Mae Mellon
„Nicht mehr lange mein Freund, dann wirst du meine Heimat erblicken."
Gimli sah zu seinem Freund auf. Legolas' Blick zeigte unverkennbar Freude; Freude endlich wieder in vertrauter Umgebung zu sein.
„Ich hoffe, das es dir hier gefallen wird. Ich weis, das nicht die Bäume es sind, die dein Herz am meisten erfreuen, dennoch denke ich, das du dich wohl fühlen wirst, solange du hier weilst."
„Wir werden sehen, Legolas. Letztendlich ist das ein Reich der Elben. Aber nachdem du mir nun schon so lange von deiner Heimat vorgeschwärmt hast, bin ich nun doch neugierig. Ich denke, da werde ich durchaus ein paar mehr von deinem Volk ertragen."
„Was soll ich sagen, wenn wir in ein paar Tagen zu deiner Heimat aufbrechen, in der ich von Zwergen umringt sein werde? Aber dir zu liebe werde ich sie um mich dulden."
„Du kannst es einfach nicht lassen, nicht wahr Elb?", meinte Gimli mit einem gespielt bösen Gesichtsausdruck.
„Genauso wenig wie du, mein Freund.", gab Legolas ebenso gespielt böse zurück.
Die beiden Freunde mussten lachen. Auch wenn sie einander ehrten und schätzten, die kleinen Neckereien gehörten zu ihrer Freundschaft einfach dazu. Von dem anfänglichen Misstrauen gegenüber dem Anderen war längst nichts mehr geblieben, aber beiden machte es zu viel Spaß, einander aufzuziehen, als das sie damit aufgehört hätten. Allerdings wussten auch beide, das kein Streit ernst gemeint war.
„Na gut, Herr Elb. Dann sag mir doch mal, wie lange wir noch brauchen, bis wir deine Heimat erreicht haben."
„Ich denke, das wir in etwa zwei Stunden dort sind, es sei du willst vorher noch eine Pause einlegen. Wir sind schon ziemlich lange unterwegs."
„Ich brauche keine Pause! -Außerdem können wir uns ausruhen, wenn wir deine Heimat endlich erreicht haben. -Warum hab ich nur zugestimmt, sie mir anzusehen?"
„Weil wir anschließend deine Heimat besuchen. Und dann werden wir uns sicher eine ziemliche Zeit lang nicht mehr sehen."
„Ja, das weis ich selbst auch. Also komm schon, lass uns weiter gehen."
Die Beiden beschleunigten ihren Schritt. Gimli, um Legolas davon zu überzeugen, das er noch kein bisschen müde war, und Legolas, um möglichst bald wieder in seiner geliebten Heimat zu sein. Die meiste Zeit gingen sie schweigend nebeneinander. Dann stellte Gimli eine Frage, über die er schon längere Zeit nachgedacht hatte.
„Legolas, dein Vater… Ist er dir ähnlich?"
„Wie meinst du das?"
„Na, ob er dir vom Wesen her ähnlich ist, oder vom Aussehen. Unsere Väter hatten ja schon mal das…Vergnügen, ich selbst bin ihm nie begegnet. Ich will lieber vorbereitet sein."
„Nun, meine Haare scheine ich von ihm geerbt zu haben. Was den Charakter angeht… Wir haben ähnliche Eigenschaften, aber sind uns nicht vollkommen gleich. Ich denke, es ist das Beste, wenn du dir selbst ein Bild von ihm machst."
„Wahrscheinlich hast du Recht."
Nach diesem kurzen Gespräch kehrte wieder Stille zwischen den beiden ein. Einige Zeit gingen sie schweigend nebeneinander her, als sie den Rand des Waldes erreichten, blieb Legolas stehen.
„Was ist? Warum hältst du?"
„Ich habe etwas gehört."
„Und was?" Gimli sah sich unsicher um.
„Nichts, was dir Sorgen bereiten müsste. Ich habe die Stimmen anderer Elben gehört, nicht weit von hier."
