Hand.
"Gute Idee, Sammy. Daran hatte ich vorhin auch mal gedacht. Vielleicht
kann sie uns ein paar Hinweise geben."
"Wir sollten nicht mehr zu lange warten, Dean.", sagte er. "Dieser Kerl
wird keine Ruhe geben bis er nicht bekommt, was er von ihr wollte. Und
wir können uns nicht auf ewig hier verstecken. Sobald jemand den
Schutzkreis verlässt, wird er da sein."
"Glaubst Du, das weiß ich nicht?", fragte er und spürte, wie die
unterdrückte Wut langsam in ihm anstieg.
"Hör zu, ich habe vorhin mit Missouri telefoniert.", sagte Maya. "Sie
denkt, ein bestimmtes Ritual könnte helfen, Julies geistige Blockade zu
durchbrechen."
"Was, wenn es ihr aber nun schadet, vollen Zugriff auf ihre Fähigkeiten
zu bekommen? Wie war es bei Dir? Hattest Du gleich alles unter Kontrolle?"
"Nein, natürlich nicht. Ich sage nicht, dass es einfach wird. Aber wenn
sie nicht auf ihre Kräfte vertraut und sie nicht voll ausschöpft, wird
sie es nicht schaffen, diesen Zauber zu brechen. Willst du darauf
hoffen, dass der Hexer ihr hilft? Das wird er ganz sicher nicht tun.
Nicht, bevor er sie nicht wieder in seiner Gewalt hat."
"Soweit wird es nicht kommen!", gab Dean zurück und funkelte sie wild
entschlossen an.
"Dann vertrau mir. Ich weiß, was ich tue. Ich bin hier und werde ihr
dabei helfen."
Er schluckte und versuchte, sich wieder etwas zu beruhigen. Sie hatten
keine andere Wahl.
Als der braune Haarschopf unter seinem Arm sich rührte blickte er
hinunter und sah, wie Julie die Augen aufschlug.
"Na, ausgeschlafen?", fragte er und seine Stimme war wie ausgewechselt.
Verschlafen blickte sie sich um und lehnte den Kopf schwer gegen seine
Brust, dann entdeckte sie den Block auf Sams Schoß und streckte ihre
Hand danach aus. Er reichte ihn ihr und gab ihr einen Stift.
Dann beobachteten sie alle, wie sie etwas schrieb. Dean trieb es erneut
die Wut in den Bauch, als er die dunklen Striemen an Julies Handgelenk,
die er zuvor schon entdeckt hatte, während des Schreibens betrachten musste.
Er würde diesen Kerl in Stücke reißen, wenn er ihn in seine Hände bekam!
"Der Hexer heißt Eli und die Frau die bei ihm war, hieß Gienah. Die Frau
hat den Zauber gegen mich ausgesprochen.", las Dean vor.
"Dann ist diese Gienah der Zombie, der sich vor unseren Augen in Staub
verwandelt hat.", stellte Maya fest. "Wie war es möglich, dass sie
Hexenkraft besaß?"
"Wenn der Hexer ihre Seele bei sich trug, konnte er ihr diese Fähigkeit
vielleicht wieder übertragen.", antwortete Sam. "Ich habe mal etwas
gelesen, in einem Buch über Vodoo..."
"Zombie Astrale!", rief Maya. "Ich habe da auch mal ein Buch gelesen!
Warum bin ich nicht früher darauf gekommen?"
Sam lächelte ihr zu und Dean seufzte.
"Also, okay. Gut zu wissen, schön. Ein Zombie Astrale.", sagte er
ungeduldig. "Aber was weißt du noch über den Kerl, Julie?"
Sie schrieb weiter.
"Er wollte, dass ich nach einem sehr alten Transferzauber in den
Erinnerungen des Dämons suche. Wofür er ihn gebraucht hat, weiß ich
nicht.", las er wieder vor.
"Hast Du ihm bereits gegeben, wonach er gesucht hat?", fragte Maya.
Julie nickte, dann schrieb sie schnell weiter.
"Ich glaube ja... ich hatte keine Wahl. - Natürlich hattest Du keine
Wahl!", sagte Dean und wandte sich an sie. "Mach Dir keine Vorwürfe!"
"Dean, so einfach ist das nicht.", Sam beugte sich nach vorne und
stützte seine Unterarme auf seine Oberschenkel. "Was, wenn der Kerl den
Zauber bereits angewendet hat und noch mächtiger geworden ist?
Vielleicht kann er hier dann eindringen."
Julie schrieb erneut etwas.
"Er brauchte den Spruch nicht für sich. Er sagte etwas von einem Meister."
"Meister?", Sam dachte nach. "Hexen und Zauberer beziehen ihre dunkle
Macht in der Regel von Geistern und Dämonen..."
"Na toll!", rief Dean. "Dann haben wir es im Grunde genommen also nicht
nur mit einem durchgeknallten Harry Potter zu tun, sondern auch noch mit
einem Dämon der mächtiger werden will, als er bereits ist?", rief Dean
aufgebracht.
"Sieht ganz so aus..."
Bobby und Ben saßen am Küchentisch. Sie unterhielten sich gerade, als
Rumsfeld laut knurrend zur Tür lief.
"Was ist los, Junge?", fragte Bobby und erhob sich vom Stuhl.
Er ging zu dem Fenster neben der Haustüre und spähte in die Dunkelheit.
"Na, was ist da? Mhm?", wandte er sich an den Hund.
Rumsfeld knurrte weiter und stand angespannt auf die geschlossene Tür
starrend da. Ben tauchte im Türrahmen auf und blickte Bobby verängstigt an.
"Ist er hier?"
"Keine Ahnung - er kann die Grenze eigentlich nicht überqueren und ich
kann nichts erkennen.", antwortete Bobby.
Mit einem Mal entdeckte er doch etwas - jemand befand sich auf dem
Grundstück! Er griff nach seiner Waffe und umfasste fest Rumsfelds
Halsband. Dann öffnete er die Tür.
"Okay, ich denke ich habe alles hier, was wir für das Ritual brauchen.",
sagte Maya und kramte in ihrer Tasche.
"Was schleppst Du denn da alles mit Dir herum?", fragte Dean.
Sie blickte auf und warf ihm einen weniger freundlichen Blick zu.
"So wie Du niemals unbewaffnet durch die Gegend laufen würdest, so habe
ich meine Standardausrüstung ebenfalls dabei!"
Er verzog den Mund zu einem halben Grinsen und hob die Augenbrauen.
"Hast du wenigstens Salz da drin?"
"Natürlich!"
"Er zieht Dich nur auf!", mischte sich Sam nun ein und nahm Maya einige
kleine Säckchen ab, die sie ihm in die Hand drückte.
"Ihr zwei solltet rausgehen, während ich mit Julie arbeite. Es könnte
gefährlich werden und ich will euch nicht in der Nähe haben."
"Keine Chance.", antwortete Dean. "Ich bleibe hier."
Julie legte ihm eine Hand auf den Arm und warf ihm einen besorgten Blick zu.
"Was? Was soll denn schon passieren? Du wirst keine Blitze aus Deinen
Augen schießen oder plötzlich Feuer spucken!"
"Dean - bitte sei vernünftig. Ihr könnt direkt vor der Tür warten.",
sagte Maya eindringlich.
Sam erhob sich vom Stuhl und Dean schürzte die Lippen. Schmollend
schwang er die Beine aus dem Bett und stand ebenfalls auf.
"Seid vorsichtig.", sagte er dann und warf Julie einen letzten Blick zu,
bevor er sich umdrehte und Sam nach draußen folgte.
Bobby trat auf die Veranda, den noch immer knurrenden Rumsfeld mit einem
eisernen Griff festhaltend.
"Wer ist da?", rief er.
"Hilfe!", hörte er schwach die Stimme einer Frau.
Er blickte sich suchend in der Dunkelheit um, bevor er sich zu Ben umdrehte.
"Geh nach oben und hole Sam und Dean."
Dann betrat er den Hof und seine Augen gewöhnten sich langsam an das
Dunkel. Vor seinem Pick Up entdeckte er die am Boden liegende junge
Frau, die gerade noch bei Bewusstsein schien.
"Rumsfeld, aus!", wies er den Rottweiler an und ließ ihn dann los.
Darauf hin lief dieser ruhig zu der Frau und Bobby folgte dem Vierbeiner.
Die Waffe im Anschlag und die Umgebung genauestens beobachtend ging er
leicht in die Hocke.
"Wer sind Sie und was ist passiert?"
"Eve Greene.", flüsterte sie kaum hörbar. "Bitte helfen Sie mir!"
"Sie können Ihr nicht helfen!", rief nun eine männliche Stimme etwas
weiter entfernt und Bobby schreckte hoch.
Er zielte mit der Waffe in die Richtung, aus der er den Ruf vernommen
hatte und wunderte sich, dass Rumsfeld nicht anschlug, sondern statt
dessen zurück ins Haus lief.
"Zeigen Sie sich!", antwortete er und ging an Eve vorbei.
"Das würde ich wirklich gerne tun, aber ich komme hier nicht weiter."
Bobbys Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen als ihm klar wurde, wer
da an der Grundstücksgrenze stand.
Maya hatte mit Kreide ein Symbol auf den Boden des Zimmers gezeichnet
und verschiedene Kräuter und Mineralien in der Mitte platziert. Jetzt
entzündete sie ein kleines Stück Holz und wartete, bis es nur noch
glimmte. Dieses platzierte sie im Mittelpunkt und blickte dann zu Julie
hoch.
"Ich bin soweit.", sagte sie. "Komm zu mir und setz Dich mir gegenüber."
Nur schwerfällig schaffte Julie es, aus dem Bett zu kommen und sie
spürte, wie kraftlos ihre Beine waren, als sie die wenigen Schritte zu
ihr hinüber ging. Sie stützte sich mit einer Hand ab und ließ sich auf
dem Holzboden nieder. Ängstlich blickte sie Maya in die Augen.
"Keine Sorge, ich werde das hier unter Kontrolle halten. Was ich jetzt
tun werde ist ähnlich dem, was ich vorhin schon versucht habe. Du musst
Deinen Geist öffnen und zulassen, dass ich Dir den Punkt aufzeige, wo
die Blockade liegt. Danach versuchst Du, Dich nur auf diesen Punkt zu
konzentrieren und noch tiefer in Dein Unterbewusstsein vorzudringen. Es
kann sein, dass Dir Bilder erscheinen - aber Du darfst nicht
zurückschrecken. Ich werde die ganze Zeit hier sein und Dich notfalls
wieder zurückholen, falls es zu heftig wird. Sobald die Blockade
durchbrochen ist, wirst Du eine Veränderung spüren. Es ist wie ein
elektrisches Summen in Deinem gesamten Körper - Sobald es soweit ist,
öffne Deine Augen und bedecke das Symbol mit diesem Tuch. Sobald das
Holz erlischt, wird die Blockade ausgelöscht sein."
Julies Atem hatte sich unweigerlich beschleunigt bei Mayas Ausführungen.
Bei ihr hörte sich das alles einfach an - aber wie sollte diese
Geistreise vonstatten gehen?
"Vertrau mir und lass Dich einfach fallen. Ich werde Dich leiten. Ich
habe das schon mehr als ein Mal getan. Reich mir Deine Hände."
Sie schluckte schwer und atmete nochmals tief durch. Dann nickte sie und
legte ihre Handflächen in Mayas.
"Schließ die Augen und entspann Dich, atme ganz ruhig weiter. Mit jedem
Atemzug wirst Du tiefer und tiefer in Deinen Geist vordringen."
Sie folgte Mayas Anweisungen und schloss die Augen, atmete in tiefen,
gleichmäßigen Atemzügen weiter. Maya flüsterte leise etwas und sie
spürte, wie sie langsam immer weiter und weiter in einen
Entspannungszustand driftete.
"Gut so.", hörte sie Mayas ruhige Stimme. "Geh nun zu dem Punkt in
Deinem Gedächtnis, wenn Du auf die Erinnerungen dieses Dämons zugreifen
willst."
Julie runzelte die Stirn und versuchte, dorthin zu gelangen.
"Gut, bleib weiter entspannt.", sagte Maya. "Hier ist es... Fühlst Du
den Widerstand, wenn Du nun noch weiter willst? Konzentriere Dich auf
dieses Gefühl und versuche, es zu überwinden."
Julie versuchte es und presste die Augen angestrengt zusammen. Ein
stechender Schmerz formte sich an einer Stelle in ihrem Hinterkopf und
schien langsam immer stärker zu werden. Bilder flammten vor ihrem
geistigen Auge auf - Schreiende Menschen, Flammen, Rauch.
Sie schnappte nach Luft.
"Nicht nachlassen.", sagte Maya. "Du bist fast da. Das sind nicht Deine
Erinnerungen. Sie gehören dem Dämon."
Julies Herz raste und ihr Atem ging flach, doch sie hielt die
Konzentration weiterhin auf diesen einen Punkt gerichtet.
Weitere Bilder - Eine junge Frau, die leblos wie eine Puppe in sich
zusammen sackte. Ein schreiender Säugling. Ein dunkler Keller, Ketten,
wieder Feuer...
Dann, mit einem Mal spürte sie es - das elektrisierende Gefühl, das sich
von ihrem Kopf aus innerhalb von Sekundenbruchteilen in ihrem gesamten
Körper ausbreitete und zuletzt in ihren Fingerspitzen angenehm kribbelte.
Sofort wurde sie ruhiger und öffnete die Augen.
Maya hielt ihr das Tuch hin, sie nahm es und bedeckte das Symbol damit.
"Du hast es geschafft!", sagte Maya lächelnd.
