Ich habe hier ein MSTing zu einem meiner eigenen Texte geschrieben. Alle fett hervorgehobenen Stellen sind Originalzitate meiner FF »Elrond Peredhel - Leben und Werk«, die auf meinem Profil zu finden ist. Viel Spaß damit!
Bruchtal glich in den letzten Wochen einer Rumpelkammer. Bilbo, der momentan mehr oder weniger Dauergast war, bekam davon zwar nichts mit, weil er ohnehin die meiste Zeit entweder schlief oder über elbische Poesie nachdachte, um auch darüber einzuschlafen. Alle anderen jedoch waren in hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Alles wollte verpackt, ordentlich verstaut und katalogisiert werden. Niemandem war etwas gelegen, wenn etwas während der Reise nach Aman verloren ging.
Im Allgemeinen war es also das reinste Chaos, in welches Bruchtal ausgebrochen war, als Elrond verkündete, er wolle in den Westen gehen, jetzt, da Sauron vernichtet und Gondor wieder einen König hatte. Und eine Königin, aber noch wollte er dem nicht allzu viele Gedanken widmen.
In dem allgemeinen Durcheinander war es aber wohl absehbar gewesen, dass das eine oder andere nicht ganz so verlief, wie es sollte. Elrond drehte sich dieser Tage permanent im Kreis und wollte seine Augen am liebsten überall haben. Viele wollten mit ihm gehen, wenn auch noch lange nicht alle. Die Zahl derer, die Mittelerde hinter sich lassen wollten, war dennoch groß, was einige nicht gerade unerhebliche, logistische Probleme mit sich brachte. Er war ganz sicher froh, wenn all das vorüber war. Manchmal war es einfach nur mühselig, der Fürst eines so namhaften Hauses zu sein.
Elrond musste am besten an jedem Ort zugleich sein. Rethtulu, sein Kammerdiener, meinte zwar, er solle sich nicht so übernehmen und lieber einige seiner Aufgaben an seine Verwalter abgeben, aber wie immer fühlte sich Elrond damit nicht allzu wohl. Er musste einfach seine Aufgaben möglichst persönlich übernehmen, damit er das Gefühl hatte, alles unter Kontrolle halten zu können. Auch wenn ihm bewusst war, dass dies nur allzu oft nicht möglich sein konnte.
Eines hatte er dabei jedoch übersehen: Ceomon, sein zweiter Kammerdiener, war in den letzten Tagen recht still gewesen. Es war vor allem Rethtulu gewesen, der um ihn herum gewesen war, obgleich dieser der stillere und unauffälligere von beiden war. Wie auch immer er das in seiner auffälligen Rüstung bewerkstelligen konnte, Elrond hatte es nach all den Jahrtausenden noch immer nicht herausgefunden. Wie dem auch sei, dass ausgerechnet Ceomon so still war, hätte ihm zu denken geben müssen, wäre er nicht so sehr mit der Organisation seines Aufbruches ausgelastet.
Wenige Wochen vor dem eigentlichen Aufbruch tauchte Ceomon wieder aus der Versenkung auf. Elrond saß zu später Stunde vor seinem Kamin, trank einen Kelch Wein und beobachtete das Feuer, als sein Freund um Einlas bat. Nichts ahnen ließ Elrond ihn freilich ein, auch wenn er über den Stapel Pergament die Stirn runzelte, die Ceomon unter den Arm geklemmt hatte.
„Was ist das?", wollte er sodann wissen.
Das Lächeln auf den Lippen des alten Noldo gab Elrond nun ernsthaft zu denken.
„Ich habe mir etwas gedacht", begann Ceomon. „Ihr wisst, mein Herr, dass Ihr großes geleistet habt für diese Welt, und Euer Name wird sicher noch lange für große Weisheit und Macht stehen. Aber die Menschen sind kurzlebig und so auch ihre Erinnerungen. Also dachte ich mir, dass ich Euch für die Nachwelt verewige." Er reichte Elrond den Pergamentstapel. „Es ist eine Biographie über Euch."
Auf dem obersten Blatt stand groß und in geschwungenen, etwas distinguierten Tengwar „Elrond Peredhel – Leben und Werk".
„Pathetischer konntest du es nicht schreiben?", kommentierte Elrond, während er den Stapel höchst kritisch musterte. Eine Biographie? Über ihn? Das war absurd und völlig übertrieben!
„Lass den Unsinn", brummte er also und rückte Ceomon die Schrift wieder in die Arme, um danach weiter an seinem Wein zu nippen. Das Prasseln des Feuers war sehr beruhigend nach so einem anstrengenden Tag.