„Und du sagst, ich soll mir keine Sorgen machen. Als wenn einer von eurer Art nicht schon genug wäre." Legolas lächelte seinen Freund an und begab sich dann in die Richtung, aus der er die Stimmen vernommen hatte. Gimli ging neben ihm. Nicht lange darauf hörten sie eine Stimme.
„Wer betritt da unseren Wald? Ein seltsames Gespann, dergleichen sah ich noch nie."
„Ninniach, ich wusste du bist es. Komm heraus mit deinen Leuten, ich möchte euch jemanden Vorstellen."
Nachdem Legolas das gesagt hatte, kamen zwei Elben zum Vorschein, ein dritter kletterte geschwind von einem der Bäume und trat dann auf Legolas zu.
„Ich freue mich, dich als Erster begrüßen zu können. Lange haben wir auf deine Rückkehr gewartet."
„Und nun bin ich endlich wieder hier. Aber wie ich schon sagte, ich möchte dir jemanden vorstellen. Meinen Begleiter und guten Freund Gimli Glóinsohn. Und das, mein lieber Gimli, ist Ninniach. Er ist für die Grenzen des Waldes verantwortlich."
Ninniach reichte Gimli die Hand.
„Es ist mir stets eine Ehre, Freunde von Legolas kennen zu lernen. Ein Zwerg war allerdings bisher nicht darunter. Aber wenn Legolas dich als Freund bezeichnet, dann bin ich mir sicher, das du ihm teuer bist. Also Gimli, ich heiße dich herzlich willkommen in unserem Wald."
„Danke. Und ich muss sagen, der Düsterwald macht seinem Namen keine Ehre. Es sieht hier viel freundlicher aus, als ich es mir vorgestellt habe."
„Die Schatten habe sich verzogen, und der Wald ist nun endlich wieder in der Lage, sein wahres Gesicht zu zeigen. Und er trägt nicht länger den Namen Düsterwald, sondern Eryn Lasgalen, der Wald der grünen Blätter. Aber nun kommt. Wir werden euch zum Hof führen. Schließlich müsst ihr von der langen Reise erschöpft sein."
Ninniach und die Elben wanden sich zum gehen, und Legolas folgte ihnen. Auch Gimli beeilte sich, mitzuhalten. Er sah sich um. „Düsterwald, ich meine, Eryn Lasgalen ist anders als Fangorn oder Lothlorien." sagte er dann. „Nun, ich denke, das ich es hier eine Weile aushalten werde."
„Warte mit deinem Urteil noch ein wenig, mein Freund. Bis wir den bewohnten Bereich erreicht haben. Dann sollst du auch unsere Hallen sehen, und mir mit fachkundigem Wissen sagen, ob sie gut gebaut sind."
„Keine Sorge, ich werde ein kritisches Auge haben. Jeden einzelnen Stein will ich prüfen!"
Legolas bedachte seinen Freund mit einem freundlichen Blick. Er wusste, das Gimli das wirklich tun würde, auch wenn er vielleicht nichts darüber gesagt hätte. Als sie den Teil des Waldes erreichten, in dem die Elben lebten, war es schwer, einigermaßen in Ruhe zum Palast zu gelangen. Das Volk freute sich, das Legolas zurückgekehrt war, und nahezu jeder schien ihn begrüßen zu wollen. Die Einen förmlicher, die Anderen mit etwas mehr Herzlichkeit. Irgendwie schafften Legolas und Gimli es schließlich doch, sich von Ninniach zu verabschieden und die Hallen zu betreten. Legolas führte Gimli durch die Gänge bis zu einer großen Tür. Als sie eintraten, sahen sie jemanden auf sich zu kommen. Legolas wäre der Person am liebsten entgegen gelaufen.
„Adar!"
„Legolas, mein Sohn. Endlich bist du zurückgekehrt!" Thranduil legte seinem Sohn beide Hände auf die Schultern und sah ihm lange in die Augen.
„Ja."
