Ich weiß wirklich nicht, wie ich in diese Situation gekommen bin.
Als ich aufwachte, lag ich in einem weißen Zimmer, mit ganz vielen stechenden Nadeln in meinem steif wirkenden Körper. Ich versuchte mich zu bewegen, mich aufzurichten, doch jede Bewegung schmerzte und verursachte mir die schlimmsten und höllischsten Kopfschmerzen, die ich wohl jemals gehabt hatte.
"Bitte Ms, bleiben Sie liegen. Es tut ihnen noch nicht gut!", hörte ich eine freundliche Frauenstimme von einer Seite des weißgestrichenen Zimmers rufen. Kurz darauf vernahm ich auch das Geräusch einer Tür, die ins Schloss glitt, während sich sanft leichte Schritte näherten.
Ich konnte die Person erst sehen, als sie genau neben mir stand. Da sogar das leichte Drehen meines Kopfes die reinste Qual war, versuchte ich ihren Rat zu beherzigen und mich nicht zu rühren.
Die Person war eine leicht lächelnde, etwas kleine und füllige Dame im mittleren Alter. Sie trug einen weißen Kittel und ein farbiges Stethoskop um ihren Hals. Sie war wohl eine Krankenschwester.
"Wo... wo bin ich hier?", fragte ich ganz aufgelöst und fühlte Panik in mir aufsteigen, die meinen Herzschlag beschleunigte und mich beinahe hyperventilieren ließ.
"Sie sind im Krankenhaus von Port Angeles. Sie hatten furchtbares Glück. Ihrer Kleinen geht es auch gut. Bitte versuchen sie sich etwas zu beruhigen. Es wird ihnen hier nichts geschehen", erwiderte die Krankenschwester mit beruhigender Stimme.
Es dauerte ein wenig, bis ihre Worte zu mir durchdrangen. "We… Von welcher Kleinen reden sie, bitte?"
Sie schaute mich leicht verdutzt an und legte vorsichtig eine Hand auf meinen Bauch. Erst da realisierte ich meinen gesamten körperlichen Zustand, in dem ich mich befand. Erst da bemerkte ich diesen großen und gewölbten Bauch, der geradezu in die Höhe ragte. Ich war schwanger. In dem Moment weiteten sich meine Augen und ich sah die Schwester total perplex an.
"Oh mein Gott, was ist passiert?" Das fragte ich gleichermaßen zu ihr wie zu mir. Ich konnte mich an überhaupt nichts erinnern. Meine Kopfschmerzen wurden in dem Moment, als ich es versuchte, schlimmer. Ich musste meine Augen schließen, um mich ein wenig zu beruhigen. Ich würde wohl das Nachdenken für eine ganze Weile sein lassen müssen.
"Sie wurden aus einem Autowrack gezogen. Die Ärzte sahen schon keine Hoffnung mehr. Doch sie hatten noch einen leichten Puls und so wurden sie unverzüglich hierher gebracht und in allerletzter Minute versorgt. Es ist wirklich ein Wunder, dass sie dabei keine
Fehlgeburt hatten. Sie können schon jetzt ganz stolz auf ihre Kleine sein. Ihr Überlebenswille ist gewaltig und fast unnatürlich", sagte sie voller Ehrfurcht und streichelte mir leicht über den riesigen Bauch.
"Es wird ein Mädchen?", fragte ich ganz aufgelöst und doch übermäßig begeistert. Meine Augen füllten sich unwillkürlich mit Tränen. Es war irgendwie ein erhabenes Gefühl zu wissen, dass ein kleines Wesen in mir heranwuchs.
"Ja, aber beruhigen Sie sich erstmal wieder. Sie haben lange geschlafen. Vor zwei Wochen wurden sie eingeliefert und wenn sie sich jetzt nicht schonen, kann das noch ernsthafte Konsequenzen mit sich bringen." Sie legte mir die Decke etwas höher, reichte mir eine Box mit einzeln herausnehmbaren Taschentüchern und strich mir mütterlich über die Stirn.
"Schlafen sie noch eine Runde. Wir sind alle froh, dass sie wieder wach sind, doch zu schnell sollten wir nichts riskieren."
Als ich aufwachte, war es kurz vor neun. Ein leichtes Frühstück stand schon für mich - auf einem Wägelchen neben meinem Bett - bereit. Ich streckte vorsichtig eine Hand aus, um es etwas näher zu mir zu ziehen. Es gelang mir fast schmerzfrei. Die andere lag an meinem Bauch und betastete ihn leicht. Ich konnte es immer noch nicht glauben: Ich war schwanger. Nicht, dass ich mir das nie gewünscht hätte - jedenfalls erinnerte ich mich nicht daran, dass es nicht so gewesen war. Aber ich erinnerte mich auch nicht dran, dass es so gewesen war. Ich fühlte mich trotz der vielen Nadeln, die unangenehm in meinen Armen steckten, einigermaßen wohl und es gelang mir, eine kleine Scheibe Brot mit Butter zu beschmieren und es mit langsamen und kleinen Bissen runterzuschlucken.
Es fühlte sich merkwürdig an, wie die kleinen Brotstückchen meine Speiseröhre hinabwanderten. Ich hatte sie wohl schon lange nicht mehr benutzt. Ich hoffte nur inständig, dass ich das Essen bei mir behalten würde. Es wäre jetzt einfach zu viel für mich gewesen, wenn ich auch noch von meiner ersten kleinen Mahlzeit spucken würde. Von den Schmerzen mal abgesehen.