„Das ist kein Unsinn!", protestierte Ceomon. „Ihr verkauft Euch oft genug unter Wert, aber dass ein Mitglied des Weisen Rates nicht ohne Bedeutung sein kann, müsst doch selbst Ihr einsehen." Er legte eine bettelnde Miene auf, als er Elrond das Manuskript erneut reichte.
„Dann kannst du doch auch etwa über Mithrandir oder Galadriel schreiben, immerhin gründete die Hohe Dame den Rat", kommentierte Elrond. „Oder gleich etwas zu Saruman, immerhin war er das Oberhaupt des Rates. Und außerdem insbesondere durch seinen Verrat und seine Motive für ebendiesen ein wahrscheinlich weitaus interessanteres Gebiet, um ihn zu biographieren."
„Und Ihr wohl nicht?", ließ Ceomon nicht locker. „Ihr habt das Zweite Zeitalter maßgeblich mitbestimmt. Ihr habt zahlreiche Kriege gegen Sauron geführt, nicht wenige davon siegreich. Ihr habt Bruchtal gegründet, ein Ort, der in weiten Teilen Mittelerdes als ein Haus der Erinnerungen und der Erholung aber auch als Ort der Macht bekannt ist. Hinter diesen Mauern habt Ihr mehrmals Sauron erfolgreich die Stirn geboten."
Elrond machte ein langes Gesicht. Es stimmte zwar alles, was Ceomon da völlig ohne Übertreibungen und Euphemismen anführte, aber das hieß noch lange nicht, dass er all das allen ständig unter die Nase reiben wollte. Dummerweise fühlte er sich Ceomon gegenüber noch in diesen Tagen wie der kleine Junge im Haus auf dem Amon Ereb, welcher des Nachts zu dem Noldo kam und ihn bat, die Monster unter seinem Bett zu vertreiben. Wenn sein alter Freund erst einmal hartnäckig bei etwas blieb (und das blieb er oft), kam es nur allzu häufig vor, dass Elrond einfach nicht sein sagen konnte. Schicksalsergeben seufzte er.
„Unter einer Bedingung!", mahnte er. „Ich will jedes einzelne Kapitel vorher einsehen und korrigieren. Erst dann gebe ich dir die Erlaubnis, den Text hier weiter zu verbreiten."
Ceomon strahlte über das ganze Gesicht. „Wollt Ihr gleich beginnen?", fragte er eifrig.
Wieder seufzte Elrond. Es war wohl besser, Ceomon seinen Willen zu lassen, dann hatte er es rasch hinter sich. „Wenn du willst", sagte er. „Aber ich werde heute nicht mehr alles lesen; es war ein langer Tag."
Er nahm das Manuskript wieder entgegen und besah es sich skeptisch. Dieses Gefühl, die eigene Biographie in Händen zu halten, konnte er kaum wirklich angemessen beschreiben. Es seltsam zu nennen, war noch ein sehr milder Ausdruck.
Das Vorwort beinhaltete eine kurze Einführung in die Thematik, in welcher Ceomon ein paar kurze Worte über sich verlor und dann mit allerhand Euphemismen einen Abriss zu Elronds Leben gab. Danach widmete er sich sodann Elronds frühesten Jahren, an die er sich selbst kaum noch bis gar nicht mehr erinnern konnte: Seinen ersten Jahren in Arvernien.
„Wie sieht Elwing aus?", fragte er sich leise selbst. Ein gewisser Teil in ihm sagte ihm, dass es ihn schockieren sollte, wenn er nicht einmal mehr wusste, wie seine Eltern ausgesehen hatten, der weitaus größere Teil jedoch war darüber kaum verwundert. Dann räusperte er sich und war mit seinen Gedanken wieder im Hier und Jetzt. „Warum schreibst du, dass Elwing meinen Bruder und mich liebte?", fragte er. „Das ist doch eine sehr vage Vermutung. Sie verließ uns für einen Stein, und selbst Onkel Maglor hatte eingeräumt, dass das eine Mutter nicht tun sollte. Erwähne das."
Nun war es an Ceomon zu seufzen. „Wir Ihr wünscht."
„Das war die Abmachung", erinnerte der Hausherr ihn.
Ceomon griff zu einem Notizblatt und einer Feder, die nahebei in einem Tintenfass stand, und machte sich eine entsprechende Notiz.
„Und streich das mit meiner Abstammung", fügte Elrond an. „Schon allein wegen ihrer höchst interessanten Abstammung von großen Fürsten der Edain (namentlich zu nennen sind in erster Linien Tuor und Beren), den verschiedensten Geschlechtern der Eldar und nicht zuletzt der Maiar höchstselbst, das ist völlig übertrieben!"