Gimli stand daneben. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Also hielt er es für das beste, abzuwarten, bis er angesprochen wurde. Nach einiger Zeit löste Legolas sich von seinem Vater. Er ging zu Gimli und schob diesen, die Hand auf dessen Rücken legend, leicht in Richtung Thranduils.
„Vater, ich möchte dir meinen Gefährten Gimli Glóinsohn vorstellen. Lange sind wir gemeinsam gereist. Durch viele Gefahren sind wir gegangen und haben Seite an Seite gekämpft und geruht. Zusammen bestaunten wir die Grotten von Helms Klamm und die Wunder Fangorns."
Thranduil blickte zu dem Zwerg, der sich leicht verbeugte.
„Seid mir willkommen, Gimli Glóinsohn. Das letzte Mal, als wir Zwerge zu Gast hatten, gab es einige Meinungsverschiedenheiten. Ich hoffe, das wir dieses Mal friedlich miteinander auskommen."
„Ich habe nicht vor, Streit anzufangen."
„Das habe ich nicht gesagt. Nun, Legolas, Gimli, ihr seid gewiss erschöpft von der Reise. Erholt euch ein wenig. Wir werden heute Abend zu ehren deiner Rückkehr ein Bankett geben, mein Sohn. Ich hoffe, du erscheinst. Auch ihr seid eingeladen, Herr Gimli."
„Vielen Dank, Vater. Wenn du gestattest, werden wir uns bis dahin zurückziehen, um uns auszuruhen."
„Natürlich. Ich werde euch rufen lassen. Wir sehen heute Abend."
Legolas verlies den Raum zusammen mit Gimli.
„Und was ist nun dein Erster Eindruck?"
„Dein Vater scheint mir genau das zu verkörpern, was im allgemeinen über euch Elben gesagt wird: Schön, weise, zurückhaltend, höflich und stolz."
„Das trifft es recht gut, würde ich sagen. Allerdings meine ich nicht meinen Vater, sondern das Reich der Waldelben."
„Legolas, du kannst dich verstellen, wenn du willst, aber ich weis genau, das du meine Meinung über deinen Vater hören wolltest."
„Du hast mich durchschaut.", gab Legolas lächelnd zu. „Du scheinst mich wirklich ein wenig zu gut zu kennen."
„Wenn man erst mal lange genug mit einem von euch zusammen gereist ist, seid ihr Elben längst nicht zu undurchschaubar, wie ihr immer denkt."
„Das sollte mir Anlass zur Beunruhigung geben, das jemand in der Lage ist, meine Gedanken zu erraten, noch dazu jemand, der aus einem anderen Volk ist. Aber mein Herz bekümmert es nicht. Dennoch, es würde mich auch interessieren, was du von meiner Heimat denkst. Soll ich dich ein wenig herumführen, oder dir lieber ein Zimmer zeigen, in dem du bleiben kannst?"
Gimli überlegte. Eigentlich war er sehr müde und wollte sich ausruhen, aber zugeben…?
„Machen wir es so: du zeigst mir zuerst mein Zimmer, damit ich weis, wo es ist, und dann zeigst du mir ein Wenig von diesem Ort. Aber wir haben ja auch in den nächsten Tagen sicher noch genug Gelegenheiten dazu, also übertreib es nicht."
„Einverstanden."
Gimli streckte sich. Er fühlte sich entspannt und erfrischt. Zwar hatte er nicht lange geschlafen, aber die wenige Zeit hatte ausgereicht, das er sich nicht mehr ganz so erschöpft fühlte. Nachdem sie ihren Rundgang beendet hatten, hatte Legolas ihn noch zurück zu seinem Zimmer begleitet, und sich dann erst mal verabschiedet. Gimli hatte sich auf das Bett gesetzt. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, sofort zu schlafen, aber er war doch müder gewesen, als er geglaubt hatte. Nun stand er wieder auf. Als er aus dem Fenster sah, sah er, das es draußen schon ziemlich dunkel geworden war.
„Habe ich wirklich so lange geschlafen?"
