Traurig und müde verließ Harry Potter nach einem langen, anstrengenden Tag, seine Räume, die in der Nähe des Gryffindor Turmes lagen.
Wie so oft in den letzten Jahren war sein Ziel ein einsamer Platz am See, den die Schüler nicht kannten.
Als er dort ankam ließ er sich in das trockene,
warme Gras am Ufer fallen und seuftze leise auf.
Auch heute
wanderten seine Gedanken bald einige Jahre zurück.
'Die
große Schlacht.'
dachte er bitter. ‚Und
immer noch sehen alle in mir den Helden, dabei hätte es diese
Schlacht ohne mich gar nicht gegeben. Lupin, Tonks, Hedwig, Fred, Mad
Eye und all die anderen würden noch leben und Ginny hätte
sich nicht von mir getrennt, weil sie als einzige verstanden hat, was
für ein Monster ich bin.'
Trotzdem
das seitdem zehn Jahre vergangen waren und Harry inzwischen seit
sieben Jahren ein angesehener Lehrer in Hogwarts war, traf ihn der
Schmerz immer noch mit der gleichen Wucht.
I've
been living with a shadow over head
I've been sleeping with a
cloud above my bed
I've been lonely for so long
Trapped in
the past I just can't seem to move on
Harry schloss seine Augen und döste langsam ein.
Plötzlich
sah er die schlanke und immer noch junge Gestalt seiner Mutter vor
sich.
Sie sah traurig aus, als sie Harry eindringlich
ansah.
"Harry, mein lieber Harry" flüsterte sie und
Tränen liefen über ihr Gesicht.
"Mutter", flüsterte
Harry ebenso leise.
"Zehn Jahre sind nun vergangen und
endlich ist es mir erlaubt kurz mit dir zu sprechen. Ich habe nicht
viel Zeit, bitte hör mir gut zu, Harry.
Es ist nicht deine
Schuld. Lord Voldemort hätte ohne dich weit mehr Menschen
umgebracht.
Hättest du ihn nicht besiegt, wäre die Welt
inzwischen ein düsterer Ort. Du hättest dein Leben gegeben,
genauso wie all die Menschen, die in dieser Schlacht gekämpft
haben, auch diejenigen, die ihr Leben wirklich verloren haben.
Ich
soll dir herzliche Grüsse von jedem einzelnen bestellen.
Sie
sind nicht durch dich, sondern für den Sieg über Lord
Voldemort gestorben.
Wir alle, ich ganz besonders, sind traurig
und betroffen, dass du nach all dieser Zeit weniger lebst, als wir
Toten.
Harry, wach auf und fang an zu leben! Bitte! Dein Glück
wartet in Hogwarts, verschließe nicht länger den Herz und
deine Augen."
Flehend sah Lily Potter ihren Sohn an.
"Dein
Dad und ich wünschen uns nichts mehr."
Eine große,
goldene Wolke erschien um Lily herum, die auf Harry zutrat und ihn
umarmte.
Das goldene Licht breitete sich in Harry aus und als es
ihn kurz darauf wieder verließ, war das Schwere, traurige,
verzweifelte in ihm auf einmal leicht und tragbar.
"Mutter"
sagte Harry ergriffen.
"Mein Sohn, ich muss jetzt gehen. Vergiss
nie, dass ich immer bei dir bin."
Mit einem Lächeln drehte
Lily sich um und war verschwunden.
Mühsam öffnete Harry
seine Augen. Er war alleine am See.
'Habe
ich das alles nur geträumt?'
Doch
die Leichtigkeit füllte ihn immer noch aus.
Übermütig
sprang er auf, um zum Abendessen ins Schloss zurück zu
gehen.
I've
been hiding all my hopes and dreams away
Just in case I ever need
them again some day
I've been setting aside time.
To
clear a little space in the corners of my mind
Das
leichte Gefühl trug Harry durch die nächsten Tage und
ermöglichte ihm ohne Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung über
sich und sein Leben nachdenken zu können.
Es änderte
sich nichts über Nacht und der Gedanke an die schlimmen
Ereignisse schmerzte Harry immer noch. Aber der Schmerz hatte sich
verändert.
Er konnte jetzt ohne den gewohnten Selbsthass
zurückblicken und langsam begriff und fühlte er, dass auch
er ein Opfer der vergangenen Tage war und nicht ausschließlich
das Monster Harry, das seine Freunde in den Tod führte.
Viele
Abende verbrachte Harry, mit Professor McGonagalls Erlaubnis, im Büro
der Schulleiterin, um sich mit dem Portrait von Albus Dumbledore zu
unterhalten.
Harry hatte das Gefühl, dass ihm dieser Kontakt
helfen könnte klarer zu sehen. Sein Blick auf sich und die Welt
war immer noch getrübt.
