Drei grausame Morde, die er gedeckt hatte. Dreimal hatte er geschwiegen und vertuscht, statt die Täter angezeigt. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen, hiess es doch so schön. Wegen unterlassener Hilfeleistung, Mitwisserschaft und mehrfacher Beihilfe zum Mord, war er vor dem obersten Gerichtshof vorgeführt und verurteilt worden. Der einstmals edle Alec Pyrites, welcher gutbetuchte Todesser wie Malfoy unterstützt hatte, sah nachdenklich in den zerkratzten Spiegel über dem kleinen Waschbecken des Kerkers und fragte sich, was die Angehörigen der Opfer wohl fühlten. Er hatte ihnen beim Prozess nicht in die Augen sehen können. Zweieinhalb Jahre Kerkerhaft ohne Bewährung, jeden einzelnen Tag davon hatte er verdient. Gekleidet war er, wie alle Häftlinge, in ein einfaches Leinengewand und für den Gang auf die Toilette musste er jedes Mal die Wachen rufen, die ihn aus der Zelle zum Abort brachten.
Fünf Schritte mass sein Weg bis zur massiven Eisentür, dort drehte sich der Häftling um und tappte die fünf Schritte wieder zurück. Sechs Monate sass er nun schon in dem engen, dunklen Loch, getrennt von der Familie, getrennt von Freunden und allen Kontakten, die er je gehabt hatte. Einsam und ohne eine Möglichkeit sich mit jemandem zu unterhalten, verbrachte Pyrites seine Tage. Auch Freigang an die frische Luft gab es wegen Fluchtgefahr nicht. Nur der Tagesprophet wurde zweimal die Woche gebracht, sonst hatte er nichts, was Abwechslung in dem tristen Gefängnisalltag hätte bringen können. Man war eingesperrt mit den Gedanken an seine Taten und dem Bewusstsein daran nichts mehr ändern zu können. Wieder ging Pyrites fünf Schritte vor zur Tür und zurück bis an die abstossend grauschwarze Felswand. Seit seiner Inhaftierung war es ihm immer mehr zu Gewohnheit geworden, zwischen den zwingend vorgeschriebenen Ruhezeiten in seiner Zelle auf und ab zu laufen. Alec Pyrites merkte gar nicht mehr, wann der zwanghafte Bewegungsdrang von ihm Besitz ergriff und ihn stetig den gleichen Weg gehen liess. Gedankenverloren strich der ehemalige Mitläufer der Todesser über die dünne Moosschicht an der feuchten Wand und blieb einen Moment bei der Holzpritsche, die ihm als Bett diente, stehen. Das Klirren der Ketten an seinen Füssen, wenn er sich bewegte, hörte er schon gar nicht mehr. Auch mit dem schweren Gewicht der Eisen an seinen Knöcheln, hatte sich Mister Pyrites abgefunden. Noch ein paar Runden, bevor das „Abendprogramm" des ins Bett Beorderns der Häftlinge von den Wachen zelebriert wurde. Alle hatten sich dann hinzulegen, um zu schlafen. Sämtliche Zellen wurden kontrolliert, was aber mit aufsässigen Unruhestiftern geschah, wusste er nicht. Alec erinnerte sich nur an einen Vorfall ganz zu Beginn seiner Haft, als er mit den Regeln noch nicht vertraut war. Da hatten ihn die Aufseher zum Bett geschoben und auf sein Lager genötigt, was er aber nur als leichte Mahnung empfunden hatte.
Einerseits waren die Haftstrafen hier hart, doch andererseits wurde doch darauf geachtet, dass ein vorgeschriebenes Mindestmass an Betreuung zur Wahrung der Menschenrechte eingehalten wurde. Selbstverletzungen, selbst gewollter oder psychisch verursachter Schlafentzug sowie auch Hungerstreik waren Dinge, die sofort mit den entsprechenden Massnahmen angegangen wurden. Im Vergleich zu anderen Kerkern, die nicht vom Zaubereiministerium kontrolliert wurden, hatte er es hier nicht schlecht getroffen. Wenn nur die düstere Stimmung, ausgelöst durch die spärliche Beleuchtung und die quälende Einsamkeit nicht wären.
Ganz in dem Trott zwischen Tür und Wand gefangen, verpasst Alec Pyrites es beinahe, das sich im Korridor jemand mit Fackeln näherte und helles Licht durch das vergitterte Fenster seiner Zelle fiel.
Rasch holte er seinen abgewetzten Schlafanzug hervor, da knirscht auch schon der Schlüssel im Schloss und die Türe ging auf.
„Mister Pyrites, Sie brauchen Sich nicht umziehen. Kommen Sie mit, Sie werden verlegt", sprach ihn der Wachmann an und musterte Alec mit einem sonderbaren Blick.
Nervös sah dieser von den vier Wachen, welche vor seiner Zelle standen, hinunter zu den dicken Ketten. Ohne ein Wort kam der Schlüsselmeister herein und löste die Eisen von seinen Beinen. Überrascht und etwas unbeholfen folgte Häftling Pyrites seinen Begleitern, die ihn in einen anderen Trakt zu einer komfortablen Duschkabine brachten. Noch immer ganz verdutzt, gehorchte er ihrer Aufforderung und gönnte sich eine ausgiebige Dusche mit herrlich warmem Wasser und wunderbar duftender Seife. Es war aber mit den kleinen Wundern noch nicht vorbei. Vor der Dusche stand ein Hocker, auf dem saubere Unterwäsche und ein bequemer Hausanzug bereit lag. Während Alec in den flauschigen Anzug schlüpfte, überlegte er, ob er wohl seinen eigenen Geburtstag vergessen hatte. Nach Socken oder Ähnlichem suchte er vergeblich und wollte bei seinen Begleitern draussen nachfragen. Diese grinsten aber nur und wiesen den Mann an, auf einem Stuhl im Nachbarabteil Platz zu nehmen. Skeptisch musterte er die wunderlichen Wachen und ging stirnrunzelnd zu dem Stuhl, um sich zu setzen. Der inhaftierte Mann kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ein Therapeut sich seiner annahm, die schmerzenden Scheuerwunden der Ketten verarztete und seine Knöchel etwa zwei handbreit mit dicken Polsterbinden einwickelte. Darüber kamen statt Eisenringe nur reissfeste Ledermanschetten, die festgezurrt und mit einem Schloss gesichert wurden. Er kam sich vor wie ein hochdotiertes Springpferd mit Ledergamaschen. Noch hatte Mister Pyrites kein Wort gesagt, da er wegen der Behandlung schlicht sprachlos war. An den Manschetten wurde anstelle von Ketten ein leichtes Drahtseil befestigt und er bekam neben den Socken auch noch Pantoffeln zum Anziehen. In der Erwartung, nun wieder in eine Kerkerzelle gesteckt zu werden, zeigte er fragend in Richtung seines alten Verlieses. Doch die Umstehenden schüttelten den Kopf und erklärten, der Hauptspass komme erst noch. Da wurde es dem Häftling schon etwas mulmig und er fragte sich, in was für eine Abteilung sie ihn verlegten. Spass konnte alles heissen, auch dass er es vielleicht gar nicht lustig finden würde.