Wie zur Antwort klopfte es an der Tür. Gimli öffnete sie. Vor ihm stand Legolas. Er trug einen silbernen Stirnreif, sowie eine grüne Tunika, in die ein Muster eingewebt war, das an Blätter erinnerte. Der blonde Elb blickte Gimli ein wenig überrascht an.
„Ich wollte dich abholen, damit wir den Bankettsaal gemeinsam betreten können, aber wie ich sehe, bist du noch gar nicht fertig."
„Nicht fertig? Warum? Ich muss mir nur das Gesicht waschen, dann können wir gehen. Ich bin kein zerbrechlicher Elb, sondern ein stämmiger Zwerg. Ich trage, was ich immer trage. Und außerdem, was soll ich denn anderes anziehen? So etwas wie du da anhast? Mein lieber Legolas, wie würde das wohl aussehen? Elbenkleidung ist etwas für Elben, aber nicht für mich."
„Nun, da hast du Recht. Du bist ein Zwerg, also solltest du auch zwergische Kleidung tragen. Wohlmöglich gingest du mir sonst unter den Gästen verloren."
„Oh ja. Bei den vielen hier Lebenden, die Bärten tragen…" Gimli verdrehte die Augen.
„Eben drum.", sagte Legolas lachend. „Aber nun sollten wir uns beeilen, sonnst kommen wir noch zu spät."
Kurz darauf betraten beide den langen Gang. Legolas führte Gimli zu dem Saal, in dem das Bankett stattfinden würde. Schon von weitem waren Stimmen, Gelächter und Musik zu hören. Als die Beiden dann in den Raum traten, wurde es still. Alle Blicke ruhten auf ihnen. Gimli fühlte sich ein wenig unwohl dabei.
„Ah, ihr seid eingetroffen!", sprach König Thranduil. „Legolas, setzt dich zu mir." Er wies mit seiner Hand auf einen Platz nahe seinem.
„Komm Gimli, lass uns gehen."
„Ich soll da ganz vorn an der Tafel sitzen, bei all den wichtigen Leuten deines Volkes?"
„Natürlich. Schließlich bist du mein Freund und Gast hier."
Also traten sie Beide nach vorn. Thranduil beobachtete dies, dann ließ er für Gimli einen weiteren Stuhl an die Tafel stellen, neben dem, das für Legolas bestimmt war. Die Gespräche und auch die Musik setzten wieder ein. Als die Beiden schließlich saßen, bat König Thranduil seinen Sohn von der Reise zu erzählen. Legolas tat dies, und wurde hin und wieder von Gimli in einer Sache bekräftigt, oder verbessert. Als Legolas schließlich geendet hatte, erhob Thranduil erneut die Stimme.
„Viele Gefahren habt ihr ausgestanden, wohl wahr. Und ihr scheint einiges geleistet zu haben, in den Schlachten."
„Und mehr als einmal haben wir uns gegenseitig geholfen."
„Ich hätte deine Hilfe allerdings nicht so oft gebraucht, wie du sie mir gegeben hast."
„In Moria, auf der Brücke wärst du gestürzt, mein Freund."
„Mag ja sein, aber im Kampf brauche ich von dir gewiss keine Hilfe. Erinnere dich an die Schlacht in Helms Klamm. Ich habe mehr Orks geschlagen als du."
Thranduil und die anderen Elben sahen Gimli überrascht an.
„Das sagt ihr gewiss nur so, Herr Gimli" meinte ein Elb, der Gimli gegenüber saß.
„Nein, es stimmt. Er war mir tatsächlich um einen Ork voraus, in dieser Schlacht."
„Wie kann das sein? Die Kraft eines Zwerges kann doch nicht die eines Elben übersteigen!"
„Was soll das heißen? Vieles ist möglich. Und in dieser Schlacht habe ich eindeutig mehr Gegner besiegt als Legolas."