Albus Dumbledore konnte mit seiner
warmen, heiteren Art und seiner etwas ungewöhnlichen Sichtweise,
viel dazu beitragen, dass Harry Schritt für Schritt ins Leben
zurückfand.
"Harry, was habe ich dir immer gesagt, was deine stärkste Waffe gegen Lord Voldemort ist?"
Harry schwieg und warf einen skeptischen Blick auf seinen ehemaligen Schulleiter.
"Genau," schmunzelte Dumbledore, der Harrys
Gesichtsausdruck richtig interpretiert hatte, „die Liebe. Du hast
soviel Liebe in dir, sonst hätten dich die Ereignisse nicht so
mitgenommen. Es ist an der Zeit, dass du der Welt, aber vor allem dir
selber, wieder deine Liebe schenkst.
Ich weiß, dass deine
Mutter dir sagte, dass dein Glück in Hogwarts wartet. Dem stimme
ich uneingeschränkt zu, öffne dein Herz und deine
Augen.
Und Harry, ich freue mich sehr über deine Besuche,
aber ich glaube in der nächsten Zeit solltest du sie etwas
einschränken, damit du auch finden kannst, wonach du
suchst."
In dieser Nacht schlief Harry tief und traumlos und
als er am morgen erwachte, wusste er, dass Dumbledore recht hatte.
Es
war ihm nur noch sehr unklar, wie er es schaffen sollte, sich und der
Welt seine Liebe zu schenken.
All
I wanna do is find a way back into love
I can't make it true
without a way back into love
Täglich
saß Harry an seinem Platz am See und dachte darüber nach,
ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Er
probierte verschiedenes aus, unter anderem sagte er seinem
Spiegelbild jeden morgen, wie liebenswert es sei und einmal lud er
vier andere Lehrer zu sich zum Spiele Abend ein.
Er versuchte es
mit Meditation und Ausdauersport.
Das alles machte ihm Spaß,
abgesehen von der Unterhaltung mit seinem Spiegelbild, aber es führte
ihn anscheinend nicht weiter.
I've
been watching but the stars refuse to shine
I've been searching,
but I just don't see the signs
I know that it's out
there
there got to be something from my soul somewhere
Nach
all diesen Versuchen war Harry kurz davor aufzugeben.
Ziellos
lief er durch das Schloss, umging routiniert ein paar wandernde
Treppen und stand plötzlich vor Sybill Trelawny, die mit einem
abwesenden Blick mitten in einem der Korridore stand.
"Harry
Potter" krächzte sie mit einer unnatürlich hohen Stimme,
„der Junge, der überlebt hat."
Verärgert drehte
Harry sich um, als die hohe, krächzende Stimme erneut
erklang.
"Um die Liebe zu finden, muss man sein Herz öffnen,
nur dort wird man sie finden. Die Liebe, die man mit offenem Herzen
gibt, wird finden wonach man sucht. Verzeihen ist der Schlüssel
zum Herzen."
Sybill Trelawny verstummte, der abwesende Ausdruck
verschwand aus ihren Augen und sie musterte Harry, der mit offenem
Mund vor ihr stand, neugierig.
"Ah, Professor Potter. Hüten
sie sich vor dem Grimm." und schon war sie den Gang entlang geeilt
und verschwand um die nächste Ecke.
Atemlos sank Harry an der
Korridorwand hinunter.
'Das
ist es, Trelawny hat recht. Das ist der Grund, warum nichts so
richtig funktioniert.
Ich muss mir verzeihen. Und ich muss mit
Ginny reden, ich habe ihr, obwohl ich es verstanden habe, nie
verziehen.'
Harry machte sich sofort auf den Weg in die Eulerei, um Verena, seine neue Eule, zu suchen. Hastig, als würde es nach all dieser Zeit keinen Aufschub mehr dulden, kritzelte er ein paar Worte an Ginny auf einen Zettel und band ihn Verena, die fröhlich gurrte, ans Bein.
Harry hoffte, dass Ginny seiner Einladung bald folgen
würde.
Und das tat sie auch, schon zwei Tage später
erschien sie nach dem Unterricht in Hogwarts.
Freundlich lächelnd trat sie auf Harry zu, der feststellen musste, dass Ginny noch schöner geworden war, aber dass er keine Liebe mehr für sie empfand.
"Harry, wie schön dich zu sehen.
Ich habe die ganzen Jahre so gehofft, dass ich dir einmal erklären
kann, warum ich gegangen bin. Du wolltest mich damals einfach nicht
verstehen.
Können wir irgendwo in Ruhe reden?"
"Hallo Ginny, vielen Dank, dass du so schnell gekommen bist. Lass und an den See hinunter gehen."
