Eli wusste selber nicht, warum er jedes Mal zur Krankenstation lief, um nach Dr. Rush zu sehen. Er lag immer noch im Koma und TJ wusste nicht, wann er wieder aufwachen würde. Allerdings schätze sie, dass es bald soweit sein würde.

Als er heute hereinkam, war TJ gerade damit beschäftigt, Msgt. Greer eine Standpauke zu halten, da dieser offenbar schon wieder aufstehen wollte.

"Nur weil Ihr Fieber wieder gefallen ist heißt das noch lange nicht, dass Sie wieder im Schiff herumturnen dürfen", hörte er Tamaras leise Stimme.

Ronald sah recht kläglich aus und versuchte gar nicht mehr ihr zu widersprechen. Stattdessen lehnte er sich nur seufzend zurück und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf.

Eli konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen und trat näher an Rush heran.

"Hallo Eli", begrüßte ihn Tamara, als sie seine Anwesenheit bemerkte und kam zu ihm herüber.

"Ich glaube fast, er wird in der nächsten Stunde aufwachen."

Eli warf dem schlafenden Schotten einen grimmigen Blick zu.

"Dann warte ich hier", sagte er nur und nahm auf einem Stuhl an Rushs Bettende Platz.

TJ runzelte die Stirn und überlegte, ob es nicht besser wäre Eli wegzuschicken. Er würde dem Wissenschaftler bestimmt keine Dankesworte sagen wollen, nachdem was passiert war, doch sie schätzte ihn auch nicht so ein, dass er ihm an die Kehle gehen würde.

"Seien Sie aber nicht zu hart zu ihm, Eli", beschloss sie dann zu sagen. "Er hat auch jemanden verloren und gewiss war es nicht seine Absicht, dass sein kleiner Ausflug so enden würde."

Eli nickte nur, doch seine Miene blieb hart.

"Keine Sorge, TJ. Ich möchte ihm einfach nur selber sagen, was passiert ist. Er soll es aus meinem Munde hören."

TJ nickte. Sie hatte Verständnis für den jungen Mann, sagte daher auch nichts weiter und ließ die beiden Männer allein.

= · =

Rush erwachte recht plötzlich. Er atmete einmal tief ein und stützte sich dann auf seine Ellenbogen. TJ, die seine Bewegung sah, kam sofort heran.

"Was ist passiert?", fragte Rush leicht verwirrt. "Wieso bin ich hier?"

Er hatte sich hochgedrückt und TJ legte ihre Hand leicht an seine Schulter, um ihn in der Bewegung zu stoppen.

"Sie sind schon seit ein paar Tagen zurück", erklärte die Sanitäterin. "Aber Sie sind die ganze Zeit im Koma gewesen."

Rush blickte sie verständnislos an und schaute umher. Sein Blick traf auf Eli, der immer noch am Bettende saß und ihn mit steinerner Miene einfach nur anstarrte. Rush setzte sich ein wenig höher auf, als ihm einfiel, dass Mandy ihm gesagt hatte, Eli würde den Speicher löschen.

"Eli, was haben Sie da getan?", fragte er vorwurfsvoll.

"Sie fragen, was ich getan hab?" entgegnete der junge Mann ruhiger, als ihm zumute war.

"Ich habe den Speicher, auf dem Sie gewesen sind, in Quarantäne transferiert." Er war jetzt aufgestanden und konnte eigentlich nicht fassen, dass Rush es tatsächlich wagte ihm einen Vorwurf zu machen. Er trat etwas näher an den Schotten heran und fuhr mit vorwurfsvoller Stimme fort: "Sie sind jetzt vom Rest des Schiffes abgeschnitten. Und von uns."

Rushs Mundwinkel zuckten kurz dann warf er ein: "Sie?"

"Es gab keinen anderen Weg", sagte Eli sofort. "Hat jedenfalls Ginn gesagt. Und deshalb habe ich es getan." Er machte eine kurze Pause und Rush sah ihn entsetzt an.