„Und dieser eine Triumph sei dir gegönnt, Gimli." Legolas betonte das Wort 'eine' ganz bewusst, meinte er damit doch den einen Ork, um den Gimli ihn geschlagen hatte. „Aber du willst doch nicht behaupten, das du meine Hilfe in Moria oder beim Reiten nicht gebraucht hättest?"
„Zwerge sind nicht zum Reiten gemacht. Normmaler Weise hätte ich deine Hilfe nicht gebraucht, weil ich normaler Weise nicht geritten wäre."
„Aber die Situation verlangte es, und du musstest reiten."
„Ach verflucht, Spitzohr! Musst du eigentlich immer Recht behalten?!"
„Nein, nur wenn es nötig ist mein Freund.", erwiderte Legolas schmunzelnd.
„Na großartig. Dann scheint es bei dir immer nötig zu sein.", grummelte Gimli. Daraufhin mussten beide ein wenig lachen.
Die Anderen Elben am Tisch sahen sich fragend an.
„Wie sieht es aus, mein Freund? Hast du schon begutachtet, ob unsere Hallen tauglich sind?"
Legolas blickte auf den Zwerg neben ihm. Beide waren dabei einen morgendlichen Spaziergang durch den Wald zu machen. Gimli schüttelte den Kopf.
„Nein Legolas. Ich hatte bisher noch keine richtige Gelegenheit dazu. Aber dem ersten Eindruck nach würde ich sagen, das sie ganz manierlich sind."
„Freut mich zu hören. Aber nun sag schon, wie hat dir das Bankett gefallen?"
„Ehrlich gesagt, ich glaube, ich habe doch einen Becher zu viel von eurem Wein getrunken. Oh, dieses Zeug macht so verdammt müde. – Und Vergesslich. An die späteren Stunden kann ich mich nicht mehr richtig erinnern. Wie könnt ihr so etwas nur regelmäßig trinken? Ein Bier ist mir wesentlich lieber! Aber Wein… Na ja, er passt zu euch Elben. Genauso weich wie ihr."
„Willst du andeuten, wir seinen zu zart besaitet? Habe ich dir in all den Kämpfen nichts anderes zeigen können?"
„Was ich sagen will, ist folgendes, Legolas. Der Wein ist ruhig, hat stets eine glatte Oberfläche. Das ist wie mit der Ruhe, die ihr Elben für gewöhnlich immer zeigt. Bier prickelt und schäumt, und das ganz offensichtlich. Genau wie Zwerge, die immer gerade heraus sagen, was sie Denken. Der Wein verbirg in seinem Aussehen das, wozu er in der Lage ist. Das Bier hingegen versteckt sein Wesen nicht."
„Ich verstehe. Das Gleichnis erscheint mir passend, so wie du es sagst."
Nach diesem Gespräch kehrte Stille ein. Legolas öffnete seine Sinne. Er genoss die Anwesenheit in diesem Wald. Er lauschte dem Wind, der mit den Blättern in den Baumwipfeln spielte und atmete einmal tief ein. Viel zu lange hatte er diesen Ort entbehren müssen, viel zu lange war es her, das er zum letzten mal durch diesen Wald streifte. Er spürte eine tiefe Ruhe in seinem Herzen, und er vergaß für einen Moment alles andere. Selbst die Schreie der Möwen, von denen er dachte, das sie von nun an immer in seinem Herzen bewahrt werden würden, verblassten. Nichts anderes nahm er mehr wahr, als den Wald um ihn herum. Und dann eine Stimme, die ihm von weit her zu kommen schien, die er aber dennoch sofort zuzuordnen wusste.
Gimli sah seinen Freund fragend an. Er schien alles vergessen zu haben. Scheinbar vollkommen in Gedanken versunken war er neben ihm gegangen. Gimli war sich sicher, das Legolas 'der Stimme des Waldes' lauschte, wie er es nannte. Er hatte es schon einmal erlebt, als sie gemeinsam Fangorn besucht hatten. Gimli hatte versucht, den Wald genau zu betrachten, da er wusste, das es seinem Freund viel bedeutete. Und auch wenn er nicht wie Legolas mit ganzer Seele aufnehmen konnte, was er sah, spürte er doch eine gewisse Idylle. Sollte Legolas ihn danach fragen, würde er versuchen, ihm das Gefühl zu beschreiben. Fast traute er sich nicht, die Stille zu brechen, als er seinen Freund ansprach.