„Nein, natürlich nicht", hielt Ceomon dagegen. „Es ist nur ein Fakt."
„Der immer und immer wieder allen unter die Nase gerieben werden muss?", konterte der Halbelb. „Außerdem ist dieses ganze Kapitel voller Euphemismen. Earendil soll wirklich gesagt haben, dass er nach unserer Geburt für eine längere Zeit daheim bleiben wollte? Umgesetzt hat er es nie. An ihn habe ich nicht einmal den Ansatz einer blassen Erinnerung wie an Elwing. Aber … ah! Immerhin erwähnst du es doch: Earendil konnte sein Versprechen, nun für eine Weile daheim zu bleiben, kein Jahr lang durchhalten. Zumindest etwas, will ich meinen."
„Und Ihr müsst mir doch auch zugestehen, dass ich allgemein versuchte, gerade Eure Seite zu betonen", sagte Ceomon.
„Natürlich weiß man nicht, wie sich all das entwickelt hätte, wären Herr Maglor und Herr Maedhros nie in Arvernien eingefallen", las Elrond. „Ich kann nur mutmaßen und behaupten, dass Earendil auch dann seinen Söhnen nicht allzu sehr ans Herz gewachsen wäre, die Zeit wäre dafür einfach zu kurz gewesen und die Zwillinge zu jung. Ganz davon abgesehen, dass Earendil von der wenigen Zeit auch noch einen Großteil auf See verbracht auf der Suche nach einem Weg in den Westen.
Ja, das hast du wohl", räumte er dann ein. Ich störe mich daran, dass viele meinen, er hätte es vordergründig zum Schutz seiner Familie getan. Das mag sein, schlussendlich konnte er aber nur zwischen Pest und Cholera wählen. Egal, was er getan hätte, es hätte privat seiner Familie nur schaden können. Entweder hätte Morgoth uns vernichtet oder er hätte Söhne, die keine Beziehung zu ihm aufbauen konnten, weil sie nicht mit ihm aufwachsen durften. Abgesehen davon, dass Elwing uns verließ, was die ohnehin nie wirklich vorhandene Familie völlig zerrissen hatte."
Dann entdeckte er einen bestimmten Satz. „Grundgütiger!", stieß er aus. „Musst du ausgerechnet das erwähnen?! Viele Jahre später zog er Elrond immer wieder damit auf, dass er ihn schon als Säugling auf den Armen gehalten hatte, obwohl er natürlich nicht genau wissen konnte, ob dies auch wirklich stimmte. Das hatte mir Galad bis zuletzt vorgehalten."
Ceomon schmunzelte. „Ich halte das für eine ganz amüsante Anekdote", kommentierte er nur trocken. „Davon leben Biographien doch, oder?"
Elrond nahm es zähneknirschend hin. Leider hatte Ceomon Recht, und es würde der Biographie wohl ihren Sinn nehmen, würden solche Geschichten keine Erwähnung finden. Er musste an seine Biographie Gil-galads denken, die er vor einem Zeitalter schrieb. Diese quoll förmlich über mit solcherlei Geschichten aus dem Nähkästchen.
Elrond wusste, dass Onkel Maglor damals, als er seinen Bruder und ihn aufgenommen hatte, viel Kritik dafür erhalten hatte. Allzu viele Details darüber hatte er jedoch nie erfahren und auch nie in Erfahrung bringen wollen. Ebenjene nun hier zu lesen, warf ein wohl als interessant zu bezeichnendes Bild auf die damaligen Ereignisse. Auch an jene konnte er sich kaum noch erinnern, und war sich vor allem nicht bewusst, dass auch Onkel Maedhros ihnen anfangs Feind gewesen war. Er war sich nur noch des Faktes bewusst, dass er ihn als unnahbarer als Onkel Maglor empfunden hatte, sich darum aber nie geschert hatte. Die Vorstellung, dass Onkel Maedhros jemals eine Aversion gegen ihn empfunden haben könnte, verwirrte und befremdete ihn.
„Es hinterlässt ein unangenehmes Gefühl, wenn du so viel aus meiner Kindheit ausplauderst", sagte er zu Ceomon.
„Was habt Ihr erwartet? Es ist eine Biographie", konterte dieser.
„Dass du beispielsweise weniger von solch privaten Details berichtest", gab Elrond an. „Ich finde es sehr gut, dass du auch einmal ansprichst, dass weder Elwing oder gar Earendil die Heilande waren, für die sie allgemein gehalten werden. Aber im selben Atemzug von dem berichten, was Elros und ich als Kinder angestellt haben? Ich weiß nicht … Wen interessiert es, dass Elros Hauspuschen nicht ausstehen konnte, womit er in regelmäßigen Abständen sowohl Onkel Maglor als Onkel Maedhros in den Wahnsinn getrieben hatte?"