"Um Sie zu retten", beendete er dann seine Erklärung. Er warf dem Schotten einen angewiderten Blick zu bevor er sich umdrehte und die Krankenstation verließ.

"Nein, Eli!", rief Rush ihm aufgeregt nach und wollte schon aufstehen, doch TJ hielt ihn an der Schulter zurück.

"Vergessen Sie's", sagte sie streng und drückte Rush wieder zurück.

Der Wissenschaftler war völlig aufgelöst und stöhnte kurz auf.

"Sie müssen sich ausruhen", sagte TJ. "Sie haben Glück, dass Sie noch am Leben sind."

Rush blickte sie nur an und sank dann auf die Liege zurück. Er fühlte sich, als ob ihm jemand das Herz aus dem Leib gerissen hätte. Er hatte Mandy verloren. Schon wieder.

TJ ging wieder an ihre Konsole und von rechts hörte Rush auf einmal Greer, der meinte: "Hören Sie auf sie, Dok."

Rush runzelte die Stirn, blickte überrascht zur Seite und sah den Msgt. auf einem Bett liegen.

"Sie weiß genau wovon sie redet", fügte er noch hinzu.

Rushs Lippen zitterten leicht und er ließ seinen Kopf wieder auf das Kissen fallen. Er blinzelte mehrmals und spürte, dass seine Augen feucht wurden.

Er konnte einfach nicht glauben, dass Eli das wirklich getan hatte. Mandy… wie sollte er mit ihrem erneuten Verlust jetzt noch einmal fertig werden? Sie war da, aber er hatte nun nicht einmal mehr die Möglichkeit, wenigstens mit ihr zu reden! Eine Welle der Verzweiflung überkam ihn und er versuchte mühsam, die Tränen zurückzuhalten.

Die Momente mit Mandy in der Simulation kamen ihn ihm hoch. Es war perfekt gewesen, doch warum hatte er sie nicht verlassen können? Er liebte sie doch! Und so hatte sie es programmiert. Es hätte doch klappen müssen!

Nicholas wurde nun auch noch von Schuldgefühlen übermannt.

Er konnte Mandys gequälten und unendlich traurigen Blick genau vor sich sehen als sie erkannte, dass er sie offenbar doch nicht liebte. Sie hatte sogar geweint. Aber so war es doch gar nicht! Seine Gefühle für sie waren echt.

Und dann war sie vor seinen Augen verschwunden, als Eli sie in Quarantäne verschoben hatte. Nicholas fühlte sich so schlecht wie schon lange nicht mehr.

"Dr. Rush", sagte Lt. Johansen, die erneut zu ihm herantrat. "Ich werde den iv-Zugang nun entfernen."

Rush nickte nur.

Während TJ vorsichtig die Nadel herauszog meinte sie mitfühlend: "Geben Sie Eli etwas Zeit, er wird schon darüber hinweg kommen."

Rush sagte nichts dazu. Wie konnte er auch. Erst jetzt kam ihm auch voll zu Bewusstsein, was er Eli angetan hatte, auch wenn es natürlich niemals seine Absicht gewesen war.

"Dr. Rush?", fragte Tamara besorgt, die sah, wie blass er auf einmal geworden war.

"Ist alles in Ordnung?"

Nicholas musste sich erst räuspern, denn er hatte einen dicken Kloß im Hals und seine Stimme war nichts weiter als ein heiseres Flüstern. Schließlich brachte er ein: "Ja, Lt., danke der Nachfrage", hervor.

TJ betrachtete ihn skeptisch, doch sie konnte sich natürlich denken, was los war.

"Also gut, Dr. Rush. Ich werde Ihnen noch etwas aus der Messe bringen lassen. Für 48 Stunden behalte ich Sie auf jeden Fall noch zur Beobachtung hier.

Nicholas zog eine Grimasse.