„Legolas?" Die Frage war nur leise gestellt, um die Ruhe nicht zu stören. Gerade, als Gimli sich sicher war, das sein Freund ihn nicht gehört hatte, und er die Frage etwas lauter wiederholen wollte, wand Legolas ihm den Kopf zu. Dann bedeutete er ihm, zu folgen und begab sich tiefer in den Wald. Gimli fragte sich, was sein Freund ihm wohl zeigen wollte. Sie waren eine ganze Weile unterwegs, als Legolas schließlich stehen blieb. Er trat hinter Gimli, und legte ihm sanft eine Hand auf die Augen, die Andere legte er auf Gimlis Schulter. Ganz vorsichtig führte er seinen Begleiter nun ein paar weitere Schritte durch den Wald. So langsam fragte Gimli sich wirklich, was sein Freund ihm zeigen wollte, das er so geheimnisvoll tat. Am liebsten hätte er gefragt, aber es war ihm nicht möglich, so als wenn er nicht den Zauber brechen wollte, der sich irgendwie seiner bemächtigt zu haben schien. Als Legolas hielt, und die Hand von Gimlis Augen nahm, und dieser sie wieder öffnete, meinte er erst, sie würden ihm einen Streich spielen. Sie befanden sich auf einer Waldlichtung, von Licht durchflutet und mit unzähligen, blühenden Blumen. Ein kleiner Teich befand sich am Rande der Lichtung und in seinem Wasser brach sich das Licht der Sonne. Die ganze Lichtung schimmerte golden, und die Reflektion des Wassers tanzte auf den Blättern, Gräsern und Blüten. Gimli staunte. Vermochten Edelsteine zu leuchten und zu strahlen, so hatte diese Lichtung ihm soeben bewiesen, das auch die Natur dazu in der Lage war.
„Dies, mein Freund, ist der Platz des Lichtes, ein Ort der Ruhe und der Schönste in meiner Heimat. Jedoch kennen nur die Wenigsten sein Geheimnis. Du gehörst nun dazu."
„Überwältigend, in der Tat. Ich danke dir, das du mir diesen Ort gezeigt hast."
Die beiden Freunde, so schien es Gimli verblieben eine Endlose Zeit auf der Lichtung. Als sie sich jedoch schließlich auf den Rückweg begaben, und Gimli zur Sonne sah, konnte er an ihrem Stand erkennen, das sie sich höchstens eine Stunde auf dem Platz des Lichtes aufgehalten hatten.
Nach einer Weile fiel Gimli etwas ein, das er seinen Freund schon früher am Tag fragen wollte, wozu er bisher allerdings nicht gekommen war. Also sprach er seinen Freund an.
„Legolas?"
„Ja, Mellon nîn?"
Gimli stemmte die Hände in die Hüften, als Legolas das sagte.
„Hör auf, Elbisch mit mir zu sprechen!"
„Ich bin ein Elb, was erwartest du?"
„Das du Rücksicht auf diejenigen nimmst, die nicht so gut in dieser Sprache bewandert sind!"
„Du willst mir doch nicht sagen, das du nicht weist, was ich gerade gesagt habe?"
„Natürlich weis ich, was du gesagt hast! Ein paar Worte habe ich ja schon unfreiwillig gelernt. Aber darum geht es nicht. Trotz aller Freundschaft, ich bin kein Elb, und ich will auch keiner sein. Wenn du elbische Worte in deine Sätze einbaust, die nur für meine Ohren bestimmt sind, habe ich manchmal das Gefühl, du willst einen Elben aus mir machen."
Legolas sah seinen Freund mit großen Augen an.