Nachdem Ben aufgeregt nach oben gekommen war, kurz nachdem sie das
Zimmer verlassen hatten, waren Dean und Sam ihm sofort nach draußen gefolgt.
Mit gezogener Waffe gingen sie auf Bobbys Pickup zu. Dann entdeckte
Dean, wer da am Boden lag und traute seinen Augen kaum.
"Evie!", rief Ben im gleichen Augenblick und beugte sich zu ihr
hinunter. "Was ist passiert? Was machst Du denn hier?"
Sie antwortete nicht, sondern griff nur nach Bens Hand.
"Schaff sie ins Haus, Ben!", sagte Sam angespannt und sie gingen weiter.
Bobby stand nur wenige Schritte entfernt und zielte mit der Waffe auf
jemanden, der sich im Dunkeln hielt.
"Er ist hier!", sagte er, als er die beiden Brüder hinter sich bemerkte.
"Wo bist Du, Du Scheißkerl? Ich verpass Dir ein Magazin hübsche
Silberkugeln!", rief Dean wütend und lief an Bobby vorbei.
Sam eilte ihm nach, brachte sich in eine Position vor ihm und hielt ihn
zurück.
"Das würde ich nicht tun.", kam die überhebliche Antwort aus der
Dunkelheit. "Ich bin sicher, ihr wollt nicht für den Tod der netten
rothaarigen Lady verantwortlich sein?"
"Was hast Du getan?", rief Sam.
"Ein wirkungsvoller, kleiner Fluch. Und dieses Mal trage ich die Hexbags
bei mir."
"Du verdammter Hurensohn!", schrie Dean ihm entgegen und Sam musste ihn
erneut zurückhalten.
"Dean, beruhige Dich!", sagte er und blickte ihm in die Augen.
Sein Bruder funkelte ihn wütend an und packte Sam am Kragen - doch in
der nächsten Sekunde ließ er ihn los und trat einen Schritt zurück.
"Verdammt!", presste er hervor und Sam ahnte, was gerade in ihm vorging.
Dean hielt die Waffe mit zitternden Händen fest umklammert und Sam
wusste, dass er nun am liebsten losrennen und den Kerl kaltmachen würde.
Er hoffte, dass er ihn zurückhalten konnte. Sie alle mussten unbedingt
innerhalb der Schutzkreise bleiben.
"Ich bin gekommen, um zu verhandeln.", hörten sie nun wieder. "Ich will
Julie Forster zurückhaben. Schickt sie zu mir nach draußen und das
Mädchen, genau wie ihr alle, wird weiterleben."
"Ihre Drohungen nützen hier nichts!", rief Sam.
"Wenn wir den Kerl finden und abknallen, wird der Fluch unwirksam.",
sagte Bobby leise, während er hinter die Brüder trat.
"Dazu müssten wir ihn aber erst mal finden!", antwortete Sam mit einem
Blick auf Dean. "Wir müssen ruhig bleiben. Unsere Chance kommt noch."
"Das Mädchen hat nicht mal mehr eine Stunde zu leben. Ich würde sagen,
ihr entscheidet euch schnell.", rief der Hexer nun wieder. "Ich komme in
30 Minuten zurück."
Dann hörten sie die Motorengeräusche eines Wagens, der sich schnell
entfernte.
"Ab jetzt beginnt ein ganz neues Leben für Dich.", sagte Maya, noch
immer lächelnd.
Julie hatte es schneller als erwartet geschafft, die Barriere zu
durchbrechen. Ein weiteres Zeichen ihrer Stärke.
Plötzlich erstarb Mayas Lächeln und sie stand auf. Sie spürte etwas.
Schnell lief sie zum Fenster.
"Er ist hier!", sagte sie, während sie nach draußen in die Dunkelheit
blickte.
Das Splittern von Glas ließ sie wieder zu Julie herumfahren, die
kreidebleich und zitternd in der Mitte des Raums stand und scheinbar
gerade die Wasserflasche und das Glas zum bersten gebracht hatte. Völlig
verängstigt blickte sie Maya an, diese näherte sich ihr und legte ihr
die Hände auf die Oberarme.
"Beruhige Dich, er kann hier nicht eindringen!", sagte sie und sah ihr
fest in die Augen.
Julie nickte langsam, aber sie konnte sich nicht wirklich beruhigen. Sie
hatte das Gefühl, ihr Körper würde verrückt spielen - eine Welle der
Angst hatte sie erfasst als sie gehört hatte, dass Eli in der Nähe war.
Sie spürte, wie die Emotion diese elektrische Spannung in ihr weiter
ansteigen ließ und Panik hatte sie erfasst, denn sie wusste nicht, wie
sie sie unter Kontrolle halten sollte.
Dann war die Flasche hinter ihr zerbrochen, als sich die Spannung mit
einem Schlag entladen hatte - danach war das Gefühl wieder verschwunden
gewesen.
Sie atmete tief durch und seufzte - als sie dies tat, hörte sie
plötzlich etwas und ihre Hand schoss zu ihrem Hals. Auch Maya machte
große Augen.
"Oh mein Gott!", stieß Julie hervor und starrte Maya ungläubig an.
"Julie, was hast Du getan?", fragte sie erstaunt.
"Gar nichts.", flüsterte sie und dann breitete sich ein ungläubiges
Lächeln über ihr Gesicht aus.
Maya lächelte schwach und trat einen Schritt zurück. Sie hatte Julies
Fähigkeiten bei weitem unterschätzt. Es war nicht möglich, einen Zauber
durch bloßen Ausbruch von Energie zu durchbrechen - aber Julie hatte es
geschafft! Sie hatte ihre Stimme wieder!
Dann kam ihr etwas in den Sinn das sie erschaudern ließ, doch ihre
Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als die Tür aufgerissen wurde und
Dean mit besorgtem Gesicht herein stürzte.
"Er war hier!", sagte er und ging auf Julie zu.
"Das wissen wir.", antwortete Maya. "Ich habe ihn gespürt."
"Dean, geht es Dir gut?", fragte Julie und lief ihm entgegen.
Verwundert sah er sie an, schloss sie dann in seine Arme und drückte sie
fest an sich.
"Tut das gut, Deine Stimme wieder zu hören!", sagte er erleichtert und
drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. "Ich wusste, dass ihr es
schaffen würdet!"
Dankbar blickte er hinüber zu Maya, die jedoch alles andere als
glücklich aussah.
"Was wollte Eli hier und wie habt ihr es geschafft, dass er einfach zu
wieder abgezogen ist?", fragte diese statt dessen.
"Er war hier, um zu verhandeln."
"Verhandeln, worüber?", fragte Julie und blickte zu Dean hoch.
Er zögerte einen Moment, bevor er weiter sprach.
"Er hat Eve wohl bei Deiner Wohnung abgefangen und sie mit einem Fluch
belegt. Sie ist unten und es geht ihr sehr schlecht.", erklärte er
vorsichtig.
Julie hob hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund und ihre Augen
füllten sich mit Tränen.
"Nein! Wie konnte das passieren? Wie konnte ich sie nur vergessen!",
sprudelte es aus ihr heraus, sie löste sich von Dean und lief zur Tür.
Dean wollte Julie sofort hinterher eilen als Maya jedoch seinen Arm
griff und ihn zurückhielt.
"Dean, warte!"
"Was ist?", fragte er ungeduldig.
"Julie hat die Blockade durchbrochen und ihre Kraft ist viel stärker,
als ich eingeschätzt hatte."
"Und? Du hast es doch unter Kontrolle, oder?"
"Darum geht es nicht. Sie hat es ohne Gegenzauber geschafft den Zauber
zu brechen, hat das Glas und die Flasche auf der Kommode allein durch
einen emotionalen Ausbruch zum Bersten gebracht - das ist nicht nur
Hexenkraft!"
"Was willst Du damit sagen?", fragte er und wandte sich ihr nun zu.
"Ich vermute, dass der Dämon ihr nicht nur Erinnerungen, sondern auch
einen Teil seiner Kräfte übertragen hat. Vielleicht unbeabsichtigt oder
durch ihre angeborenen Fähigkeiten... Dean - es könnte gefährlich sein,
sich in ihrer Nähe aufzuhalten!"
Deans Blick wurde hart und er brauchte einen Moment, bevor er antwortete.
"Wenn es so ist, dann werden wir damit fertig. Du darfst ihr das nicht
sagen!", sagte er und blickte sie eine Antwort erwartend an.
Maya nickte. "Okay."
Sam fragte sich, ob bei Maya alles in Ordnung war während er
beobachtete, wie Ben und Bobby sich um Eve kümmerten, die mit hohem
Fieber und offensichtlich großen Schmerzen auf der Couch lag.
Er drehte sich zur Treppe um als er hörte, wie jemand herunter kam. Es
war Julie. Schnell lief er hinüber und griff ihren Arm, um sie zu
stützen. Mit Tränen in den Augen sah sie zu ihm auf.
"Wo ist sie?", fragte sie und Sam staunte, dass sie wieder in der Lage
war zu sprechen.
"Im Wohnzimmer. Vor wenigen Minuten wurde sie bewusstlos.", antwortete
er und folgte ihr, als sie sich in Bewegung setzte "Der Hexer hat sie
gehen lassen, aber er hat einen Fluch auf sie gelegt. In weniger als
einer halben Stunde kommt er zurück."
"Sie wird sterben, wenn ich nicht mit ihm gehe, oder?", fragte Julie und
stoppte kurz, bevor sie den Raum betrat.
"Ja.", antwortete Sam ehrlich.
Julie atmete durch und blickte zu Boden, schien sich noch einmal zu
sammeln bevor sie das Wohnzimmer betrat.
Es brach ihr fast das Herz, ihre beste Freundin in diesem Zustand zu
sehen. Julie trat schnell näher und legte ihr eine Hand auf die
geröteten Wangen. Trotz des Schüttelfrosts schien Eve zu verbrennen und
Julie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten als sie sich nun auch
noch vor Schmerzen krümmte. Ben warf ihr einen besorgten Blick zu - er
hatte Eve schon immer gemocht und Julie hatte insgeheim mehr als ein Mal
gehofft, dass die beiden irgendwann zusammenfinden würden.
"Was sollen wir jetzt tun?", fragte er.
"Es ist meine Schuld.", antwortete Julie und wischte sich die Tränen
weg. "Ich hätte nicht vergessen dürfen, dass ich sie für heute erwartet
habe. Ich hatte komplett das Zeitgefühl verloren, als ich bei Eli war."
"Eli?", fragte Bobby. "Ist das der Hexer?"
Julie nickte. "Ich werde zu ihm gehen.", sagte sie dann mit wilder
Entschlossenheit.
"Nein, das wirst Du nicht tun!", hörte sie Deans Stimme, der mit Maya
zusammen nun wieder im Raum aufgetaucht war.
"Ich werde Eve nicht sterben lassen!", gab Julie zurück.
Dean bemühte sich ruhig zu bleiben und trat näher.
"Ich lasse Dich nicht zu ihm gehen.", antwortete er und blickte ihr fest
in die Augen.
"Wir haben keine andere Möglichkeit! Er wird nicht aufgeben, bis er
nicht seinen Willen durchgesetzt hat! Wir können das Grundstück nicht
verlassen! Sobald einer von uns auch nur einen Fuß über die Grenze
setzt, wird er da sein. Und Eve wird sterben!", presste sie unter Tränen
hervor.
Alle Augen im Raum waren auf Dean gerichtet, als er sichtlich mit sich
kämpfte und dann den Kopf schüttelte.
"Nein!", rief er. "Wir müssen eine andere Lösung finden! Und wenn ich
Dich eigenhändig festhalten muss, Du bleibst hier!"
Wütend starrte Julie ihn an. Es schien ihm als würde er etwas spüren,
einen leichten Widerstand der ihm entgegen schlug. Sofort erinnerte er
sich an Mayas Worte - ob sie recht hatte? Doch dann verschwand das
Gefühl, Julie lief wortlos an ihm vorbei und verließ den Raum. Sie alle
hörten, wie sie die Treppe nach oben lief und wie eine Tür knallte.
"Könnte jemand von euch vielleicht auch mal was sagen?", herrschte er
die Anwesenden an.
"Ich denke, Du hast für uns alle gesprochen.", antwortete Bobby. "Und
ich stimme Dir zu. Wir müssen Zeit gewinnen und uns etwas anderes
einfallen lassen. Andernfalls haben wir bald einen sehr mächtigen Dämon
in unserer Nachbarschaft."
"Du hast vergessen zu erwähnen, dass er Julie wahrscheinlich trotzdem
töten würde.", fügte Sam hinzu.
"Aber was ist mit Eve?", fragte Ben. "Wir können sie doch nicht einfach
sterben lassen!"
"Dean, ich glaube Du solltest besser nach oben gehen.", sagte Maya nun.
"Du hast es auch gefühlt, oder?"
"Was?", fragte Sam. "Was gefühlt?"
"Nichts.", gab Dean zurück. "Ihr überlegt was wir tun können, ich gehe
hoch und rede mit ihr!"
Julie stürmte in das Gästezimmer, schlug die Tür hinter sich zu und
setzte sich aufs Bett. Laut schluchzend schlug sie die Hände vors
Gesicht. Sie wusste einfach nicht mehr weiter.
Sie war so wütend auf Dean, denn sie würde sich von ihm nicht
vorschreiben lassen, was sie tun sollte! Sie sah keinen anderen Ausweg,
als zu Eli zurück zu gehen. Sie konnte Eve nicht sterben lassen. Und
wenn sie nicht gehen würde, hätte sie alle anderen früher oder später
auch noch auf dem Gewissen!
Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen weg und blickte sich im
Zimmer um, bis ihr Blick auf das zerbrochene Glas fiel. Sie hatte
bereits unten im Wohnzimmer wieder diese unheimliche Energie in sich
gespürt und wollte nicht, dass erneut so etwas wie vor wenigen Minuten
passierte. Sie musste sich beruhigen und versuchen, einen klaren Kopf zu
bekommen. Vielleicht würde ihr dann auch endlich eine Lösung einfallen.
Als die Tür sich öffnete und Dean herein trat beobachtete sie
angespannt, wie er sich aufs Bett neben sie setzte. Scheinbar suchte er
nach den richtigen Worten.
"Hör zu Dean-", begann sie.
"Es tut mir leid!", unterbrach er sie. "Aber ich kann Dich das nicht tun
lassen! Das ist Selbstmord!"
"Dean! Wir haben keine andere Wahl! Meine beste Freundin liegt da unten
und wird sterben, so wie wir alle wenn ich nicht tue, was dieser Kerl
verlangt! Das alles hier macht mich wahnsinnig! Ich könnte ausrasten!",
rief sie und ballte die Fäuste.
"Wir müssen eine andere Lösung finden!"
"Es gibt keine!", sie schluchzte und konnte die Tränen nun nicht länger
zurückhalten. "Und Du darfst mich nicht abhalten! Ich könnte mir das
alles nie verzeihen und ich will auch nicht, dass Du Dich damit quälst."
"Was?", fragte Dean und runzelte die Stirn. "Wovon redest Du?"
"Ich weiß, welche Sorgen Du Dir gemacht hast, als Eli mich in seiner
Gewalt hatte - ich habe es gespürt. Und ich weiß, welche Sorgen Du schon
mit Dir herum schleppst. Du kannst eigentlich nicht noch mehr Ballast
gebrauchen und ich..."
Dean stand auf und streckte ihr aufgebracht die Hände entgegen.
"Woah! Einen Moment! Versuchst Du gerade mit mir Schluss zu machen?",
rief er. "Julie, Du bist wirklich verrückt wenn Du glaubst, dass das
irgend etwas ändern würde! Und hör auf Dir einzureden, dass Du mich vor
irgend etwas schützen müsstest!"
Sie schluckte und blickte ihm in die Augen.
"Vielleicht solltest Du das einfach mal zulassen...", antwortete sie leise.
"Was? Mich von Dir verabschieden und Dich diesem Schwein überlassen?
Nein! Verdammt, Julie - ich kann niemanden einfach aufgeben, schon gar
nicht jemanden, den ich liebe!"
Überrascht von seinem eigenen Geständnis verstummte er und sie starrten
sich einen Augenblick lang wortlos an. Julies Wut war mit einem Mal
verflogen und als er plötzlich ihrem Blick auswich und zur Tür laufen
wollte, regten sich wieder die Lebensgeister in ihr.
Sie stand vom Bett auf, lief ihm nach und griff nach seiner Hand.
"Ich liebe Dich auch.", sagte sie sanft und ein Schauer lief ihr über
den Rücken, als er sich ihr wieder zuwandte und sie an sich zog.
Sie legte ihren Kopf an seine Brust und schloss die Augen. Er drückte
sie fest an sich und auch sie klammerte sich verzweifelt an ihn. Sie
wünschte sich nichts mehr, als mit ihm glücklich zu werden und
verfluchte im Stillen das Schicksal, weil es ihnen nicht einen ruhigen
Moment zu gönnen schien.
Maya schmiegte sich an Sam, als sie im Wohnzimmer zusammen saßen und
nach einer eventuellen Lösung suchten.
"Gott sei Dank.", flüsterte sie.
"Was ist los?", fragte Sam und nahm sie in den Arm.
"Die Zwei haben sich wieder vertragen.", sagte sie.
"Was hast Du gerade eben gemeint als Du sagtest, Du und Dean hätten
etwas gespürt?"
"Nichts Wichtiges, Sam.", log sie.
"Seit wann kann Julie eigentlich wieder sprechen?", fragte Bobby nun.
"Nachdem die Blockade verschwunden war, konnte sie den Zauber brechen."
"Danke für Deine Hilfe, Maya.", sagte Ben, der bei Eve auf der Couch saß
und ihr die Stirn mit einem nassen Tuch kühlte.
Plötzlich richtete Maya sich auf. Sie hatte eine Idee!
"Der Hexer weiß nicht, dass sie wieder sprechen kann!", rief sie.
"Ja - und?", fragte Sam.
"Was, wenn sie einfach mitspielt?"
"Du meinst, sie soll mit ihm gehen und so tun, als wäre sie weiterhin
stumm?"
Sie nickte. "Er würde sie wahrscheinlich zu dem Dämon bringen, dem er
dient."
"Und Julie könnte ihn vernichten!", schlussfolgerte Sam.
"Sie hat es zuvor geschafft und hat in der Zwischenzeit viel gelernt!",
Maya strahlte ihn an.
"Ihr vergesst aber eines.", fügte Bobby ernst hinzu. "Der Hexer ist auch
noch da und gegen ihn kann sie nichts ausrichten. Jedenfalls nicht,
solange sie nicht gelernt hat, wie man Zaubersprüche anwendet. Und das
könnt ihr ihr nicht in 10 Minuten beibringen."
"Nein, aber ich kann etwas anderes tun.", sagte Maya zuversichtlich.
"Wir sollten die Beiden rufen und es ihnen erklären!"
Eli blickte auf die Uhr. Nur noch wenige Minuten, dann würde er Julie
Forster zurück bekommen. Er war überzeugt, dass das Übergeben der jungen
Frau ein guter Schachzug gewesen war. Den drohenden Tod einer
nahestehenden Person vor Augen zu haben, war schon immer das beste
Druckmittel gewesen.
Inzwischen hatte er einen schwerwiegenden Entschluss gefasst. Eine
Entscheidung, die seine Zukunft verändern und sein Überleben sichern würde.
Er trat das Gaspedal durch und näherte sich dem Grundstück von Bobby
Singer. Sein zuvor ausgesprochener Zauber würde ihn vor den Augen der
Jäger verbergen, aber er musste sich vor der Hexe in Acht nehmen.
Sam lief nach oben und öffnete die Tür. Er fand Julie und Dean
engumschlugen vor und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie
sich gerade gegenseitig versuchten, Halt zu geben. Er seufzte und
blickte Dean mitfühlend an, während er näher kam. Er konnte nur zu gut
verstehen, was in seinem Bruder gerade vorgehen musste.
"Alles okay?", fragte er, um die Stille zu durchbrechen und einen Ansatz
für seine Erklärung zu finden.
Julie wischte sich über die verweinten Augen und blickte ihn durch ihre
langen Wimpern hindurch an. Sam kam sich blöd vor und atmete tief ein -
natürlich war hier nichts okay.
"Habt ihr eine Idee?", fragte Dean nun mit belegter Stimme.
"Maya hat einen Vorschlag.", sagte Sam und nahm Dean beiseite. "Hör Dir
zuerst an, was sie zu sagen hat, bevor Du ausrastest."
Dean zog die Augenbrauen zusammen. "Was habt ihr ausgeheckt?"
"Kommt mit runter, dann erklären wir euch alles. Die Zeit wird langsam
knapp."
Er ging voraus und wartete an der Tür. Dean streckte eine Hand nach
Julie aus, die sie mit beiden Händen fest umschloss. Sam legte besorgt
die Stirn in Falten - er hoffte, dass alles gut gehen würde, denn
andernfalls... Dean war ein unglaublich mitfühlender Mensch, doch er
band sich nicht schnell emotional an jemanden. Dass er Julie gegenüber
immer öfter seine Maske fallen ließ bestätigte Sam in seiner Vermutung,
dass Dean sich tatsächlich in sie verliebt hatte.
Im Wohnzimmer angekommen ging Julie sofort wieder hinüber zu Eve, die
nun ganz still und blass auf der Couch lag und sich nicht mehr rührte.
Mit besorgtem Gesichtsausdruck strich sie ihr einige verschwitzte
Strähnen ihres roten Haars aus der Stirn.
"Also, was ist euer Plan?", fragte Dean.
Sam platzierte sich neben ihm, da sein Bruder keine Anstalten machte,
sich zu setzen. Er wollte Dean so nah wie möglich sein, wenn sie ihm und
Julie ihre Idee verkündeten - er wusste, dass sie ihm nicht gefallen würde.
"Der Hexer weiß nicht, dass Julie wieder sprechen kann.", begann Maya.
"Er geht noch immer davon aus, dass der Zauber seiner Gefährtin noch
gültig ist. Also denkt er, dass Julie im Moment keine Gefahr für seinen
Meister, den Dämon, ist."
Julie richtete sich auf und hörte Maya aufmerksam zu, während Deans Mine
versteinerte und Sam erkennen konnte, wie er die Hände an seinen Seiten
zu Fäusten ballte.
"Wir wissen, dass er den Transferzauber brauchte, um irgend etwas für
diesen Dämon zu tun. Scheinbar hat es nicht funktioniert und er braucht
Julie dazu, den Zauber zu vollenden. Er wird sie wahrscheinlich zu ihm
bringen.", nun wandte sie sich direkt an Julie. "Du kannst den Dämon
vernichten."
"Was, wenn dort mehrere Dämonen anwesend sind?", fragte Julie. "Ihr
sagtet doch, er wolle seine Kraft vergrößern, also wird er nicht allein
sein."
"In Deinen Unterlagen hast Du einen alten Spruch aufgeschrieben, der
Dämonen für einige Sekunden ihrer Fähigkeiten beraubt. Er versetzt sie
sozusagen kurz in einen Schockzustand. Diese Zeit kannst Du nutzen, um
sie zu bannen und dann den Exorzismus auszusprechen.", erklärte Maya.
"Und was ist mit dem Hexer?", fragte Dean.
"Um den kümmern wir uns.", sagte Bobby nun. "Maya kann mit einem Zauber
genau bestimmen, wo Julie sich gerade aufhält. So werden wir sie nicht
verlieren und können eingreifen. Sobald sie anfängt die Dämonen
auszutreiben, müssen wir vor Ort sein und dem Kerl ein paar Kugeln
verpassen."
"Es ist zu gefährlich.", sagte Dean kurzangebunden.
"Etwas Besseres haben wir leider nicht.", Sam trat etwas näher und
blickte ihn forschend an.
Er konnte an der Reaktion seines Bruders erkennen, wie es in ihm
arbeitete, obwohl Menschen die ihn nicht so gut kannten wahrscheinlich
gesagt hätten, dass er noch immer unbeteiligt neben ihnen stehen würde.
Doch Sam konnte es in seinen Augen sehen, in seiner Körperhaltung, wie
seine Kiefermuskeln angespannt hervortraten. Dean war kurz davor,
auszurasten.
"Tun wir es!", Julie trat in die Mitte. "Wo ist dieser Spruch?"
Maya stand auf und eilte ins Arbeitszimmer, während Dean Julie nun einen
besorgten Blick zuwarf. Sam senkte den Kopf und hätte seinem Bruder in
diesem Moment nur zu gerne etwas gesagt das ihm helfen würde - aber es
gab nichts, das er sagen oder tun konnte.
Maya kehrte zurück und Sam fragte sich, wie sie die ganze Situation hier
wohl erlebte. Sie musste geradezu erschlagen werden von den Gedanken und
Gefühlen, die sich gerade hier in diesem einen Raum ballten - Aber sie
schien die Nerven zu behalten und reichte Julie nun ein beschriebenes
Blatt Papier. Diese las kurz die ersten Worte und nickte.
"Okay, ich weiß, welcher Spruch das ist. Ich verhalte mich also
vollkommen ruhig bis ich mitkriege, dass ihr da seid."
"Ja. Und wenn der Hexer etwas anderes tut, spiel einfach mit. Wir werden
in der Nähe bleiben. Ich werde immer wissen, wo Du gerade bist.", sagte
Maya.
Julie ging hinüber zu Dean, der bisher nichts mehr gesagt hatte.
"Es ist eine Chance.", sagte sie und blickte zu ihm hoch.
Er schloss die Augen und nickte, doch sein Gesichtsausdruck blieb weiter
unverändert.
"Kommst Du mit mir ins Arbeitszimmer? Dann spreche ich den Zauber.",
fragte Maya.
"Geh.", sagte Dean nun und ging, ohne sich nochmals umzusehen, hinüber
zum Fenster, wo er, den anderen den Rücken zugewandt, nach draußen in
die Dunkelheit starrte.
Julie presste die Lippen aufeinander und seufzte. Dann verließ sie mit
Maya den Raum.
Eli parkte den Wagen hinter dem großen Baum, wo er ihn auch schon zuvor
vor den Blicken der anderen versteckt gehalten hatte. Noch fünf Minuten
- wenn sie dann nicht herauskommen würde, dann würde er einen weiteren
Fluch aussprechen und das Leben der jungen Frau würde beendet sein. Er
griff in die Tasche seines Mantels und legte seine Hand auf die beiden
kleinen Beutel, mit denen er die Verbindung aufrecht erhielt.
Maya hatte gerade den Zauberspruch ausgesprochen, als sie bemerkte, dass
Er wieder hier war. Sie schluckte und blickte Julie fest in die Augen,
deren Nervosität sie deutlich spüren konnte.
"Es ist gleich soweit. Er wartet schon draußen."
Kurz flackerte Panik in Julie auf und Maya befürchtete, sie würde einen
erneuten Energieausbruch nach sich ziehen, doch dann schien sie sich
zusammenzureißen und sich wieder unter Kontrolle zu haben.
"Ich will nur noch mal schnell hinüber, dann gehe ich nach draußen.",
sagte sie mit einem Zittern in der Stimme.
