Stolz und Vorurteil --- Fortsetzung
Prolog:
Die Originalversion von Jane Austen habe ich mehr als zwei dutzend Mal gelesen. Noch öfter habe ich Passagen, einzelne Seiten und Kapitel nachgelesen. Dieses Buch obwohl schon vor fast 200 Jahren geschrieben ist ein Highlight für jeden, der gerne niveauvolle Liebesgeschichten mag.
Immer habe ich mich gefragt, ob die Orginalautorin nicht insgeheim eine Fortsetzung geplant hatte. Doch da sie nun einmal nicht existiert möchte auch ich- wie so viele vor mir – versuchen die Geschichte von Elizabeth und Darcy weiterzuerzählen. Ob mir das gelingt, weiß ich noch nicht, aber einen Versuch möchte ich auf jeden Fall starten.
Stolz und Vorurteil – das erste Jahr
Kapitel 1
Als frischgebackene Ehefrau sollte man eigentlich zufrieden und glücklich sein. Aber oft sind die Umstände so unglücklich und ungnädig, dass auch der liebste Ehegatte nicht alle Probleme und Ärgernisse aufwiegen kann.
Genau in dieser Zwangslage sah sich Elisabeth Darcy, als sie und ihr Angetrauter nach ihren Flitterwochen nach London kamen.
Eine traumhafte Reise durch das liebliche Italien lag hinter ihnen. Darcy hatte seiner Angebeteten voller Stolz die Schönheiten und Kulturschätze dieses unbeschreiblichen Landes gezeigt.
Staunend war Elizabeth durch die Strassen von Florenz, Pisa und Rom gewandert. Die traumhafte Kulisse der schönen Toskana hatte tiefen Eindruck auf sie gemacht. In ihren Briefen nach Hause hatte sie lebhaft beschrieben, wie malerisch sie die sanften Hügel, die engen Gassen und die liebenswürdige Hektik der Italiener fand.
Auch in anderen Dingen konnte sie nur in den höchsten Tönen schwärmen.
Lizzy, konnte sich keinen liebevolleren und aufmerksameren Mann wünschen als Fitzwilliam Darcy, doch die "gute" Gesellschaft in der sich ihr Ehemann bewegte, schien Elizabeth nur zögernd und widerwillig in ihren Kreis aufnehmen zu wollen.
Das junge Ehepaar war übereingekommen, erst einige Wochen in London zu verbringen, bevor sie nach Pemberly reisen würden.
Kaum waren sie in Darcy´s Stadthaus in London angekommen, gaben viele Besucher ihre Karte ab, um der jungen Mrs. Darcy ihre Aufwartung zu machen. Jedem dieser Besucher musste natürlich auch der gleiche, freundliche Gegenbesuch abgestattet werden, also waren Lizzy und Darcy ständig unterwegs.
Genau wie Lady Catherine de Burgh prophezeit hatte, gab es viele, die anscheinend insgeheim der Ansicht waren, dass der hochwohlgeborene Mr. Darcy unter seinem Stand geheiratet hatte.
Niemand sprach Elizabeth oder Darcy direkt auf diesen Makel an, aber Lizzy hatte doch ab und zu das Gefühl, dass einige der noblen Damen der Londoner Gesellschaft auf sie herab sahen.
Mit Darcy konnte Lizzy das nicht besprechen, da sie ihren Liebsten nicht daran erinnern wollte, dass die Hochzeit mit ihr gesellschaftlich ein Abstieg gewesen war. Insgeheim schämte sich Elizabeth für die gewöhnliche Abstammung ihrer Mutter.
Oft genug war Mrs. Bennet auf Festen und Bällen ins Fettnäpfchen getreten und ihre Töchter Lizzy und Jane wären dann am liebsten im Boden versunken, wenn es ihnen möglich gewesen wäre.
Lizzy liebte Darcy viel zu sehr, um ihn bewusst daran zu erinnern, dass er außer einer bemerkenswert intelligenten Frau auch noch ihre nicht ganz so bemerkenswerte Familie geheiratet hatte.
Jane war natürlich die Ausnahme von der Regel. Jane war mit Darcy´s bestem Freund Bingley verheiratet und Elizabeth wartete schon sehnsüchtig auf ein Wiedersehen mit ihrer geliebten Schwester. Leider hatten die Bingleys beschlossen ihre Hochzeitsreise noch einen Monat auszudehnen und würden erst Ende Oktober zur ihrer Gesellschaft dazu stoßen. Gemeinsam wollten sie dann nach Pemberly reisen um den Herbst und Winter dort zu verbringen.
Aufseufzend betrachtete Lizzy die beiden Karten, die ihr der Butler soeben gebracht hatte.
Neben der Karte von Oberst Fitzwilliam war auch noch die von Lady Mary-Beth Blackmoore abgegeben worden, eine der führenden Matronen der Stadt.
Lady Blackmoore galt als die graue Eminenz unter den Damen in London. Ihre Zunge war scharf wie Stahl und ihr Urteil, einmal über eine Person gefällt, wurde von allen anderen bedingungslos übernommen. Wer in ihren Augen nicht bestand wurde von der guten Gesellschaft gemieden und ausgeschlossen.
Lizzy selbst gab nicht viel um die Anerkennung dieser oberflächlichen Menschen, aber sie wusste, dass Darcy sehr viel daran gelegen war, sie in diese Kreise einzuführen.