„Das ist gewiss nicht meine Absicht! Verzeih, ich habe nicht gewusst, das es dich so sehr stört. Ich werde versuchen, nicht mehr Elbisch mit dir zu sprechen, außer du bittest mich darum."
Täuschte sich Gimli, oder hatte er seinen Freund gerade ein wenig verletzt?
„Aber um auf meine eigentliche Frage zurück zu kommen…"
„Ja?"
Legolas war dankbar, das Gimli das Thema wechselte.
„Wegen dem Bankett… Ich erinnere mich noch, das einige Elben begonnen haben, Lieder vorzutragen. Ab da wird meine Erinnerung verschwommen. Ich möchte dich bitten, mir zu erzählen, was dann noch gewesen ist. Falls mich einer der Elben fragen sollte, wie ich dieses oder jenes fand, möchte ich zumindest wissen, was noch gewesen ist. Ich will ja nicht unhöflich erscheinen!"
„Gerne will ich dir diesen Gefallen tun. Aber viel ist es nicht, was ich dir da sagen könnte. Nach dem du dein Lied vorgetragen hattest, folgten noch wenige weitere, und dann verließen auch nach und nach alle den Bankettsaal."
„Was? Ich habe gesungen? Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern! Legolas, was habe ich gesungen?"
„Nur die Ruhe, mein Freund. Du hast die Ehre der Zwerge gewahrt. Und dein Gesang war auch sehr schön."
„Das ist zumindest schon mal beruhigend. Aber was habe ich denn nun gesungen?"
„Du sangest von Aule, dem Valar, der einst die sieben Zwergenväter schuf."
„Wenigstens scheine ich kein Lied nur über die Zwerge gesungen zu haben. Ich weis nicht, wie dein Volk das gefunden hätte."
Legolas wollte gerade etwas erwidern, als ihnen eine Elbin begegnete.
„Herr Legolas, euer Vater wünscht mit euch zu sprechen."
König Thranduil schritt in seinem Thronsaal unruhig auf und ab. Normaler Weise war das nicht seine Art. Aber das, was gestern Abend beim Bankett geschehen war, konnte man auch nicht normal nennen. Ungern dachte er an alles, was sich während des Abends zugetragen hatte. Mehr als eine Sache hatte ihm missfallen. Zum Beispiel wie dieser Zwerg sich aufgeführt hatte, nachdem er einige Becher Wein getrunken hatte… Und das Verhalten, das sein Sohn dem Zwerg gegenüber an den Tag gelegt hatte, war auch nicht wirklich nach seinem Gefallen.
König Thranduil ging zum Fenster und sah hinaus. Er sah auf den Wald und versuchte sich ein wenig zu sammeln. Gleich würde sein Sohn hereinkommen, da musste er die Haltung bewahren. Kaum hatte er diesen Gedanken zuende gebracht, als er schon hörte wie jemand herein kam. Thranduil drehte sich um –und sah nicht nur seinen Sohn, sondern auch Gimli in der Halle stehen.
„Du wolltest mit mir sprechen Vater?"
„Ja. Aber eigentlich hatte ich vor, mit dir allein zu reden."
„Oh!" entfuhr es Gimli. „Verzeiht, das haben wir nicht gewusst. Ich werde draußen warten." Er verbeugte sich, und zog sich dann zurück.
Legolas sah seinen Vater an. Was mochte wohl der Grund dafür sein, das er ihn nun allein sprechen wollte?
„Komm her zu mir, Legolas."
Legolas gehorchte und trat zu seinem Vater ans Fenster.
„Ich mache mir Sorgen, mein Junge."
„Sorgen? Wie kann ich dir helfen, sie zu beheben Vater? Ich will nicht zulassen, das etwas dein Herz erschwert."
„Das weis ich, Legolas. Aber trotzdem bin erfreut, diese Worte von dir zu hören. Meine Sorgen betreffen dich."
„Mich?", fragte Legolas ehrlich verwirrt.
„Ich bereite dir Kummer? Warum?"