Anscheinend fast schon gegen seinen Willen musste Ceomon lachen. „Dass Ihr das Tier ausgerechnet Pieps nanntet, ist wohl wirklich eine meiner Lieblingsgeschichten aus Eurer Kindheit!"
Elrond verzog das Gesicht. „Was erwartest du? Ich war ein Kind!", protestierte er.
„Ihr seid bis heute in Eurer Namensgebung nicht besser", stichelte Ceomon mit einem Grinsen. „Bis heute heißen alle Eure Hunde Garahû, und das seit anderthalb Zeitaltern."
Zumindest erwähnte er nicht, dass bei Arwens Namen der väterliche Stolz mit Elrond durchgegangen war. Es schwang jedoch mehr als deutlich in seinen Worten mit.
„Aber ehrlich, das hier geht zu weit!", brauste er mit einem Male auf und zitierte: „Direkt darauf hatte der kleine Elros wütend und bockig mit dem Fuß aufstampfend geschimpft, dass Elrond ja gar nichts von seinem Stück abgegeben habe und er das furchtbar gemein fände. Wenn du über mich ausplauderst, kann ich das irgendwie noch tolerieren. Aber nicht, wenn du über Elros redest!"
Ceomon mimte das Unschuldslamm. „Dabei war genau das der Wendepunkt in Eurer Beziehung zum Herrn Maedhros. Es ist wichtig, dass ich das erwähne, ansonsten würde einfach etwas fehlen."
„So ein Unsinn, das wird verbrannt und dann hat es sich damit!" Elrond war schon drauf und dran, die Pergamente den Flammen zu überantworten, als Ceomon mit panischer Mine dazwischen sprang.
„Bitte nicht!", rief er flehend aus. „Der Text hat mich Wochen gekostet, bis ich ihn soweit ausformuliert hatte, dass ich ihn Euch zeigen konnte. Gebt ihm die Möglichkeit, seinen Wert zu zeigen, bitte!"
Elrond sah ihn scharf an. „Nur für dich", erinnerte er ihn und wandte seinen kritischen Blick erneut den Worten vor ihm zu. Was man nicht alles für einen sehr guten Freund tat …
„Wenigstens führst du auch Felaroth an", sagte er. „Immerhin etwas. Aber du musst viel deutlicher herausstellen, was für ein scheußlicher Elb er war! Ich sag's dir, er hat mit Absicht dafür gesorgt, dass meine Zahnschmerzen nicht weggingen! Selbst Gwailin konnte dieses Problem im Handumdrehen beseitigen, und aus meinem heutigen Wissensstand heraus kann ich dir versprechen, dass auch Felaroth die entsprechenden Kräuter gekannt hatte."
Nun schmunzelte Ceomon wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wisst Ihr, dass Ihr noch immer wie das Kind von damals klingen könnt?", meinte er keck.
Der Hausherr schnaubte nur abfällig und überging dies. „Warum behauptest du, dass Elros und ich wundervolle Sänger und Harfenisten gewesen seien und sind?", brummte er. „Streich das. Das war nur Elros. Er war besser als ich."
„Nein." Ceomon runzelte verwundert die Stirn. „Wieso sollte ich das streichen. Immerhin hat sich Celebrían doch erst in Eure Musik und dann erst in Euch verliebt. Das sagt alles, finde ich."
„Es bleibt dennoch gelogen, wenn du meinst, ich könnte in irgendeiner Weise mit meinem Bruder oder gar Onkel Maglor mithalten", blieb Elrond stur.
„Und genau das meine ich, wenn ich sage, dass Ihr Euch unter Wert verkauft", kommentierte Ceomon nur trocken.
„Und dann schreibst du das hier!", ereiferte Elrond sich aufgebracht. „Offen gesagt ist das durchaus eine Unart, aber sie ist ihm einfach nicht auszutreiben. Was soll denn das heißen?"
„Genau das, was ich Euch ohnehin schon seit Jahrtausenden vorhalte", konterte Ceomon. „Ihr seid sehr berechenbar, mein Herr. Jedenfalls in manchen Belangen. Ihr sagt immer, egal zu welchem Anlass, dass Ihr ein schlechter Musiker seid, und unterschlagt dabei, dass Ihr Gil-galads Hofmusiker seid. Wenn auch einer, der nur mit vorgehaltener Waffe etwas vor anderen Leuten spielte, was schon kurios genug ist, wie ich finde."