Sie musste gute Miene zum bösen Spiel machen. Mit der Karte in der Hand setzte sie sich auf einen Stuhl und dachte darüber nach, wie sie Lady Blackmoore für sich gewinnen konnte.
Noch immer in Gedanken vertieft hörte sie, dass unten die Haustüre geöffnet wurde und Jenkins, der Butler, seinen Herrn und Brötchengeber begrüßte.
Keine zwei Minuten später betrat Darcy Elizabeth´s kleinen Salon und begrüsste seine Frau freundlich.
"Hallo Elizabeth, wie war dein Vormittag? Wolltest du nicht deiner Tante Gardener einen Besuch abstatten?" Schnell ging Darcy auf die sitzende Elisabeth zu, setzte sich ihr gegenüber, ergriff eine ihrer Hände und sah, dass seine Frau immer noch eine der beiden Visitenkarten in der anderen Hand hielt.
Elizabeth überlegte kurz, reichte dann ihrem Gatten die Karte und engegnete: " Für einen Besuch bei den Gardeners reichte die Zeit nicht. Ich war bei der Schneiderin um einige neue Kleidungsstücke anfertigen zu lassen. Lady Mary-Beth Blackmoor hat in unserer Abwesenheit ihre Karte abgegeben. Ich glaube wir müssen ihr die Aufwartung machen, um der Etikette genüge zu leisten."
Darcy´s Gesicht umwölkte sich kurz und Elizabeth hätte zu gerne seine Gedanken gekannt. Aus seinen früheren Erzählungen über die "wichtigen" Leute in London wusste sie, dass Lady Catherine de Burgh und Lady Mary-Beth Blackmoor alte Bekannte waren und nach wie vor in brieflichen Kontakt zueinander standen.
Wenn die alte Matrone sich dem Urteil von Lady de Burgh anschloss, würde es ihr nicht leicht fallen in der Londoner Gesellschaft Fuß zu fassen. Elizabeth bedrückte dieser Gedanke sehr, da sie ahnte, wie sehr Darcy sich wünschte, dass sie als seine Frau überall anerkannt wurde.
Zwar ordnete sich Darcy in den Monaten seit ihrer Hochzeit nicht mehr so sehr der veralteten Denkweise und den angestaubten Ansichten der High Society unter, wie zu der Zeit, als sie einander kennen gelernt hatten, aber Elizabeth´s freier Geist würde noch viel Geduld und Mühe haben, Darcy aus der Starre seiner Konventionen zu lösen.
Diese Werte waren ihm anerzogen worden, aber sie hatten seinen edlen Geist nicht nur positiv geformt, sondern auch Mauern errichtet, die sie nun wieder einreißen musste.
"Am besten statten wir ihr gleich morgen einen Höflichkeitsbesuch ab. Sie wird von uns erwarten, dass wir nun, da sie Interesse an dir gezeigt hat, liebste Lizzy, auch unverzüglich bei ihr vorsprechen.
Darcy war aufgestanden und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Er wusste, dass seine Frau niemand war, die gerne ein Blatt vor den Mund nahm und machte sich Sorgen, wie Lady Blackmoore auf Elizabeth Art reagieren würde.
Er selbst liebte und bewunderte Elizabeth´s Esprit und Charme. Für ihn war sie eine der wenigen Frauen, die nicht immer nur die vorgefasste und konforme Meinung der Allgemeinheit übernahm. Sie bildete sich gerne selbst ein Urteil und nicht immer, aber oft lag sie damit richtig. Ausgenommen natürlich ihre Vorurteile ihm gegen über, als sie einander kennen gelernt hatten.
Kapitel 2
Der Rest des Tages verlief ruhig und ereignislos. Heute standen keinerlei Besuche und Verpflichtungen mehr an. Darcy plante einen kleinen Ausritt im Hyde Park, während Elizabeth sich um ihre täglichen häuslichen Angelegenheiten kümmerte. Bisher war ihr nur wenig Zeit geblieben sich in ihrer neuen Rolle als Hausherrin zu üben. Hier in London hatte Darcy ein vergleichbar kleines Gesinde. Wenn sie nach Pemberly kommen würden, musste sie die Führung eines der stattlichsten und größten Herrenhäuser in Derbyshire übernehmen. Obwohl sie nicht im geringsten daran zweifelte dieser Aufgabe gewachsen zu sein, war sie doch froh, sich hier erst mal an ihre neuen Pflichten gewöhnen zu können.
Elizabeth hatte der Köchin aufgetragen ein mehr gängiges Menü für den Abend vorzubereiten und freute sich darauf, ihren Gatten wieder einmal ganz für sich alleine zu haben.
Da Darcy und sie nun ihre Pläne für die nächsten Tage festgelegt hatten, konnte sie auch mit der Haushälterin über die Mahlzeiten der folgenden Tage sprechen.
„Mrs. Jameson, bitte tragen sie die Gerichte für das Dinner heute Abend in der Reihenfolge auf, wie wir es besprochen haben und veranlassen sie bitte, dass Anne heute bei Tisch serviert. Ich möchte sehen, ob sie für solche Tätigkeiten geeignet ist. Das Mädchen würde gerne mit Mr. Darcy und mir nach Pemberly kommen und da ich Anne zu wenig kenne, kann ich ihre Fähigkeiten noch nicht einschätzen." Elizabeth fragte die Haushälterin über die Qualitäten und Fähigkeiten der jungen Anne Bannings aus und Mrs. Jameson gab ihrer Herrin gerne Auskunft. Nachdem alle Anweisungen erteilt waren zog sich Mrs. Jameson wieder in die Gesinderäume zurück.