"Okay.", sagte Maya. "Erinnerst Du Dich an den Spruch?"
Julie nickte.
"Weißt Du einen Exorzismus, mit dem Du die Dämonen schnell austreiben
kannst?"
"Ich werde den Gleichen verwenden wie bei Anna, der Frau die mir diese
Erinnerungen gegeben hat."
"Gut. Es wird funktionieren. Du musst nur ruhig bleiben, hörst Du?",
Maya griff Julies Hände und drückte sie fest.
Diese umarmte sie kurz und ging dann zurück ins Wohnzimmer.
Dean blickte noch immer nach draußen in die Dunkelheit und fühlte sich
machtlos. Es schien ihm, als hätte seine Frustration und seine Wut einen
riesigen Klumpen in seinem Magen geformt, der ihn lähmte. Er war mit
einem Mal unglaublich müde und wünschte sich, er könnte aufwachen und
feststellen, dass all dies hier nur ein furchtbarer Albtraum war.
Momente zuvor hatte er eine große, warme Hand auf seiner Schulter
gespürt und er wusste, dass Sam es gewesen war der versucht hatte, ihn
zu trösten. Doch er hatte sich nicht umdrehen können - wenn er es getan
hätte, wäre alles aus ihm herausgebrochen. Er hätte seine Verzweiflung
nicht länger vor ihm verbergen können. Doch er musste sein Gesicht
wahren, durfte jetzt nicht schwach werden und aufgeben.
Nun legten sich zwei Arme um seinen Oberkörper und er spürte, wie sich
jemand an seinen Rücken schmiegte. Er zuckte kurz zusammen und drehte
sich dann um, was Julie veranlasste, ihn wieder loszulassen. Er fühlte
sich erschöpft, als er sie ansah und versuchte den Drang, seinen
aufkommenden Tränen freien Lauf zu lassen, zu unterdrücken.
Julie legte eine Hand auf seinen Nacken und er beugte sich leicht
hinunter. Sie hauchte ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen und
umarmte ihn nun.
"Ich liebe Dich.", flüsterte sie in sein Ohr. Mit einem letzten Blick
ließ sie von ihm ab und ging hinüber zu Ben.
Dean schluckte und konnte nicht mehr verhindern, dass einige Tränen
entwischten. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und spürte, wie
er anfing zu zittern. Schnell wischte er sich über die feuchten Augen.
Es schien ihn zu zerreißen, als Julie den Raum verließ und er rannte ihr
schnell hinterher.
"Warte!", rief er und erreichte sie, kurz bevor sie die Haustür öffnete.
Nochmals zog er sie in eine enge Umarmung und hielt sie fest. Sie
vergrub ihre Finger in seinem Hemd und presste ihren Kopf an seine
Brust, direkt unter seiner Halsbeuge. Mit beiden Händen umfasste er ihr
Gesicht und hob ihr Kinn an. Er küsste sie ein letztes Mal. Dann ließ er
sie los. Die Wärme ihres Körpers, ihrer Berührungen, wich viel zu
schnell und er beobachtete wie sie nach draußen ging, während ihm ein
kalter Schauer den Rücken hinunter lief.
Regungslos stand Dean vor der geschlossenen Haustür, als Sam den Flur
betrat. Während er sich näherte, wandte er ihm den Kopf zu und Sam sah,
wie eine einzelne Träne seine Wange hinunter lief. Dean wischte sie weg
und lief zum nächstgelegenen Fenster um zu sehen, was draußen vor sich
ging. Sam stellte sich neben ihn, erkannte draußen jedoch gar nichts.
"Es tut mir leid.", sagte er und blickte Dean an.
"Sie wird es schaffen.", gab er tonlos zurück und lief dann hinüber zu
den anderen.
Sam blickte ihm still hinterher und spürte, wie sich ein Kloß in seinem
Hals bildete, den er schnell niederkämpfte. Dean hatte seine Mauer
wieder aufgebaut, dennoch wusste er, wie es ihn quälen musste, Julie
gehen zu lassen.
Und er wusste, dass ihn nun nichts mehr davon abhalten konnte, mit dem
Hexer abzurechnen...
Julies Herz klopfte ihr bis zum Hals, während sie sich vom Haus
entfernte. Angespannt trat sie an die imaginäre Grenze des
Schutzkreises, den Maya um Bobbys Grundstück errichtet hatte und
stoppte. Eli war nirgends zu sehen.
"Noch einen Schritt!", hörte sie plötzlich nicht weit entfernt und sie
zuckte zusammen.
Sie schluckte. Beinahe wäre ihr ein Schreckenslaut entwischt und sie
hätte sich verraten. Hektisch atmend und zitternd suchte sie im Dunkeln
nach einem Hinweis, wo Eli verborgen war.
"Willst Du, dass Deine Freundin stirbt oder kommst Du endlich?", fragte
er nun und schien direkt vor ihr zu stehen.
Sie atmete noch einmal tief durch und machte dann einen Schritt nach
vorne. Sie spürte, wie er grob seine Hand um ihren Nacken schloß und sie
zu sich zog. Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie spürte seinen Atem an
ihrer Wange.
"Was immer ihr geplant habt - es wird nicht funktionieren!", sagte er
ganz nahe bei ihrem Ohr, während seine Hand sich schmerzhaft in ihren
Hals bohrte. "Glaubst Du ich bin so dumm und kaufe euch ab, dass sie
Dich tatsächlich ohne Widerstand haben gehen lassen? Will Dein Freund
noch nicht mal versuchen, mich zu erschießen?"
Sie spürte, wie sie umgedreht wurde und wie er einen Arm um ihren
Oberkörper legte - so, als würde er sie als Schutzschild gebrauchen. Als
nichts geschah, zog er sie einige Schritte mit sich, hinter einen Busch.
Dann ließ er sie kurz los und sie spürte, wie eine ähnliche Energie der,
die sie in sich selbst verspürt hatte, aufgebaut wurde.
"Debilitas"
In der nächsten Sekunde schien es, als würden ihre Glieder unglaublich
schwer und ihr knickten die Beine weg. Sie landete auf dem Boden und
versuchte, sich wieder aufzurichten, doch alle Kraft schien aus ihrem
Körper gewichen zu sein. Panik erfasste sie und als sie hörte wie er
neben sie trat, blickte sie nach oben. Im nächsten Moment, so als hätte
jemand ein Tuch von ihm gezogen, erschien er vor ihr und tastete ihre
Taschen nach Waffen ab.
"Na schön - wie mir scheint, hast Du Deinen Teil der Abmachung
eingehalten. Auch ich bin kein Lügner.", sagte er dann, zog die beiden
Hexbags aus der Tasche und warf sie auf die Straße. "Deine Freundin wird
leben."
Er trat hinter sie, griff unter ihre Arme und zog sie hoch. Mit
Leichtigkeit hob er sie über seine Schulter und lief los. Nach wenigen
Schritten hatten sie seinen Wagen erreicht, er öffnete die Beifahrertür
und ließ sie auf dem Sitz nieder. Er schlug die Tür zu und ging um den
Wagen herum. Julie ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie konnte sich
zwar rühren, aber die kleinste Bewegung kostete unglaublich viel
Anstrengung und sie schaffte es nur mit Mühe, ihren Kopf zu drehen, um
ihn einsteigen zu sehen.
"Überanstrenge Dich nicht.", sagte er und blickte sie kalt an. "Du hast
heute noch eine wichtige Aufgabe für mich zu erledigen."
Dann startete er den Motor und fuhr los.
Im Haus schlug Eve plötzlich die Augen auf und setzte sich auf. Verwirrt
sah sie sich um und ihr Blick blieb schließlich an Ben hängen.
"Sag mir bitte, dass das ein ganz furchtbarer Albtraum war!", sagte sie.
"War es nicht.", antwortete dieser und griff nach ihrer Hand.
Sie blickte in die Runde. "Wo ist Julie?"
"Sie hat sich gegen Dein Überleben eingetauscht.", sagte Dean.
"Was? Nein! Wie konnte sie das nur tun? Was ist das für ein Kerl? Leute,
was ist hier eigentlich los?"
"Ben kann Dir alles erklären, er wird hier bleiben. Aber wir müssen uns
jetzt auf den Weg machen.", sagte Maya. "Du lebst, das ist im Moment die
Hauptsache."
"Wer seid ihr überhaupt?", fragte Eve. "Verdammt, erklärt mir mal einer,
was hier los ist?"
"Gehen wir!", sagte Dean und verließ den Raum.
"Ich erzähle Dir alles. Sie versuchen Julie zurückzuholen.", erklärte
Ben, während die anderen Anwesenden Dean folgten.
"Was ist da mit mir passiert und wer ist dieser furchteinflößende Kerl?"
Ben zog die Augenbrauen hoch. "Du wirst mich für verrückt halten."
"Ich bin selbst ein bißchen verrückt wie Du weißt und Dich hab ich schon
vor Jahren in meine Schublade gesteckt, also raus mit der Sprache!",
rief sie aufgebracht. "Mach schon!"
"Der Kerl ist ein Hexer und braucht Julie für die Durchführung irgend
eines Zaubers. Dean und sein Bruder wollen ihn zusammen mit diesem
Mädchen und Bobby jagen und Julie zurückholen."
Eve stieß die Luft aus. "Du hast recht, das klingt total irre!"
"Der Kerl hatte einen Fluch auf Dich ausgesprochen - Du wärst fast
gestorben."
"Mir geht es fantastisch!", gab sie zurück und blickte Ben forschend an.
"Das ist wirklich wahr, oder?", fragte sie dann ernst.
"Ja."
"Und Julie könnte sterben?"
Ben blickte zu Boden. "Ich habe echt Angst um sie."
"Warum bist Du dann nicht mit denen da draußen?"
"Ich würde ihnen nur im Weg stehen. Sie wissen, was sie tun. Ich...
diese ganze Sache ist einfach zu hoch für mich, Evie. Ich schäme mich,
aber ich habe Angst etwas Falsches zu tun und sie damit noch mehr zu
gefährden."
Sie legte den Kopf schief.
"Das ist schon okay. Du bist eben keiner von diesen Draufgängertypen,
auf die die meisten Frauen stehen.", sagte sie mit unüberhörbarem
Sarkasmus in der Stimme.
Er runzelte die Stirn.
"Jetzt beweg´ Deinen Hintern und lass uns ihnen nachfahren! Wir können
hier doch nicht rumsitzen! Ich will zumindest sehen, was da passiert und
notfalls werden wir eingreifen!"
"Evie, das ist Wahnsinn!"
"Wahnsinn ist mein zweiter Vorname!"
Sie erhob sich von der Couch und blickte Ben auffordernd an.
"Dean, Du fährst wie ein Verrückter!", rief Sam und hielt sich am
Vordersitz fest, als sein Bruder um die Kurve bog. "Halt mehr Abstand,
sonst verraten wir uns!"
Dean warf einen Blick in den Rückspiegel, nahm dann jedoch den Fuß vom Gas.
"In welche Richtung jetzt?", fragte Bobby, der auf dem Beifahrersitz
saß, während Maya und Sam auf dem Rücksitz Platz genommen hatten.
"Weiter nach Norden.", sagte sie. "Moment, er hat den Wagen gestoppt!"
"Na toll! Dein Plan scheint ja hervorragend zu funktionieren.", wetterte
Dean.
"Wir müssen abwarten. Er bringt sie bestimmt zu dem Dämon."
"Ach ja? Und was macht er vorher alles noch?"
"Junge, vielleicht sollte ich lieber fahren.", versuchte Bobby es, doch
er erntete nur einen vernichtenden Blick von seinem Nachbarn.
Dean stoppte den Wagen, stieg aus und ging zum Kofferraum. Sam folgte ihm.
"Was machst Du, Alter?"
"Ich blase dem Kerl den Kopf weg. Was interessiert mich ein Dämon mehr
oder weniger, ich will sie jetzt zurückholen! Eve ist außer Gefahr!"
"Wenn Du jetzt unsere Tarnung auffliegen lässt, dann tötet er Julie
wahrscheinlich sofort. Willst du das wirklich riskieren? Versuch Dich zu
beruhigen."
"Sag mir nicht, was ich tun soll, Sammy!", fuhr Dean ihn an.
"Ich verstehe, was in Dir vorgeht, okay?", gab Sam zurück. "Aber wir
haben keine Chance gegen ihn, wenn wir ihn nicht überraschen. Er wird
nicht damit rechnen, dass wir bei dem Dämon auftauchen!"
Dean schlug den Kofferraumdeckel fest zu und lief einige Schritte, dann
drehte er sich wieder zu Sam um und blickte ihn wütend an.
"Na schön!", sagte er. "Aber ich schwöre Dir, ich werde nicht eine
Sekunde zögern. Wenn wir dort ankommen, verpasse ich ihm ein ganzes
Magazin Kugeln!"
"Tu das!", rief Sam. "Aber jetzt komm wieder runter, Mann."
Julie hielt den Atem an, als Eli den Wagen stoppte und sich ihr zuwandte.
"Meine Pläne mit Dir haben sich geändert. Ich weiß, dass Gienah einen
Zauber ausgesprochen hat, der momentan verhindert, dass Du sprechen
kannst. Aber jetzt brauche ich Deine Stimme wieder."
Er legte eine Hand auf ihren Kehlkopf, schloss die Augen und flüsterte
etwas, das sie nicht deutlich verstehen konnte. Julie überkam eine
Gänsehaut, als sie erneut spürte, wie er seine Macht einsetzte. Vor der
Zerstörung der Blockade in ihrem Gedächtnis hatte sie nichts dergleichen
gespürt wenn Eli einen Zauber ausgesprochen hatte - doch nun war es
anders. Als er die Augen wieder öffnete, sah er sie wütend an.