"Sie sind dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen und waren im Koma. 48 Stunden auf der Krankenstation sind da nicht zu viel verlangt, denke ich", erinnerte ihn TJ an seinen Zustand.

Ihr Patient seufzte leise. Hier herumzuliegen bedeutete für ihn zum Grübeln verurteilt zu sein. Immer wieder dachte er darüber nach, warum er es nicht geschafft hatte, die Simulation eigenständig zu verlassen.

Da tauchte als mögliche Antwort plötzlich ein anderes Gesicht vor seinem geistigen Auge auf. Melody. War sie wirklich der Grund gewesen, dass er nicht hinaus gekommen war?

Aber sie selber hatte ihm doch gesagt, er gehöre zu Dr. Perry. Er hatte sich auch für Mandy entschieden, aber hatte er auf seinen Kopf oder sein Herz gehört? Wenn er an Mandy dachte, waren da diese Gefühle von Trost und Geborgenheit, die vor allem aus dem Tod von Gloria resultierten.

Wenn er jedoch an Melody dachte, sich ihr Gesicht vorstellte, fühlte er, wie ihn eine Wärme durchströmte und sein Herz ein wenig schneller zu schlagen schien.

Aber wo war die junge Frau überhaupt?

Rush sah sich um, obwohl er wusste, dass sie nicht hier war. Ein wenig verwundert war er jetzt schon. Er hätte eigentlich erwartet, dass sie bei ihm sein würde wenn er aufwachen würde. Eli hatte schließlich auch gewartet, wenn auch offenbar nur aus dem Grund, um ihm persönlich zu sagen, was er ihnen beiden genommen hatte.

Aber Amanda hat das Programm geschrieben, rief er sich in Erinnerung. Es war ein unbedeutender Fehler in der Programmierung gewesen, allerdings mit fatalen Konsequenzen.

Es ist doch meine Schuld, dachte er dann.

Wenn ich Amanda wirklich lieben würde, wäre das alles nicht passiert und Eli hätte Ginn noch.

Doch wie hätte er nur ahnen können, dass Amanda das als Voraussetzung nehmen würde.

Dass sie ihm noch verziehen hatte, dass er sie offensichtlich doch nicht so liebte, wie wie dachte, machte die Sache für ihn nicht unbedingt leichter. Er hatte wirklich Gefühle für sie, nur waren diese offenbar nicht ausreichend. Er hatte plötzlich das dringende Bedürfnis Melody zu sehen. Warum war sie nicht hier?

Das Gespräch dieser einen Nacht kam ihm wieder in den Sinn.

Als sie ihm gesagt hatte, er würde zu Dr. Perry gehören, nahm sie ihm damit die Bürde ab sie zu verletzen. Sie hatte ihn nicht vor die Wahl gestellt, sondern ihn aufgegeben, damit er frei war für Mandy.

Als er daran dachte, was es Melody gekostet haben musste ihn gehen zu lassen spürte er wieder, wie der Kloß im Hals dicker wurde.

Das Mädchen war einfach zu gut für ihn. Wie konnte er nur verlangen, dass sie noch auf der Krankenstation wartete, bis er erwachen würde?

Nein, dieses Privileg hatte er in dem Moment verloren, in dem er Melody nicht widersprochen und sich für Dr. Perry entschieden hatte.

Dennoch war er enttäuscht, dass sie nicht da war. Nun, vielleicht schaute sie noch vorbei wenn sie erst einmal erfuhr, dass er wach war. Er schätzte eigentlich, dass Eli es ihr sagen würde. Also wartete er.

= · =

Eine halbe Stunde später kam Airman Becker persönlich mit einem voll beladenen Tablett vorbei.

Er stellte es bei TJ ab, die sich bei ihm bedankte, dann wechselte er noch schnell ein paar Worte mit Greer bevor er wieder ging.

Tamara brachte Rush unterdessen eine Schüssel mit dem Pulverbrei und eine Tasse Wasser ans Bett.