Elizabeth blieb in ihrem Salon und wartete darauf, dass Darcy von seinem Ausritt zurück kam.
Da momentan keine weiteren Aufgaben für sie anstanden, nutzte sie die Zeit und nahm ein Buch zur Hand. Doch lange konnte sie sich nicht auf den Inhalt konzentrieren. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um das bevorstehende Treffen mit Lady Blackmoore. Ob es ihr wohl gelang diese Matrone für sich zu gewinnen?
Obwohl sie erst ein paar Tage zurück in England waren, wünschte Elizabeth sich sehnlichst zurück in die Flitterwochen. Hier in London türmten sich die Verpflichtungen nur so auf. Nicht nur die vielen Höflichkeitsbesuche belasteten sie, auch die neuen, ungewohnten repräsentativen Aufgaben als Ehefrau eines sehr wohlhabenden Mannes waren für sie völlig unbekanntes Terrain. In Longbourn hatte ihre Familie einfacher und ländlicher gelebt.
Das Stadtleben unterschied sich von ihrem bisherigen Einerlei wie die Nacht vom Tage. Eine Abendgesellschaft folgte der anderen. Dinnereinladungen reihten sich an Opernbesuche und in zwei Tagen stand auch noch ein großer Ball bei Lord und Lady Dewhurst an.
Jeder hier mit Rang und Namen wollte die Frau kennen lernen, die sich einen der begehrtesten Junggesellen der gehobenen Londoner Gesellschaft geangelt hatte. Obwohl sie eigentlich ein heiteres Naturell besaß, konnte sich Elizabeth nicht erklären, warum sie die letzten Tage so schwermütig war . Ihr ging der Gedanke im Kopf herum wie unangebracht es eigentlich war, Angst zu empfinden. Schließlich hatte sie triumphiert und war die Frau von Fitzwilliam Darcy geworden. All die schönen und sogar adligen Damen seines Bekannten kreises waren gescheitert, wo sie gesiegt hatte und doch war Elizabeth unruhig. Bekam Lady Catherine de Bourgh am Schluß doch noch recht? Würde die Londoner Gesellschaft sie als Darcy´s Frau verschmähen?
In Italien war alles anders gewesen. Ihr Verhältnis zu Darcy und seines zu ihr war anders gewesen. Unbeschwert waren sie Hand in Hand durch Florenz spaziert und hatten ihre junge Liebe in vollen Zügen genossen. Ihr Gatte war wie befreit von Konventionen und britischer Steifheit aus sich heraus gegangen und hatte Elizabeth damit bestätigt, wie klug sie geheiratet hatte. Die Lebenslust und das dolce vita Italiens hatte die beiden jungen Engländer verzaubert. Elizabeth war so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben gewesen und auch Darcy erweckte damals diesen Eindruck.
Keiner in ihrer Familie hätte Darcy mehr als den stolzen, unnahbaren Mann bezeichnet, der er früher einmal gewesen war. Wäre er ihnen in Italien zusammen mit seiner anmutigen, jungen Frau begegnet,hätten sie einen heiteren, glücklichen Mann gesehen, der mit sich und der Welt im Einklang stand.
Elizabeth Gedanken schweiften weiter in Richtung Italien.
Stundenlang waren sie einfach ziellos über die unzähligen Hügel der Toskana gestreift und hatten über Gott und die Welt gesprochen. Darcy hatte sie nicht herablassend und belehrend behandelt, wie es viele Ehemänner mit ihren Frauen zu tun pflegten, sondern war ehrlich an ihrer Meinung interessiert und respektierte diese auch.
Sie verharrte noch etliche Minuten grübelnd im Salon bis die Person um die ihre Gedanken unentwegt kreisten plötzlich und unvermittelt im Zimmer stand. Elizabeth war so versunken gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte das Darcy den Salon betreten hatte.
„Der Ritt im Park war außerordentlich erfrischend". Darcy ging auf seine Ehefrau zu und betrachtete das Buch, dass sie achtlos neben sich auf einen leeren Stuhl gelegt hatte.
„Hat dir deine Lektüre nicht gefallen?" Mit einem leichten Lächeln deutete er auf Sermons to Young Women von James Fordyce und Elizabeth schüttelte nur sachte den Kopf.
„Wenn ich ehrlich bin Darcy, waren diese Predigten wirklich nicht nach meinem Geschmack," sie stand auf um näher zu ihm hinzutreten und blieb dann unmittelbar vor ihm stehen.
„Wahrscheinlich müsste ich schon Mr. Collins sein, um dieser Art von Werk etwas abgewinnen zu können. Ich kann gar nicht verstehen, warum alle Welt glaubt, dass eine junge Frau nichts lieber lesen möchte, als Predigtsammlungen. Ich habe es eigentlich nur zur Hand genommen, weil es momentan in aller Munde ist und ich nicht uninformiert sein wollte. Womöglich ist ja die berühmte Lady Blackmoore ein besonderer Freund von Fordyce und ich könnte es unmöglich ertragen ihren Erwartungen nicht genüge leisten zu können."