Um zehn Uhr klopfte es so leise an meiner Tür, dass ich einen Moment dachte, ich hätte mir das nur eingebildet. Doch einen kleinen Augenblick später öffnete sich leise die Tür und jemand trat ein. Es war ein braungebrannter, dunkelhaariger und gutaussehender junger Mann, der mich mit weitgeöffneten Augen anblickte.
"Oh Bella, es ist ja so schön, dass du endlich wach bist", sagte er, als er auf mich zu kam und mir dann einen flüchtigen Kuss auf die Stirn drückte. "Wie fühlst du dich?" Ich fühlte mich nicht ganz wohl von einem Fremden auf die Stirn geküsst zu werden, doch ich wollte nicht zu unhöflich sein. Außerdem wirkte er sehr nett und blickte mich mit vertrauten und beinahe sogar verträumten Augen an.
'Ah, so heiße ich also, gut zu wissen', dachte ich nach seiner Begrüßung. "Ähm, mir geht's soweit ganz gut, danke. Hab nur tierische Kopfschmerzen. Und wenn ich ehrlich sein darf: ich hab keine Ahnung, wer sie sind, geschweige denn wer ich bin. Kennen wir uns gut?" fragte ich leicht skeptisch, denn der Kuss musste ja irgendetwas zu bedeuten haben.
"Die Krankenschwester hat schon sowas angedeutet, aber ich dachte, das würde schnell wieder. Also, dann stell ich mich mal vor." Er stockte kurz, holte tief Luft und begann mit einem milden Lächeln auf seinem Gesicht: "Ich bin Jacob Black und du Isabella Swan." Nun schien er etwas unsicher zu werden. Sein Lächeln wurde kleiner, aufgesetzter und eine kleine Denkfalte bildete sich zwischen seinen dunklen buschigen Augenbrauen. "Wir… sind… ein Paar, seit... ungefähr einem Jahr." Er stockte abermals, er wartete wohl auf eine
Reaktion meinerseits.
Als ich versuchte seine Worte nachzuvollziehen, wurden meine Kopfschmerzen schlimmer. Ich ließ es einfach sein, mich krampfhaft an etwas erinnern zu wollen, war wohl jetzt keine gute Idee. Damit musste ich mich abfinden.
"Okay", sagte ich sehr gedehnt. "Dann ist meine Kleine also unsere Kleine. Richtig?", fragte ich einfach nochmal nach, um alles im rechten Licht zu sehen.
"Japp!", antwortete er knapp und fast schon unbeteiligt. Hatte er die Kleine gar nicht gewollt? Wollte ich sie vielleicht auch nicht? War es ein Versehen gewesen? Ich konnte, nein, ich wollte mir das nicht vorstellen.
"Wohnen wir schon zusammen?", fragte ich aus reiner Neugier und um mich selbst von den vorherigen Gedanken abzulenken. Außerdem wollte ich allmählich von hier verschwinden. Irgendwie fühlte ich mich in diesem sterilen Zimmer ziemlich beengt und unwohl, obwohl ich allein hier drin war.
"Wir... wollten zusammen ziehen. Das Haus wäre soweit fertig. Wir hatten schon darüber gesprochen, doch dann…"
"Ich verstehe", erwiderte ich wissend auf das, was er mit einem halben Satz anspielte.
"Hast du gefragt, wann wir gehen können?", fragte ich leicht unruhig.
"Sie möchten dich noch eine Woche dabehalten."
"Wo sind meine Eltern? Und meine Geschwister, wenn ich welche habe?"
"Deine Mutter Renée ist mit ihrem neuen Mann Phil noch in den verspäteten Flitterwochen. Sie konnten keinen früheren Flug bekommen und sitzen auf Hawaii fest. So wie man halt auf Hawaii festsitzen kann. Dein Vater Charlie kommt jeden Abend vorbei. Er ist
Polizeichef in Forks. Dort wohnt er und wir auch. Also, wir leben eigentlich in La Push, das ist ein Reservat gleich nebendran", informierte er mich geduldig.
"Dann kann ich mich ja schon auf heute Abend freuen, wenn ich meinen Vater kennen lerne." Ich musste bei diesem Satz etwas schmunzeln. Wer konnte das schon von sich behaupten? Wohl nicht wirklich viele.
"Mr Black, sie müssten jetzt langsam gehen. Der Doktor kommt gleich um Ms Swan gründlich zu untersuchen und da dürfen sie nicht im Raum sein", berichtete uns die Krankenschwester, die mein Essenstablett abholte und gleich darauf wieder den Raum verließ.
"Na dann warte ich mal draußen und leiste dir dann später wieder Gesellschaft, okay?", fragte er mich mit hoffnungsvollem Blick. Ich verstand das nicht, was ich in seinen Augen sah. Es sah so aus, als wäre er sich total unsicher darüber, ob ich ja sagen würde. So als würde er mich nicht kennen. Naja, ich kannte mich ja selbst nicht. Vielleicht war das der Grund für seine Unsicherheit.
"Jake, das ist wirklich nicht nötig. Fahr lieber nach Hause. Ich glaub nach der Untersuchung schlafe ich erstmal ne ganze Weile wieder und du würdest dich nur neben mir langweilen. Ich hab noch ziemliche Kopfschmerzen."
Mit hängenden Schultern hörte ich ihn ein "Na gut" murmeln. Er gab mir noch einen Kuss auf die Stirn, schaute mir einmal tief in die Augen und verließ mein Krankenzimmer.