"Danke", sagte der Wissenschaftler und löffelte den Brei schnell aus, nachdem die Sanitäterin ihm den Rücken zugewandt hatte, um Ronald sein Essen zu bringen.

Er war jetzt nicht in der Stimmung, um mit Lt. Johansen einen Disput anzufangen. Daher schluckte er das schrecklich schmeckende Zeug so schnell wie möglich herunter, obwohl er gar keinen Hunger hatte und ihm davon eher schlecht wurde.

Tamara zog überrascht die Augenbrauen hoch nachdem sie von Ronalds Bett zurückkam, um darauf zu achten, dass Rush nicht wieder das Essen ausließ.

So fügsam hatte sie ihn selten erlebt.

"Ruhen Sie sich jetzt noch aus", sagte sie an beide Patienten gewandt. "Ich habe noch einen Hausbesuch zu machen, aber ich lasse Ihnen beiden natürlich jemanden da, falls etwas sein sollte. Brauchen Sie noch irgendetwas bevor ich gehe?", wandte sie sich zuerst an Msgt. Greer, der jedoch den Kopf schüttelte.

"Und Sie, Dr. Rush?", fragte Tamara nun den Schotten.

Nicholas zögerte, doch dann sagte er: "Da Mr. Wallace im Moment wohl nicht so gut auf mich zu sprechen ist schicken Sie mir bitte Miss Hansen vorbei. Ich brauche ein Update was die Destiny betrifft."

Tamara wirkte auf einmal etwas verlegen, fast als müsse sie erst nach Worten suchen. Dann sagte sie: "Könnte das eventuell auch jemand anderes machen? Dr. Brody z.B.?", schlug sie vor.

Rush runzelte die Stirn. "Nein, ich würde gerne mit Miss Hansen sprechen", sagte er dann einfach.

TJ seufzte.

"Das ist im Moment wirklich ungünstig, Dr. Rush. Der Hausbesuch, den ich zu erledigen habe, gilt ihr."

"Ist sie krank?", fragte Dr. Rush ungewöhnlich heftig und richtete sich wieder auf. TJ drückte ihn an seiner Schulter herunter.

"Keine Sorge, nur eine Magenverstimmung", beruhigte sie ihn mit einem Lächeln. "Und sicher nicht so schlimm, dass sie auf der Krankenstation bleiben muss."

Nicholas entspannte sich wieder. Das war vermutlich auch der Grund, warum sie nicht da war. Zumindest hoffte er es.

"Also gut, dann schicken Sie mir Brody her", sagte Rush und TJ nickte.

Nachdem sie sowohl den von Rush gewünschten Wissenschaftler, als auch eine Vertretung für sich zur Krankenstation gebeten hatte, nahm sie ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zu Melodys Quartier.

Angelogen hatte sie Rush nicht wirklich und sie war froh, dass er keinen Verdacht geschöpft hatte.

= · =

Kurze Zeit später kam sie an Melodys Quartier an und klopfte. Das "Herein", das daraufhin folgte, klang der Sanitäterin ein wenig zu leise.

"Hallo", begrüßte sie das Mädchen nachdem sie eingetreten war.

Melody nickte nur. Sie saß auf ihrem Bett an der hintersten Ecke, hatte die Knie angezogen und ihre Arme fest herum geschlungen. Ihre ganze Haltung drückte deutlich aus, dass sie am liebsten allein und für immer einfach so sitzengeblieben wäre.

TJ nahm ihren Rucksack ab und setzte sich erst einmal zu ihr. Allerdings so weit entfernt, dass Melody noch Freiraum hatte.

Vor 3 Tagen nun hatte die junge Frau Dr. Rush besuchen wollen, bis ihr plötzlich übel wurde und sie sich übergeben musste und es nicht einmal mehr schaffte, aus eigener Kraft zu stehen. TJ hatte sie sofort untersucht und erst gedacht, sie hätte eventuell etwas gegessen, das auf dem letzten Planeten gesammelt worden war und für Menschen scheinbar doch unverträglich war. Doch als sie erfuhr, dass Melody nur den üblichen Brei gegessen hatte (und das auch noch länger zurück lag), suchte sie nach einer anderen Ursache.