Elrond warf ihm einen scharfen Blick zu, musste sich aber insgeheim doch eingestehen, dass sein alter Freund Recht hatte. Außerdem war es sehr schön, auf diese Weise an seine Kindheit erinnert zu werden, auch wenn der Gedanke ihm nicht zusagte, dass alle Welt diese Zeilen lesen sollte. Es war die Zeit seines Lebens, an die er sich noch heute am liebsten zurückerinnerte. Seine schönsten und vielleicht auch wehmütigsten Erinnerungen. Das Land seiner Kindheit gab es nicht mehr, kaum etwas war noch übrig davon. Und das, was noch existierte, hatte nachhaltig sein Gesicht verändert. Die Wälder Ossiriands waren verschwunden und einer weitläufigen, aber nur spärlich bewachsenen Küstenlandschaft gewichen. Es hatte sich nie mehr von Untergang Beleriands erholt.
„Gwailin!", rief er auf einmal aus. „Du erwähnst ihn ja auch!" Und schon war er hin und weg. „Wie ich ihn als Kind geliebt habe! Er hat es weit gebracht, nun, als Schatzmeister Thranduils. Aber seine Geschichten bleiben unvergessen. Sie waren wirklich die beste Medizin gegen so gut wie alles, als ich noch ein Kind war."
Ceomon lächelte warm. „Ihr hattet ihn auch irgendwann zum Onkel erkoren", kommentierte er. „Es war immer so ungemein drollig mit anzusehen, was passierte, wenn es hieß, dass ein Tagesausflug zu Gwailin anstand."
„Du hättest dich an meiner Stelle auch gefreut", protestierte Elrond. „Gwailin war der Held meiner Kindheitstage. Nun, Held ist vielleicht übertrieben, aber du weißt, was ich meine. Seine Geschichten haben auch bei meinen Kindern Wunder gewirkt, und Estel meinte, dass er sie seinen Kindern wohl auch erzählen würde."
„Ich frage mich, was Gwailin dazu meint, wenn er erfährt, dass selbst der König von Gondor seine Geschichten weitervererbt", sinnierte Ceomon. „Früher oder später müssen wir ihn das einfach fragen, sobald sich die Gelegenheit ergibt."
„Das interessiert mich auch", fügte Elrond an. „Aber schau mal. Jetzt machst du einen Zeitsprung zu der Begebenheit hin mit den Orks. Ich war da kein Kind mehr, wie du hier schriebst."
„Doch, natürlich wart Ihr das."
„Ich war mindestens schon jugendlich!"
„Für Euer Empfinden ja, ich sehe noch immer das Kind in Euch."
„Pah!" Elrond griff zu der Feder und strich die Formulierung die kleinen Halbelben durch. „Und das bleibt so", fügte er noch an. „Außerdem war dieser Überfall der Anlass, dass Onkel Maedhros uns schließlich doch das Kämpfen beibrachte. Niemand drückt Kindern eine Waffe in die Hand, und wenn es nur ein Holzschwert ist, um damit ernsthaft das Kämpfen zu erlernen."
„Wenn Ihr das so sehen wollt …"
„Außerdem bist du jetzt bei dem Teil angelangt, bei dem selbst meine Onkel hatten einsehen müssen, dass wir langsam erwachsen wurden", setzte Elrond nach. „Sie hatten uns nicht ohne Grund neben den Schwertern, die Onkel Maedhros eigens für uns geschmiedet hatte, auch die Schwerter von Amrod und Amras gegeben."
„Das war in der Tat ein großes Zugeständnis ihrerseits", sagte Ceomon. „Ich muss ehrlich sagen, dass es mich erstaunte, dass die Herren dies getan hatten. Sie hingen vor allem nach diesem vielleicht schmerzlichsten all ihrer Verluste sehr an allem, was sie an ihre Brüder erinnerte. Vielleicht sahen sie ein bisschen etwas von Amrod und Amras in Euch und Eurem Bruder. Die Schwerter von Feanors jüngsten Zwillingssöhnen wurden an dessen von seinen Söhnen erwählte Enkel weitergegeben, ebenso Zwillinge."
„Und nun führen meine Söhne sie. Fast würde ich einen Wink des Schicksals darin sehen." Er erhob sich und legte das Manuskript zur Seite. „Aber genug für heute, es ist wirklich spät, und ich will schlafen. Morgen wird wieder nur ein langer Tag."
„Dabei kommt doch gerade jetzt mit Gil-galad der spannende Teil", erinnerte Ceomon ihn.
„Wie du da über uns lästerst, kann ich nun wirklich auch morgen lesen", brummte Elrond.