Diese kleine Spitze konnte sie sich nicht verkneifen. Die frühere, zynische Elizabeth steckte trotz aller momentaner Selbstzweifel immer noch in ihr. Sie spürte unbewusst, wie bedeutend Darcy das morgige Treffen mit Lady Blackmoore einschätzte. Zwar wollte sie ihn nicht beunruhigen, aber sein unbewusster Fokus auf die Meinung von Standespersonen störte sie schon ein wenig. Noch immer gab es Momente in denen der „alte" Darcy wieder voll zum Vorschein kam: hochmütig, herablassend und unbarmherzig allem und jedem gegenüber, der seiner Ansicht nach nicht würdig erschien.
So sehr Elizabeth ihren Gatten liebte, so störend empfand sie dieses ausgeprägte Standesbewusstsein. In Darcy steckte so viel mehr, als nur das Streben nach Rang und Anerkennung. Nur musste sein Blickwinkel hin und wieder in die richtige Richtung gelenkt werden. In ihren Flitterwochen hatte es so ausgesehen, als genösse er es insgeheim, sie auf ihre tempramentvolle, manchmal ironische Art mit ihm sprechen zu hören. Hier in London erschien es Elizabeth, als errichtete er eine Mauer zwischen ihnen und sie konnte sich nicht erklären, was der Grund dafür war.
Darcy gab sich kühl und unnahbar ihr gegenüber. Hätte Elizabeth Darcy zu diesem Zeitpunkt schon etwas besser gekannt, dann hätte sie gewusst, dass ihr Gatte sich immer in sich zurück zog, wenn er sich mit Problemen konfrontiert sah.
Darcy war noch nicht so weit, um aus sich heraus zu gehen, und seine Konflikte mit Elizabeth zu teilen. Im Laufe ihrer Ehejahre würde sich dieser Umstand noch grundlegend ändern, aber zum damaligen Zeitpunkt konnte die junge Ehefrau Darcy´s Verhalten nur auf sich beziehen.
Wieder spürte sie seinen Blick auf sich gerichtet und da sie sehr nahe bei ihm stand, konnte sie seinen Atem fast spüren. Elizabeth sehnte sich nach seiner Nähe, doch Darcy tat nichts um ihrem Sehnen nachzugeben.
Ohne auf ihr vorheriges Gespräch einzugehen, entgegnete er unvermittelt:
„Meine Liebe Elizabeth, ich hoffe du bist nicht zu enttäuscht, wenn ich mich nach dem Dinner in mein Arbeitszimmer zurückziehe. Aber durch meine lange Abwesenheit in unseren Flitterwochen hat sich so einiges an dringender Arbeit angesammelt und einige Dinge davon können nicht mehr länger aufgeschoben werden."
Sein entschuldigender Blick ruhte auf ihr und Elizabeth spürte, dass sie maßlos enttäuscht war. So sehr hatte sie sich danach gesehnt, ihn wenigstens für ein paar Stunden für sich zu haben. Zudem konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Darcy fast erleichtert schien, den Rest des Abends nicht mit ihr verbringen zu müssen. Bereute er etwa die Heirat mit ihr bereits? Anscheinend mied er absichtlich ihre direkte Nähe. Prüfend glitten ihre Augen über seine Gesichtszüge und außer seinem aufrichtigen Bedauern glaubte sie auch noch etwas anderes, sehr befremdliches in ihnen Lesen zu können Darcy schien Angst zu empfinden.
Elizabeth konnte sich diese Entdeckung nicht im geringsten erklären und so verbrachte das junge Ehepaar das Dinner recht einsilbig und jeder der beiden war tief in seine eigenen Gedanken versunken.
Nach dem Dinner verabschiedete sich Darcy mit einem leichten Kuss auf die Stirn von ihr und Elizabeth beschloss, sich gleich in ihr Schlafzimmer zurückzuziehen. In ihrem Inneren herrschte Chaos. Sie war den Tränen nahe, und fühlte sich seltsam aufgewühlt. Das war nicht der Darcy den sie geheiratet hatte! Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Elizabeth erinnerte sich an ein Gespräch mit Jane vor langer Zeit. Sie und Jane hatten darüber sinniert aus welchen Gründen eine Ehe geschlossen werden sollte. Elizabeth hatte damals zu ihrer Schwester gesagt, sie wolle nur aus tiefster Liebe heiraten. Genau das hatte sie auch getan. Aber warum war sie dann so unglücklich?
Kapitel 3
Ruhelos lag Elizabeth Stunde um Stunde in ihrem Bett und fand keinen Schlaf. Was konnte der Grund sein, dass Darcy sich ihr gegenüber so anders benahm? So sehr sie auch darüber nachdachte, sie konnte sich keinen Reim auf sein verändertes Gebaren ihr gegenüber machen. Darcy war ihr immer als gefestigte Person erschienen. Zwar war sein Verhalten ab und an von Stolz und anerzogenen, überhöhten Maßstäben geprägt, doch Gleichgültigkeit, wie er sie heute und die letzten Tage ihr gegenüber gezeigt hatte, war noch nie sein Fehler gewesen.
Angestrengt lauschte Elizabeth, ob sie seine Schritte im Treppenhaus hören konnte. Sein Schlafzimmer lag auf dem gleichen Korridor wie das ihrige und wenn er zu Bett ging musste er an ihrer Türe vorbei. Obwohl sie lange wartete, konnte sie den Klang seiner Schritte nicht vernehmen. Einmal glaubte Elizabeth sogar ein Klopfen der Haustüre gehört zu haben. Doch zu so später Stunde konnten keine Besucher mehr Einlass gewähren. Oder doch?