Ein Bluttest und einige simple Fragen hatten dann die Ursache geklärt – Melody war schwanger.

Nach dem ersten Schock hatte Tamara sie dann behutsam gefragt, wer der Vater sei, doch das Mädchen hatte geschwiegen. Allerdings hatte sie eine Vermutung, die sie aber nie äußerte. Sie tippte auf Dr. Rush, doch im selben Moment war sie sich eigentlich bewusst, dass es gar nicht sein konnte. Aus vielerlei Gründen.

Und dann kamen ihr wieder Kleinigkeiten in den Sinn, bei denen sie sich schon damals gefragt hatte, ob zwischen den beiden doch mehr war.

Ganz sicher war sie sich aber nicht, denn Melody war wieder deutlich auf Distanz zu ihm und allen anderen gegangen, nachdem die Sache mit Nemesis vorüber war. Dr. Rush auf der anderen Seite, ließ für niemanden einen Zweifel daran, dass er nur Augen für Dr. Perry hatte.

TJ hätte zu gerne gewusst, was wirklich passiert war, doch sie wollte das Mädchen nicht drängen.

Dass sie mit der Situation völlig überfordert war, sah ein Blinder und daher hatte sie offiziell auch verlauten lassen, die junge Frau litt an einer Magenverstimmung und müsse ein paar Tage das Bett hüten. Niemand bezweifelte das und Melody zeigte selbst gar kein Interesse daran, ihr Quartier verlassen zu wollen.

Doch sie konnte nicht für immer hier bleiben. Irgendwann würde es auffallen.

"Wie geht es Ihnen heute?", begann TJ das Gespräch. Doch Melody sagte nichts, starrte einfach nur an ihr vorbei.

TJ seufzte in sich hinein. "Melody", sagte sie sanft und versuchte die Atmosphäre etwas privater zu gestalten, indem sie die junge Frau das erste Mal mit ihrem Vornamen ansprach.

"Wir bekommen das schon hin, okay?", versuchte sie ihr ein wenig Hoffnung zu geben.

Eigentlich war Tamara jetzt schon fast diejenige, die sich selber Trost spenden wollte. Diese Situation war nicht nur für Melody äußerst belastend, sondern auch besonders für Tamara selbst. Die Wunden über den Verlust ihres eigenen Babys, die nach einiger Zeit endlich oberflächlich geheilt waren, waren wieder aufgebrochen und tief in ihrem Inneren spürte TJ eine Eifersucht und auch Wut darüber, dass diese junge Frau nun schwanger war und ihr Glück nicht zu schätzen wusste. Was hätte sie dafür gegeben ihr Kind in den Armen halten zu dürfen. Doch wie bei ihr selbst, war auch die Schwangerschaft bei Melody nicht gewollt und dem Mädchen bereitete es mehr Probleme, als ihr damals damit umzugehen. Außerdem wusste TJ immer noch nicht, wer nun wirklich der Vater war. Auch das konnte natürlich alles verkomplizieren.

Vielleicht ist es sogar Eli, dachte TJ.

Melody hatte inzwischen endlich eine Reaktion gezeigt, indem sie Tamara ungläubig anstarrte.

"Wie soll ich das bitte hinbekommen?", fragte sie ungewöhnlich schroff und TJ fasste instinktiv nach ihrer Hand und drückte sie.

Es fiel ihr schwer darüber zu sprechen, dennoch tat sie es, weil sie wusste, dass Melody jetzt wirklich Hilfe brauchte. Daher begann sie von dem Thema zu erzählen, welches sie lieber um jeden Preis vermieden hätte.