„Bevor ich dir antworte, lass mich dir zuerst eine Frage stellen. Dein Gefährte, Herr Gimli. Wie lange wollte er denn bei uns bleiben?"
„Wir wollten uns eine Zeitlang hier ausruhen, und ich wollte ihm die Schönheit unseres Reiches zeigen, bevor der Weg in das Reich der Zwerge führt."
Thranduil hob fragend eine Augenbraue.
„Wir?"
„Ja, wenn die Zeit gekommen ist, werden wir gemeinsam Gimlis Heimat besuchen."
„Legolas! Du bist gerade erst zurückgekehrt, nachdem du so lange auf einer Reise warst. Und nun willst du gleich wieder fort?"
„Nicht sofort. Erst in zwei oder drei Wochen."
„Legolas, ich bin damit nicht einverstanden. Du wirst hier bleiben."
„Was?"
„Ich sagte, das du bleiben wirst."
„Vater, ich…"
„Nein, Legolas. Ich will nicht, das du noch länger Zeit mit diesem Zwerg verbringst. Tut in den Tagen, in denen er noch hier ist, was ihr wollt. Zeige ihm meinetwegen das Reich. Aber du wirst ihn nicht weiter begleiten."
„Vater, ich gab ihm mein Wort! Ich kann doch nicht das Wort brechen, was ich einem Freund gab!"
„Nenne ihn nicht deinen Freund! Das ist Verrat an deinem Volk!"
„Vater! Warum sagst du so etwas?"
„Weil es die Wahrheit ist, Legolas!"
„Gimli trägt den Beinamen Elbenfreund, wie kann es also Verrat sein, wenn ich ihn als Freund bezeichne?"
„Ein Zwerg kann der Elben Freund niemals sein. Ich verstehe, das du ihn als Kampfgefährten schätzt, da ihr so lange gemeinsam gereist seid. Aber niemals wird ein Zwerg einen Elben verstehen. Alles, wonach es die Naugrim gelüstet, sind Gold und Edelsteine! In ihren steinernen Bergwerken leben sie, und kümmern sich nicht um die Natur oder Andere Wesen! Sollen diese gierigen Wesen doch bis ans Ende aller Tage im Schatten ihrer Gänge bleiben!" Thranduil spürte, wie Wut in ihm aufstieg.
„Gimli ist ein treuer Freund. Und er zeigte mir, das auch die Berge Schönheit enthalten. Sie gehören zur Natur. -Edro gûr lín, Adar."
„Unsinn!" Thranduil wurde nun wirklich lauter.
„Schönheit in Felsen? Was gibt es schönes an zerklüftetem Gestein? Fängst du jetzt schon an wie ein Zwerg zu denken? Am Ende wirst du dich noch genauso verhalten wie einer von ihnen, und selbst in Stollen graben!"
Legolas schnappte nach Luft.
„Neithach nîn!", rief er. „Niemals würde ich Stollen dem Wald vorziehen!"
Dann, wieder etwas gefasster, sagte er: „Die Zwerge sind nicht so schlecht, wie immer gesagt wird. Sie denken und fühlen anders als wir, das Stimmt. Aber so verhält es sich auch bei jedem anderen Volk! Man muss nur sie nur verstehen lernen. Und mein Herz sagt mir, das die Freundschaft Gimlis ehrlich ist."
„Mein Sohn hat mit keinem Zwerg Freundschaft zu schließen! Das dulde ich nicht!"
Eine lange Stille setzte ein. Legolas und Thranduil sahen sich an.
„Dann", brach Legolas schließlich das Schweigen, „kann euer Sohn ich nicht länger sein."
Er verbeugte sich leicht.
„Mein König…" Mit diesen Worten verließ Legolas die Halle.
Elbische Wörter:
Mae Mellon (etwa) guter Freund
Ninniach Regenbogen
Adar Vater
Mellon nîn mein Freund
Edro gûr lín öffne dein Herz
neithach nîn! Du behandelst mich ungerecht!