Die Beiden machten sich auf dem Weg zum
See, schon auf dem Weg dorthin hatten sie sich viel zu erzählen.
Als
sie dort angekommen waren und sich ins Gras fallen ließen,
sagte Ginny:
„Du willst bestimmt wissen, warum ich dich damals
verlassen habe. Du dachtest, ich würde dich hassen, weil du
Schuld an den ganzen Vorkommnissen warst, aber das stimmt nicht. Ich
habe dich weder deswegen verlassen, noch habe ich dir jemals auch nur
den Bruchteil einer Schuld daran gegeben.
Du hattest dich
verändert, Harry, ich kam gar nicht mehr an dich heran. Du
warst, obwohl du körperlich anwesend warst, einfach weg. Das
habe ich nicht mehr ausgehalten."
Ungläubig starrte Harry Ginny an.
"Was, das ist der Grund gewesen?" fragte
Harry betroffen.
"Oh Ginny, es tut mir so leid. All die Jahre
wollte ich den wahren Grund nicht sehen. Du hättest mich
gebraucht und ich war nur mit mir und meinem Schmerz beschäftigt.
Es war ein so furchtbarer Gedanke für mich, dass ich an deinem
Leid und dem vieler anderer Schuld bin, dass ich gar nicht näher
hinschauen konnte."
"Ich verzeihe dir, wenn du mir und auch dir verzeihst. Die Zeiten waren außergewöhnlich und hart, lass uns unsere Fehler nicht vorhalten. Freunde?" fragte Ginny warm.
"Ja, Freunde.", sagte Harry glücklich.
Eine
Weile unterhielten sich die Beiden noch über viele verschiedene
Themen, bis sich Ginny verabschiedete.
"Ich muss jetzt los, ich
habe Draco noch versprochen kurz bei ihm vorbeizuschauen und ihm
seltene Kräuter für seinen Zaubertrankunterricht aus meinem
Laden mitzubringen."
"Du hast Kontakt zu Draco Malfoy?"
"Ja, du doch auch."
"Schon, aber wir sind beide Lehrer in Hogwarts, da lässt sich das nicht vermeiden."
Mitfühlend sah Ginny Harry an. „Ist dir
denn noch gar nicht aufgefallen, wie sehr Draco sich verändert
hat? Er ist nicht mehr der kleine, feige Junge, der als Werkzeug für
seine Eltern und Lord Voldemort herhalten musste.
Er ist ein
warmherziger, kluger und amüsanter Mann geworden. Der noch dazu
sehr gut aussieht. Sag bloß, dass ist dir bisher
entgangen?"
Harry wirkte verwirrt, als er Ginny antwortete: „Ist mir nie aufgefallen. Sag mal, läuft da was zwischen euch?"
"Nein, natürlich nicht. Da hätte ich als
Frau wohl kaum eine Chance. Außerdem bin ich mit Hermine sehr
glücklich."
Mit diesen Worten sprang sie auf, küsste
Harry zum Abschied rechts und links auf die Wange und eilte zum
Schloss hinauf.
Verblüfft starrte Harry ihr hinterher.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, welches bald
in ein lautes, befreiendes Lachen überging.
Er lachte und
lachte, bis er nicht mehr konnte.
Auf dem Weg zum Schloss, den
Harry bald einschlug, wurde ihm klar, dass er sich durch sein
Gespräch mit Ginny endlich wirklich verzeihen konnte.
Er
erkannte, dass er sich viel von seinem Hass und seiner Schuld
hinterher nur noch eingeredet hatte, um nicht näher hinschauen
zu müssen und den wahren Schmerz nicht aushalten zu
müssen.
Einige Wochen vergingen, in denen Harry durch
viele Hochs und Tiefs geschleudert wurde.
Doch am Ende dieser
Wochen hatte sich sein Leben verändert.
Aus dem
verschlossenen, geplagten Harry war noch kein offener, herzlicher
Mann geworden, aber er war auf einem sehr guten Weg dorthin.
Als
er an einem freundlichen Samstag Nachmittag wieder auf dem Weg zu
seinem Platz am See war, bemerkte er von weitem, dass dort schon
jemand saß.
Harrys erste Reaktion war Ärger,
schließlich war es sein Platz, doch dann erkannte er die
hellblonden Haare seines Kollegen und das Gespräch mit Ginny
über Draco Malfoy fiel ihm wieder ein.
'Na,
dann wollen wir mal sehen, ob Ginny recht hatte.'
murmelte Harry vor sich hin.
Harry näherte sich und
wollte seinen alten Feind eigentlich mit einem zynischen „Malfoy"
begrüssen, rein aus Gewohnheit versteht sich.
