Stille

Stille.

Das war es, was ihm am meisten auffiel. Es war so still. Nichts regte sich ohne sein Zutun. Das war seltsam und ungewohnt. Er musste selbst etwas tun, damit es sich regte, musste selbst etwas sagen, um die Stille zu vertreiben, aber niemand reagierte, niemand antwortete.

Warum?

Es war niemand da, um zu reagieren, um zu antworten.

Niemand begann, und niemand machte weiter.

Jetzt stand er hier, und er war allein. Er wollte neben sich greifen, den festen, warmen Körper spüren, der neben ihm stand, aber da war nichts. Seine Seite fühlte sich so kalt an, etwas fehlte hier. Es war, als hätte man seinen rechten Arm abgeschlagen. Etwas wichtiges, etwas unverzichtbares, das zu ihm gehörte, fehlte.

Und jedes mal, wenn er nach dem fehlenden Stück greifen wollte, fuhr ein unerträglicher Schmerz durch ihn durch, der ihn daran erinnerte, dass er fehlte.

Er bemerkte allmählich, dass er fror. Sehr fror. Der Sommer war vorbei, und nun kroch die Kälte ins Land, um die sehnsüchtigen Herzen zu peinigen. Er sah sich um; er hatte ganz vergessen, dass er draußen stand. Deswegen war es so kalt. Wieso hatte ihn niemand daran erinnert, wieder hinein zu gehen? Wieso hatte ihn niemand in die Realität zurückgeholt?

"George? George? George, hörst du mich?"

Jemand fragte nach ihm. Wieso antwortete keiner? Er wartete, und wunderte sich, die Stimme war doch deutlich vernehmlich. Antworte doch!

Ein Hand schloss sich um seinen Arm. Ein wunderbares Hochgefühl durchströmte ihn: Er war doch da, er stand neben ihm, die Hand bewies es...

"George!"

Er erschrak. Das Hochgefühl verschwand im Nichts. Er blickte sich um. Dad stand neben ihm. Dad blickte ihn an. Blickte ihm direkt in die Augen. Und da begriff er: Man erwartete die Antwort von ihm!

"D-Dad!", stotterte er. Es fühlte sich so ungewohnt an, zu sprechen. Wieso war es so still?

"Geht's dir gut?" Sein Vater wirkte so besorgt. George war verunsichert. Wieso sieht er mich unverwandt an? Wieso sieht er mich an? Der Blick seines Vaters war ihm unangenehm und er wünschte sich, er würde woanders hinsehen. Jemand anderen ansehen. Aber hier war niemand anders.

"George?"

"Ja- mir- mir geht's gut..." Er wandte den Blick ab. Ihm fiel nur am Rande auf, wie abweisend seine Stimme geklungen hatte.

"Komm mit rein, es ist so kalt hier draußen." Er ließ sich widerstandlos wegführen, sah seinen Vater aber dennoch nicht an. Jemand müsste jetzt einen Witz machen. Das war der Moment für einen Witz. Damit löste sich Anspannung und Unwohlsein immer von selbst auf.

Wo blieb der Witz? Er bemerkte, dass er schon seit langem keinen mehr gehört hatte. Wieso? Er wartete. Wieso scherzte niemand, lachte keiner? Er erinnerte sich, wie er früher so oft von Gelächter umgeben gewesen war. Ein vages Bild stieg vor ihm auf, feuerrote Haare, Lachen, Freude, sorgloses Glück. Aus irgendeinem Grund schmerzte ihn diese Erinnerung, aber er verstand nicht wieso.

Wieso war es so still? Wo war das Lachen?