"Als… ich damals herausfand, dass ich von Col. Young schwanger war, da ist für mich im ersten Moment eine Welt zusammengebrochen. Ich habe mich ein paar Tage lang verkrochen, nur gegrübelt, doch schließlich habe ich die Tatsache akzeptiert, dass ein Leben in mir heranwächst. Und auch, wenn es nur eine Affäre war, ich habe niemals daran gedacht dieses Leben zu opfern, weil es eine Komplikation für mich bedeuten würde. Ich wollte sogar meinen Job quittieren, um für mein Baby da zu sein. Denn nach einer Zeit habe ich mich wirklich darauf gefreut."

Melody, die genau wusste, welches Schicksal TJ widerfahren war, schämte sich auf einmal. So sehr sie selber auch im Moment verzweifelt war und vor allem Angst hatte, im Vergleich zu dem, was Lt. Johansen durchgemacht hatte, war es unbedeutend.

"Es tut mir so leid, TJ", sagte sie leise und ihre Augen glänzten verräterisch.

"Es ist nett, dass Sie das sagen, aber deshalb erzähle ich Ihnen das nicht", sagte TJ leise. "Ich möchte Ihnen nur zu verstehen geben, dass egal welche Probleme oder Unbequemlichkeiten uns das Leben beschert, es immer irgendwie weiter geht. Und es hilft weder Ihnen noch der Crew etwas, wenn Sie in Selbstmitleid versinken."

Sie hatte die Worte sacht gesprochen, denn allein ihre Bedeutung war hart, doch sie wollte die junge Frau aufrütteln. Sie durfte sich jetzt nicht gehen lassen.

Melodys Augen blickten nun erschüttert und sie zog ihre Hand zurück.

"Wir sind auf einem Schiff im Weltraum, Milliarden Lichtjahre von zu Hause entfernt", sagte TJ eindringlich. "Wir brauchen Sie, Melody. Und ich verspreche Ihnen, wovor auch immer Sie Angst haben oder wovor sie denken Angst zu haben, ich helfe Ihnen dabei. Die Crew wird Ihnen helfen."

Melodys Blick klärte sich etwas und zögerlich fragte sie: "Aber… wie… wie soll ich das… wie soll ich…" Sie brach ab und plötzlich fing sie an zu weinen. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Armen, mit denen sie immer noch ihre Knie umschlang und schluchzte bitterlich.

TJ setzte sich neben sie und legte ihren Arm um ihre Schultern, hielt sie fest und spendete ihr Trost.

"Sie haben Angst, wie Sie es dem Vater sagen sollen?", stellte TJ dann die Vermutung in den Raum.

Es dauerte eine Weile, bis sich Melody beruhigt hatte und antworten konnte.

"Ja", stieß sie hervor und nickte noch einmal zur Sicherheit, weil ihre Stimme noch ziemlich wackelig klang.

"Wer ist der Vater?", fragte TJ nun direkt.

Melody schluckte und ihre Lippen zitterten. Tamara konnte genau sehen, welche Mühe es sie kostete nicht noch einmal in Tränen auszubrechen.

"Dr. Rush", flüsterte sie und schaute beschämt zur Seite.

TJ nickte nur. Also hatte sie doch Recht gehabt.

"Ich habe es bereits vermutet, um ehrlich zu sein."

Melody sah sie erschrocken an und TJ beruhigte sie schnell. "Keine Sorge, ich glaube nicht, dass jemand anderes Verdacht geschöpft hat. Aber ich habe etwas mehr gesehen als die anderen", sagte sie mit einem leichten Lächeln.

Melody beruhigte das nicht wirklich, ihre Hauptsorge lag in etwas anderem und das platzte nun förmlich aus ihr hinaus.

"Aber ich kann es ihm nicht sagen, niemals! Er liebt Dr. Perry! Ich… ich kann doch nicht… er hat sie gerade wiedergefunden, sie lebt noch, auch wenn sie jetzt in Quarantäne ist, aber wenn sie je erfährt, dass Nicholas und ich… das, das kann ich nicht! Ich kann nicht!"