Schon weit nach Mitternacht begab sich ihr Mann endlich zu Bett. Leise, um so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen, hörte sie ihn den Flur entlanggehen. Vor ihrer Tür hielt er inne. Elizabeth glaubte direkt zu spüren, dass er seine Hand bereits auf ihre Türklinke gelegt hatte. Atemlos hoffte sie darauf, dass er eintrat. Doch dann drehte er sich um und ging in seinen eigenen Schlafraum.
Es dauerte noch Stunden bis Elizabeth endlich in einen unruhigen, wenig erholsamen Schlaf fiel. Auch im Traum fand sie keine Ruhe. Sie träumte von dem Besuch bei Lady Blackmoore und niemand anderes als Lady Catherine de Bourgh war als zusätzlicher Gast anwesend. Im Traum verspottete Lady Catherine Elizabeth aufs infamste und Lady Blackmoore unterstützte sie wortgewaltig dabei.
Am nächsten Morgen erwachte sie unausgeschlafen und unruhig. Der Tag war gerade erst angebrochen aber sie ahnte schon beim Aufschlagen ihrer Augen, dass heute einige Prüfungen auf sie zukommen würden.
„Guten Morgen Elizabeth." Erschrocken blickte sie auf. Darcy saß in kompletter Reisekleidung auf einem Sessel neben ihrem Bett und wie es schien, hatte er nur auf den Moment gewartet, bis sie erwachte.
Verwirrt sah Elizabeth ihren Mann an. „Warum trägst du Reisekleidung? Ist etwas geschehen?" Sie setzte sich im Bett auf und wartete gespannt auf Darcy´s Erwiderung. Als sie seinen sorgenvollen Blick sah, wusste sie schon, dass etwas geschehen war.
Darcy stand auf und begann unruhig im Raum auf und ab zu gehen.
Ohne sie anzusehen schilderte er die Ereignisse, die sich gestern Abend ereignet hatten.
„ Möglicherweise hast du ja gestern Nacht die Haustüre gehört." Darcy stutzte kurz bevor er fort fuhr und ein dunkler Schatten wanderte über sein Gesicht. „ Ein Konstabler der Londoner Polizei hat mich darüber informiert, dass in Pemberly eingebrochen worden ist. Es wurden nicht nur Wertgegenstände gestohlen, sondern die Diebe haben zusätzlich auch noch einige Gemälde und Möbelstücke zerstört. Außerdem haben sie das Haus eines Pächters zur Ablenkung in Brand gesteckt. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um zwei Häftlinge handelt, die vor einer Woche aus Newgate ausgebrochen sind.
Bei den beiden handelt es sich um zwei gefährliche und berüchtigte Verbrecher. Bisher konnten die beiden nicht gestellt werden, aber Mr. Markinson der Kutscher von Pemberly und seine Frau haben eine sehr genaue Beschreibung der Täter abgegeben. Sie haben die beiden wohl flüchten sehen.
Ich wurde gebeten eine Aufstellung der Gegenstände zu machen, die bei dem Raub gestohlen wurden." Elizabeth konnte ihrem Gatten ansehen, dass Darcy kaum in der Lage war seine Verärgerung und Wut im Zaum zu halten. Sie verstand auch ohne Worte, dass er nicht nur erschüttert sondern geradezu entsetzt war.
Das Haus in dem er aufgewachsen war, geschändet und geplündert zu wissen, musste einem so stolzen und aufrechten Mann wie Fitzwilliam Darcy wie ein persönlicher Affront vorkommen. Darcy´s sonst so ausdruckslose und schwer durchschaubare Miene war von den aufwühlenden Gefühlen die er gerade durchlebte gezeichnet.
Zu gerne wäre Elizabeth auf ihren Mann zugeeilt und hätte ihm in dieser schweren Stunde gerne einen Teil seines Kummers von der Stirn geküsst. Fast schon war sie aus dem Bett gesprungen um auf ihn zuzueilen, als sie plötzlich inne hielt. Irgend etwas hinderte sie daran. Die letzten Tage war er so verändert, so kalt und unnahbar gewesen, dass er eine Wand zwischen ihnen errichtet hatte. Warum sie heute so meilenweit voneinander entfernt waren, konnte sich die junge Frau nicht erklären, aber die Tatsache dass es bereits so kurz nach ihrer Hochzeit keinen Weg zueinander zu geben schien, erfüllte sie mit größter Trauer.
Langsam erhob sie sich aus ihrem Bett, griff nach ihrem Morgenrock und ging auf ihn zu. Darcy stand mittlerweile am Fenster und sah gedankenverloren den typischen Londoner Nebel aufsteigen.
„Ich nehme an, du möchtest, dass ich hier in London bleibe und unsere Verpflichtungen wahrnehme?" Ängstlich wartete Elizabeth auf seine Antwort. Hoffentlich, stimmte er jetzt nicht zu. Bitte, bitte flehte sie innerlich, nimm mich mit.
