Mione starrte stumm auf die gelbe Schleife in Dumbledores Bart. Ihr Kopf war plötzlich wie leer gefegt und gleichzeitig überschlugen sich ihre Gedanken.
"Das kann nicht Ihr Ernst sein, Sir!", murmelte sie leise, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Dumbledore schenkte ihr einen nachdenklichen Blick und Mione bekam die schlechte Ahnung, dass er ernst meinte, was er eben gesagt hatte.
"Ich kann Sie zu nichts zwingen, Miss Granger", sagte Dumbledore leise und fuhr sich mit einer Hand über die Augen, plötzlich strahlte er eine ungreifbare Müdigkeit aus. "Sie können jederzeit gehen."
Mione stand auf, ihr Beine streckten sich mechanisch, während ihre Arme nutzlos an ihren Seiten hinunterbaumelten. Mione fühlte sich wie in Watte gepackt. Sie sollte gehen, vergessen, was Dumbledore gesagt hatte, zurück in ihr Bett gehen und dann hoffentlich bald aus diesem Alptraum aufwachen.
Sie hatte keinen blassen Schimmer gehabt, warum Dumbledore sie nach dem Mittagessen zurück gehalten hatte, sie bat, nach dem Abendmahl zu ihm zu kommen. Jetzt wusste sie es und wäre am liebsten wieder gegangen, oder besser, gerannt. Schnell fort aus dem Büro, weit weg. Am liebsten hinaus auf die Ländereien, um die kühle Oktoberluft auf ihrem Gesicht zu spüren. Der Wind würde ihr die Bitte Dumbledores aus dem Kopf pusten.
Mione schluckte hart und sah zu dem Direktor auf, seine eisblauen Augen musterten sie erwartungsvoll und... enttäuscht. Sie schluckte noch einmal.
"Gehen Sie, Miss Granger und vergessen Sie unser Gespräch", warf Dumbledore ihr ein zweites Mal einen Rettungsanker. Jetzt könnte sie gehen, es vergessen und sie müsste ie wieder daran denken.
Mione setzte sich wieder, langsam und zögerlich. Sie senkte den Blick und faltete ihre Hände im Schoß.
"Das können Sie nicht von mir verlangen", flüsterte Mione und sah zu Dumbledore auf, ihre Stimme so leise, dass sie kaum zu verstehen war.
"Ich weiß, dass es sehr viel ist, worum ich sie bitte, aber ich verlange nichts von Ihnen. Sie können jederzeit gehen."
Eine bedrückende Stille entstand. "Warum?", flüsterte Mione. "Warum soll ich... sollen wir..." Sie beendete ihren Satz nicht, sondern senkte wieder ihren Kopf. Mione fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden. Vorsichtig schielte sie zu ihrer Rechten, ihr Blick wanderte den dunklen Umhang hinauf, über die blassen Hände, die die prunkvollen Armlehnen des Sessels umklammerten, bis hinauf zu dem Vorhang schwarzer Haare. Severus Snape hatte sich nicht bewegt, seit sie den Raum betreten hatte, seine Miene war die ganze Zeit wie erstarrt gewesen, den Blick mit Eiseskälte an ihnen vorbei auf die Regale gerichtet. Er hatte weder sie noch Dumbledore angesehen.
"Warum sollen wir...", begann Mione ihren Satz noch einmal und wandte ihren Blick zurück zu Dumbledore, bevor sich dieses klamme Gefühl wieder ihrer bemächtigen konnte. "Warum sollen wir... eineEheeingehen?" Die letzten Worte sprudelten so leise und schnell aus ihrem Mund, dass sie miteinander verschmolzen.
Snape schien sie doch verstanden zu haben, denn er zuckte plötzlich zusammen, als er das Wort "Ehe" hörte. Sein Blick wandte sich ruckartig zu Dumbledore, der sich wie geistesabwesend durch den Bart strich.
"Miss Granger... Sie sind noch sehr jung, aber auch sie werden bemerkt haben, dass sich ein Krieg anbahnt, so sicher wie das Gewitter heute Nacht." Mione starrte an ihm vorbei aus dem Fenster, musterte die dunklen Gewitterwolken, die den Himmel bedrohlich bedeckten.
Ja, natürlich hatte sie gemerkt, dass ein Krieg aufzog. Er-dessen-Name-nicht-genannt-werden-durfte war wieder da und das Ministerium hatte es endlich eingesehen. Letztes Jahr in der Mysteriumsabteilung hatten sie es alle gesehen. Der Orden versammelte sich wieder, Harry bekam Extra-Stunden bei Dumbledore, die Sicherheitsvorschriften. Natürlich hatte sie das alles verstanden, vielleicht besser, als der Rest der Schüler. Sie bemerkte die angespannten Gesichtsausdrücke der Erwachsenen, sie verstand die versteckten Hinweise im Tagespropheten.
"Natürlich habe ich es bemerkt, Sir." Mione wollte eigentlich noch mehr sagen, doch Snape hatte seinen Blick gewandt und starrte nun sie an, mit einem Blick, der Mione eine Gänsehaut über die Arme jagte. Seine Augen glühten beinahe, Mione konnte es nicht genau beschreiben, doch es wirkte wie unbändige Wut, wie Hass, Gefühle, von denen Mione hoffte, dass sie nicht ihr galten.