Sie begann erneut zu schluchzen und nicht einmal TJs sanfte Worte konnten sie beruhigen.

Während sie das Mädchen in den Armen hielt kam ihn in den Sinn, wie aufopfernd die junge Frau doch war.

Sie macht sich keine Gedanken um sich selbst, sie macht sich nur Gedanken um Dr. Perry und Dr. Rush, dachte sie gerührt, aber ein wenig verärgert über den Wissenschaftler. Was hatte er sich nur dabei gedacht mit Melody zu schlafen und sie dann fallenzulassen? Oder… hatte er Melodys Schwäche etwa ausgenutzt?

Die Ungeheuerlichkeit dieses Gedankens schockierte Tamara und sie musste Gewissheit haben.

"Melody", sprach sie das immer noch schluchzende Mädchen an, "geschah das mit ihrem Einverständnis?"

Der Kopf der jungen Frau schnellte hoch und ihr Blick sagte TJ schon, dass diese Frage überflüssig gewesen war. Dr. Rush hätte niemals ohne ihre Einwilligung mit ihr geschlafen.

"Ja! Er hat mich nicht…", das Wort konnte Melody nicht einmal aussprechen und schnell sprach sie weiter: "Es war meine Schuld. Als Dr. Perry wieder auftauchte, da… da… ich konnte es einfach nicht ertragen, die beiden zu sehen und da bin auf das Aussichtsdeck gegangen… und dort eingeschlafen. Als Sie mich dann geweckt haben mit ihrem Funkspruch, da habe ich gelogen! Es ging mir nicht gut, aber es war mir egal. Ich… ich habe es nicht mehr in mein Bett geschafft. Hätte mich Dr. Rush nicht gefunden… er hat Dr. Perry nach hinten geschoben und sich um mich gekümmert! Er hat mich gerettet! Wie konnte ich ihm da im Weg stehen… ICH habe ihm gesagt, er gehört zu Dr. Perry, verstehen Sie? Er war so nett zu mir… ich.. ich bin sicher, er hat mich sehr gerne, aber er gehört zu Dr. Perry. Und… und als ich mich bedankte für alles, was er getan hatte, da… ist es einfach passiert. Es ist nicht seine Schuld! Ich wollte ihn. Ich liebe ihn!"

Melody vergrub nach diesem emotionalen Geständnis wieder ihren Kopf, aber ihre Tränen waren langsam erschöpft.

"Entschuldigung, das war eine recht dumme Frage", lenkte TJ ein und fühlte sich plötzlich ziemlich schlecht, dass sie so etwas überhaupt von Dr. Rush denken konnte.

Aber jetzt wusste sie wenigstens, wie es zu dieser Situation gekommen war.

Sie ließ Melody alle Tränen ausweinen, bis sie schließlich nur noch geräuschvoll Luft holte und ab und zu ein Schniefen zu hören war.

Als sie merkte, dass die junge Frau vor Erschöpfung gleich einschlief, schlug sie die Decke zurück, löste sie behutsam aus ihrer Umklammerung und half ihr, sich auszustrecken.

"So ist es gut, schlafen Sie jetzt. Ich bleibe noch eine Weile bei Ihnen", sagte TJ.

Melody murmelte noch ein leises "Danke", dann schlief sie auch schon ein.

TJ blieb noch ein paar Minuten bei ihr sitzen und verließ dann leise das Quartier.

Sie konnte die Angst der jungen Frau nachvollziehen, doch Rush hatte ein Recht es zu erfahren. Es würde eh bald jeder an Bord sehen, dass Melody schwanger war und die Gerüchteküche würde so oder so brodeln. Besser war es eventuelle Gerüchte gleich im Keim zu ersticken und außerdem ging es niemanden etwas an, wer mit wem an Bord eine Beziehung anfing oder das Bett teilte.