Obwohl sie nicht von ängstlicher Wesensart war und auch sonst kein Blatt vor dem Mund nahm, wollte sie eine Begegnung mit der gefürchteten Lady Blackmoore nicht ohne die Rückendeckung ihres Gatten durchstehen müssen. Zudem wollte sie die Kluft die zwischen ihnen beiden zu stehen schien nicht vertiefen. Wenn sie mit ihm zusammen war, konnte sie versuchen, wieder die Liebe in ihm zu wecken, die er einmal für sie empfunden hatte. Warum sie seine Liebe verloren hatte oder warum sich seine Gefühle für sie so abgekühlt hatten, waren ihr unerklärlich, aber sie betete, hoffte, dass er tief in seinem Inneren immer noch der Darcy war, der noch vor ein paar Monaten so beständig und unermüdlich zu seiner Liebe zu ihr gestanden hatte.
„Ja, ja, Elizabeth, ich sehe, wir sind uns einig. Ich breche gleich auf und habe nur darauf gewartet, dass du erwachst und ich mich von dir verabschieden kann. Sonst wäre ich schon vor Stunden aufgebrochen." Fast verlegen sah er sie jetzt an. In den letzten Tagen war er kaum in der Lage gewesen ihr in die Augen zu sehen.
Wunderschön aber doch gefasst und aufrecht stand sie neben ihm. Darcy´s Herz öffnete sich vor Stolz als ihm bewusst war, dass dieses wunderbare Wesen seine Frau war und sie zu ihm gehörte, und doch stand etwas zwischen ihnen. Etwas was einen grausamen Schatten auf ihr junges Glück warf. Ein Geheimnis, dass er für sich behalten hatte und dass einen Graben zwischen ihnen errichtet hatte.
Elizabeths langes Haar fiel in sanften Wellen über ihre Schultern und Darcy konnte den leichten Orangenduft der davon ausging nur als betörend bezeichnen. Dieser Duft erinnerte ihn schmerzhaft an die wunderbaren Flitterwochen in Italien. Nie in seinem Leben war er so glücklich gewesen. Er war ein völlig anderer Mensch geworden. Elizabeth weckte Seiten in ihm, die bisher völlig verborgen waren. Er liebte und bewunderte seine Frau und doch hatten sie noch nicht den Grad der Vertrautheit erreicht, die Eheleute dazu brachte selbst die innersten Gedanken dem anderen mitzuteilen.
Sein Gewissen belastete ihn schwer. Er hatte ihr etwas verschwiegen, worauf sie als seine Frau eigentlich das Recht hatte, es zu wissen. Doch aus Respekt vor ihren Gefühlen hatte er es bisher nicht übers Herz gebracht, ihr zu gestehen, was ihn so sehr belastete, seit sie wieder in England waren.
Sanft zog er sie in seine Arme und küsste sie leicht. Alles in ihm strebte ihr zu . Wenn sie in seinen Armen lag, war alles gut. Er liebte sie und sie liebte ihn. Eigentlich müsste das reichen. Doch manchmal war die Realität komplizierter als man sich eingestehen wollte. Als sie ihr Gesicht zu ihm erhob und er ihre traurigen Augen sah, wusste er, dass auch sie unter der Situation litt. Obwohl er seine Frau mehr liebte als alles andere konnte er es ihr im Moment nicht leichter machen. Jetzt war nicht der Zeit und der Ort, um Fehler einzugestehen und Gespräche zu führen. Als Gutsherr und Besitzer von Pemberly musste er zu seinem Haus, um seiner Pflicht genüge zu leisten. So gerne er Elizabeth auch bei sich gehabt hätte, beruhigender war es sicherlich sie in der sicheren Obhut seines Londoner Stadthauses zu wissen. Solange die Verbrecher nicht gefasst waren, war Pemberly kein sicherer Ort. Mit einem tiefen Stosseufzer trennte er sich von seiner Frau, gab ihr noch einen Kuss auf die Stirn und entfernte sich dann mit raschen Schritten aus ihrem Schlafzimmer.
Kapitel 4
Traurig lies sich Elizabeth auf einen der gepolsterten Sessel fallen, die direkt neben einem der großen Schlafzimmerfenster standen. Darcy´s Coupe war vorgefahren und sie konnte gerade noch einen Blick auf ihren Gatten erhaschen, bevor dieser einstieg und die Kutsche los fuhr.
Noch nie hatte sie sich so einsam und verloren gefühlt. Da sie aus einer großen und kinderreichen Familie stammte, war es die meiste Zeit ihres Lebens genau anderes herum gewesen. Wie oft hatte sie sich Stille und Muße gewünscht, wenn ihre plappernden Schwestern sie mit allerlei Nichtigkeiten und Belanglosigkeiten nicht zur Ruhe kommen ließen. Ihr schallten jetzt noch die Ohren, wenn sie an diese vergangenen Jugendtage zurück dachte.
Nur Jane war ihr nie lästig geworden. Ihre Ältere Schwester war schon immer ihre beste Freundin und Vertraute gewesen. Was hätte sie im Moment dafür gegeben die tröstliche Nähe ihrer geliebten Schwester bei sich zu wissen.
Aber alles zaudern und zögern half nicht. Sie musste sich ihrem neuen gesellschaftlichen Rang stellen und sich für die Begegnung mit Lady Blackmoore zurechtmachen. Die Form musste um alle Fälle gewahrt bleiben. Ihre momentanen Herzensangelegenheiten durften keinen Einfluss auf ihr Handeln als Darcy´s Ehefrau haben. So sehr der Kummer auch an ihr zehrte, Elizabeth wolle und würde sich der Herausforderung stellen.