"Da war nichts.", sagte er überrascht. "Was hast Du getan? Wolltest Du
mich zum Narren halten?"
Er packte ihre Haare und riss ihr den Kopf nach hinten. Sie presste die
Zähne zusammen, als er den Zug nochmals verstärkte.
"War das euer Plan? Wolltest Du warten bis wir bei Ihm sind, um ihn dann
zu töten? Und hat Dir Deine kleine Hexenfreundin einen Zauber gezeigt,
wie Du mich ebenfalls überlisten kannst?"
Julie sog den Atem ein, als er ihr selbst diese Möglichkeit nannte, wie
sie zumindest verhindern konnte zu verraten, dass die anderen ihnen folgten.
"Ja.", presste sie hervor. "Genau so ist es."
Er ließ sie los und ihr Kopf sank nach vorne.
"Du unbebildetes Ding wirst doch nicht im Ernst geglaubt haben, etwas
gegen mich ausrichten zu können! Deine stümperhaften Versuche würde ich
mühelos abwehren.", er griff nach ihrem Kinn und drehte ihren Kopf in
seine Richtung. "Wenn ich mit Dir fertig bin, wirst Du für diesen
Täuschungsversuch bezahlen."
Maya schwieg, als Dean und Sam sich wieder in den Wagen begaben. Sie
hatte gefühlt, dass der Hexer bei Julie erneut Magie angewandt hatte,
aber scheinbar hatte er ihren Verfolgungszauber nicht bemerkt. Dennoch
beschlich sie das ungute Gefühl, dass etwas schief gegangen war. Sie
wollte jedoch die angespannte Stimmung nicht noch mehr aufheizen,
solange sie sich nicht sicher war. Deans Gefühlschaos war schwer
abzublocken und Sams Sorge um ihn war mehr als erdrückend - es war nicht
leicht, die Kontrolle über die eigenen Gedanken und Gefühle zu behalten,
wenn Maya auf so engem Raum mit so hochtobenden Emotionen konfrontiert
wurde. Bobby schien zu erahnen was in ihr vorging und hatte sich vor
einem Augenblick nach ihrem Zustand erkundigt. Maya schätzte ihn sehr
für seine väterliche Fürsorge, die er immer in den richtigen Momenten
aufflackern ließ.
"Sind sie weiter gefahren?", fragte Dean nun.
"Nein, wir müssen leider noch warten.", gab sie zurück.
Sie spürte eine erneute Welle der Wut und Frustration und gleichzeitig
ein Schuldgefühl bezüglich seines Verhaltens gegenüber Sam, die von Dean
ausging. Gleichzeitig fühlte sie die Nervosität und Sorge von Sam - die
beiden Brüder hatten eine weit engere Bindung als sie es jemals erwartet
hätte.
Eli bemühte sich, seine Wut wieder unter Kontrolle zu bekommen. Wenn er
seinen Plan jetzt ausführen wollte, musste er absolut ruhig und
ausgeglichen sein. Er atmete einige Male tief durch und fasste in seine
Manteltasche. Dann wandte er sich dem Mädchen wieder zu.
"Wie ich bereits sagte, habe ich mir etwas anderes überlegt. Du wirst
meinen Meister nie zu Gesicht bekommen."
Die Augen der jungen Frau wurden groß und sie richtete ihre
Aufmerksamkeit nun auf den Gegenstand in seiner Hand. Er entfaltete das
Papier auf dem der Transferzauber geschrieben war den er nicht hatte
anwenden können weil seine Kraft nicht ausgereicht hatte.
"Ich will, dass Du Deine Kraft auf mich überträgst. Wenn Du etwas
anderes versuchst, töte ich Dich."
Er holte einen weiteren Gegenstand aus seiner Tasche und ließ das Messer
aufklappen. Ruhig führte er es an ihren Hals, was sie erstarren ließ.
"Und wie tue ich das?", fragte sie panisch.
"Wie ich schon sagte - ungebildet und stümperhaft! Konzentriere Dich und
fang an den Zauber zu sprechen - die benötigte Energie wird ganz von
alleine durch Deinen Körper fließen."
Er legte das Papier auf ihren Schoß und sie fing an zu lesen. Bereits
nach dem ersten Satz spürte er eine größere Ansammlung von magischer
Kraft, die er jemals hatte aufbringen können und er erwartete mit Freude
die Ankunft dieser Fähigkeiten in seinem Körper. Die ersten Worte hatte
sie zunächst noch stockend ausgesprochen, doch dann wurden ihre Worte
flüssiger und schneller, als die Energie ihren Körper durchfloss.
"... ben zi bena,
bluot zi bluoda
lid zi geliden
sose gelimida sin."
Es war getan - mit einer unvergleichlichen Welle spürte Eli, wie ihre
Energie auf ihn überging, wie sie sich voll und ganz mit der Seinen
vereinigte und schließlich in ihm zur Ruhe kam. Ein Gefühl von
Zufriedenheit und absoluter Macht breitete sich in ihm aus. Jetzt würde
er sich nichts mehr befehlen lassen müssen - er würde Gienahs Tod rächen
und Akrab vernichten!
Er richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder auf das Mädchen, die völlig
apathisch aus dem Fenster in die Dunkelheit starrte. Langsam nahm er das
Messer von ihrem Hals und legte es in ihre Hand. Ihr Blick fiel auf die
Klinge und er wusste, dass sie ihn nur zu gerne verletzen würde - aber
ihre Kraft würde nicht ausreichen um die Aktion schnell genug
auszuführen. Er lächelte und beobachtete ihren Gesichtsausdruck, als ihr
dies klar wurde. Er zog ihre andere Hand herüber und legte die Klinge
auf das Symbol auf ihrer Handfläche.
"Ich will, dass Du es diagonal durchschneidest. Ein kleiner Schnitt
genügt bereits.", sagte er und sie umklammerte zitternd das Messer.
Langsam wurde er ungeduldig. Er selbst konnte das Symbol nicht
zerstören, genausowenig wie ein Dämon - nur sie selbst konnte es
unwirksam machen.
"Tu es!"
Julie fühlte sich leer und schwach - wie ausgefegt. Sie hatte es
tatsächlich getan. Sie hatte Eli ihre Kräfte übertragen. Was machte das
nun aus ihm? Würde ihn überhaupt noch jemand aufhalten können?
Und nun sah sich überdeutlich erneut der Situation ausgesetzt, die sie
mit Anna, dem Dämon, bereits durchlebt hatte. Aber damals hatte sie Anna
mit einem Exorzismus bekämpfen können - gegen Eli hingegen war sie machtlos.
Ihre Gedanken fingen nun an zu rasen - wenn sie das Symbol zerstörte,
würde er sich ihre Erinnerungen holen, so wie Anna es vorgehabt hatte
und wie Gienah es angedeutet hatte? Und was würde Eli dann tun?
"Du verschwendest meine Zeit!", rief er. "Du denkst, Deine Freunde wären
in Sicherheit? Ich bin jetzt so mächtig, dass ich, sobald ich einen von
ihnen erwische, ihn mit nur einem einzigen Wort auslöschen kann. Du hast
keine Vorstellung davon, wozu ich fähig bin. Zwing mich nicht, Dir meine
Macht zu demonstrieren."
Julie spürte, wie Tränen in ihr aufstiegen. Lieber würde sie sterben,
als nochmals jemanden von den anderen leiden zu sehen. Sie biss die
Zähne zusammen und schloss die Augen, dann zog sie die Klinge über ihre
Hand. Ein brennender Schmerz durchfuhr kurz ihren gesamten Körper, dann
blieb jedoch nur noch das Gefühl der verletzten Haut zurück und sie
öffnete die Augen.
Der Hexer blickte mit einem fast wahnsinnig erscheinenden Lächeln auf
ihre Hand und dann schoss sein Blick hoch. Sie erschauderte und hielt
die Luft an, als er ihr das Messer aus der Hand nahm und seine
Handflächen zu ihren Schläfen führte.
Eli glaubte seinen Augen kaum zu trauen zu können, als er beobachtete,
wie sie tatsächlich auch das Symbol zerstörte. Das aus der Wunde
austretende Blut tropfte auf den Sitz seines Wagens, doch das kümmerte
ihn im Augenblick wenig. In wenigen Sekunden würde er über das Wissen
eines Dämons verfügen, was ihn zu dem gefährlichsten und mächigsten
Magier aller Zeiten machen würde. Er nahm das Messer weg und konnte es
kaum erwarten, all das Wissen in sich aufzunehmen, das sich in diesem
Geist befand.
Er führte seine Hände zu den Schläfen des Mädchens und sprach einen
einfachen Transferzauber - er würde ausreichen, um in ihren Kopf
einzudringen und die gewünschten Informationen zu suchen und zu übertragen.
Mit geübter Sicherheit arbeitete er sich durch ihren Geist und fand,
wonach er suchte. Nur Sekunden später hatte er das Wissen in sich
aufgenommen und ließ den Kopf des Mädchens los. Bewusstlos sackte sie
zusammen und Eli lachte laut auf, als ihm langsam klar wurde, wie
machtvoll er war. Er verstand nicht nur jeden einzelnen Zauber den er
nun in sich trug, er wusste auch die Bedeutung der Exorzismen und
Symbole. Außerdem verspürte er eine leichte dämonische Kraft in ihm,
anders als die Macht, die ihm Akrab sonst übertrug und die ihm mehr als
willkommen war - er war jetzt unbesiegbar.
Noch immer laut lachend stieg er aus und ging zum Kofferraum des Wagens.
Er öffnete den Deckel, ging zur Beifahrertür und zog das bewusstlose
Mädchen heraus. Er legte sie in den Kofferraum und schlug den Deckel zu.
Wenn Akrab und all seine Gehilfen beseitigt sein würden, dann würde er
sich mit ihr befassen und ihren Täuschungsversuch mit grausamer Härte
bestrafen.
"Verdammt!", stieß Maya hervor.
"Was ist los?", fragte Sam und alle Augen richteten sich auf sie.
"Da passiert etwas - ich spüre, dass eine große Menge an Energie
freigesetzt wurde. Entweder der Hexer oder Julie haben einen Zauber
benutzt!"
"Aber sie sind doch noch nicht bei dem Dämon, oder?"
"Nein! Sie haben sich noch nicht aus dem Wagen entfernt.", antwortete
sie hektisch. "Verdammt noch mal, was macht der Kerl nur?"
Sie schloss die Augen, als sie erneut den Einsatz von Energie wahrnahm.
Dean schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad und startete dann den Motor.
"Dean, nein!", rief Sam.
Doch er ignorierte seinen Einwand, schaltete die Scheinwerfer aus und
trat das Gaspedal durch.
Eli startete den Motor und fuhr los. Noch nie war er sich einer Sache so
sicher gewesen wie dieser - er würde sich aus der Abhängigkeit von Akrab
lösen und endlich frei sein. In seinem Kopf befanden sich nun mehr als
ein Dutzend Sprüche, mit denen er einen Dämon innerhalb von Sekunden
töten konnte und er war mehr als gespannt darauf, sie auszuprobieren.
Ben lenkte den Volvo durch die Dunkelheit und Evie stieß einen
frustrierten Laut aus.
"Du hast sie verloren!", rief sie.
"Wir hatten sie noch nicht mal gefunden, Eve! Wir sollten zurückkehren
und auf sie warten, bevor wir uns noch ganz verfahren!"
Plötzlich schoss ein schwarzer Wagen mit halsbrecherischer
Geschwindigkeit aus dem Nichts kommend im Licht ihrer Scheinwerfer
vorbei und Eve schrie auf.
"Das war Deans Auto!", sagte Ben und lenkte den Wagen langsam hinterher.
"Mach die Scheinwerfer aus, Du verrätst uns noch!"
"Dann kann ich nicht fahren! Das hier ist ein Neuwagen! Weißt Du, wie
teuer die Versicherung ist?"
Eve stieß erneut einen frustrierten Laut aus.
"Dean kann es doch auch! Es ist hell genug! Wir haben Vollmond und die
Wolken haben sich verzogen, Du Hornochse!"
Ben seufzte und schaltete die Scheinwerfer ab. Zu seinem Erstaunen
erkannte er tatsächlich noch genug, um den Wagen weiter auf der Straße
halten zu können.
"Hatte ich recht?"
"Ja.", gab er angespannt zurück.
Dean hatte es gerade noch geschafft dem Wagen auszuweichen, der aus
einer Seitenstraße auf sie zugekommen war. Er ignorierte die Versuche
der anderen ihn zur Vernunft zu bringen - er konnte im Moment einfach
nicht vernünftig sein, sondern er wollte lediglich Julie zurück. Alles
andere war ihm egal.
Es war ihm egal, ob sie einen Dämon mehr am Hals hatten. Er würde sie
sowieso alle von ihnen jagen und töten. Und er würde diesem verdammten
Schwein von Hexer keine Gelegenheit geben, Julie nochmals etwas anzutun.
Als vor ihm die Rücklichter eines weiteren Wagens auftauchten, arbeitete
sein Verstand wieder glasklar und er nahm den Fuß vom Gas.
"Das ist er! Dean, lass Dich zurückfallen!", sagte Maya.
"Bin schon dabei.", gab er zurück.
Dann durchfuhr plötzlich ein Ruck den Impala und ein lautes Geräusch war
zu hören.
"Ben! Pass auf!", rief Eve, aber es war bereits zu spät.
Mit einem lauten Krachen kollidierten sie mit dem Heck des Impala, den
sie viel zu spät in der Dunkelheit erkannt hatten.