"Natürlich, Miss Granger. Sie sind eine aufmerksame junge Frau." Mione wartete, dass Dumbledore fortfuhr, ihr endlich eine Erklärung gab, doch er schwieg und blickte nachdenklich an ihr vorbei. Mione unterdrückte den Reflex sich umzudrehen, um zu sehen, wohin er starrte.
"Miss - darf ich Hermione sagen?"
"Natürlich, Sir", sagte Mione schnell.
"Sie möchten wissen, warum ich Sie um etwas so... fragwürdiges bitte... Sie beide", er deute auf Mione und Snape und sie versuchte angestrengt, nicht zu ihm hinüber zu sehen. "Sie beide werden in diesem Krieg mehr als nur Schachfiguren sein-"
"Sir, woher-"
"Unterbrechen Sie mich bitte nicht." Dumbledore lächelte nachsichtig, seine Stimme klang freundlich, doch Mione senkte trotzdem augenblicklich betreten den Blick.
"Verzeihung, Sir", murmelte sie leise. Snape gab ein schnaubendes Geräusch von sich, doch Mione war sich einen Moment später nicht mehr sicher, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte, denn Dumbledore ging nicht darauf ein und Snape hatte sich in seiner angespannten Position noch kein Stück gerührt.
"Wo war ich stehen geblieben?", fragte Dumbledore nachdenklich und fuhr sich mit seinen Fingern durch den Bart. "Ach ja. Sie werden in diesem Krieg mehr als Schachfiguren sein - und das weiß ich", sagte er lächelnd, während er auf Miones ungestellte Frage antwortete, "aus sicheren Quellen." Dumbledore machte eine Pause und musterte sie. "Vertrauen Sie mir, Hermione?"
Sie schluckte. Vertraute sie ihm? Nachdem er sie um so etwas gebeten hatte? Nachdem er gesagt hatte, sie solle ihren Lehrer heiraten? Einen Mann, der sie hasste, den sie hasste? Mione musste nicht überlegen. Harry vertraute ihm, sie also auch. Was hatten sie auch sonst für Möglichkeiten? Wenn sie nicht einmal Dumbledore vertrauen konnten, wem dann?
"Ja. Ja, Sir."
Diesmal schnaupte Snape deutlicher, doch Dumbledore ließ sich nicht irritieren. Er lächelte Mione an, seine Augen strahlten. "Ich fühle mich geehrt."
Mione wusste nicht, was sie daraufhin sagen sollte, sie schwieg.
"Miss Granger - Hermione, ich habe bereits gesagt, dass Sie beide in den nächsten Jahren eine wichtige Rolle spielen werden, doch Krieg... Krieg, Hermione, ist nicht schwarz und weiß. Sie beide werden Dinge tun müssen, die Sie zwischen die Seiten stellen werden, die sich Ihren Freunden und Verbündeten nicht erschließen werden. Sie werden selbst zweifeln, andere werden an Ihnen zweifeln. Es ist von essenzieller Wichtigkeit, dass Sie sich vertrauen können, dass Sie sich gegenseitig Ihrer Loyalität sicher sein können."
"Aber-?", begann Mione, "Aber... Gibt es denn keine andere Möglichkeit?" Sie hörte selbst, wie verzweifelt das klang.
Dumbledore senkte den Blick und schüttelte bedauernd den Kopf. "Nichts ist so einmalig wie das Band der Ehe, nichts hat eine vergleichbare magische Macht."
Mione öffnete ihren Mund, einmal, zweimal, doch es kam kein Ton aus ihrer Kehle. Sie könnte gehen, sie sollte gehen, Dumbledore erwartete eine Entscheidung von ihr, die ihr ganzes Leben beeinflussen würde. Eine Entscheidung, die alles verändern würde und noch schlimmer, eine Entscheidung, die wahrscheinlich den Krieg beeinflussen würde. Aber es ging immer noch um eine Ehe mit Snape. Mit Severus Snape! Ihrem Professor!
"Aber eine magische Ehe ist unumkehrbar, oder?"
Snape schnaubte wieder und zum ersten Mal hörte Mione seine ölige Stimme: "Das sollte Ihre kleinste Sorge sein, ich habe nicht vor, den Krieg zu überleben."
Sie schluckte. Ihr Blick ruhte immer noch auf dem blanken Holz des Schreibtisch, sie hatte nicht zu Snape hinübergesehen. Warum protestierte er nicht? Er hasste sie, für ihn würde es vermutlich die Hölle sein und trotzdem drehte sich dieses Gespräch nur um ihre Entscheidung. Warum hatte er schon zugestimmt?
"Sir", fragte Mione und musste sich räuspern, so kratzig klang ihre Stimme. "Sir... wie wichtig ist diese E- das, worum Sie mich gebeten haben, für den Verlauf des Krieges?"
Sie traute sich nicht aufzusehen. Die Stille dehnte sich, bis sie beinahe unaushaltbar wurde.
Dann sagte Dumbledore leise: "Entscheidend."