Sorgfältig wählte sie ein schlichtes, aber elegantes Kleid aus und klingelte nach ihrer Zofe. In Longbourn hatte eine Dienerin für alle ihre Schwestern, ihre Mutter und sie ausreichen müssen, hier gab es Nancy, ihre Zofe, die nur für sie persönlich eingestellt worden war.
Nancy kümmerte sich um ihre Garderobe und richtete ihr das Haar. Wenn Elizabeth sie nicht benötigte half das junge Mädchen im Haushalt mit.
Lange nach dem Frühstück und nachdem sie sowohl ein paar Briefe geschrieben als auch gelesen hatte, entschied Elizabeth, dass es nun an der Zeit war Lady Blackmoore ihre Aufwartung zu machen.
Da Darcy das Coupe genommen hatte, bat Elizabeth den Butler darum, ihr eine Mietdroschke zu rufen. Das Gefährt stand ihr kurze Zeit darauf zur Verfügung und Elizabeth ahnte, dass eine Mietkutsche nicht gerade den besten Eindruck auf Lady Blackmoore machen würde.
Darcy besaß noch einen schicken, sportlichen Zweiräder aber Elizabeth hatte bisher noch nicht gelernt, damit umzugehen und ohne vorherige Anleitung sah sie sich außerstande den Sportwagen zu lenken. Achselzuckend stieg sie in die Mietkutsche ein und hoffte darauf, dass das nicht das letzte Tüpfelchen auf dem i war um sie gesellschaftlich zu ruinieren.
Lady Blackmoore wohnte im nobelsten Viertel in London. Ihr Haus war nicht allzu weit von Darcy´s entfernt darum war die Fahrt zu ihr nur sehr kurz, Elizabeth hätte sich gewünscht, sie würde länger dauern. Sie wies den Kutscher an, auf sie zu warten und mit gestrafften Schultern und gehobenen Haupt betrat sie Lady Blackmoore´s Haus, nachdem ihr geöffnet worden war.
Sie wurde gebeten in einem der Salons zu warten, während der Butler ihre Ankunft bei seiner Herrschaft anmeldete.
„Mrs. Darcy, ich freue mich wirklich außerordentlich sie endlich kennen zu lernen." Die Besitzerin des Hauses war eingetreten und Elizabeth sah sich einer eleganten und sehr gepflegten älteren Dame gegenüber. Die Hausherrin bat Elizabeth sich zu setzen und ein Stubenmädchen servierte Tee und Gebäck, während Höflichkeitsfloskeln und Nettigkeiten ausgetauscht wurden. Nachdem der Form genüge geleistet worden war, begann das eigentliche Gespräch.
„Wie ich hörte, haben sie einen der begehrtesten Männer Englands zu einem Ehemann gemacht, da kann ich ihnen nur gratulieren." Mit einem huldvollen Kopfnicken neigte sich Lady Blackmoore Elizabeth zu, bevor sie fort fuhr. „ Eigentlich hatte ich ihren Gatten auch erwartet, ich hoffe er ist nicht unpässlich" Lady Blackmoore beobachtete Elizabeth aufmerksam und wartete auf deren Entgegnung.
„Lady Blackmoore, ich fühle mich sehr geehrt, dass sie mich empfangen und möchte meinen Mann entschuldigen. Er ist wohl auf, doch ein tragischer Vorfall hat sich in Pemberly zugetragen und so war er gezwungen heute auf die Gunst ihrer Gesellschaft verzichten zu müssen. Er bat mich ausdrücklich darum, ihn bei ihrer Ladyschaft zu entschuldigen und ich hoffe sie nehmen mit meiner Person vorlieb." Die nächsten Minuten drehte sich das Gespräch ausschließlich um so essentiell wichtige Dinge wie Tischdekorationen und die Frage, welcher von Englands modänen Badeorten zur Zeit am besten zur Kur geeignet war. Elizabeth musste mit Bedauern erwidern, dass sie weder in Bath noch in Brighton jemals gewesen war und dass ihr auch die neuen, aufstrebenden Orte an der Küste gänzlich unbekannt war.
„Liebe Mrs. Darcy, dass kann doch unmöglich wahr sein. Jeder hier in London war doch schon einmal in Bath. Sie müssen mit mir scherzen. Ein Besuch in Bath gehört doch eigentlich zum Pflichtprogramm. Wie waren ihre Eltern nur in der Lage sich ihre Gesundheit und die von Ihnen und Ihren Schwestern zu erhalten?" Elizabeth war alarmiert. Lady Blackmoore spielte absichtlich auf die zurückgezogenen Lebensumstände in denen sie groß geworden war, an. Ihr Vater war zwar ein Gentleman aber sein Vermögen war äußerst klein und zudem noch an sein Haus gebunden. Bade- und Kuraufenthalte hatte es in ihrer Familie eben so wenig gegeben, wie Reisen durch Europa und sonstige Extravaganzen. Nur durch ihre Tante Gardiner waren Elizabeth oder Jane dann und wann aus Longbourn heraus gekommen und hatten so wenigstens einige Teile Englands gesehen.