"Scheiße! Mein Volvo!", stieß Ben hervor und öffnete die Fahrertür.
Dean riss ebenfalls die Fahrertür auf, stieg aus und kam auf ihn zu.
"Du Idiot!", schrie er ihn an, packte ihn am Kragen und zog ihn aus dem
Wagen. Dann stieß er ihn wütend von sich. "Was zum Teufel macht ihr hier?"
Ben taumelte einige Schritte nach hinten und streckte seine Hände nach
vorne, als Dean erneut auf ihn zukam.
Sam, der wie alle anderen, inzwischen ebenfalls aus dem Impala gestiegen
war, lief zu Dean hinüber und hielt ihn zurück.
Kochend vor Wut versuchte Dean, sich aus seinem Griff zu winden, doch
Sam ließ nicht locker.
"Lass mich los!", rief er.
"Nein! Dean, hör auf!", sagte er. "So hilfst Du Julie nicht, okay?"
"Es war ein Unfall!", rief Eve nun.
Dean stieß einen lauten, wütenden Schrei der Frustration aus und Sam
spürte, wie sein Widerstand brach und er zusammensackte. Sam lockerte
seinen Griff um Deans Arm, den er auf seinem Rücken festgehalten hatte
und ließ sich mit ihm zusammen auf die Knie sinken. Er spürte, wie Deans
Körper zitterte, als die Anspannung aus seinen Muskeln wich. Schnell
schloss er seine Arme um ihn und hielt ihn fest.
"Dean?", besorgt stellte er fest, dass Dean keine Anstalten machte, sich
aus der Umarmung zu lösen. Das hatte er nicht erwartet.
"Ich kann nicht mehr, Sammy.", hörte er leise die Antwort.
"Dean, Du musst das hier nicht alleine tun. Wir sind auch noch da, um
Dir zu helfen."
Er ließ ihn los, neigte sich zur Seite und setzte sich so vor ihn, dass
er ihn ansehen konnte. Dean hielt den Blick auf den Asphalt gerichtet
und schien mit einem Mal wie erstarrt.
"Hör zu Mann, es ist klar, dass Du wütend bist und den Kerl am liebsten
schon tot sehen würdest.", sagte Sam ruhig. "Und ich weiß schon eine
Weile, dass es Dir gar nicht gut geht. Auch, wenn Du uns allen etwas
Anderes glauben machen willst."
Dean stieß trotzig die Luft aus seinen Lungen und blickte Sam nun an.
"Es ist in Ordnung wenn Du versuchst, stark zu bleiben!", fuhr er fort.
"Aber es ist nicht okay, dass Du Dich damit kaputt machst, mich
ausschließt und Dir nicht helfen lässt, wenn es zu viel wird. Also
bitte, Dean - lass uns diese Sache hier gemeinsam durchstehen."
Deans Unterlippe zitterte und Sam glaubte einen Moment lang, sein Bruder
würde sich wieder zurückziehen, doch dann nickte er und blickte ihn mit
Tränen in den Augen an.
"Okay, Sammy."
Er atmete erleichtert auf und zog Dean mit sich auf die Beine. Schnell
taten die Umstehenden so, als hätten sie die Szene gerade nicht
beobachtet und belauscht, sondern liefen hinüber zu Bobby, der sich den
Schaden an den Autos besah. Nur Maya kam auf sie zu, griff nach Sams
Hand und lehnte sich an ihn, während sie ihm beruhigend über den Arm strich.
"Hey.", rief Bobby. "Wir können weiter fahren!"
Dean warf Sam nochmals einen dankbaren Blick zu, dann ging er hinüber zu
den beiden Wagen.
"Ben, Dein Auto ist hinüber, aber der Impala ist noch fahrbereit.",
erklärte Bobby.
"Na toll! War ja klar!", entfuhr es Ben, doch mit einem Blick auf Dean
verstummte er.
"Fahrt weiter, es ist meine Schuld.", sagte Eve kleinlaut. "Ben und ich
werden hier auf den Abschleppdienst warten und ihr holt Julie da raus."
Dean besah sich kurz den Schaden - den eingedrückten Kofferraum und die
zerbeulte Stoßstange, dann stieg er ohne ein weiteres Wort ein und
startete den Motor, der auch sogleich ansprang.
"Der Wagen wurde wieder gestoppt, aber Julie ist nicht ausgestiegen.",
sagte Maya. "Folge einfach weiter der Straße."
Nach wenigen Minuten tauchte auf der rechten Seite ein großes,
herrschaftliches und beleuchtetes Gebäude auf. Dean stoppte den Impala
und sie stiegen aus. Sie standen vor einem großen, verschlossenen Tor
und einem Weg, der zum Haus hin führte. Ein schwarzer alter Wagen stand
vor dem Eingang und Dean erkannte zwei Personen, die regungslos vor der
Haustüre lagen.
"Julie ist noch in dem Wagen?", fragte er.
Maya nickte. "Ich bin mir ganz sicher. Der Hexer muss alleine ins
Gebäude gegangen sein."
"Okay, ich klettere über das Tor. Ihr wartet hier, bis wir euch von
innen öffne. Dann kommt ihr nach.", sagte Sam und machte sich gleich an
das Erklimmen des schmuckvoll verzierten Eisentors.
Kurz darauf landete er auf der gegenüberliegenden Seite und betätigte
einen Schalter, der sich in einem kleinen Kasten auf der linken Seite
der beiden Säulen befand, in die das Tor eingefasst war. Es ertönte ein
Summen und das Tor schwang auf.
Bobby, Dean und Maya betraten nun ebenfalls das Grundstück und zusammen
machten sie sich auf den Weg zum Eingang.
Je näher sie dem Wagen kamen, desto deutlicher wurde, dass die beiden
Männer vor der weit offen stehenden Haustüre tot waren. Sam und Dean
tauschten angespannte Blicke, während sie ihre Waffen schussbereit
hielten. Als sie den schwarzen Phantom erreichten, lief Maya sofort zum
Kofferraum.
"Sie ist da drin."
"Was?", stieß Dean ungläubig hervor.
"Es geht ihr gut, keine Sorge. Sie ist bewusstlos, aber unverletzt.",
sagte Maya schnell und versuchte, ob sich der Deckel öffnen ließ.
"Abgeschlossen!", stieß sie frustriert hervor.
"Was sonst?", gab Dean zurück und griff in seine Jackentasche.
Er drückte Bobby seinen kleinen Beutel mit den Dietrichen in die Hand.
"Holt ihr sie da raus und bringt sie in Sicherheit. Sam und ich gehen rein."
"Ihr könntet meine Hilfe gebrauchen!", sagte Maya.
"Er könnte aber auch deine Anwesenheit spüren.", antwortete Sam. "Wir
machen das schon. Tut einfach, was Dean gesagt hat."
Dann verschwanden die Beiden im Haus und Maya blickte ihnen besorgt
hinterher.
Eli fühlte sich ungemein befriedigt. Er hatte sie alle getötet. Ohne
Ausnahme. Akrab, Thuban, alle Dämonen die sich hier als Bedienstete und
Speichellecker aufgehalten hatten. Und es hatte sich gut angefühlt. Die
Macht war durch seine Adern geflossen wie noch nie zuvor und erfüllte
ihn mit einem Gefühl der absoluten Ruhe. Er war frei und konnte endlich
ein Leben wie damals, ohne Regeln und Befehle führen.
Er schritt durch die große Eingangshalle und sah sich um. Vielleicht
würde er hier sogar sein neues Domizil gründen. Dieses pompös
ausgestattete Haus passte nur zu gut zu seinem neuen Lebensstil. Aber
jetzt würde er sich zuerst noch um das Mädchen und die Jäger kümmern -
sie hatten alle den Tod verdient und kein lächerlicher Schutzzauber
würde ihn jetzt noch abhalten können!
Er stoppte, als er rechts von sich ein Geräusch vernahm und schoss
herum. Das Letzte was er wahrnahm war der Anblick von zwei
Pistolenläufen, die auf ihn gerichtet waren und das laute Geräusch, als
eine Kugel abgefeuert wurde, die in seinen Schädel eindrang.
Er nahm nicht mehr wahr, wie noch fünf weitere Kugeln seinen Körper
durchschlugen und sein neues, wunderbares Leben beendeten, noch bevor es
richtig begonnen hatte.
Mit zitternden Händen ließ Dean die Waffe sinken und starrte auf den
toten Körper zu seinen Füßen.
Sam rührte sich als erster und überprüfte den Puls des Hexers - der
natürlich nicht mehr zu finden war.
"Du hast ihn durchlöchert wie ein Sieb!", stieß Sam hervor und blickte
zu seinem Bruder auf.
"Wie ich gesagt hatte.", gab Dean dumpf zurück und sah sich um.
Mehrere Leichen waren im Raum verteilt und so wie der Hexer sich durch
das Haus bewegt hatte ging er nicht davon aus, dass hier noch irgend
jemand am Leben war und eine Gefahr darstellte.
Dennoch bohrte sich die Frage in sein Gehirn, wie er plötzlich so
mächtig geworden war und sich gegen seinen eigenen Herrn wenden konnte.
Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen - er hatte Julie zurück
gewollt, um einen Transferzauber auszusprechen. Jedoch nicht für den
Dämon, sondern für sich selbst!
"Julie!", stieß er hervor und lief wieder hinaus zum Wagen, wo Bobby es
gerade geschafft hatte, das Schloß zu knacken.
Dean konnte sich später nicht mehr genau daran erinnern, was in den
nächsten Minuten geschehen war. Nur bruchstückhaft sah er vor sich, wie
Julie leblos in dem Kofferraum lag, wie ein Gepäckstück, das man lieblos
hinein geworfen hatte. Er wusste noch, dass Bobby irgend etwas zu ihm
gesagt hatte und dieser Julie dann aus dem Kofferraum gehoben hatte. Sam
war aus dem Haus gekommen und hatte ihn mit sich gezogen. Maya hatte auf
ihn eingeredet - doch auch an das was sie gesagt hatte, konnte er sich
nicht mehr erinnern. Er wusste, dass er Julie im Impala in seinen Armen
gehalten hatte, doch klar erinnern konnte er sich erst ab dem Moment,
als er sich in Bobbys Haus befand und als endlich zu ihm durchdrang,
dass es Julie tatsächlich wieder gut gehen würde und dass Maya ihr
helfen konnte.
Als Julie die Augen öffnete fand sie sich unerwartet in einem weichen
Bett wieder und weder Kopfschmerzen, noch sonst irgend etwas quälte sie.
Sie drehte den Kopf zur Seite, als sie ein erleichtertes Aufatmen hörte
und blickte direkt in Deans Gesicht, der sie anlächelte.
"Hey.", sagte er und legte ihr seine warme Hand auf die Wange.
Sie blinzelte müde, doch dann kam die Erinnerung zurück. Sie schreckte
hoch und sah sich um. Wie war sie in Bobbys Haus zurück gelangt?
Dean erhob sich aus dem Sessel, der vor dem Bett stand und setzte sich
auf die Bettkante.
"Es ist alles in Ordnung."
"Dean! Geht es allen gut? Was ist passiert?"
Sie stützte sich ab und zuckte zusammen, als ein stechender Schmerz ihre
Hand durchfuhr. Sie zog sie hervor und entdeckte einen Verband.
"Der Hexer ist tot, es geht allen gut, Eve lebt ebenfalls und wir sind
in Sicherheit.", erklärte Dean schnell und nahm ihre Hände in die
Seinen. Er sah ihr fest in die Augen. "Und geht es Dir auch gut?",
fragte er.
Sie nickte und war unglaublich erleichtert.
"Maya hat hier so einiges angestellt und meinte, es sollte Dir besser
gehen, wenn Du aufwachst. Hast Du Hunger?", redete er weiter und ließ
ihre Hände wieder los. "Wann war das letzte Mal, dass Du etwas gegessen
hast?"
Julie blickte ihn verwirrt an. Wie konnte er ihr jetzt so banale Fragen
stellen wie die, ob sie hungrig war - obwohl sie zugeben musste, dass
sie furchtbar hungrig und durstig war.
"Hier.", er hielt ihr einen Teller mit Pfannkuchen vor die Nase. "Sam
hat die gemacht, natürlich hat er eine Backmischung benutzt und Bobby
hat ihn aus der Küche verbannt, nachdem er das Chaos entdeckt hatte,
aber sie schmecken ganz passabel. Und hier habe ich noch Sirup, wenn Du
willst. Und Tee! Ich hasse Tee, aber Maya sagte, er würde Dir guttun."
Sie griff nach seinem Arm, als er sich streckte, um nach der Flasche mit
dem Sirup zu greifen.
"Dean, ist wirklich alles in Ordnung?", fragte sie, weil sein Verhalten
sie mehr als irritierte.
Er ließ die Hände sinken und stellte den Teller auf ihrem Schoß ab.
Nervös fuhr er sich mit der Hand durch die kurzen Haare und blickte sie
nun wieder an.
"Ja.", antwortete er. "Es ist nur, ich kann nicht glauben, dass alles
vorbei ist und es Dir gut geht. Ich bin einfach nur so froh, dass es Dir
gut geht!"
"Du wiederholst Dich.", sagte sie.
"Maya sagte, er hat Dir Deine Fähigkeiten genommen und die Erinnerungen
des Dämons.", rückte Dean nun mit der Sprache heraus. "Aber Du bist
wirklich okay?"
"Ja, Dean. Es geht mir gut. Ich fühle mich sogar erleichtert, dass ich
das alles los bin.", sagte sie schnell, obwohl sie noch gar nicht
richtig über ihre neue Situation nachgedacht hatte.