Doch als Harry
Draco nah genug gekommen war, sah er das der gut aussehende, Ginny
hatte sich nicht geirrt, junge Mann traurig auf das Wasser
starrte.
In diesem Blick lag soviel Traurigkeit, dass Harry sich
nur leise neben Draco ins Gras fallen ließ und ihm eine Hand
auf die Schulter legte.
Draco zuckte zusammen und seine Augen
wurden weit, als er registrierte, wer da plötzlich neben ihm
saß.
"Harry, ich meine Potter, äh," stotterte Draco „woher kennst du denn diesen Platz?"
"Ich? Ich habe ihn schon vor vielen Jahren entdeckt und komme seitdem regelmäßig hierher. Und du?"
"Ginny hat ihn mir gezeigt und behauptet, dass außer ihr keiner von dem Platz weiß."
Harry wurde rot und nahm sich halbherzig vor,
ein ernstes Wort mit Ginny zu sprechen.
Doch vor Draco schützte
er sie, oder doch sich selber, und sagte:
"Ah, ja, Ginny weiß
natürlich nicht, dass ich den Platz auch kenne. Sie muss ihn
entdeckt haben, als sie vor ein paar Wochen hier war."
Ohne
auf Harrys Worte einzugehen wechselte Draco abrupt das Thema.
"Du
bist verändert seit ihrem Besuch. Sie hat erzählt, dass ihr
euch versöhnt habt, aber wenn ihr wieder zusammen seid, warum
ist sie nicht öfter hier?"
Dracos Worte klangen bitter, wie Harry verwundert feststellte und auch von der alten Feindseligkeit war nichts mehr zu spüren.
Harry verdrängte jeden weiteren Gedanken und antwortete: „Ja, wir haben uns versöhnt und das hat uns beiden sehr geholfen weiter mit der Vergangenheit abzuschließen, aber wie kommst du darauf, wir wären wieder zusammen? Wir sind Freunde, nichts weiter."
Für einen kurzen Augenblick erschien ein Strahlen auf Dracos Gesicht, welches er aber sofort erschrocken wieder in eine etwas abweisende Mine verwandelte. Doch Harry war es nicht entgangen.
'Oh bei Merlin, wie anders er aussieht, wenn er lächelt. Aber es ist Malfoy, mein alter Feind, es sollte mir absolut egal sein, wie er wann aussieht.'
Ein prickelndes brennen in seiner Hand lenkte Harry von seinen Gedanken ab und er zog schnell die Hand, die noch immer auf Dracos Schulter lag zurück.
Eine Weile schwiegen Harry und Draco, was
aber bei Harry zu einer immer größeren Anspannung führte,
weswegen er Draco gedankenlos eine Frage stellte.
"Als ich hier
hinunter kam, da sahst du so traurig aus, warum?"
Lange
sagte Draco nichts und als er dann anfing zu sprechen, zitterte seine
Stimme.
"Das kann ich dir nicht sagen. Du würdest mich für
völlig verrückt halten und das sicher zurecht."
Harry
ergriff die Hand des blonden Mannes, weil er spürte, dass es
wichtig für Draco war, zu erzählen was ihn so
bedrückte.
Dieser wurde von der freundlichen Geste
tatsächlich so ermutigt, dass er weiter sprach.
Bei dem was er erzählte traten Harry Tränen in die Augen, die er aber erfolgreich versteckte.
Dracos Vergangenheit war kein Stück einfacher und weniger schmerzhaft als seine eigene.
Das Gute in ihm wurde ihm schon als kleiner Junge ausgetrieben und sein ganzes Leben lang ging es nur darum, ihn für den Dienst unter Lord Voldemort vorzubereiten.
Harry erfuhr, wie sehr Draco es hasste so zu sein, wie er war. Das es ihn mit Entsetzen erfüllte, Menschen sterben zu sehen, er aber keine Möglichkeit hatte, sich gegen seinen fanatischen Vater oder gar Lord Voldemort zur Wehr zu setzen. Einmal hatte er es versucht, aber an dieser Stelle unterbrach Draco seine Erzählung und sagte nur noch, dass er es nie wieder versucht hätte.
Jetzt konnte Harry seine Tränen nicht mehr verbergen und auch Draco hatte den Versuch aufgegeben die seinen zu verstecken.
Harry zog Draco in seine Arme und lange saßen sie so da und weinten gemeinsam um die Ereignisse der Vergangenheit.
Die Nähe zueinander und die Tränen spülten den größten Teil des Schmerzes davon und langsam beruhigten sie sich wieder.
Doch keiner von Beiden wollte sich aus dieser Umarmung lösen.
Kapitel
2 folgt! ;)
Und über einen Kommentar freue ich mich immer! :)