„Aber das ist doch gar nicht so verwunderlich, Lady Blackmoore, nachdem mein Vater gehört hatte wie überfüllt und unbequem es in Bath und den anderen Badeorten geworden ist, hat er sich geweigert uns dort hin zu begleiten. Seiner Meinung nach waren die meisten Kurgäste gar nicht wegen der gesunden Luft dort, sondern nur um sehen und gesehen zu werden. Selbst einfache Leute geben sich dort in der Fremde als Damen und Herren von Stand aus. Eine meiner Schwester bedrängte ihn aufs stärkste immer wieder mit dem Wunsch ein mal dort hin zu reisen, aber nachdem er gehört hatte, dass selbst der Bäcker und der Schneider von Meryton dort zur Sommerfrische waren, fand er es für uns inakzeptabel." Diese Spritze saß. Elizabeth hatte auf einen Skandal angespielt, der vor einiger Zeit durch die Tageszeitungen gegangen war, und auch Lady Blackmoor konnte sich anscheinend daran erinnern, dass es beinahe zu einem Eklat zwischen der Familie eines adligen jungen Mädchens und einem einfachen Handwerker gekommen war.
Lady Blackmoore wählte die anschließenden Gesprächsthemen vorsichtiger aus, und Elizabeth glaubte sich schon fast in Sicherheit, als es sie plötzlich und unvermittelt traf.
„Ihr Gatte muss sehr überrascht gewesen sein, über die große Ehre die ihm zuteil werden soll?" Mit listigen, zusammengekniffenen Augen blickte Lady Blackmoore auf Elizabeth.
„Ich habe keine Vorstellung, worauf sie ansprechen, Lady Blackmoore?" Lizzie war verwirrt. Gab es etwas was Darcy ihr verschwiegen hatte. Wenn ja was war es? Wenn es etwas Ehrenvolles war, warum hatte er sie dann nicht informiert? Unschlüssig ob sie sich eine weitere Blöße geben sollte, musterte sie ihr gegenüber.
„Wahrscheinlich wollte er sie überraschen, Mrs. Darcy, und welche Ehefrau wäre nicht überrascht, wenn der eigene Ehemann so plötzlich und unvermittelt in den Adelsstand erhoben werden soll? Der Lordkanzler persönlich hat vor ein paar Tagen mit ihrem Gatten gesprochen und ihm die Wünsche seiner Majestät bezüglich seiner Ernennung zum Peer zu übermitteln.
Bitte richten sie ihrem Mann die allerherzlichsten und tief empfundenen Glückwünsche von mir aus. Jeder hier in London mit Rang und Namen ist sicher der selben Ansicht dass es nur wenige junge Männer gibt, die es mehr diese Ehre verdient hätten diese Auszeichnung zu bekommen. Damit sichert sich ihr Gatte einen Sitz im Oberhaus. Das House of Lords ist sicher der richtige Wirkungskreis für einen so talentierten und gebildeten Mann, wie Mr. Darcy." Elizabeth konnte sich kaum zusammennehmen. Kraftlos sank sie immer tiefer in dem Stuhl auf dem sie saß in sich hinein. Innerlich zitternd und gequält mit der Fassung ringend, hörte sie die nächsten, triumphierend dargebotenen Worte von Lady Blackmoore. Die hoch wohl geborene Dame servierte ihrem Gast nicht nur Tee und Gebäck, sondern verabreichte Elizabeth zugleich eine bittere Pille an der diese schwer zu schlucken hatte.
„So weit ich erfahren habe, sind nur ein paar unbedeutende Bedingungen mit der Ernennung verbunden, die wohl ihre Person betreffen, aber ich bin sicher dass es sich nur um winzige, weitgehend nebensächliche Kleinigkeiten handelt. Sicher wird Mr. Darcy ihnen bald voller Freude und mit großem Stolz berichten, dass sie bald mit ihrer Ladyschaft angesprochen werden müssen."
Lady Blackmoore ließ nun ihre Maske ganz fallen und bemühte sich nicht weiter um ihren Gast. Unverhohlen deutete sie an, dass Darcy nur dann eine Chance auf den Titel hatte, wenn sie selbst, Elizabeth, sich von nun an weitgehend auf Pemberly aufhielt und der Gesellschaft am Hofe in St. James so weit wie möglich fern blieb.
Ihr Besuch bei Lady Blackmoore dauerte nach deren Eröffnung nur noch wenige Minuten und als Elizabeth sich wieder in ihrer Mietkutsche befand, ließ sie ihren Tränen endlich freien Lauf. Jetzt konnte sie sich Darcy´s Verhalten ihr gegenüber endlich erklären. Er wollte eine Distanz zwischen ihnen beiden schaffen, damit er die Möglichkeit bekam, seinen Platz bei Hofe einzunehmen, während sie allein und verlassen in Pemberly sein würde.
Sicherlich bereute er seine Hochzeit mir ihr nun zutiefst. Sein ganzes Verhalten der letzten Tage war nun mehr als plausibel. Ihm, dem Ehre und Stand alles bedeutete, würde eine herausragende Rolle in den Geschicken dieses Landes zukommen, denn Lady Blackmoore hatte durchblicken lassen, dass Darcy nur aus dem einen Grund in den Adelsstand erhoben werden sollte: König Georg wollte Darcy in der Politik sehen, und ihm in Zukunft eine bedeutende Position bei Hofe zukommen lassen.
Anscheinend hatte sich ihr Gatte früher bereits durch sein politisches Geschick ausgezeichnet und der Hof wollte sich dieses nun zu Nutze machen. Das sie als Ehefrau dabei auf der Strecke blieb, war nebensächlich.