"Ich habe den Kerl getötet.", stieß er plötzlich hervor. "Nicht nur
getötet... ich habe ihn regelrecht hingerichtet, Julie. Und es macht mir
Angst, zu was ich fähig bin."
Sie wusste nicht genau, was vorgefallen war, aber sein aufgewühlter
Zustand ließ sie all ihre Fragen vergessen. Sie stellte den Teller zur
Seite, schlug die Decke zurück und kniete sich hinter ihn. Fest umarmte
sie seinen Oberkörper und legte ihr Kinn auf seine Schulter.
"Ich bin Dir unendlich dankbar dafür, dass Du das getan hast.", sagte
sie und ließ ihre Hände an seinen Armen hinunter gleiten, bis sie seine
Finger erreichte und sie umschloss. Er lehnte sich leicht nach hinten
und seufzte.
"Du siehst müde aus.", flüsterte sie. "Komm, leg Dich zu mir. Du kannst
mir später alles erzählen."
"Nein.", gab er zurück und schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht müde."
Sie ließ ihn los und rückte zur Seite. "Komm schon."
Er seufzte erneut und rutschte dann doch neben sie, ihr den Rücken
zugewandt und den Kopf auf seinem angewinkelten Arm abgelegt. Sie strich
ihm sanft über die Schulter und rückte näher an ihn heran. Ihre Fragen
konnten warten, bis es ihm besser ging. Sie waren in Sicherheit und es
war vorbei - das war jetzt alles, was zählte. Sein Atem wurde langsam
ruhiger und auch ihre Anspannung schien etwas zu weichen.
"Was ist mit den Pfannkuchen?", murmelte er plötzlich.
Sie lächelte still.
"Vergiss die Pfannkuchen. Sam hat die doch nicht wirklich selbst
gemacht, oder?"
"Zusammen mit Maya. Lass die zwei Chaoten ja nie in Deine Küche.", gab
er zurück.
"Werde ich nicht.", flüsterte sie und legte ihren Kopf auf das Kissen.
Kurz darauf hörte sie, wie er leise schnarchte und sie schloss ebenfalls
die Augen, um über alles nachzudenken.
Maya lag neben Sam auf der Couch, der ganz vertieft in ein Buch zu sein
schien, während Bobby zusammen mit Eve und Ben die Küche wieder in
Ordnung brachte, nachdem ihr Pfannkuchenexperiment gründlich schief
gegangen war.
Sie hatten es Bobby nicht gesagt, aber irgendwie hatte das Öl in der
Pfanne bei einem der letzten Pfannkuchen Feuer gefangen und Sam hatte
schnell den Deckel auf die Pfanne gedrückt, bevor die Flammen den
darüber hängenden Küchenschrank erreicht hatten. Dadurch war ein Teil
der Backmischung umgefallen und hatte sich über den Boden und die beiden
Köche verteilt.
Jetzt saßen sie umgezogen im Wohnzimmer und hatten Küchenverbot. Maya
genoss die Stille und lächelte, als sie noch etwas Backpulver in Sams
Haaren entdeckte. Außerdem war sie erleichtert als sie spürte, dass
Julie aufgewacht war und es ihr gut ging.
"Sam?", fragte sie und er blickte auf.
"Ja?"
"Julie ist wach."
"Ach ja?", sofort legte er das Buch zur Seite.
"Bleib hier. Es geht ihr gut und Dean schläft."
"Er schläft?", Sam zog die Augenbrauen hoch.
"Solltest Du auch mal versuchen. Ist unheimlich erholsam.", gab sie
zurück und grinste.
Er lächelte und betrachtete sie einen Moment lang, bevor er sich auf sie
stürzte und sie kitzelte. Sie kicherte und versuchte, sich aus seiner
Umarmung zu winden. Die alte Couch ächzte gefährlich und schließlich,
als sie erkannte, dass sie keine Chance gegen ihn hatte, hielt sie still.
"Na, das hast Du nicht voraus gesehen, oder?", fragte er lachend und
hielt ihre Handgelenke fest.
"Wie sollte ich, wenn Du auch an was ganz anderes denkst!", beschwerte
sie sich.
"Das woran ich gedacht habe, ist ebenfalls sehr erholsam!", antwortete
er grinsend.
"Seit wann wirst Du nicht mal mehr rot, wenn Du schmutzige Gedanken
hast, Sammy?"
Er beugte sich hinunter, küsste sie und ließ seine Hände an den
Innseiten ihrer Arme hinunter gleiten, was ihr eine Gänsehaut über den
Rücken jagte. Sie schloss die Augen und genoss das Gefühl, als er ihren
Hals liebkoste und seine Hände nun über ihren Körper gleiten ließ.
Sie hielten beide inne, als sie ein Geräusch hörten und entdeckten Eve,
die sich gerade an ihnen vorbei zu schleichen versuchte.
"Lasst euch nicht stören.", sagte sie und schnitt eine Grimasse.
Sam seufzte laut und setzte sich auf.
"Entschuldigung!", fügte Eve noch hinzu und verschwand nun endgültig aus
dem Raum.
Maya lachte und blickte Sam an, der mit rosigen Wangen die Augen
verdrehte und leise fluchte.
"Wir kriegen noch unsere Chance, Tiger.", sagte sie lächelnd.
"Das ist nicht witzig.", gab er zurück, musste dann jedoch auch grinsen.
"Wir könnten in den Keller gehen."
"Wir könnten uns aber auch wie Erwachsene benehmen und die Spannung noch
ein Weilchen Aufrecht erhalten.", sagte Maya.
Die Enttäuschung in seinem Gesicht war nicht zu übersehen und sie sprang
auf.
"Ich bin gemein, ich weiß!", sie hielt ihm die Hand hin. "Los, komm
schon! Der Keller klingt gruselig - aber irgendwie doch verlockend!"
Er blickte sie mit großen Augen an und ergriff ihre Hand.
"Wo sind denn alle hin?", fragte Ben, als er mit Bobby die Küche verließ.
"Och, die Zwei sind im Keller.", plapperte Eve darauf los, als sie aus
dem Bad zurück kehrte.
"Oh!", ertönte es aus Bobbys und Bens Mund gleichzeitig und sie setzten
sich auf die Couch.
Eve lachte und ließ sich auf einem freien Stuhl nieder.
"Also Bobby - warum haben Sie so viele teure Bücher, dafür aber keine
bequemen Möbel?", fragte sie gerade heraus und Bobby runzelte die Stirn.
Seit ein paar Minuten betrachtete Dean, wie Julie schlief und er musste
lachen, als sie die Augen aufschlug und erschrak, weil er so nah bei ihr
lag. Sie drehte sich auf den Rücken und er legte seine Hand auf ihren
Bauch. Am liebsten würde er sie immer so nah bei sich haben.
"Wie lange tust Du das schon?", fragte sie.
"Was?"
"Na, mich beobachten?"
"Ich beobachte Dich doch nicht! Ich wollte Dich nur nicht wecken."
"Aha.", sie drehte den Kopf in seine Richtung. "Geht es Dir besser?"
Er nickte. "Und willst Du jetzt hören, was passiert ist?"
"Zuerst muss ich mal für kleine Mädchen.", antwortete sie und setzte
sich auf. "Gibt´s hier oben ein Badezimmer?"
"Gleich nebenan.", antwortete Dean und zog die Beine an, als sie aus dem
Bett kletterte.
Er sah ihr hinterher, wie sie den Raum verließ, lehnte sich dann wieder
zurück in die Kissen und streckte die Beine aus.
Der Schlaf hatte ihm tatsächlich gut getan und er konnte wieder klar
denken. Es erschien ihm zwar noch immer wie ein Wunder, dass sie alle
heil aus der Sache heraus gekommen waren, aber er war unglaublich
dankbar darüber.
Da fiel ihm ein, dass er unbedingt mit Sam sprechen musste. Sein Bruder
hatte in den letzten Tagen genug mit ihm zu kämpfen gehabt und er hatte
ihm noch nicht ein einziges Mal gesagt, dass er sich für ihn freute,
dass er und Maya sich näher gekommen waren.
Julie kam wieder zurück in den Raum, kroch zurück unter die Decke und
zog sie sich über den Kopf.
"Manchmal wünschte ich, es gäbe keine Spiegel auf dieser Welt.",
murmelte sie.
Dean lachte. "Ich habe Dir schon einmal gesagt, dass ich Deine
Sturmfrisuren ganz toll finde."
"Das glaube ich Dir nicht!", gab sie vorwurfsvoll zurück. "Ich lass mir
auch so eine praktische Kurzhaarfrisur wie Du verpassen!"
"Nein, tu das bitte nicht!", antwortete er lächelnd und hob die Decke an.
"Also, Dean. Was ist passiert?", fragte sie, nun wieder ernst.
"Eve ging es sofort wieder besser, nachdem Du zu ihm gegangen warst. Der
Hexer ist zu dem Haus des Dämons gefahren und hat sie alle umgebracht.
Als wir dort ankamen, waren sie bereits tot."
Sie machte große Augen und sah ihn überrascht an. "Er hat was?"
"Scheinbar war er durch Deine Energie so mächtig geworden und hat in den
Erinnerungen, die bei Dir gespeichert waren, ohne Mühe eine ganze Horde
Dämonen vernichten können. So hat es jedenfalls Maya interpretiert."
"Und was ist passiert, als ihr dort angekommen seid?"
"Sam und ich sind ins Haus gegangen und der Kerl ist wie ein
selbstverliebter Affe durch die Eingangshalle gelaufen. Naja und ich -
ich habe sofort abgedrückt."
"Das war auch gut so!", antwortete sie. "Er hat zu mir gesagt, dass er
euch mit einem einzigen Wort hätte töten können."
"Ach ja?"
"Ja! Und er hätte noch ganz andere Sachen angestellt, wenn Du ihn nicht
aufgehalten hättest!"
"Okay...", gab Dean zurück und sah sie forschend an. "Und wie kommst Du
klar damit dass Du jetzt..."
"Was, dass ich jetzt normal bin? Ich habe mir das seit Ewigkeiten
gewünscht, Dean! Ich wollte keine magischen Kräfte, keine dämonischen
Erinnerungen, keine verrückten Träume die mich veranlassen, meine Wände
voll zu schmieren. Ich bin wirklich froh, dass es vorbei ist!"
Er nickte und küsste sie sanft. Dann zog er sie an sich und hielt sie fest.
"Dean?"
"Mhm?"
"Könnte ich jetzt so einen Pfannkuchen bekommen? Ich glaube, ich
verhungere in genau einer Minute."
Er lachte laut, ließ sie los und griff nach dem Teller, der neben seinem
Kopf auf der Kommode stand.
Sam betrat verlegen das Wohnzimmer und wusste nicht recht, wie er sich
verhalten sollte als er die restlichen Anwesenden erblickte. Diese
jedoch -beziehungsweise Eve- ließen sich nicht beirren und setzten ihr
Gespräch fort.
Maya schien Sams Unbehagen zu spüren, setzte sich im Schneidersitz auf
den Boden und hörte Eve aufmerksam zu.
"Ich hätte mir ja schon längst eine dieser neumodischen Couchen
zugelegt, aber die Dinger sind so teuer!", erklärte Eve gerade.
Sam grinste als er sah, wie Bobby genervt die Augen verdrehte.
"Ich hab da kürzlich einen echt coolen Sessel gesehen - aber stell Dir
vor! Das Teil hat über 500 Dollar gekostet!", sagte Maya nun.
"Meine Rede!", gab Eve zurück und wedelte mit der Hand. "Wer kann sich
so etwas heute überhaupt noch leisten?"
"Also, wenn mein neuer Laden erst mal gut läuft, dann würde ich mir
schon überlegen ob das Geld nicht gut investiert wäre!", sagte Ben.
"Schließlich ist das doch Qualitätsware!"
"Ach Ben! Du mal wieder!", rief Eve. "Es gibt auch günstigere Sachen,
die durchaus mithalten können!"
Sam setzte sich neben Bobby und lehnte sich zu ihm hinüber.
"Wie lange geht diese Unterhaltung jetzt schon?", fragte er flüsternd.
"Zu lange! Wenn ihr euch das nächste Mal verzieht, warnt mich bitte vor!"
Er lachte leise, dann wurde seine Aufmerksamkeit zur Tür gelenkt, wo
Dean und Julie gerade herein kamen.
"Süße!", quietschte Eve, brach mitten im Satz ab, sprang auf und lief zu
ihr hinüber.
Sie umarmte sie stürmisch. Julie schien total überrascht von der
Überschwänglichkeit ihrer Freundin und ließ das Prozedere lächelnd über
sich ergehen.
"Was bin ich froh, dass es Dir gut geht!", Eve und besah sich Julie von
oben bis unten. "Du musst mir alles erzählen! Jedes Detail."
"Ja, auf jeden Fall.", antwortete diese. "Aber hat das noch ein bißchen
Zeit?"
"Wir haben alle Zeit der Welt, so schnell lass ich Dich nämlich jetzt
nicht mehr aus den Augen!"
Dean runzelte die Stirn und Sam biss sich auf die Unterlippe, um nicht
loszulachen. Er konnte sich schon vorstellen, was durch den Kopf seines
Bruders ging - er wollte Julie nämlich mit Sicherheit auch nicht mehr so
schnell aus den Augen lassen. Und Eves Anwesenheit kam in seinem Plan
bestimmt nicht vor. Endlich entfernte sich Eve von den Beiden und Ben
war der Nächste, der Julie umarmte, während die Anderen näher traten.
Mit Tränen in den Augen blickte sie in die Runde.
"Ich danke euch allen für eure Hilfe!", sagte sie und lehnte sich gegen
Dean, als dieser den Arm um ihre Schultern legte.
"Schön, dass es Dir besser geht.", sagte Sam.
"Julie und ich wollten kurz in ihre Wohnung fahren, damit sie sich
umziehen kann.", informierte Dean sie.
"Oh, wir werden hier warten, aber kommt schnell wieder und pass auf
meine Kleine auf, ja?", sagte Eve und zwinkerte Dean zu.
"Okay.", antwortete dieser nur und drehte sich um. Als sie außer
Sichtweite waren, schüttelte er den Kopf und Julie lachte, als sie
seinen verwunderten Gesichtsausdruck sah.
"Dir ist schon klar, dass Eve ein bißchen... ungewöhnlich ist?", fragte er.
"Ist mir noch nie aufgefallen.", gab sie lächelnd zurück und küsste ihn.
"Keine Sorge, sie kriegt sich bald wieder ein und dann ist sie viel
ruhiger."
"Wenn Du das sagst..."
Maya lief ihnen nach, also stoppten sie kurz vor der Haustüre.
"Maya! Vielen Dank für alles!", sagte Julie als sie sie entdeckte und
umarmte sie.
Sie war sich im Klaren darüber, dass Maya einiges dazu beigetragen
hatte, dass es ihr jetzt wieder gut ging.
"Das war doch selbstverständlich.", gab diese zurück. "Hört zu - ich
würde euch gerne begleiten und Deine Wohnung ebenfalls mit ein paar
Zaubern schützen. Der Hexer ist zwar erledigt, aber man weiß ja nie, wer
noch von Deinen Fähigkeiten gehört hat."
"Denkst Du, da könnte noch mehr passieren?", fragte Julie besorgt.
"Vorsichtig genug kann man nie sein, oder? Oh, ich habe außerdem noch
etwas für Dich.", sie griff in ihre Hosentasche und zog einen silbernen
Anhänger heraus. "Den habe ich von Bobby. Es ist ein Amulett, das ich
mit einem Schutzzauber versehen habe. Schwarze Magier und Dämonen
dürften Dich jetzt nicht mehr so einfach aufspüren können."
Julie griff nach der dünnen Kordel, an der das Schmuckstück befestigt
war. Vorsichtig nahm sie den Anhänger zwischen ihre Finger und
betrachtete das schön ausgearbeitete Symbol in dessen Mitte ein roter
Stein eingefasst war.
Bobby stieß nun ebenfalls zu ihnen, gefolgt von Sam.
"Das ist doch sicher sehr wertvoll, oder?", fragte Julie. "Bobby, das
kann ich nicht annehmen!"
"Ich will aber, dass Du es bekommst.", sagte er.
Sie blickte ihn dankbar an. "Es ist wunderschön."
Er grinste und winkte ab. "Ach! Los, verschwindet schon hier, Kinder!"
"Wie sieht´s aus Sammy, kommst Du auch mit?", fragte Dean.
"Kann ich Dich hier mit den Beiden alleine lassen, Bobby?", fragte Sam
mit einem frechen Grinsen.
"Geht schon bevor ich es mir anders überlege! Aber beeilt euch!",
grummelte dieser und ging zurück ins Wohnzimmer.
"Ich kann es nicht glauben, dass Ben auf Deinen Wagen aufgefahren ist!",
sagte Julie, als sie sich auf dem Weg zu ihrer Wohnung befanden.
"Im Grunde genommen war es von Vorteil.", sagte Sam. "Hätte der Unfall
uns nicht aufgehalten, wären wir früher beim Haus des Dämons angekommen."
"Ach ja?", fragte Dean. "Ich hoffe nur für Ben, dass seine teure
Versicherung für den Schaden an meinem Baby aufkommt!"
"Ganz sicher!", antwortete Julie und blickte aus dem Fenster, als Dean
den Impala vor ihrem Wohnhaus stoppte. "Da steht ja Eves Wagen!"
"Hier hat er sie wahrscheinlich gefunden."
Julie schluckte und konnte nur vermuten, was hier vorgefallen war. Sie
öffnete die Beifahrertür und folgte den anderen nach oben. Sam und Maya
machten sich sofort daran, die geeigneten Winkel für die Schutzzauber
auszusuchen. Julie blickte sich zunächst schweigend um. Es war ein
komisches Gefühl, in die Wohnung zurück zu kommen und alles noch so
vorzufinden, wie sie es vor ihrem Verschwinden verlassen hatte. Der
Kochtopf mit dem Wasser stand noch immer auf dem Herd, die Tasse mit
kaltem Kaffee noch auf dem Küchentisch. Noch einmal sah sie Dean
zusammengesunken und bewusstlos auf dem Stuhl sitzen und den Hexer
hinter ihm stehen. Dann jedoch fühlte sie, wie Dean hinter sie trat, die
Arme beschützend um sie legte und sein Kinn auf ihrem Scheitel ablegte.
"Alles okay?", fragte er.
"Ja.", antwortete sie und lehnte sich in seine Umarmung. "Ich hatte nur
gerade für einen Moment wieder alles vor Augen."
Sanft drehte er sie um und sie blickte zu ihm hoch. Seine Augen
strahlten durch das hereinfallende Sonnenlicht in einem tiefen Grün und
sein mitfühlender Blick gab ihr alles, was sie in diesem Moment
benötigte. Seufzend lehnte sie ihren Kopf an seine Brust und schloss die
Augen.
"Es ist vorbei.", flüsterte er leise.
"Wir hatten wirklich Glück."
Er fasste unter ihr Kinn und sie sah ihn erneut an. "Auch wir dürfen mal
ein Stück vom Kuchen abhaben, oder?"
Sie lächelte und löste sich von ihm. "Ich verschwinde kurz unter der
Dusche, wenn das okay ist?"
Er nickte. "Klar. Ich helfe Maya und Sam."
Sie ging zunächst in ihr Schlafzimmer, holte sich ihre Lieblingsjeans
und ihren warmen Kapuzenpullover sowie dicke Socken. Danach verschwand
sie im Badezimmer.
"Fertig!", verkündete Maya und ließ sich auf die Couch fallen.
Sam setzte sich neben sie und sah sich im Wohnzimmer um.
Maya hatte mehrere Schutzzauber um die Wohnung und das gesamte Haus
errichtet. Sie hatte ihnen erklärt, dass diese und auch das Amulett
dafür sorgen würden, dass Julie nicht nochmals von irgend welchen
undurchsichtigen Gestalten heimgesucht werden konnte.
"Gemütlich.", stellte er fest.
"Ja, und DAS nenne ich mal eine bequeme Couch!", rief Maya und lachte.
"Ich konnte es nicht fassen, dass Eve Bobby mit solchen Diskussionen quält!"
"Der arme Kerl war total genervt!", sagte Sam und grinste Dean an, der
mit verschränkten Armen im Raum stand.
"Und wo wart ihr?", fragte Dean.
"Oh, wir waren..."
"...beschäftigt.", schloss Maya den Satz und lächelte Sam mit einem
verträumten Blick an.
"Ich wollte euch noch sagen, dass ich mich für euch freue.", sagte Dean.
"Hey, wir haben nicht vor, morgen zu Heiraten!", antwortete Sam.
"Du weißt, was ich meine, Mann!"
Sam erhob sich von der Couch und sie standen sich einen Augenblick lang
unschlüssig gegenüber, bevor Dean ihn in eine kurze Umarmung zog.
"Jungs, ihr solltet euch sehen...", murmelte Maya und grinste.
"Oscarreif, echt!"
Dean lachte und vergrub die Hände in den Hosentaschen.
"Nun geh schon rüber zu ihr!", sagte Maya. "Oder willst Du Dir noch 20
Mal die Frage stellen ob es okay ist, wenn Du jetzt ins Bad gehst?"
"Oh Maya! Das ist so unfair!", rief Dean entsetzt. "Hör auf damit!"
"Jetzt geh schon!"
"Okay, okay! Ist ja gut, ich bin schon weg! Aber ich durchschaue Dich!
Du willst nur mit meinem Bruder alleine sein - auf dieser... dieser
bequemen Couch!"
"Bis später, Dean!", gab sie in einem Singsang zurück.
Er drehte sich um und ging aus dem Raum. Ein Grinsen breitete sich auf
seinem Gesicht aus und er freute sich wirklich für Sam, dass er jemanden
wie Maya gefunden hatte. Er zögerte nochmals, bevor er die Hand hob und
an die Tür des Badezimmers klopfte.
"Ja?", erklang es von drinnen.
"Ich bin es. Kann ich reinkommen?"
Sie öffnete die Tür, bereits vollständig bekleidet. Ein angenehmer Duft
von Parfum schlug ihm entgegen und obwohl sie nur ein paar alte Jeans
sowie einen übergroßen Pullover trug, hätte er sie in diesem Moment am
liebsten geschnappt und ins Schlafzimmer getragen. Ihre Gesichtsfarbe
hatte endlich wieder einen gesunden Ton angenommen und mit den noch
nassen, zurück gekämmten Haaren sah sie einfach unglaublich sexy aus.
Doch er hielt sich zurück. Im Moment stand ihr der Kopf sicher nach
anderen Dingen als nach Sex.
"Alles klar, Dean?", fragte sie.
Er räusperte sich und vergrub die Hände erneut in seinen Hosentaschen.
"Ja, klar. Ich wollte nur nach Dir sehen.", gab er zurück. "Hör mal -
heute ist doch Samstag, also dachte ich nach allem was war, sollten wir
uns einen gemütlichen-"
"Heute ist Samstag?", unterbrach sie ihn. "Heute ist Samstag! Oh Mann,
ich habe einen Truthahn im Supermarkt bestellt! Den muss ich abholen!
Und ich muss einkaufen! Wir wollen doch heute Abend alle zusammen essen!"
"Willst Du das wirklich machen? Bist Du schon fit genug dafür?", fragte
Dean.
Sie nickte. "Mir geht es gut und etwas Ablenkung tut uns allen gut,
oder? Ich habe so viele tolle Pläne für diesen Abend gemacht - wir
sollten ihn uns nicht nehmen lassen."
Dean war überrascht von ihrer Entschlossenheit und ihm gefiel die Idee,
den Abend mit allen zusammen zu verbringen.
"Gut. Ich werde Dir helfen."
Wenig später schob Dean einen Einkaufswagen durch die Gänge des
Supermarkts, während Julie die benötigten Zutaten aus den Regalen holte.
Er stoppte, als sie die Abteilung mit den Backwaren erreicht hatten.
"Hey, Muffins!", sagte er. "Lass uns heute Abend ein paar backen, als
Nachtisch! Ich liebe frische Muffins!"
Julie lächelte, lief zu ihm hinüber und nahm ihm die Schachtel aus der Hand.
"Na schön. Dann streiche ich den Kuchen und wir backen statt dessen
Muffins. Aber keine Backmischung."
"Du willst den Kuchen streichen? Welchen Kuchen?"
"Schokokuchen!", antwortete sie und lachte, als sie seinen bittenden
Gesichtsausdruck sah.
"Ich will beides!"
"Du kannst nicht alles haben, Muffin!", antwortete sie und ging einen
Schritt zurück.
Blitzschnell schoss er nach vorne, umfasste ihre Hüfte und hob sie hoch.
"Du nennst mich Muffin? Mich, den erfahrenen Jäger-"
"-und Sammler."
Er lachte und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
"Du bist ganz schön frech!"
"War ich schon immer.", gab sie zurück und grinste.
"Ich bin voll!", sagte Sam und winkte ab, als Julie nochmals mit dem
Topf zu ihm hinüber kam.
"Wir sind alle satt!", fügte Ben hinzu und grinste, als seine Schwester
ihm einen mahnenden Blick zuwarf. "Du brauchst gar nicht so böse zu
gucken! Deine Portionen kann kein Mensch aufessen!"
"Doch, ich.", Dean hob demonstrativ seinen Teller hoch. "Einen Löffel
nehme ich noch."
"Dir ist schon klar, dass es noch Nachtisch gibt, oder?", fragte Sam.
"Schokokuchen und Muffins!", antwortete Dean stolz und legte das Gewicht
auf das Wort "und". "Ich darf mit Stolz behaupten, dass sie viel besser
gelungen sind, als Deine Pfannkuchen!"
"Hey!"
"Fangt mir ja nicht mit den Pfannkuchen an, Jungs!", schaltete sich nun
Bobby ein. "Sam, Du schuldest mir eine neue Pfanne."
"Wie bitte?"
"Du hast mich schon verstanden."
"Ach, wo wir gerade von Schulden reden... Ben, was ist nun? Deine
Versicherung übernimmt doch den Schaden am Impala, oder?", fragte Dean
mit vollem Mund.
"Ja sicher doch! Die werden mich zwar hochstufen, aber-"
"Das will ich nicht hören! ´Ja´ genügt mir vollkommen!", unterbrach er
ihn mit einer erhobenen Hand und warf Julie einen vielsagenden Blick zu.
Diese seufzte zufrieden und blickte in die Runde.
Sam und Maya sahen sich verliebt in die Augen, Eve wagte einen
Annäherungsversuch und fingerte unter dem Tisch nach Bens Hand und Bobby
hatte sich entspannt zurück gelehnt.
Zuletzt traf ihr Blick auf den von Dean und sie fühlte eine tiefe
Verbundenheit mit ihm. Er stand auf und kam zu ihr hinüber.
"Und? Bist Du zufrieden mit Deinem Abend?", fragte er.
"Ich bin mehr als zufrieden. Ich bin sehr glücklich, dass ihr alle hier
seid.", antwortete sie und schloss ihn in ihre Arme.
-ENDE-
